Die Geschichte Algeriens im Sinne einer Geschichte der Gattung Homo („Mensch”) reicht etwa 1,8 Millionen Jahre zurück. Der Homo erectus („der aufgerichtete Mensch“) lässt sich für die Zeit vor 700.000 Jahren nachweisen (Homo erectus mauritanicus), wobei der anatomisch moderne Mensch spätestens vor 145.000 Jahren in Marokko nachweisbar ist. Die Jäger-und-Sammlerkulturen waren bereits vor Entstehung der lebensmittelproduzierenden Lebensweise durch zunehmende Sesshaftigkeit, Viehhaltung, dazu Fischerei, aber auch Keramik gekennzeichnet. Es entstand eine hochentwickelte Kultur von Jägern in einer trockener werdenden Umgebung.
Während im marokkanischen Rif Landbebauung jüngst für das 6. Jahrtausend nachgewiesen werden konnte, drang die produzierende Wirtschaftsweise nur langsam gegen die aneignende der Jäger, Sammler und Fischer vor. Auf die Kultur des Capsien (ab 8000 v. Chr.) gehen die Berber zurück. Spätestens um 6000 v. Chr. setzte zumindest im östlichen Maghreb ein Fernhandel mit Obsidian über das Mittelmeer ein. Im 1. Jahrtausend v. Chr. entstanden monumentale steinerne Grabhügel.
Eine breitere schriftliche Überlieferung setzt zwar erst im 2. Jahrhundert v. Chr. ein, doch prägten die Phönizier ab dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. zunehmend die Berberkulturen, wobei sich Karthago als führende Stadt durchsetzte und ab Mitte des 5. Jahrhunderts ins Umland expandierte, um im 3. Jahrhundert heute algerisches Gebiet zu erreichen. Während des Konflikts zwischen Karthago und Rom, der in drei Kriegen kulminierte, entstanden in Numidien zwei Königreiche, im Osten das der Massyler, im Westen das der Masaesyler. Unter Massinissa erreichte das vereinte Königreich seine größte Ausdehnung, wurde jedoch zugleich zu einer Art Klientelkönigtum Roms. Erbstreitigkeiten mündeten in den Jugurthinischen Krieg, in dessen Folge die Abhängigkeit von Rom drastisch zunahm, bis Rom aus dem Gebiet Provinzen machte. 40 n. Chr. wurde auch der Westteil Numidiens annektiert. Die Südgrenze wurde durch eine Kette von Befestigungen gesichert, den Limes Mauretaniae.
Die Christianisierung setzte im 2. Jahrhundert ein und wurde mit der Erhebung zur Staatsreligion (380) weitgehend durchgesetzt, doch kam es zu heftigen innerchristlichen Auseinandersetzungen vermischt mit sozialen Konflikten, die auf katholischer Seite vor allem Augustinus, der Bischof von Hippo Regius, führte. Auch einige Berbergruppen übernahmen viele Aspekte der römischen Kultur, darunter die Religion, was sich in einer nur um Tiaret im Nordwesten vorkommenden Bauwerkgruppe niederschlug, den Djedars.
435 musste Rom die Provinzen Numidiens an die Vandalen abtreten, die es bis 533/548 beherrschten, 439 eroberten sie Karthago. Als Arianer bekämpften sie die bisher dominierende Kirche, während die Berber weite Gebiete des Reiches besetzen konnten und eine eigene Stammeskultur entwickelten. Gegen Ende des Jahrhunderts beanspruchte einer von ihnen den Kaisertitel. 533 begann Ostrom das Gebiet zurückzuerobern, wobei die Berber in wechselnden Koalitionen eigenständige Herrschaftsgebiete aufbauten. Zugleich aber entstanden dauerhafte Stammeskonflikte um bestimmte Führer, unter denen Antalas und Cusina hervorragten. Dabei wurden libysche Berbergruppen, die nicht Ostrom unterstanden, in die Kämpfe hineingezogen.
Ab 664 begann die arabische Eroberung des Maghreb, 698 fiel Karthago, 701 unterlag Al-Kahina, eine bedeutende Führerin der Berber. Die Berber wehrten sich anfangs vehement, doch fanden sie schließlich in einer islamischen Rechtsschule eine Heimat, die ihnen die Gleichstellung mit den Arabern zusicherte. Diese Charidschiten begannen um 740 Aufstände, doch wurden sie von den Armeen der Umayyaden und der Abbasiden zunächst unterdrückt. Mit den Rustamiden entstand ab 772 eine erste dauerhaft unabhängige Herrschaft, die zum Zentrum der Charidschiten wurde. Bis Ende des 8. Jahrhunderts bestanden bereits drei Reiche im Maghreb. Mit den Nukkār kam es zu einer ersten Abspaltung und infolgedessen zu weiteren Verfolgungen.
Die übergreifenden Stammesgruppen der Berber waren die Zanāta, die nach Marokko zogen, die Masmuda und die Ṣanhāǧa im Mittleren Atlas und weiter im Süden, aber auch im östlichen Algerien (Kutamaberber). Sie bildeten eine wichtige Stütze für den Aufstieg der Fatimiden. Diese waren Schiiten und schalteten die Kotama aus, nachdem sie die Macht errungen hatten, verlegten jedoch ihren Reichsschwerpunkt 972 nach Ägypten. Nun machten sich Ziriden und Hammadiden unabhängig. Im Gegenzug schickten die Fatimiden mit den Banu Hillal arabische Beduinen nach Westen, die dort erhebliche Fluchtbewegungen auslösten, wie etwa von Tuareg-Gruppen nach Süden. Das Arabische, bis dahin nur von den städtischen Eliten und am Hof gesprochen, beeinflusste zunehmend die Berbersprachen. Die Islamisierung wurde verstärkt, das Christentum verschwand im 11. Jahrhundert.
Die Almoraviden stellten das zerbrochene Stammesbündnis der Sanhadscha in der westlichen Sahara wieder her und eroberten den westlichen Maghreb und damit auch den Westen Algeriens. Aber auch weite Teile Westafrikas und der iberischen Halbinsel (bis 1147) unterstanden dem fundamentalistischen Regime. Sie wurden von den Almohaden abgelöst, die den gesamten Maghreb eroberten und gleichfalls nach Andalusien vorstießen. Bis 1152 bestand in Algerien das Reich der Ḥammādiden der Sanhadscha-Berber, das im frühen 11. Jahrhundert entstanden war.
Mit dem Zusammenbruch des Almohadenreichs 1235 stritten Meriniden und Abdalwadiden um Westalgerien. Dabei mischten sich zunehmend iberische Mächte ein, sowohl muslimische als auch christliche. Mit dem Fall Granadas und der Gründung Spaniens (1492) kam eine der beiden Großmächte ins Spiel, die im 16. bis 18. Jahrhundert das westliche Mittelmeer dominierten. Die zweite Großmacht war das Osmanische Reich, das zunächst mittels Piratenflotten den Spaniern Widerstand entgegensetzte, die Stützpunkte an der Küste eroberten und Algier mehrfach angriffen. 1509 mussten die Abdalwadiden die spanische Oberhoheit anerkennen, als dessen Flotte Oran eroberte; 1543 bis 1544 war es von Spaniern besetzt. Tlemcen war währenddessen, auch weil die iberischen Juden 1492 Spanien verlassen mussten, zu einer bedeutenden jüdischen Gemeinde. 1536 bis 1587 verbündeten sich Frankreich und das Osmanenreich gegen die Habsburger, die inzwischen das römisch-deutsche Reich und Spanien gemeinsam regierten. Der Höhepunkt der Kämpfe zwischen den Großmächten wurde mit dem Waffenstillstand von 1580 und dem Frieden von 1604 zwischen Habsburgern und Osmanen überschritten.
Zwar herrschten die Osmanen formal in Algerien und die Hohe Pforte entsandte auch Schiffe und Soldaten, doch führte das Land ein ausgesprochenes Eigenleben. So blieb die Stammesstruktur erhalten, solange die Abgaben nach Istanbul flossen. Ab 1659/71 änderte sich die Herrschaft insofern, als Deys nunmehr die osmanischen Paschas ablösten. Die Deys residierten ebenfalls in Algier, regional herrschten Beys in drei Beyliks, nämlich in Constantine im Osten, Tittari mit der Hauptstadt Midya im Zentrum und Muaskar, ab 1792 Oran im Westen. Die Staatseinnahmen basierten auf Abgaben, Ausfuhrerlösen und Piraterie. Letztere hatte zur Folge, dass vor allem Algier, das im 17. Jahrhundert auf 100.000 Einwohner anwuchs, zahlreiche Angriffe erlebte. Um 1830 hatte Algerien vielleicht drei Millionen Einwohner, womit das Land weit hinter die europäischen Mächte zurückfiel. Neben Unruhen in der Hauptstadt kam es auch zu Aufständen, bei denen die Sufiorden eine wichtige Rolle spielten.
1830 begann Frankreich infolge eines eher unbedeutenden diplomatischen Geplänkels um Schulden Frankreichs beim Dey von Algier einen Eroberungskrieg. Den Widerstand führte bis 1847 Abd el-Kader. Frankreich verteilte die besten Böden nach und nach an die von ihm ins Land gerufenen Siedler.
Gegen diese Enteigungen richtete sich der Aufstand der Kabylen von 1870 bis 1871. Mit einem Gesetz zwang Frankreich die einheimische Bevölkerung, deren Zahl von 3 auf 2,1 Millionen eingebrochen war, unter eine „besondere Gerichtsbarkeit“, so dass sie in einem permanenten Ausnahmezustand lebte. Dieses war bis 1946/62 gültig. Geld- statt Naturalabgaben zwangen die Algerier zur Arbeit bei den Siedlern oder in den Städten, so dass eine Proletarisierung einsetzte. Zugleich brach das lokale Handwerk angesichts der mechanisierten und durch Gesetze geschützten europäischen Produktion zusammen. Zugleich versuchte man Bildung an die Verdrängung des Arabischen zu binden. Die Rohstoffförderung wurde von französischen Konzernen kontrolliert. Algerier begannen nun, nach Frankreich auszuwandern, um Arbeit zu finden. Währenddessen dauerte es bis 1917, bis der Süden Algeriens gleichfalls erobert war.
Im algerischen Widerstand, der schließlich im Algerienkrieg von 1954 bis 1962 kulminierte, bestand lange Uneinigkeit, ob man eine gleichberechtigte Zugehörigkeit zu Frankreich oder eine vollständige Unabhängigkeit anstreben sollte. Bei Kriegsende 1945 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die Siedler nahmen zunehmend Einfluss auf die Regierung in Paris, um ihre Position, die ihnen gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Algeriern bot, nicht aufgeben zu müssen. Von dort wuchs ab 1958 der innenpolitische Druck, die Algerier selbst entscheiden zu lassen. Der Krieg eskalierte und Terrorakte dehnten ihn nach Frankreich aus. Sowohl Algerier als auch Franzosen unterhielten Terrororganisationen. Dem Krieg fielen weit über 250.000 Menschen zum Opfer, 1,8 Millionen Algerier mussten ihre Häuser verlassen. Nach der Unabhängigkeit verließen 90 % der Siedler das Land, die letzten Armeeeinheiten gingen erst 1968. Von den Algeriern, die auf Seiten Frankreichs gekämpft hatten, wurden 30.000 bis 150.000 ermordet. Nach Protesten der Berber in der Kabylei wurde 2002 die Berbersprache zur Nationalsprache erklärt, die seit 1962 zugunsten des Arabischen verdrängt werden sollte.
1962 bis 1989 herrschte in Algerien eine sozialistische Partei allein. Die ersten freien Wahlen wurden abgebrochen, als sich ein Sieg der Islamisten abzeichnete. Von 1992 bis 2002 kam es zu einem Bürgerkrieg. 2004 fanden die ersten freien Wahlen statt, 2005 kam es zu einer Generalamnestie. Allerdings bemüht sich seit 2007 al-Qaida in Algerien Fuß zu fassen; auch schwelt der Konflikt um die ehemalige spanische Kolonie Westsahara fort.
Die ältesten menschlichen Spuren Nordafrikas fanden sich in Algerien.1 Etwa 1,78 Millionen Jahre alt sind die Artefakte von Aïn el-Hanech (in der archäologischen Literatur meist zu Ain Hanech verkürzt) im Nordosten Algeriens, etwa 12 km nordnordwestlich von El Eulma, das von 1862 bis 1962 Saint-Arnaud hieß.2
Es fanden sich Schlagsteine (cobbles), ganze Splitter (flakes), verschiedene Bruchstücke und retuschierte Werkstücke.3 Das hohe Alter der Stätte wurde zwischenzeitlich bezweifelt,4 fand aber auch jüngst Fürsprecher5. In jedem Falle ließ sich belegen, dass die Hersteller dieser Werkzeuge in einer savannenartigen Landschaft lebten, und dass Fleisch einen wichtigen Anteil an der Ernährung hatte. Neben Überresten typischer Jagdbeute wie Nashörner und Elefanten, deren Knochen Bearbeitungsspuren aufweisen, fand man vor allem solche von Equus tabeti, einer Pferdeart.6
Bereits seit geraumer Zeit wurden Grabungen durchgeführt, die an verschiedenen Stellen in Marokko und Algerien zu besonders früh datierten Funden führten; in Tunesien fand sich bisher allerdings nur ein einziges Artefakt aus der Zeit vor dem durch die Leitform des Faustkeils gekennzeichneten Acheuléen, nämlich Chopper oder Hacker.7 Dabei handelt es sich um ein Geröllgerät (engl. pebble tool) des frühen Paläolithikums, dessen Schneide durch Bearbeitung einer Kante erzeugt wurde. Chopper sind die ältesten Steingeräte der Menschheit und zugleich die ersten Kerngeräte.8 Doch erst ab den 1980er Jahren kam es zu Nachgrabungen zunächst an der marokkanischen Casablanca-Sequenz. In Marokko sind die ältesten gesicherten Funde seither ins Acheuléen zu datieren und dürften etwa eine Million Jahre alt sein.9
In Algerien musste die Datierung in die Zeit vor dem Acheuléen zwar nicht zurückgenommen werden, doch kam es neben Korrekturen der Stratigraphie und neuen Ansätzen zur Werkzeuganalyse zu einer Untersuchung des weiteren ökologischen und räumlichen Umfelds und zur Entdeckung neuer Fundstätten. Dabei ist Ain Hanech nicht der einzige Fundplatz in Algerien. In Nordalgerien sind neben Ain Hanech die Fundstätten Mansourah10 im Nordosten, Djebel Meksem11 bei Ain Hanech und Monts Tessala12 im Nordwesten bekannt. Hinzu kommen Fundstätten in der Sahara wie Aoulef13 und Reggan14 in der Mitte des Landes, dann Saoura15 im Westen und Bordj Tan Kena16 an der Grenze zu Libyen. Die Fundstätten sind in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle durch Baumaßnahmen zutage getreten, meist wurden nur die „pebble tools“ beachtet und immer wieder neu systematisiert. Vielfach fehlten wichtige stratigraphische Informationen, was zu voreiligen und sehr frühen Datierungen führte, die heute nicht mehr zu halten sind. Mindestens in einem Fall, nämlich den Funden in der Carrière-Deprez-Höhle bei Casablanca, handelte es sich sogar um Pseudoartefakte. Eine große Hürde für genauere Datierungen stellt die Tatsache dar, dass Standarddatierungsverfahren nicht angewendet werden können, etwa weil in der Region Vulkane fehlen, deren Material ansonsten die Ermittlung von Datierungsintervallen zulässt. Ein solcher tephrostratigraphischer Rahmen ermöglicht zunehmend die zeitliche Einordnung von Funden anhand datierter vulkanischer Niederschläge. So blieb zur Datierung im Maghreb meist nur, Überreste der Fauna zu analysieren, die jedoch wiederum an einigen Stätten fehlten.
Grabungen in den Jahren 1992-93 und 1998-99 führten zu dem Ergebnis, dass Ain Hanech keine einzelne Fundstätte ist, sondern dass sich auf einem Areal von etwa einem Quadratkilometer Fläche vier Stätten befinden. Diese sind neben Ain Boucherit, das etwa 200 m südöstlich von Ain Hanech westlich des namengebenden Baches Ain Boucherit liegt, die Plätze El-Kherba und El-Beidha, die 300 bzw. 800 m südlich der klassischen Fundstätten liegen. Paläomagnetische Untersuchungen ermittelten für die relevante Schicht in Ain Hanech, wo zahlreiche Artefakte an einem einstigen Bachlauf entdeckt wurden, ein Alter von 1,95 bis 1,77 Millionen Jahren. Die bis zum Jahr 2006 entdeckten Oldowan-Artefakte befinden sich in einer Schicht, in der keinerlei Spuren des Acheuléen erschienen, so dass diese Besiedlungsphase in keinem Zusammenhang mit den ältesten Funden steht. 2475 oftmals sehr kleine archäologische Fundstücke, die Bearbeitungsabfälle darstellen, dazu 1243 Knochen und 1232 Steinartefakte fanden sich in Ain Hanech. In El-Kherba fanden sich 631 Stücke, darunter 361 Knochen und 270 Steinartefakte. In fast allen Fällen sind Kalk- und Feuerstein die Ausgangsmaterialien (43 bzw. 56 %), Quarzit und Sandstein sind hingegen äußerst selten. Feuerstein, der in El-Kherba noch häufiger vorkommt, ist hier meist schwarz, gelegentlich grün. Kerne aus Feuerstein sind durchgängig kleiner als die aus Kalkstein, die Abschläge sind sehr klein, wenn auch der größte immerhin 106 mm misst. In Ain Hanech fanden sich 411 retuschierte Stücke, überwiegend an den Schmalseiten retuschierte Kratzer (50 %) und denticulates (32 %), also gezähnte Geräte, dann end-scraper, also schmale Klingen oder Abschläge mit mindestens einer konvexen Seite zum Schaben (8,5 %), und schließlich Geräte mit Einkerbungen oder Scharten (notches) (7 %); sehr selten sind Stichel17, Faustkeile wurden gar nicht gefunden. Ain Hanech repräsentiert die älteste bekannte Steinbearbeitungstechnologie (mode 1) und zählt damit als einzige Grabungsstätte Nordafrikas zum Oldowan; die Funde lagen vollkommen getrennt von denen des Acheuléen, die sich sechs Meter weiter oberhalb befanden.
Im Vergleich zu den ostafrikanischen Stätten des Oldowan sind fast alle Gerätetypen vorhanden, es fehlen hier nur Diskoide und Proto-Faustkeile. Dabei besteht große Ähnlichkeit mit den Steinwerkzeugen der weltberühmten Olduvai-Schlucht. Insgesamt könnte es sich um eine Variante der Oldowan-Industrie handeln.
An beiden algerischen Stätten fanden sich bisher schwer deutbare Überreste großer Säugetiere, wie Giraffen oder Flusspferde, die von Steinartefakten umgeben waren. Zu den seit den ersten Grabungen bekannten Tierarten kamen Neuentdeckungen, wie etwa Equus numidicus, eine Pferdeart, die als einer der Vorfahren der Zebras giilt,17f oder die endemische Riesenhirschart Megaceroides algericus, die mit dem europäischen Megaloceros giganteus verwandt zu sein scheint17g. Insgesamt stellen die Funde und die an ihnen nachweisbaren Schlag- und Schnittspuren die ältesten Belege für das Zerlegen größerer Tiere in Nordafrika dar.18
Neben den Fundstätten bei Casablanca ist Tighenif im Westen Algeriens die bedeutendste Archeuléenstätte des afrikanischen Nordwestens. Rund eine Million Jahre jünger als die genannten Spuren sind die dort entdeckten ältesten menschlichen Überreste Algeriens. Der Unterkiefer von Ternifine (heute: Tighénif) wurde 1954 in einem Steinbruch 20 km östlich von Muaskar im Nordwesten des Landes entdeckt und zunächst als Atlanthropus mauritanicus19, heute eher als Homo erectus mauritanicus oder Homo mauritanicus bezeichnet. Homo erectus mauritanicus wurde auf ein Alter von etwa 700.000 Jahren datiert. Damit handelt es sich um die ältesten menschlichen Überreste Nordwestafrikas.20 Sie bestehen aus drei Unterkiefern (Tighénif 1, 2, 3), einem Scheitelbein (Tighénif 4) und mehreren Zähnen, von denen vier wohl von einem 8 bis 10 Jahre alten Kind stammen.21 Die Fundstätte wurde bereits 1872 entdeckt; 1931 und 1954 bis 1956 fanden Grabungen statt, dann erneut durch ein französisch-algerisches Team von 1981 bis 1983.
Noch immer bestand die Fauna aus Säugetieren, wie etwa dem Afrikanischen Elefanten (Loxodonta), dem Nashorn Ceratotherium (einziger Vertreter der gleichnamigen Gattung ist heute das Breitmaulnashorn) oder verschiedenen Antilopenarten. Die Landschaft dürfte offen gewesen sein, doch bestanden ausreichend Gewässer. Einige Anzeichen deuten auf eine Abkühlung hin, die sich an der Zuwanderung von Steppenbewohnern erkennen lässt. Die Fundlage für diesen Abschnitt des Paläolithikums ist in Marokko allerdings wesentlich günstiger als in Algerien.
Das Acheuléen, dem der bedeutende Fund zuzuordnen ist, setzt vor etwa 1,75 Millionen Jahren in Ostafrika ein und wird mit dem Erscheinen des Homo erectus in Verbindung gebracht.22 Leitartefakt ist der Faustkeil. Während bis vor wenigen Jahren das Entwickelte Oldowan in zwei Phasen aufgeteilt wurde, hat sich die Zuweisung des zweiten Abschnitts dieser Phase zum Acheuléen weitgehend durchgesetzt. Die Herstellungstechnik ging von kleinen, oft rauen Kernen zu größeren über, die die Herstellung von größeren Werkzeugen gestatteten. Zugleich ging man vielleicht dazu über, die Rohstoffe nicht mehr in der Hand zu bearbeiten, sondern die voluminösen Kerne abzustellen. Neue Materialien und neue Bearbeitungstechnik erforderten größere Kraft und größere Genauigkeit sowie eine bessere Koordination.
Funde aus der marokkanischen Rhinoceros-Höhle und der Thomas-Höhle wurden auf die Zeit zwischen etwa 735.000 und 435.000 Jahren datiert. Dieser Phase wurden auch die Fundstätten Sidi Al Kadir-Hélaoui zugewiesen, ebenso wie Cap Chatelier, die Littorines- und die Bärenhöhle. In diesem Raum um Casablanca, einer großen Ebene, endet das Acheuléen mit der Fundstätte Sidi Abderrahman vor etwa 200.000 Jahren. Das späte Acheuléen ist gleichfalls in Algerien anzutreffen, so etwa am Lac Karar im Nordwesten; hier entstanden auf der Grundlage weicherer Bearbeitungsschläge lanzett- und herzförmige Faustkeile. Hinzu kommt eine besondere Form rechteckiger Faustkeile, die sogenannten Cleaver, sowie große und kleine Abschläge.
Mit Saoura und Tabelbala-Tachenghit ist das Acheuléen auch in der Sahara vertreten, die zu dieser Zeit ungleich günstigere Lebensbedingungen bot. Neben Geröllgeräten tauchen in der frühen Phase rohe trihedrons (Dreibeine), selten Faustkeile, Abschläge und Kerne auf. Länger als im Norden blieben hier die dicken und unter größerem Kraftaufwand hergestellten Faustkeile in Gebrauch. Cleaver sind aber bereits in dieser Phase zwischen 1.000.000 und 600.000 Jahren zahlreich, und die Levalloistechnik kam in Gebrauch. Danach wurden die Geräte feiner, Cleaver dominierten weiterhin, es entstand eine Tabelbala-Tachenghit-Technik, eine Vor-Levalloistechnik. Etwas weiter im Westen, in der Tarfaya-Region, fanden sich gleichfalls Hinweise auf die Levalloistechnik, doch könnte die geringe Zahl von Funden auf ein langsames Verschwinden des Acheuléen hinweisen. In Tihodaïne, nahe dem Tassili-n'Ajjer-Plateau Algeriens, befindet sich eine der seltenen Stätten, wo Tierreste mit Acheuléenartefakten auftreten.23 Ihr Alter wurde auf mindestens 250.000 Jahre bestimmt, ähnlich wie Sidi Zin in Tunesien.
Träger der nordafrikanischen Atérien-Kultur war der anatomisch moderne Mensch, wobei die Kultur möglicherweise erst im Maghreb entwickelt wurde. Nach marokkanischen Funden zu schließen geschah dies bereits vor 145.000 bis 171.000 Jahren.24
Das Atérien ist eine nicht leicht zu fassende archäologische Kultur, die vielfach als Anpassung an das Wüstenklima in einem riesigen Gebiet gilt. Zugleich schien sie lange beinahe unveränderlich zu sein. Träger dieser Kultur war der vor mehr als 200.000 Jahre in Ostafrika nachweisbare anatomisch moderne Mensch, der bald auch im Maghreb erschien, wie an mehreren Fundplätzen Marokkos belegt werden konnte.25 Damit kommt dem Atérien eine Schlüsselstellung bei der Frage der Ausbreitung des Homo sapiens in den Maghreb und (möglicherweise) nach Europa zu. Im Maghreb folgten jedenfalls auf späte Faustkeilkomplexe die Abschlagindustrien, die den südeuropäischen und vorderasiatischen stark glichen. Auch Blattspitzen, die der späteren Atérien-Tradition angehören, fanden sich.26 Die Menschen des Atérien haben wohl als erste Pfeil und Bogen benutzt.27
Die Vorstellung von einem kulturell eher gleichförmigen Gebiet zwischen Atlantik und Ägypten setzte sich zunächst durch. Dabei ist das Atérien in Nordostafrika den nubischen Kulturen ähnlicher als dem Atérien des Maghreb.28 Dieses Atérien, benannt nach der Fundstätte Bi'r al-'Atir südöstlich von Constantine, galt lange als Teil des Moustérien analog zur westeuropäischen Entwicklung. Es gilt jedoch inzwischen als spezifische archäologische Kultur des Maghreb,29 die einen sehr hohen Bearbeitungsstand ihrer Steinwerkzeuge erreichte.
Es handelte sich um eine Kultur nomadischer Wüstenjäger. Sie entwickelte einen Griff für Werkzeuge, verband also verschiedene Werkstoffe zu Kompositwerkzeugen. Leitform ist die mit einer Art Dorn ausgestattete Atérien-Spitze, die geeignet ist, in einem zweiten Werkzeugteil befestigt zu werden.30 Dabei entstanden Kompositwerkzeuge durch Schäftung.
Bereits 1886 wurde sie durch Grabungen im Eckmuhl-Steinbruch (Carrière d'Eckmuhl, ein Vorort von Oran) als eigene archäologische Kultur erkannt. Anfang der 1920er Jahre erhielt sie den Namen Atérien, viele Überlegungen wurden zu ihrer Herkunft angestellt. Zwar waren die Träger dieser Kultur moderne Menschen, doch kamen diese spätestens vor 80.000 Jahren in den Maghreb, wie der Schädel von Dar es-Soltan belegt. Lange galt die Kultur als Moustérien mit für das Atérien typischen Spitzen, 1967 klassifizierte sie Jacques Tixier anhand der Industrie des algerischen Fundorts Oued Djebhana. So wurde das Atérien als Levallois-Industrie mit laminarem oder klingenähnlichem Debris gefasst; zusammen mit End-Scrapern waren Werkzeuge mit Verjüngungen an ihrem Ende kennzeichnend.
Inzwischen können dank einer im Jahr 2000 begonnenen Grabungskampagne in Marokko die zeitlichen Grenzen des Atérien neu bestimmt werden. Die älteste bisher dieser Kultur zugewiesene Fundstätte, Ifri n'Ammar, ein in den Rif-Ausläufern an einem Verbindungsweg zur Moulouya gelegenes Abri, reicht nunmehr 145.000 Jahre zurück. Dortige Mousterien-Artefakte reichen sogar 171.000 Jahre zurück. Weitere Fundstätten erreichten ebenfalls ein Alter von mehr als 100.000 Jahren, so dass eine Besiedlung aus der östlichen Sahara inzwischen als unwahrscheinlich gilt. Im Gegenteil sind die östlichen Fundorte des Atérien erheblich jünger, wie etwa das 70.000 Jahre alte tunesische Oued el-Akarit, oder das 61.000 Jahre alte Uan Tabu in Libyen. Das gleiche gilt für das 64.000 Jahre alte Ain Zarga im libyschen Dschebel Gharbi. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten, denn in Ägyptens Kharga-Oase fand sich eine Atérienklinge, die auf über 120.000 Jahre datiert werden konnte.31
Möglicherweise kamen die ersten anatomisch modernen Menschen aber gar nicht mit der Atérienkultur in den Maghreb, sondern entwickelten sie vor Ort. Der älteste Fund menschlicher Überreste dieser Art in Marokko ist immerhin 160 bis 190.000 Jahre alt (Djebel Irhoud32) und liegt damit vor den bisherigen Grenzen des Atérien. Dort fanden sich zwar Moustérien-Artefakte, aber keine typischen Artefakte des Atérien. Die typische Schäftung könnte sich also in Europa und Nordafrika unabhängig voneinander entwickelt haben.
Möglicherweise ist im späten Atérien ein kultureller Verlust zu konstatieren, denn bisher sind keine Belege für (Körper-)Schmuck bekannt, wie er sich in der Grotte des Pigeons bei Taforalt in der Region Oujda im Osten Marokkos fand. Dort wurden 13 durchbohrte Schneckenhäuser der Art Nassarius gibbosulus entdeckt, die auf ein Alter von 82.000 Jahren datiert wurden. Die Muscheln stammen von Tieren, die vom Mittelmeer 40 km weit transportiert, mit Ocker verziert und so durchbohrt wurden, dass man sie als Kette tragen konnte. Sie gelten als ältestes symbolisches Objekt.33 Die Entstehung einer Symbolebene wird von manchen Archäologen dem modernen Menschen zugeschrieben, gleichsam als biologisch determiniertes Erbgut, während andere dieses Muster bereits bei den Neandertalern in Eurasien sehen. Neben biologischen Ansätzen werden aber auch kulturelle oder klimatische Ursachen diskutiert.34
Die Zeit von etwa 25.000 bis 6000 v. Chr. umfasst im Maghreb sowohl Jäger-und-Sammlerkulturen als auch solche des frühesten Übergangs zur sesshaften, bäuerlichen Lebensweise. In dieser Zeitspanne kam es zu drastischen Klimaveränderungen, die menschlichen Verhaltensweisen entwickelten sich keineswegs geradlinig. Wie in vielen Regionen des Mittelmeerraums ging dem Übergang zum Ackerbau eine lange Phase zunehmender Ortsgebundenheit voraus, die zwar die Voraussetzung für die Übernahme landbebauender Techniken bildete, jedoch nicht, gleichsam rückwärts, ihre Entstehung erklären kann. Diese Langzeitentwicklung wurde in jedem Falle stark von Klimaveränderungen determiniert.
Für die Erfassung dieser Änderungen, genauer gesagt der drastischen Änderungen während der letzten Kaltzeit, spielen sogenannte Heinrich-Ereignisse eine bedeutende Rolle, bei denen Sedimentlagen am Meeresboden, die vermutlich durch Gletscher eingetragen wurden, nachgewiesen werden konnten. Bei diesen Ereignissen brachen verstärkt Eisberge von den vorrückenden Gletschermassen ab und drifteten über den Nordatlantik. Diese Eisberge führten Sedimente mit sich, die durch das Schmelzen der Eisberge auf den Meeresboden sanken. In Bohrkernen, etwa aus dem Alboranmeer, die von diesen Meeresbodenarealen stammen, ließen sich innerhalb der letzten Kaltzeit sechs Einzelereignisse erkennen, die als H1 bis H6 bezeichnet werden. H1 wird auf 16.000 bis 13.000 v. Chr. datiert, sein Temperaturminimum zwischen 14.000 und 13.700 v. Chr. Dabei sind allerdings erhebliche Unsicherheiten zu berücksichtigen. So streuen die Datierungen für die Untergrenze von H1 zwischen 15.555 und 16.299 und für die Obergrenze zwischen 14.171 und 15.146 v. Chr. Die in den Bohrkernen gemessene Zeitdauer von H1 variiert von 208 bis 1370 Jahren. Die Heinrich-Ereignisse wurden mit grönländischen Bohrkernuntersuchungen korreliert. Die dort nachgewiesenen heftigen Klimaoszillationen, Dansgaard-Oeschger-Ereignisse genannt, zeigen auch das letzte Ausdehnungsmaximum der Vergletscherung an.
Diese erreichten zwar nicht die nordafrikanische Küste, doch führten kältere Nordwestwinde zu einem trockeneren Klima. Pollenuntersuchungen konnten in der Tat die Zunahme von Steppenpflanzen in der Region belegen. Der Ifrah-See im Mittleren Atlas bietet dabei Pollenfunde aus der Zeit zwischen 25.000 und 5.000 BP. Sie belegen wiederum, dass die Temperatur während des letzten glazialen Maximums (21.000 bis 19.000 BP) im Schnitt um 15 °C niedriger lag und der Niederschlag sich um 300 mm pro Jahr bewegte. In dieser Zeit verschwand selbst die Atlas-Zeder (Cedrus atlantica), wenn sich auch Eichen weiter nachweisen lassen. Ab 13.000 BP stiegen Temperatur und Niederschlag langsam an, zwischen 11.000 und 9.000 BP kam es erneut zu einer Abkühlung. Im algerischen Chataigneraie, nicht zu verwechseln mit dem französischen, ließ sich belegen, dass die Zeder mit dem starken Anstieg der Temperaturen und der Feuchtigkeit um 9000 BP stark zurückging, ein Anstieg, der sich bis etwa 6500 BP fortsetzte.
Das Ibéromaurusien, eine an der nordafrikanischen Küste und im Hinterland verbreitete Kultur, breitete sich zwischen 15.000 und 10.000 v. Chr. an der gesamten maghrebinischen Küste aus. Wichtiger Fundort ist Afalou Bou-Rhummel bei Bejaia, vor allem aber das marokkanische Ifri n'Ammar. Das Ibéromaurusien ist die älteste Stufe des maghrebinischen Epipaläolithikums; sie erstreckt sich in Algerien von 18.000 bis 8.000 v. Chr. Ihre kennzeichnenden Artefakte, mikrolithische Rückenspitzen, fanden sich zwischen Marokko und der Kyrenaika, allerdings nicht in Teilen Westlibyens. Südwärts erstreckte es sich bis weit in den Atlas, in Marokko sogar bis in die Region Agadir (Cap Rhir).35 Die lithische Industrie des Ibéromaurusien basierte auf Klingen, besonders häufig sind Rückenspitzen, die zu Kompositgeräten verarbeitet wurden, etwa paarig zu geklebten, zweischneidigen Pfeilspitzen. Der Anteil der Rückenspitzen macht regelmäßig 40 bis 80 % der Steingeräte aus.
Neben der lithischen Industrie entstand eine hochentwickelte Knochentechnologie. Die Knochen wurden zu kleinen Spitzen verarbeitet, aber auch dekoriert. Daneben wurden Muschelschalen verarbeitet, anscheinend aber nicht zu Schmuck sondern eher - auch bis über 40 km von der Küste entfernt - als Bestandteile von Wasserbehältern oder als Lebensmittelreste. In Afalou fanden sich aus Lehm geformte und bei 500 bis 800 °C gebrannte zoomorphe Figurinen (in einfacherer Form auch in Tamar Hat, einem algerischen Felsüberhang), aber auch Steinritzungen fanden sich, etwa auf Schlagsteinen (cobbles), wie etwa das Mähnenschaf von Taforalt.
Das Mähnenschaf, das zu den Ziegenartigen zählt, war eine wichtige Nahrungsgrundlage. In Tamar Hat lag sein Anteil bei 94 % der Huftierknochen, was zu Überlegungen Anlass gab, ob die Tiere nicht in Herden gehalten worden sein könnten. In jedem Falle muss es sich um eine hochgradig spezialisierte Form der Jagd gehandelt haben. Umstritten ist, ob diese Art der kontrollierten Haltung oder Jagd in Zeiten größerer Trockenheit in Übung kam, um dann bei zunehmender Feuchtigkeit wieder zugunsten früher üblicher Jagdformen aufgegeben zu werden.
In Algerien sind die Hauptfundstätten zunächst um die marokkanisch-algerische Grenze zu finden (Ifri El Baroud, Ifri n'Ammar, Kifan Bel Ghomari, Taforalt, Le Mouillah, Rachegoun), dann entlang der Küste (Rassel, Afalou, Tamar Hat, Taza), des weiteren gibt es einige wenige Stätten im Hinterland (Columnata, El Hamel, El Honçor, Dakhlat es Saâdane, Aïn Naga), schließlich an der algerisch-tunesischen Grenze (Khanguet El-Mouhaâd, Aïn Misteheiya, Relilaï, Kef Zoura D, El Mekta). Im Westen reicht es wohl bis 18.000 BP zurück, in Algerien vielleicht rund 2000 Jahre weiter, wie eine Radiokohlenstoffdatierung aus Tamar Hat belegen könnte. Die dem Ibéromaurusien vorangehenden Kulturen variieren regional, in Taforalt löst es eine Industrie ohne Abschläge (flakes) ab. Im Ibéromaurusien ließen sich Unterschiede in der Steintechnologie zwischen der Küste und dem Hinterland belegen, auch reagierten die Menschen in der Steinbearbeitungstechnologie auf verschiedene Weise auf differierende ökologische Nischen.36
Die Entstehung des Ibéromaurusien könnte mit der um 23.000 bis 20.000 BP stattfindenden Verbreitung der Rückenklingen zusammenhängen, wie sie große Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas erfasste. Ob die Ausbreitung von Ost nach West entlang der Küste erfolgte oder auf einer südlicheren Route ist unklar. Nachweisen lässt sich die Kultur bis nach 11.000 BP, wahrscheinlich sogar bis um 9500 BP.
Die ältesten Begräbnisstätten stammen aus den algerischen Fundstätten Afalou-bou-Rhummel und Columnata, sowie aus dem marokkanischen Taforalt. Anatomisch gehörten die Toten dem modernen Menschen an, waren aber robust gebaut. Sie wurden 1932 von Marcellin Boule und Henri V. Valois als „Mechta-Afalou“ eingeordnet,37 doch ist umstritten, ob es sich, wie rund ein halbes Jahrhundert lang postuliert, um eine eigene „Rasse“ handelte. Dies ist umso unwahrscheinlicher als schon die von den Autoren herangezogenen Fundstätten einerseits dem Capsien, andererseits dem Ibéromaurusien angehörten und damit zwei sehr verschiedenen Kulturen. Dieser Rasse wurden jedenfalls ohne weitere Belege die Guanchen der Kanaren zugewiesen. Solcherlei Zuordnungen geistern bis heute durch die populärwissenschaftliche Literatur. Gegen diese Einordnung spricht, dass dieser ausschließlich anhand von anatomischen Merkmalen beobachtete Typ auch in Libyen auftaucht, wo er dem östlichen Oranien zugeordnet wurde, aber auch in Fundstätten des Capsien in Tunesien und Algerien. 1955 wurde die „Mechta-Afalou-Rasse“ sogar noch in vier Untertypen differenziert, indem man nach bloßem Augenschein sortierte.38 Noch um 1970 wurden auf diese Art weitere „Rassen“ definiert. So unterschied Marie Claude Chamla „Mechtoide“ und „Mecht-Afalou“ - wobei erstere ihrer Definition gemäß graziler waren. Diesen Typ hatte man im algerischen Columnata entdeckt.39 Er wurde allerdings in Medjez II in ein und derselben Schicht mit dem anderen Typus gefunden.40
Auffällig ist die Entfernung meist gesunder Zähne, z. B. beim Schädel Hattab II (Nordmarokko, 8900 ± 1100 BP), vor allem der Schneidezähne. Da es keine sonstigen Gewaltspuren im Gesichtsbereich gibt, hatte dies wohl eher kosmetische, rituelle oder gesellschaftliche Gründe, etwa Statusgründe.41
Um 13.000 BP kamen Abfallhaufen auf, die sich ganz überwiegend aus den Schalen von Mollusken zusammensetzten. Sie fanden sich in Höhlen des westlichen Maghreb und tauchten zeitlich wenig vor den Capsienfundstätten Algeriens und Tunesiens auf, den escargotières. Ob diese Hügel Anzeichen erhöhter Ortsfestigkeit sind, ähnlich wie die wachsende Zahl an Begräbnisstätten, wird noch untersucht. Im marokkanischen Ifri n'Ammar scheint es zu Vorformen der Sesshaftigkeit gekommen zu sein, denn die räumliche Aufteilung des Abris in Werkstatt-, Lebens- und Bestattungsbereich blieb über einen langen Zeitraum erhalten.
In Ostalgerien und Tunesien folgte dem Ibéromaurusien das Capsien, das seit 1909 mit der Entdeckung der Fundstätte Mekta bei Gafsa in Südtunesien bekannt wurde.42 Es wird etwa auf die Zeit zwischen 8000 und 4000, früher auch bis 2700 v. Chr.43 datiert. Der Name der Kultur geht auf Capsa, den römischen Namen Gafsas zurück. Raymond Vaufrey schlug 1933 eine Aufteilung in typisches und oberes Capsien vor, eine Einteilung, die bis heute Gültigkeit hat.
Während in der früheren Phase große Werkzeuge vorherrschten, dominierten in der späteren Phase (geometrische) Mikrolithen. Die Grenze zwischen den beiden Phasen, die mit dem Erscheinen einer veränderten Herstellungstechnik für Klingen, der pression pour le débitage lamellaire oder pressure-flaked bladelets, zusammenfällt, könnte um 6200 cal v. Chr. liegen.44 Es folgte demnach dem typischen Capsien (ab 9400 bis 9100 BP) ein oberes Capsien (ab 8200 BP). Mit dessen neuer Technik, bei der weniger durch Schlagen als durch Druck Klingen gewonnen wurden, ist eine erhebliche Verfeinerung der Steintechnologie verbunden, sie ist aber auch Indiz für eine Veränderung der Lebensweise.
Wie sich in Hergla im Norden Tunesiens belegen ließ, waren die dortigen Jäger, Fischer und Sammler in der 1. Hälfte des 6. Jahrtausends in der Lage, neben dem vorherrschenden Kalk- und Feuerstein, Obsidian zu verarbeiten. Dieses vulkanische, glasartige Material kann nur über das Meer gekommen sein, so dass es als sicherer Beleg für Seefahrt gelten kann, die spätestens an der Wende vom 7. zum 6. Jahrtausend v. Chr. eingesetzt haben muss. Seit geraumer Zeit lässt sich die Herkunft des jeweiligen Obsidians anhand der chemischen Zusammensetzung feststellen. Im westlichen Mittelmeerraum kommen die östlichen Obsidiangebiete, wie Anatolien nicht in Frage, das karpathische Obsidian reichte westwärts nur bis zum norditalienischen Triest. Infrage kamen also nur Pantelleria, Palmarola, Lipari und Sardinien. Das Material stammte, wie Untersuchungen erwiesen, von der Insel Pantelleria, genauer gesagt vom äußersten Südende der Insel (Balata dei Turchi). Die Bearbeitung erfolgte offenbar in ähnlicher Form, wie man es von den Steingeräten gewohnt war.45
Im Gegensatz zum Ibéromaurusien, das zwar auch Abfallhügel kannte, entstanden nun solche Hügel, in denen sich organische Überreste vergleichsweise gut hielten, auch außerhalb von Höhlen. Sie sind in der Landschaft als sichtbare Hügel erkennbar. Die meisten menschlichen Überreste wurden in diesen Hügeln, den escargotières entdeckt. Die Entfernung der Schneidezähne war wesentlich seltener als zuvor, sie beschränkte sich nach dem Ibéromaurusien überwiegend auf Frauen. Dies dürfte einen Wandel in der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Eingriffs andeuten.46 In dieser Hinsicht lassen sich zudem um 9500 BP regional abweichende Praktiken feststellen.
Im nordtunesischen Hergla ließ sich auch die Herstellung von Keramik in situ nachweisen. Damit liegt die Keramik zeitlich auch hier früher als das beginnende Neolithikum, wie es im Nahen Osten und in zahlreichen anderen Gebieten bereits nachweisbar ist.47 Vorneolithische Keramik fand sich in El Mermouta und El Mirador in Nordalgerien. Ähnliches ließ sich auch für Marokko für die Zeit um 6000 v. Chr. belegen. Offenbar übernahmen die Jäger, Fischer und Sammler zwar neolithische Innovationen, blieben jedoch bei ihrem bisherigen Lebensstil. Zudem kam es zu einer Art Fernhandel oder -austausch auch über See, zu technologischen Innovationen und zu einer begrenzten Sesshaftigkeit sowie zur Bildung von Nahrungsmittelvorräten. Hinzu kommt das Auftreten von Straußeneierschalen und Perlen. In Aïn Misteheyia im Osten Algeriens konnte die Anpassungsfähigkeit dieser Gesellschaften an die klimatischen Veränderungen belegt werden.48 In Bir Hmairiya in Tunesien geschah dies etwa durch die Veränderung des Jagdspektrums, womit Gazellen und Kuhantilopen in den Vordergrund traten. In Kef el Agab und Doukanet el Khoutifa ließ sich eine Verlagerung auf die Produktion von Milch, Käse (und Wolle) nachweisen, eine pastorale Lebensweisen mit längeren Intervallen der Sesshaftigkeit ließ sich dort bereits in der 1. Hälfte des 7. Jahrtausends belegen. Der Schwerpunkt der Ernährung lag auf den Ziegenartigen.49 Möglicherweise zählen die Menschen des Capsien zu den Vorfahren der Berber.50
Im Norden Marokkos lässt sich eine bodenbearbeitende Lebensweise sehr viel früher fassen, als in Algerien. Die Getreidearten Gerste (Hordeum vulgare) und Weizen (Triticum monococcum und dicoccum, Triticum durum sowie Triticum aestivum) ließen sich in der Höhle Ifri Oudadane in Marokko nachweisen. Hinzu kamen Hülsenfrüchte wie Linsen (Lens culinaris) und Erbsen (Pisum sativum). Eine Linse konnte auf 7611 ± 37 cal BP datiert werden, womit sie die älteste domestizierte Pflanze ganz Nordafrikas ist.52
Die ältesten Felszeichnungen des Maghreb fanden sich bei Aïn Séfra und Tiout, beide im äußersten Westen Algeriens, in der Provinz Naâma. In den Berghängen des Mont Ksour bis hin nach El Bayadh fanden sich Abbildungen von Straußen, Elefanten und Menschen. Bei diesen Felsbildern unterscheidet man fünf Phasen. Von 12000 bis 8000 v. Chr.53 entstanden hauptsächlich Gravuren in der nach dem Asiatischen Wasserbüffel (Bubalus) genannten Bubalus-Phase im südlichen Oran. Dieser folgten erste Malereien (Rundkopf, 7000 bis 6000 v. Chr.), in der Rinderzeit (4000 bis 2000 v. Chr.) folgten feine Darstellungen von Rindern, anderen Haustieren und Menschen. In der Pferdezeit (2500-1500 v. Chr.) und in der Kamelzeit (ab 100 v. Chr.) folgen entsprechende Darstellungen.
Vielleicht seit dem Capsien lassen sich Kulturen von erheblicher Kontinuität nachweisen, die später als Libyer bzw. deren Vorfahren angesprochen und die lange als Berber bezeichnet wurden. Als gesichert gilt dies jedoch nicht, weshalb viele Autoren die traditionelle Bezeichnung „Libyer“ vorziehen, die allerdings schon bei den Griechen recht divergierend benutzt wurde. Aufgrund der Übernahme des lateinischen Wortes für diejenigen, die nicht Latein sprachen, nämlich barbari, die wiederum auf die nicht Arabisch sprechende Bevölkerung übertragen wurde, bezeichnete man die Region oftmals als „Berberei“. Die „Berber“ selbst bezeichnen sich als Imazighen (Singular: Amazigh).
Ab etwa 2500 v. Chr. wurde die Sahara wieder trockener, was zahlreiche Gruppen zwang, günstigere Gebiete aufzusuchen, sehr viel weitere Gebiete wurden unbewohnbar. Um 1500 v. Chr. wurde der nahöstliche Einfluss stärker, an der Straße der Garamanten fanden sich zahlreiche Felsbildstationen, die Pferde und Streitwagen darstellen.
Wie Herodot (4.191) berichtet, bemalten die Libyer die Körper ihrer Toten mit rotem Ocker. In einem Grabmal in Roknia fand man zwei Schädel aus dem 1. Jahrhundert, die mit rotem Ocker bemalt waren.
In Algerien fand man große Grabhügel (Tumuli), die, wie im nordmarokkanischen Mzora, einen Durchmesser bis 54 m hatten. Sie sind wahrscheinlich dem ersten vorchristlichen Jahrtausend zuzuweisen. Die späteren Tumuli weisen bereits phönizische Einflüsse auf, wenngleich die Hügel auf Libyer zurückgehen.
Ein als Medracen bekanntes Mausoleum stammt wohl aus dem 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. und hat einen Sockeldurchmesser von 58,9 m. Mehrere der Bauwerke aus der vorislamischen Berberzeit wurden 2002 der UNESCO als Kandidaten für das Weltkulturerbe vorgelegt.55
Schriftliche Quellen setzen erst im 2. Jahrhundert v. Chr. breiter ein. Zu dieser Zeit hatte sich die Kultur der Berber nicht nur stark regionalisiert, sondern sie stand in ständigem Austausch mit den Kulturen des Sahel, mit Ägypten und über das Mittelmeer mit Südeuropa und dem Nahen Osten. Erst in diesem Stadium der zunehmenden Sesshaftigkeit, der Entstehung von Dörfern mit großen Nekropolen und einer entsprechenden Architektur der Grabmale, der Entstehung von tribalen, später monarchischen Herrschaftstraditionen sowie der Beeinflussung durch Griechen, Phönizier sowie Römer und der Entstehung einer eigenen Schrift, erhalten wir eine, wenn auch dürre schriftliche Überlieferung.
Bei Chemtou, dem antiken Simitthus im Nordwesten Tunesiens, fanden sich Basreliefs. Möglicherweise handelte es sich bei den Darstellungen um lokale Götter, ähnlich wie bei Béja, wo die Darstellungen wohl aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammen. Während allerdings in Borj Hellal aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. noch eine Göttin im Mittelpunkt steht, rückt im vier Jahrhunderte jüngeren Beja bereits das männliche Pendant in den Mittelpunkt. Dennoch bestanden, wie römische Quellen attestieren, die dii mauri, die maurischen Götter, fort.
Neben diesen Göttern spielten in den phönizischen Gebieten Baal Hammon und Tanit die zentralen Rollen. Allerdings spielte die Göttin Tanit bei den Libyern fast keine Rolle. Der Einfluss der punischen Religion auf die Berber wurde in der Forschung früh umgedeutet. Die historische Phantasie wurde bis in unser Jahrhundert allzu oft vom Blick auf die karthagischen Menschenopfer bestimmt, die dort nicht von der Hand zu weisen sind. Doch wies nur eine Quelle auf solche Opfer auch bei den Libyern hin. Diese Mauri, Maurusii, Masylii usw. galten den Oströmern als freundlich. Für die feindlichen Berber kamen hingegen zu dieser Zeit Bezeichnungen wie Nasamon oder Marmarides in Gebrauch, Gruppen, die auf dem Gebiet des heutigen Staates Libyen lebten. Als Beleg für Menschenopfer, die es dementsprechend angeblich bis in das 6. Jahrhundert n. Chr. gegeben haben soll, taugt die vielfach zitierte Stelle bei Goripp jedoch nicht, wie jüngste Untersuchungen zeigen.56
Im späten 2. Jahrtausend v. Chr. begannen Phönizier, vor allem aus Tyros und Sidon, Siedlungen in Nordafrika zu gründen. Im heutigen Algerien entstanden infolgedessen Städte wie Hippo (Regius) (Annaba), Igilgili (Jijel, auch: Djidjelli), Iol (Caesarea Mauretaniae), Cartennae, Cirta (Constantine), Tipasa, Zucchabar. Sie suchten zunächst Stützpunkte für ihren Handel mit spanischem Silber und Zinn. Von hier ging der Impuls zur Gründung eines nordafrikanischen Phönizierreichs aus, des Reichs von Karthago. Dieses gründete wiederum neue Stützpunkte, wie Portus Magnus oder Saldae.
Während der phönizischen Gründungsphase bestanden bei den Berbern Stämme, jedoch noch keine übergreifende Herrschaft. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. entstand das Königreich Numidien im Osten und das Königreich Mauretanien, das neben dem nördlichen Marokko auch das westliche Algerien umfasste.
Um 600 v. Chr. dominierte die Handelsmetropole Karthago, die der Legende nach 814 v. Chr. gegründet worden war, die Entwicklung. Die phönizische Stadt sicherte sich ein weiträumiges Hinterland. Eine Kette von Stützpunkten reichte bis an die Atlantikküste, einige von ihnen waren Gründungen Karthagos, wie etwa Iol, Hippo Regius, Saldae (Bejaia) oder Tipasa57, vielleicht auch Tingis (Tanger). Karthago gelang es 580 v. Chr., die phönizischen Kolonien im Westen von Sizilien gegen die griechischen Kolonien auf der Insel zu verteidigen. Damit wurde die Stadt zum Bezugspunkt aller Kolonien im westlichen Mittelmeer.
Die Punier gerieten mit den griechischen Siedlern von Phokaia in Konflikt, die um 600 v. Chr. Massalia in Südfrankreich gründeten und sich um 565 auf Korsika in Alalia festsetzten.
Zusammen mit den Etruskern konnte Karthago die Griechen aus Phokaia und Marseille 540 v. Chr. vor Alalia besiegen und sie damit weitgehend vom Handel mit der iberischen Halbinsel ausschließen. Nachdem Tyros auch noch in persische Hand gefallen war, war Karthago die einzige phönizische Großmacht. Ihr Machtbereich wurde west- und südwärts ausgedehnt, auf Sizilien mischte sich Karthago immer wieder in die dortigen Konflikte ein und besaß lange Zeit Kolonien im Westen der Insel. Im 3. Jahrhundert wurde Theveste karthagisch. Aus einer Inschrift, die zur Zeit Trajans im Jahr 113 entstand und die in Mactar entdeckt wurde, kennen wir die Pagi „Thuscae et Gunzuzi“.58
Nach Süden führten Handelswege bis in die Gebiete jenseits der Sahara, die, vermutlich über Zwischenhändler, Waren an die Küste brachten. Mit der Entstehung der hellenistischen Staaten in der Nachfolge Alexanders des Großen expandierte der karthagische Handel ebenfalls ostwärts, und die dortigen Händler saßen in jeder bedeutenden griechischen Stadt.
Mit dem Römischen Reich kam es ab 264 v. Chr. zu drei Kriegen. Während des ersten Krieges mussten die Libyer die Hälfte ihrer Ernte an Karthago abgeben, wo sie schon in Friedenszeiten ein Viertel abzuliefern hatten. Als es 241 bis 237 v. Chr. zu einem schweren Aufstand, dem sogenannten Söldnerkrieg, kam, soll sich daran ein Numideraufstand angeschlossen haben.59 Auf ihren Münzen erschien auf Griechisch die Inschrift Libyer.60
Schon im 6. Jahrhundert v. Chr. herrschten in Karthago die Magoniden, doch lösten die wahrscheinlich immer aus derselben Familie gewählten Könige im 4. Jahrhundert die Sufet ab, die man als Richter bezeichnen könnte, wenn ihre Rechte auch sehr viel weiter gingen. Es wurden jeweils zwei Sufeten gewählt, die den vermögenden Klassen entstammten. Die zivilen und die militärischen Aufgaben wurden zunehmend getrennt, aus der Bürgerarmee wurde eine zu jeweiligen Anlässen angeworbene Armee, die nach Ende der Kriegshandlungen wieder entlassen wurde. Im Heer dienten spanische und numidische Truppen, erstere häufig als Reiter, letztere später ebenfalls.
Strabo gibt an, Karthago habe 700.000 Einwohner gehabt, heute nimmt man etwa 400.000 Einwohner an.61 Ihr oberster Gott war Baal Hammon, den die Römer mit Saturn gleichsetzten und dem vielleicht noch im 3. Jahrhundert v. Chr. Menschenopfer gebracht wurden. Während des 5. Jahrhunderts v. Chr. kam die Göttin Tanit zu immer höherem Ansehen. Gegen diese beiden Hauptgötter fielen Melkart aus Tyros und Eschmun, dem man mit Asklepios identifizierte, weit ab.
Karthago schloss 508 v. Chr. einen ersten Vertrag mit Rom, 348 und 279 weitere; es bestanden keinerlei Konflikte. Als sich jedoch Messina 264 v. Chr. Rom unterstellte, kam es zu einem Krieg, der bis 241 v. Chr. dauerte. Karthago musste seine Kolonien auf Sizilien abtreten, 238 fielen Sardinien und Korsika an Rom. Karthago begann nun seinerseits den Süden und Osten der iberischen Halbinsel zu erobern, dehnte seinen Einfluss an der numidischen Küste aus. Es konnte mit seinen unter anderen von Hannibal geführten Truppen während des Zweiten Punischen Krieges (218–201 v. Chr.) das Römische Reich mehrmals an den Rand einer Niederlage bringen.
1927 nahm Wickliffe Draper, der die Rassentrennung unterstützte und für die Eugenik eintrat und später gute Kontakte zu Nationalsozialisten unterhielt, an der Expedition von Kapitän M. Augiéras in die südliche Sahara teil. Zwei der Teilnehmer, Besnard und Monod, entdeckten den Mann von Asselar in Mali, von dem man glaubte, er gehöre in das Holozän oder eine jüngere, einige hielten es für das älteste Skelett eines Schwarzafrikaners. Die französische Société de Géographie zeichnete jedoch nicht die Entdecker sondern Draper dafür 1928 mit einer Medaille aus und in Großbritannien wurde er Fellow der Royal Geographical Society. Nachdem er in diese von rassistischen Urteilen geprägte Diskussion geraten war, beschäftigte sich erst in den 90er Jahren wieder O. Dutour, dann im Jahr 2008 wieder eine wissenschaftliche Publikation mit dem Fund.62 Das Skelett wurde während der Augiéras-Draper-Expedition, die von 1927 bis 1928 dauerte, 400 km nordöstlich von Timbuktu, etwa 20 km nordöstlich von In-Ourhi entdeckt. Es sollte am Institut de Paléontologie Humaine von M. Boule und H. Vallois untersucht werden. Die Ergebnisse wurden 1932 publiziert.
Menschliche Überreste wurden bei Tighennif von Arambourg (1954; 1955; 1957) entdeckt sowie in der Grotte des Littorines in Casablanca durch Biberson (1956; 1964). Ebenfalls in den 1950er Jahren entstanden drei bedeutende Synthesen, nämlich von Alimen (1955), Vaufrey (1955) und Balout (1955). Damit stand erstmals ein chronologischer Rahmen für die aufeinanderfolgenden archäologischen Kulturen zur Verfügung. Ramendo (1963) und Biberson (1967) lieferten Studien zur lithischen Industrie, Balout (1967) zu Faustkeilen (bifacials). In den 1970er Jahren kam es zu einem Stillstand, der in den 80er Jahren durch Studien an den früher ausgegrabenen Objekten, dann von bekannten Grabungsstätten wieder aufgelöst wurde. Technologische und typologische Grundlagen wurden zu Ain Hanech (Sahnouni, 1985; 1987), Tighennif (Djemmali, 1985) und Sidi Zin (Boussofara, 1985) gelegt, wobei bereits ergrabene Stätten erneut angegangen wurden, wie etwa Ain Hanech, Tighennif und die Casablanca sequence. Ain Hanech bot dabei Datierungsprobleme und warf Fragen zur Vergleichbarkeit mit den Oldowan-Werkzeugen auf (Sahnouni, 1998; Sahnouni and de Heinzelin, 1998; Sahnouni et al., 1996; 2002; 2004). Die Untersuchung von Tighennif zielte in erster Linie auf Sedimentanalysen, auf genauere Datierung und die Taphonomie der tierischen Überreste. (Denys et al., 1987; Denis Geraads et al., 1986). Casablanca fokussierte auf die Chronostratigraphie und Beschreibung der damit verbundenen Industrien (Raynal and Texier, 1989; Raynal et al., 2001; 2002). Auch wurden Vor-Acheuleenstätten wie Monts Tessala (Thomas, 1973), Bordj Tan Kena (Heddouche, 1980–1981) Acheuleenstätten wie Kef Sefiane (Amara, 1981) und die Oulad-Hamida-Höhle in Marokko (Raynal et al., 1993) ausgegraben.
Im Zusammenhang mit dem Neolithikum im Maghreb gelang erst in den letzten Jahren ein Durchbruch.
Um 450 v. Chr. begann Karthago in das Umland zu expandieren, bald reichte sein Gebiet bis an das numidische Gebirge. Es sicherte seine Erwerbungen durch eine Postenkette, die wiederum auf älteren phönizischen Städten basierte. Um 250 v. Chr. stießen die Karthager auf die Hochebene von Theveste im äußersten Osten Algeriens vor, sein Einflussbereich dürfte bis Capsa gereicht haben.
Mitten im ersten Krieg gegen Rom unternahm Hanno 247 v. Chr. eine Expedition nach Westen, die ihn bis nach Theveste führte, während Hamilkar Barkas nach Sizilien segelte. Möglicherweise fand nach dem Söldnerkrieg - er fand 241 bis 237 v. Chr. nach der Beendigung des Ersten Punischen Krieges statt - ein weiterer Numiderkrieg statt. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um die Niederschlagung derjenigen Numider, die sich dem Aufstand der Söldner angeschlossen hatten. Inwiefern dieser äußere Druck die berberischen Gruppen dazu veranlasste, eine Königsherrschaft einzurichten, ist unklar.
Gaia, der Vater Massinissas, war wohl der erste König der Massyler, des östlichsten der drei Numiderreiche. Das schmale Gebiet lag zwischen dem Gebiet Karthagos und dem der Masaesyler, wobei es um die Grenzstadt Cirta, das heutige Constantine, immer wieder zu Kämpfen zwischen den beiden Numiderreichen kam. Bei den Massylern war der Anteil der ortsfesten bäuerlichen Bevölkerung dabei erheblich höher, als weiter im Westen. Gaias Sohn Massinissa wurde in Karthago erzogen und hatte dort Zugang zu den höchsten Kreisen.63 Er wurde in der punischen Kriegstechnik geschult und verbündete sich im Kampf gegen Syphax, den König von Westnumidien, während des Zweiten Punischen Krieges mit Karthago. Er griff Syphax gemeinsam mit einem punischen Heer unter Hasdrubal an und zwang den römischen Verbündeten zum Frieden mit Karthago. 212 v. Chr. setzte er mit Hasdrubal nach Spanien über, wo er mit seinen numidischen Reitern zum Sieg über die Römer unter den Brüdern Publius Cornelius Scipio und Gnaeus Cornelius Scipio Calvus entscheidend beitrug. 213 v. Chr. hatte Syphax die Front gewechselt und sich mit den Römern verbündet, so dass die Karthager eilig aus Spanien abziehen mussten. Die Karthager suchten ihrerseits eine Annäherung an Gaia. Im Hafen von Siga begegneten sich 206 v. Chr., ohne dass die Flotten zuvor voneinander wussten, die Unterhändler der Römer und der Karthager; es kam zu einem Handgemenge, doch mussten die Feldherren Scipio und Laelius ebenso mit Syphax verhandeln, wie Hasdrubal.
Als Hasdrubal seine Tochter Sophoniba aus politischem Kalkül mit Syphax verheiratete, nämlich um ihn endlich als Verbündeten zu gewinnen, und als er ihm darüber hinaus die Nachfolge des Gaia in Aussicht stellte, wechselte Massinissa 206 v. Chr. auf die Seite Roms. Doch wurde er von Syphax geschlagen und aus Ostnumidien vertrieben. Auch war sein Erbanspruch keineswegs gesichert. Nach dem agnatischen Recht hatte Gaia nämlich seinen Bruder Oezalces als Nachfolger eingesetzt, doch starb der Greis bald. Er hatte jedoch zwei Söhne; der jüngere war minderjährig so dass Capussa den Thron bestieg. Gegen den neuen König erhob sich Mazaetulla, der einer verfeindeten Linie des Königshauses angehörte. Beim Kampf zwischen den Prätendenten kam Capussa ums Leben. Der Sieger übertrug dem minderjährigen Bruder des Toten, Lacumaces, den Thron, doch behielt Mazaetulla die wirkliche Macht als Vormund und Regent. Darüber hinaus heiratete er die Witwe des Königs Oezalces, eine Karthagerin.
Massinissa setzte nach diesen Vorgängen von Gades in Südspanien nach Numidien über, ohne zu wissen, wie er mit seinen wenigen Männern zurückkehren sollte. König Baga von Mauretanien stellte ihm nach inständigem Bitten - er wollte keineswegs in den Krieg zwischen Rom und Karthago hineingezogen werden - 4.000 Mann zur Verfügung, die ihn durch das Reich des Syphax geleiteten und sich danach zurückzogen. Massinissa setzte sich auf karthagischem Gebiet fest und führte dort einen Kleinkrieg, der für Karthago jedoch überaus verlustreich war. Mazaetulla schickte daher unter seinem Feldherrn Buscar 4000 Soldaten und 2000 Reiter aus, die so erfolgreich waren, dass Massinissa mit nur 50 Reitern entkommen konnte. Er wurde aber bei Clupa (Kelibia) erneut umzingelt und bis auf fünf Mann niedergemacht. Massinissa entkam und stürzte sich mit seinen wenigen Verbliebenen in einen Fluss. Er galt als ertrunken, zwei seiner vier Männer kamen ums Leben. Syphax war nun der Herr über beide Numiderreiche.
Doch Massinissa hatte sich in einer Höhle versteckt, wo ihn seine Männer versorgten. Als er aufbrach, um sein Reich zurückzuerobern, fand er in kurzer Zeit unter den Massylern Anhänger. Bald standen ihm wieder 6000 Fußsoldaten und 4000 Reiter zur Verfügung. Zwischen Cirta und Hippo Regius besetzte er strategisch wichtige Höhen. Doch gegen das Heer Verminas, des Sohnes des Syphax, musste Massinissa eine vernichtende Niederlage einstecken. Syphax verbündete sich 204 v. Chr. endgültig mit Karthago, wozu seine karthagische Frau Sophoniba alles in Bewegung gesetzt hatte. Doch nur im Fall eines Kriegs in Afrika war Syphax zur Unterstützung Karthagos verpflichtet, nicht für den Kampf jenseits des Mittelmeers.
Als Scipio der Ältere 204 v. Chr. in Afrika landete, kam Massinissa als beinahe mittelloser Flüchtling zum römischen Heerführer. Scipio musste, als Syphax mit einer Armee erschien, die Belagerung Karthagos abbrechen. Er ließ die in numidischen mapalia nächtigenden Gegner jedoch angreifen und ihre Hütten niederbrennen. Er selbst attackierte Hasdrubals Lager. Dabei trug Massinissa bei dem Überfall durchaus zum Sieg über Hasdrubal und Syphax bei. Zusammen mit Laelius fiel Massinissa noch im selben Jahr in das Reich des Syphax ein. Hasdrubal und Syphax, die insgesamt 30.000 Mann unter Waffen hatten, von denen 6.000 Keltiberer waren, unterlagen schließlich in der Ebene des Bagradas. Hasdrubal floh nach Karthago, Syphax nach Numidien. Der zurückgekehrte Hannibal unterlag schließlich bei Zama und musste 193 v. Chr. aus Karthago fliehen. Karthagos Gebiet wurde auf Afrika beschränkt, die Stadt musste in den nächsten 50 Jahren 10.000 Talente Silber aufbringen und an Rom abliefern, die Flotte musste bis auf 10 Schiffe ausgeliefert werden. Offiziell wurde Karthago zur Verbündeten erklärt, als Rom gegen Makedonien und gegen die Seleukiden Krieg führte. Dazu lieferte die Stadt sogar Getreide und stellte sechs ihrer zehn Schiffe. Für Numidien war neben dieser Machtbeschränkung die wichtigste Vertragsklausel, dass Karthago ohne römische Zustimmung keinen Krieg mehr führen durfte.
Scipio überließ Massinissa wohl ein Drittel des römischen Heeres, um seinen Erbanspruch gegen Syphax durchzusetzen. Dieser ließ die römischen Truppen zurück, um Cirta zu nehmen, das sich aber erst ergab, nachdem Syphax als Gefangener vorgeführt worden war. Sophoniba, die ebenfalls in Massinissas Gefangenschaft geriet, versuchte er vor der Forderung Scipios zu schützen, indem er sie sogleich heiratete. Sie war ihm schon als Kind im Jahr 213 v. Chr. versprochen worden. Sie selbst hatte bei der Auslieferungsforderung gegenüber Massinissa damit argumentiert, dass Numider und Karthager doch Afrikaner seien, was sie gegen die römischen Eindringlinge verbinden sollte. Scipio erkannte nach Befragung des Syphax, der alle Schuld auf Sophoniba abwälzte, gleichfalls, dass die Karthagerin eine unversöhnliche Feindin Roms war. Als Scipio ihre Auslieferung verlangte, reichte Massinissa ihr selbst den Giftbecher. Rom erkannte Massinissa als König von Numidien an. Als Belohnung für die geleisteten Dienste erhielt er das Reich des Syphax. Das Tal des Bagradas musste Karthago wieder abtreten, jeder Widerstand gegen seine Forderungen wurde von Rom mit einer Wiedereröffnung des Krieges bedroht. Hauptstadt Numidiens wurde Cirta..
Scipio machte Massinissa trotz aller Geschenke klar, dass sein Königtum ein Geschenk des römischen Volkes war. Das galt erst recht für das westliche Numidien, das Massinissa erst erobern musste. Die Massyler hingegen sahen in ihm den rechtmäßigen König. Der römische Senat erkannte die Abmachungen zwischen Scipio und Massinissa an.
Massinissa schaffte zunächst die agnatische Thronfolge ab, um seinen Söhnen den Thron zu sichern. Wie schon Vermina vor ihm ließ er Münzen mit seinem Bildnis prägen, nach hellenistischem Vorbild trug er ein Diadem und sorgte dafür, dass der älteste Sohn zum Thronfolger bestimmt wurde. Gerade im Westen, wo Vermina auf unbekannte Weise verschwand, waren die Herrschaftsmöglichkeiten jedoch sehr beschränkt. Noch gegen Ende seiner Regierungszeit sah er sich dort dem Aufstand eines Enkels des Syphax namens Arcobarzanes gegenüber. Zunächst jedoch stieß Massinissa zwischen 200 und 193 v. Chr. nach Westen gegen Vermina vor, während sich Baga weiterhin neutral hielt. 195 oder 193 v. Chr. überfiel Massinissa, der das von seinem Vater Gaia besessene Gebiet zurückforderte, karthagische Orte. 182 v. Chr. kam es erneut zu einem Expansionsversuch, wieder gingen Gesandte beider Parteien nach Rom. Massinissa musste die 70 Städte, die er laut Beschwerde der Karthager erobert hatte, wieder herausgeben, besetzte sie jedoch wenige Jahre später erneut. Sehr viel später gelang ihm 161 v. Chr. die Besetzung der Stadt Lepcis, des späteren Leptis Magna. 154 und 153 kam es erneut zu Konflikten.
151 v. Chr. wurde die Partei Massinissas aus Karthago vertrieben. Das Heer Hasdrubals wurde jedoch von Massinissa besiegt. Der Feldherr musste zusichern, auf alles strittige Gebiet zu verzichten und 5000 Talente Silber zu zahlen. Der Rest seines Heeres wurde entwaffnet und musste ohne Waffen abziehen, wurde aber unterwegs von Gulussa, dem Sohn Massinissas, überfallen und niedergemacht. Massinissa unterstützte die Römer, die die Stadt 146 v. Chr. zerstörten, nur widerwillig gegen Karthago. Er starb gleich zu Beginn des Kriegs 149 v. Chr. im Alter von 90 Jahren. Sein Reich wurde auf seinen Wunsch durch Scipio den Jüngeren unter die Königssöhne Micipsa (bis 118 v. Chr.), Gulussa und Mastanabal aufgeteilt.
Für die weitere Entwicklung spielte zunächst Micipsa eine wichtige Rolle, der seine beiden Brüder überlebte und nach dreißigjähriger Herrschaft 118 v. Chr. starb. Doch sein Bruder Mastanabal hatte zwei Söhne, die für die dynastische Entwicklung eine noch wichtigere Rolle spielten, nämlich Jugurtha, der 118/112 bis 105 und Gauda, der 105 bis 88 v. Chr. König von Numidien war.
Nach Micipsas Tod sollten zunächst seine Söhne Adherbal und Hiempsal sowie sein Neffe Jugurtha, den er adoptiert hatte, seine Nachfolger werden und Numidien in drei Herrschaftsgebiete teilen. Jugurtha stammte, im Gegensatz zu seinen Halbbrüdern Adherbal und Hiempsal, nicht von Micipsas Lieblingsfrau ab, was ihn vom rechtmäßigen Anspruch auf den Thron ausschloss. Micipsa sah sich dazu veranlasst, ihn nach Spanien zu schicken, wo er bei der Belagerung von Numantia an der Seite seines späteren Gegners Marius half.
Als Micipsa 118 v. Chr. starb, brach der erwartete Thronerbenstreit aus. Bei Verhandlungen ließ Jugurtha Hiempsal ermorden, doch Adherbal konnte fliehen. 116 v. Chr. stimmte Rom einer Teilung Numidiens zwischen Jugurtha und Adherbal zu, nachdem Jugurtha die richtigen Männer in Rom bestochen hatte. 112 griff Jugurtha die Hauptstadt Cirta an und ließ Adherbal zusammen mit der gesamten männlichen Bevölkerung der Stadt hinrichten. Dabei kamen auch römische Händler ums Leben, wodurch der Senat zum Eingreifen gezwungen wurde.
Doch auch die militärischen Operationen, die in den Jugurthinischen Krieg übergingen, wurden nur halbherzig geführt, denn Jugurtha hatte einen Teil der römischen Oberschicht in der Hand. 111 v. Chr. ging Konsul Lucius Calpurnius Bestia nach Numidien, doch schloss er einen für Jugurtha vorteilhaften Frieden. Daraufhin lud der Volkstribun Gaius Memmius Jugurtha nach Rom, wo er vor einer Volksversammlung Rechenschaft darüber ablegen sollte, ob er sich die vorteilhaften Bedingungen nicht erkauft hatte. Dass diese Anhörung nicht vor dem Senat, sondern vor einer Volksversammlung stattfinden sollte, war ein Bruch mit der außenpolitischen Tradition Roms und zudem ein Indikator für die politischen Spannungen. Jugurtha kam zwar nach Rom, doch verzichtete die Versammlung auf ein Veto eines Volkstribunen auf dessen Befragung. Als Jugurtha von Rom aus auch noch einen möglichen Rivalen in Numidien ermorden ließ, musste er aus Rom fliehen. Nach seiner Rückkehr nach Numidien soll Jugurtha den Satz gesprochen haben, dass alles und jeder in Rom käuflich sei.
Anfang 109 v. Chr. musste Rom in Numidien eine schwerwiegende Niederlage hinnehmen, als Aulus Postumius mit seinem Heer zur Kapitulation gezwungen wurde. Jugurtha forderte einen äußerst großzügigen Vertrag mit Rom als Friedensbedingung, in dem er zum foedus (Bundesgenossen) gemacht worden wäre, was seine usurpierte Macht nach außen absichern sollte. Doch der Vertrag wurde vom Senat nicht anerkannt. Ein neuer Befehlshaber sollte den Krieg beenden. Gaius Marius war ein erfahrener Offizier, der spätestens bei seinen Kriegszügen in Iberien einen enormen Wohlstand erworben hatte. 107 v. Chr. wurde er zum Konsul gewählt und mit der Niederschlagung des Jugurtha-Aufstandes beauftragt. Marius reformierte zuerst das Heereswesen. Marius' neu formiertes Heer konnte den Numider mehrfach besiegen, so dass Jugurtha nach Mauretanien fliehen musste. Einer von Marius' Unterfeldherren namens Sulla, erreichte in Verhandlungen die Auslieferung Jugurthas von dessen Schwiegervater Bocchus von Mauretanien. Jugurtha wurde in Rom im Tullianum hingerichtet. Sein Reich erbten Gauda, ein Halbbruder Jugurthas, und Bocchus von Mauretanien.
Auf Gauda folgte sein Sohn Hiempsal II., zu dem Marius vor Sulla floh. Doch dort wurde er gefangengesetzt und konnte sich nur mit Hilfe der Königstochter befreien. Die marianische Partei unter Gnaeus Domitius Ahenobarbus erhob einen Numider namens Hiarbas gegen Hiempsal, der 81 v. Chr. gestürzt wurde. Daraufhin segelte Gnaeus Pompeius nach Africa um den König wieder einzusetzen. Nach Sallust (Jugurtha, 17) war der König Verfasser einer numidischen Geschichte in punischer Sprache.
Juba, ein Sohn Hiempsals II. regierte um 60 v. Chr. bis 46 v. Chr. das Königreich Numidien. Bei Ausbruch des römischen Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius verbündete sich Juba mit letzterem. Er vernichtete 49 v. Chr. das Heer des für Caesar kämpfenden Gaius Scribonius Curio. Doch drei Jahre später wurde er mit den Anhängern des inzwischen toten Pompeius in der Schlacht bei Thapsus geschlagen. Juba floh Richtung Numidien, jedoch verweigerte ihm seine Hauptstadt Cirta den Zutritt. In auswegloser Situation vereinbarte der König mit seinem Begleiter Marcus Petreius einen Zweikampf, in dem beide den Tod fanden.
Bocchus I., der sich bis 108 v. Chr. neutral gehalten hatte, hatte zwar danach Jugurtha, der ihm ein Drittel seines Reiches zugesagt hatte unterstützt, doch 105 v. Chr. hatte er ihn an die Römer ausgeliefert. Diese erkannten ihn nun als Freund des römischen Volkes an. Nach seinem Tod im Jahr 80 v. Chr. folgten ihm seine Söhne Bocchus II. und Bogudes. Nach dem Tod des letzteren wurde das geteilte Mauretanien, deren Westteil Bogudes regiert hatte, wieder vereinigt. Doch mit dem Tod Bochus' II. fiel Mauretanien 33 v. Chr. an Rom.
Nach dem Sieg Caesars über die Pompeianer und damit über Juba I. wurde das Reich der Massylier aufgeteilt und es entstanden riesige Staatsgüter. Der östliche Teil Ostmassyliens wurde zu einem Teil der von Caesar neu geschaffenen Provinz Africa nova. Der westliche Teil Ostmassyliens, also die Gegend um Cirta, ging an den Abenteurer Publius Sittius, der das Land an seine Soldaten verteilte und eine römische Kolonie einrichtete, die Colonia Cirta Sittianorum. Bocchus II. von Mauretanien, ein Freund des Sittius und ebenfalls Verbündeter Caesars im Krieg gegen Juba, erhielt Westmassylien und Ostmassylien, also die Gegend um Sitifis.
Das Königreich Mauretanien wurde 33 v. Chr. von König Bocchus II. testamentarisch an Rom vermacht. Augustus setzte Juba II. 25 v. Chr. als Herrscher über diesen römischen Klientelstaat ein. 23 n. Chr. folgte ihm sein Sohn Ptolemaeus auf den Thron. Er schlug den gegen Rom gerichteten Aufstand des Tacfarinas nieder.
Dieser Aufstand unter Führung eines in römischen Diensten ausgebildeten maurischen Soldaten, der von 17 bis 24 andauerte, konnte trotz Niederlagen gegen die Legio III Augusta und ihre Hilfstruppen unter Marcus Furius Camillus, dem Prokonsul von Africa (17/18) und gegen Lucius Apronius Caesianus, den Sohn des nachfolgenden Prokonsuls Lucius Apronius (18–21), lange nicht niedergeschlagen werden.64 Tacfarinas forderte Land und drohte mit einer endlosen Fortsetzung der Kämpfe. Kurzzeitig konnte Quintus Iunius Blaesus, Prokonsul 21–23, im Jahr 22 die Erhebung eindämmen, wozu er die Legio III Augusta und die Legio VIIII Hispana aus Pannonien an der Donau herbeiorderte. Doch erst mit dem Tod des Tacfarinas der im Jahr 24 im Kampf gegen Publius Cornelius Dolabella und den mit ihm verbündeten Ptolemaeus von Mauretanien bei der Festung von Auzia (Sour El-Ghozlane, 100 km südöstlich von Algier) starb, endete der Aufstand.
Anlässlich des Besuches von Ptolemaeus in Rom ließ Kaiser Caligula ihn 40 n. Chr. ermorden. Er annektierte das führerlose Reich, der Widerstand gegen die Okkupation wurde noch im selben Jahr niedergeschlagen. Claudius teilte das Gebiet des ehemaligen Königreichs auf die Provinzen Mauretania Caesariensis mit der Hauptstadt Caesarea (Cherchell), das als Iol bererits seit 25 v. Chr. numidische Hauptstadt, ab 40 Kolonie war) und Mauretania Tingitana mit der Hauptstadt Volubilis, später Tingis (Tanger) auf.
Mit dem Limes Mauretaniae wurde ein Versuch unternommen, die Südgrenze Mauretaniens und Numidiens langfristig zu sichern, ähnlich wie an anderen Grenzen des Reiches auch. Der Limes der beiden mauretanischen Provinzen war jedoch schon wegen der gewaltigen Grenzlänge, die vom Atlantik bis zur Ostgrenze der Provinz Caesariensis reichte, nicht als durchgehender befestigter Grenzwall denkbar. Stattdessen wurden vorrangig Sperranlagen (clausurae) in den Tälern des Atlas sowie Gräben (fossata), Wälle, aber auch eine Reihe von Wachttürmen und Kastellen errichtet. Die Anlagen waren durch ein nach strategischen Gesichtspunkten angelegtes Straßennetz verbunden. Je nach Art der Zusammenarbeit mit den Einzelstämmen konnte man auch auf Sicherungen verzichten oder diese ausdünnen. Der Grenzausbau in Mauretanien wurde mit Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. intensiviert und dehnte die Grenzen bis zum 3. Jahrhundert weiter nach Süden aus.
Nördlich des Schott el Hodna, eines Salzsees im Bereich des zentralalgerischen Monts du Hodna, gab es eine Reihe von clausurae, die aus auf den Hängen errichteten Wallanlagen, Lehmziegelmauern oder Wall- und Grabensystemen bis zu einer Länge von 60 km bestanden und so die Taldurchgänge verengten. Das Gebiet der Provinz Mauretania Caesariensis wurde durch eine am etwa 700 km langen Cheliff entlanglaufende Befestigungslinie gesichert, die aus einer Reihe von unter Hadrian erbauten, etwa 30 bis 50 km voneinander entfernten Kastellen bestand. Im Nordwesten der Provinz fällt das Rifgebirge steil ins Meer ab und unterbricht so den Landweg zwischen den Provinzen. Die Severer ließen in der westlichen Caesariensis eine Reihe von Kastellen bauen. Das letzte Kastell dieser Reihe war Numerus Syrorum (Maghnia), das im äußersten Westen der Provinz vor den Tlemcen-Bergen lag. Die hadrianische Kastellkette am Fluss Cheliff diente nun als zusätzliche Sperr- und Auffanglinie. Ähnliche Sicherungswerke entstanden in der westlich gelegenen Provinz Mauretania Tingitana.
Die wichtigste Stadt im römischen Numidien war neben dem Municipium Lambaesis, das unter Septimius Severus Hauptstadt der Provinz Numidia und unter Philippus Arabs Kolonie wurde,65 die Kolonie Thamugadi. Im Gegensatz zu Lambaesis entstand Thamugadi als Neugründung an bis dahin unbewohnter Stelle. Von Bedeutung war darüber hinaus die alte Hauptstadt des Syphax, Cirta, das zur Kolonie wurde, zu deren Territorium etwa das 15 km entfernte Tiddis gehörte.66
240 wurde Sabinianus67 in Karthago zum Kaiser ausgerufen; seine Güter lagen in der Nähe von Thysdrus und sein Vater war durch die Olivenölausfuhr nach Italien zu Vermögen gekommen.68 Die Usurpation wurde aber durch den Statthalter von Mauretanien noch im selben Jahr niedergeschlagen.
Die römische Religion kam vor allem in Form der Trias Jupiter, Juno und Minerva nach Nordafrika. Auch Mars spielte als Kriegsgott in bestimmten Milieus eine wichtige Rolle, hinzu kam seit Augustus der Kaiserkult. Neben der offiziellen Religion bestanden alte Götter fort, die nur die neuen Namen erhielten. Die römischen Götter ihrerseits wurden in der neuen Umgebung abgewandelt. Saturn und Baal, Caelestis und Tanit konnten so ineinander übergehen.
Nach heutigen Maßstäben war der römische Staat überaus „schlank“, geradezu minimalistisch. Er delegierte, sieht man von der Armee und der obersten Rechtsprechung ab, alle staatlichen Aufgaben an die etwa 2500 über das ganze Reich verstreuten Städte. Polizeiaufgaben, Straßenunterhalt, Befestigungsanlagen, vor allem aber das Einziehen der Steuern lag bei den Stadtversammlungen. Daneben traten nur noch Handelsvereinigungen auf, die collegia und corpora. So entschieden in jeder Stadt vielleicht 30 bis 100 Männer, curiales, darüber, wie die Lasten auf mindestens je einige Tausend Bürger verteilt wurden, und welchen Anteil sie selbst von den Rechten und Geldmitteln erhielten. Nicht Geld war die Grundlage von Macht und Einfluss, sondern der städtische Einfluss mit seinen Rechten und Privilegien war die Grundlage, um vermögend zu werden.
Dabei blieben in Mactar, der einstigen numidischen Hauptstadt, punische Titel für die Honoratioren bis ins 2. Jahrhundert in Gebrauch. Diese Sprache wurde vielleicht sogar bis ins 4. Jahrhundert gebraucht. Die Gesamtzahl der Kurialen im westlichen Reich mag bei 65.000 gelegen haben; im Osten, der viel stärker urbanisiert war, dürfte ihre Zahl noch höher gewesen sein.69 Diese kuriale Klasse ballte sich dementsprechend dort, wo die meisten Städte bestanden, also um Rom und in Mittelitalien, in Südspanien, auf Sizilien, um Karthago. Schon etwas weniger dicht war das städtische Netz an der Mittelmeerküste Galliens, dann der Norden und der Süden Italiens, Dalmatien, weite Gebiete Iberiens, sowie Numidiens Norden, in einem Raum von vielleicht bis 100 km von der Küste entfernt.
In diesen Gebieten lebte nicht nur der überwiegende Teil der Bevölkerung, sondern auch der frühen Christen. Fast alle Autoren, die in den Auseinandersetzungen zwischen Paganen und Christen eine Rolle spielten, entstammten kurialen Familien. Ein ländliches Christentum erscheint in den Quellen erst im 4. und 5. Jahrhundert, dann aber vor allem im Osten Algeriens, um Hippo Regius. Diese Fixierung auf Stadt und Kurialenklasse brachte in den Auseinandersetzungen Debatten um Armut und Reichtum zutage, die 90 % der Bevölkerung gar nicht betrafen, denn sie hatten weder an der Macht noch am Vermögen der Kurialen Anteil. Die entsprechenden Schriften richteten sich dementsprechend an die eigene, politisch abgeschlossene Klasse.
Dabei blieb Nordafrika von Bürgerkriegen und Invasionen lange weitgehend verschont, so dass sich die ungewöhnliche Prosperität des 2. Jahrhunderts bis weit in das 4. Jahrhundert fortsetzte. Während in den gefährdeten Gebieten einschließlich Roms der Bau von Theatern, Bädern und Arenen zugunsten von Stadtmauern und sonstigen Wehranlagen zurücktreten musste, war dies in Nordafrika sehr viel weniger ausgeprägt und trat sehr viel später auf. Im 3. Jahrhundert wurde die Steuerlast auf alle Provinzen ausgedehnt und mit zunehmender Konsequenz und Härte wurden die Abgaben eingetrieben.
Die Krise des 4. und 5. Jahrhunderts, die Westrom nicht überstand, hatte eine andere Natur. 80 % der Bevölkerung arbeiteten in der Landwirtschaft und trugen vielleicht 60 % zum Gesamtprodukt des Reiches bei, so sehr diese Angaben auch Näherungswerte sein mögen. Dabei reichte die Erntezeit vom Frühjahr im Süden bis zum Spätsommer im Norden. Im Mittelmeerraum kamen ab dem Spätherbst Olivenöl und Wein hinzu. Außer in Ägypten schwankten dabei die Erntemengen so stark, dass man geradezu von schockartigen Sprüngen sprechen kann. Dementsprechend waren einem Kaiser die Götter geneigt, wenn die Ernte gut ausfiel. So glaubte Maximinus Daia, die Götter stimmten seiner Verfolgung der Christen in Tyros zu, denn das alles entscheidende Wetter war überaus günstig.70 Im Süden Spaniens forderten Christen, die mittels Ritualen ihren Gott günstig stimmen wollten, dass man die Juden nicht auf die Felder lasse, denn sie verdürben die Wirkung der Rituale. Im tunesischen Oued Siliane wurden die Götter auf einem Stein angerufen, sie vor den Plagen zu schützen, vor Sturm und Heuschrecken, Hagel und Schimmel, solange der Stein stehen würde.
Den Bauern blieb nach Abzug aller Abgaben vielleicht ein Drittel der Ernte, und, was noch schwerer wog, er hatte praktisch keinerlei Puffer gegen die Unbilden des Wetters und der schlechten Ernten. Dabei zogen die Landbesitzer selbst, die domini, nur selten selbst ihre Abgaben ein. Sie hatten ihre Landverwalter vor Ort, die, wie die Kurialen in den Städten, Eintreiber waren, die die lokalen Konflikte aber auch aushalten mussten. Sie schotteten die Domini davon ab, bis diese kaum mehr eingriffen, zumal sie für die Landleute unerreichbar waren. So erwähnte Augustinus in einem Brief, dass eine Nonne, die Wolle einkaufen wollte, vergewaltigt worden sei, doch konnte er gegen den Täter selbst als Bischof von Hippo nichts unternehmen.71
Dabei bot zugleich der Wirtschaftsraum des Reiches den Vermögenden ganz andere Möglichkeiten. Sie konnten sich umfangreich bevorraten und damit günstigere Verkaufszeiten abwarten, also höhere Preise, wie sie vor der neuen Ernte auftraten, und sie konnten vor allem größere Distanzen überwinden, um Städte und Armeen zu versorgen. Die Bauern waren hingegen auf die lokalen Märkte mit ihren extremen Preisschwankungen angewiesen. So profitierten die Vermögenden alljährlich von regionalen und zeitlichen Preisschwankungen. Dabei waren die größten Kornhändler die Kaiser selbst. Mit dem Goldsolidus wurde die Grenzlinie zwischen der Ökonomie der Vermögenden und des Restes der Gesellschaft, der auf Bronze- und Silbermünzen angewiesen war, ständig sichtbar. Die Abschottung der gesellschaftlichen Schichten wurde auch hierin selbst für römische Verhältnisse überaus scharf spürbar und damit konfliktreich. Zudem musste dieser Reichtum zur Schau gestellt werden, um die Zugehörigkeit glaubhaft zu machen. Die reichsten römischen Senatoren verfügten über mehr Einnahmen als ganze Provinzen. Um 405 verfügte die junge Erbin Melania die Jüngere über Einnahmen von 120.000 Goldsolidi im Jahr, was 1.660 Pfund Gold entsprach.
Unterhalb dieser kleinen Gruppe, die über geradezu spektakulär großes Landeigentum und Vermögen verfügte, bestand in den Provinzen eine Gruppe lokaler Grundbesitzer, die über Villae verfügten. Ihnen ebneten die Kaiser seit Konstantin den Weg in den römischen Senat. Damit kam ihnen mehr Macht und damit, nach dem römischen Prinzip, auch sehr viel größeres Vermögen zu. Sie bildeten eine Art vermittelnder Schicht, deren Angehörigen der Titel vir clarissimus bzw. femina clarissima zustand, und die vielfach aus etablieren Provinzialenfamilien kamen.
Mit diesem Senatorenrang kehrten vielleicht 2000 Männer in ihre Provinzen zurück. Doch einige Familien hatten diesen „nachkonstantinischen Goldrausch“ verpasst und fürchteten ihren Abstieg. Dies zeigt das sogenannte Album von Timgad aus den Jahren 367 bis 368. An der Spitze dieser Liste der Honoratioren standen zehn viri clarissimi, von denen mindestens die Hälfte aus der Region stammte. Dann kamen 30 principales, die führenden Männer der Stadt, schließlich kamen etwa 150 Dekurionen oder Kurialen hinzu. Sie waren es, die den gesellschaftlichen Abstieg fürchteten, den Fall in die große Gruppe derjenigen, die auch vor Folter und Peitsche nicht mehr sicher waren.
Von dieser Gruppe, die die 10.000 Einwohner der Stadt zum Teil seit 200 Jahren beherrschte, standen nun 70 Angehörige in kaiserlichen Diensten, nicht mehr in städtischen. Sie arbeiteten als Beamte in Timgad und in ganz Nordafrika. Somit war die Gruppe seit dem Goldzeitalter Konstantins gespalten. Die Grenzlinie innerhalb der Führungsgruppe bildete der Staatsdienst mit seinen Privilegien, alle, die nicht in kaiserlichen Diensten standen, und die damit lokal gebunden waren, drohte der Abstieg.
Wollte man diesen vermeiden, bedurfte es des Ehrgeizes. Dazu stand vor allem das System der Patronage zur Verfügung, des Aufstiegs durch Vermittlung einflussreicher Menschen. Der in seiner Heimatstadt Thagaste verschuldete Augustinus, der spätere Bischof von Hippo, wurde durch einen Patron von dieser Schuld befreit, ja, er wurde von den üblichen Kurialenpflichten befreit. Dies eröffnete ihm alle Aufstiegsmöglichkeiten.
Die klassisch-römische Gesellschaft war bereits im 2. Jahrhundert, mehr jedoch noch während der Reichskrise starken Veränderungen unterworfen. 212 erhielten alle Städte des Reiches mindestens den Rang eines municipiums, was allerdings erhebliche finanzielle Lasten mit sich brachte. Jeder männliche Bewohner zwischen 14 und 60 hatte eine jährliche Abgabe zu entrichten. Die kleine Gruppe der römischen Bürger war hiervon allerdings befreit, die oberen Klassen (metropolites) zahlten eine verminderte Abgabe.
Kaiserliche Gesetze schufen, vermutlich auf Initiative der großen Landbesitzer, die Voraussetzungen, um beinahe unbeschränkte Verfügungs- und Polizeigewalt an lokale Herren abzutreten, deren wachsende Wirtschaftseinheiten sich dadurch gegenüber staatlichem Einfluss zunehmend abriegelten. Die Landbevölkerung wurde zunächst gezwungen, das Land zu bebauen und Abgaben (tributum) zu entrichten. War bis ins 5. Jahrhundert vielfach die bodenbearbeitende Bevölkerung an ihr Land gebunden, während ihr Besitz ihrem Herrn gehörte, so konnten andere nach drei Jahrzehnten in diesem Rechtszustand ihren mobilen Besitz, bzw. ihr Vermögen in eigenen Besitz nehmen. Unter Kaiser Justinian I. wurde nicht mehr zwischen freien und unfreien Kolonen unterschieden. Kolone und Unfreier wurden nun identisch gebraucht, um Ackerbauer zu beschreiben, die an die Scholle gebunden waren und kein freies Eigentum mehr besaßen.
Seit Konstantin dem Großen durften die Herren flüchtige Kolonen, die vor weniger als dreißig Jahren verschwunden waren, in Ketten legen.72 Seit 365 war es den Kolonen verboten, über ihren eigentlichen Besitz zu verfügen, wohl in erster Linie Arbeitsgeräte.73 Seit 371 durften die Herren die Abgaben der Kolonen selbst eintreiben. Schließlich verloren die Ackerbauer 396 das Recht, ihren Herrn zu verklagen.74
Im Gegensatz zur Kirche der Jahre zwischen 370 und 430, die durch herausragende Männer wie Ambrosius von Mailand gekennzeichnet ist, war die Situation zwischen 312 und 370 eine andere. Zwar bildete der Klerus eine eigene Klasse, die, wie alle Priester der diversen Religionen von öffentlichen Diensten und persönlicher Besteuerung befreit war, doch die Kaiser verweigerten den Kirchenmännern den Zugang zu den oberen Klassen der Gesellschaft. Zudem erzeugte dies bei den Kurialen, die nicht von Abgaben befreit waren, Widerstand, denn je mehr Mitglieder einer Gemeinde von Abgaben befreit wurden, desto höher wurde die Belastung der übrigen, weil die Abgaben der Stadt auf alle Kurialen umgelegt wurden. Daher suchte man ständig nach vermögenden Angehörigen der plebs, die man per Aufstieg zu Aufgaben und Abgaben heranziehen konnte.
Die Gemeinde dieser Kleriker des 4. Jahrhunderts setzte sich zudem keineswegs, wie lange geglaubt, aus den Armen und Marginalisierten der Gesellschaft zusammen. Jüngere Forschungen, wie die von Jean-Michel Carrié zeigen, dass die Angehörigen der Gemeinden Handwerker und Beamte, Künstler und Händler waren. Sie selbst bezeichneten sich gelegentlich als „mediocres“, die weder reich noch arm waren.
Daher war operatio, den Armen Almosen geben, nicht nur eine wichtige Aufgabe sondern die Lebenskraft (vigor) der Kirche, wie Bischof Cyprian von Karthago schrieb, ebenso wie die Finanzierung von Kirchenbauten. Ersteres war vor allem in Zeiten der Verfolgung wichtig, für die Gefangenen und die Flüchtlinge. Dies galt jedoch nur für Christen, so dass sich in der Gemeinde erhebliche Geldbeträge sammelten. Daher konnte Cyprian zur Befreiung einiger Gemeindemitglieder, die in berberische Hände gefallen waren, 100.000 Sesterzen aufbieten.75 Es waren dies und die Versorgung von Armen, die der Kirche staatliche Privilegien einbrachten. In einem Privileg von 329 wird explizit erläutert, dass der Klerus für die Armen da sein sollte, während die Vermögenden, zu denen der Klerus nicht gehörte, ihren Aufgaben nachgehen sollten. Ammianus Marcellinus erwartete vom Klerus verecundas, das Wissen um den richtigen Platz in der Gesellschaft. Doch führende Mitglieder der Gesellschaft, die zu Christen wurden, konnten, unter Verdrängung langjähriger Mitstreiter der Gemeinde, bald in einem Zug aufsteigen, statt über lange Ausbildungs- und Erfahrungszeiten. Ambrosius von Mailand konnte so unmittelbar zum Bischof werden. Doch in der afrikanischen Kirche stieß diese Art des Aufstiegs aus der Oberschicht ohne Umweg über gemeindliche Verdienste in ein hohes Kirchenamt auf erheblichen Widerstand.
Die christliche Gruppierung, die von ihren Gegnern als „Donatisten“ bezeichnet wurde, ging auf Donatus von Karthago († 355) zurück.76 Er war von 315 bis 355 Primas der Gruppe. Als die römische Kirche die unter dem Druck der Verfolgungen unter Kaiser Diokletian Abgefallenen wieder aufnahm, trennten sich die Donatisten, die die Wiederaufnahme ablehnten oder zumindest eine erneute Taufe verlangten, von der Rom nahestehenden Kirche.
Eine Gruppierung der Donatisten, die Agonistiker, die Augustinus von Hippo abfällig als „Circumcelliones“ bezeichnete, verband religiösen mit sozialem Protest und versuchte bis in das 7. Jahrhundert mit Gewalt ihre Vorstellungen von Gleichheit durchzusetzen, wie es bis heute vielfach heißt. Auslöser dieser Zuspitzung war ein Kolonenaufstand im Jahr 320. Durch den Konflikt mit den Donatisten wurde Augustinus, der 395 bis 430 Bischof von Hippo war, zur führenden Figur der africanischen Kirche. Zur Verfolgung und Bekehrung der Donatisten bediente er sich, entsprechend der Vorstellungen, die er zur Rolle der Kirche mitgebracht hatte, staatlicher Gewalt.
Die Entstehung einer zweiten, vom Staat nicht anerkannten afrikanischen Kirche hatte jedoch nicht nur theologische sondern auch soziale Gründe. So kann man sie geradezu als soziale Bewegung fassen.77 Im südlichen Numidien, dort wo Gruppen von Erntearbeitern versuchten, ihre Schulden loszuwerden, kam es in den 340er Jahren zu Unruhen. Zwei ansonsten unbekannte Männer namens Axido und Fasir wurden zu Führern dieser christlichen „Führer der Heiligen“. Ihre Agonistiker kämpften um Erlass der Schulden, die durch schlechte Ernten von Jahr zu Jahr immer weiter anzusteigen drohten. Nur von ihren Gegnern wurden sie „Circumcellionen“ genannt, aber auch „Donatisten“. Diese Gegner waren Anhänger der staatlich privilegierten Kirche, die sich selbst als rechtgläubig oder katholisch bezeichnete, ebenso wie die Anhänger des Donatus.
„Circumcellionen“ leitet sich von circum und cellae ab, also etwa von „um die Schreine der Heiligen“, also an den Orten, wo sie sich nach dieser Klischeevorstellung regelmäßig aufhielten, weil sich dort die Getreidespeicher befanden.78 Sie lebten asketisch und wanderten in Gruppen von Schrein zu Schrein, hassten Ungerechtigkeit und suchten die Märtyrerschaft. Letzteres konnte auch durch Selbstmord geschehen, indem sie sich von einer Klippe stürzten oder sich ertränkten. Gefürchtet waren sie beim Klerus und bei den großen Landbesitzern deshalb, weil diese Agonistiker sie immer wieder überfielen. Sie wurden oftmals als eine Art militanter Flügel der donatistischen Kirche beschrieben, der seine Wurzeln abseits der Städte im ländlichen Numidien hatte.
Doch die Vorstellung von ihnen wurde stark von externen Quellen bestimmt, die wenig von der afrikanischen Realität zur Kenntnis nahmen. Filastrius, der erste von außerhalb Afrikas, der über sie Aussagen traf, führte sie in einer endlosen Liste von Häretikern als Nummer 85 auf. Seiner Beschreibung nach überfielen sie beliebige Opfer um Märtyrer zu werden, so dass der Eindruck entsteht, es handle sich um eine Gruppe von Verrückten. Immerhin wusste er, dass inzwischen Donatus von seinem Nachfolger Parmenian (seit Anfang der 360er Jahre) abgelöst worden war.
Die zweitälteste externe Quelle ist der sogenannte Pseudo-Hieronymus79 oder indiculus de haeresibus, also ebenfalls eine Liste der Häresien. Sie entstand wohl zwischen 390 und 420 und führt als 32. Häresie die „Donatiani“ auf, dann die „Circumcelliones“, die erstmals unter dieser Bezeichnung in einer externen Quelle erscheinen, und die stadtrömischen „Montanenses“, die auch schon Filastrius nannte. Ihre Selbstmorde werden ebenfalls genannt, diesmal kommen aber Schwert und Feuer hinzu, darüber hinaus wird ihr Verhalten als „insania“ und „dementia“ bezeichnet. Entscheidend neben dieser Einordnung als Verrückte ist jedoch, dass sie hier erstmals als eine Art Untergruppe der Donatisten bezeichnet wurden. Hingegen wurden die stadtrömischen Häretiker nunmehr durch Einfügung einer weiteren Häretikergruppe, der Novatianer (Nummer 34) von den afrikanischen Häretikern getrennt.
Der Liber de haeresibus, den Augustinus autorisierte, stammte von einem Quodvultdeus, der sich jedoch nicht in der Lage sah, die notwendigen Übersetzungen aus dem Griechischen durchzuführen. Dies übernahm zögerlich Augustinus selbst, der es aus verschiedenen Werken kompilierte, darunter die oben genannten. Bei der Platzierung der Donatisten und Cicumcellionen folgte er Filastrius und Pseudo-Hieronymus. Allerdings erscheint bei ihm erstmals „Donatistae“ statt des bisher gebräuchlichen „Donatiani“, und vor allem tilgt er jeden Hinweis auf die Suche nach Märtyrerschaft. Doch dies blieb angesichts der seit Jahrzehnten verwurzelten Vorstellung von der Sekte ohne Folgen.80
Zu diesen Vorstellungen gesellte sich hingegen in einer süditalienischen Quelle aus der Mitte des 5. Jahrhunderts ein Vergleich mit dem mönchischen Leben, das gerade in Süditalien Wurzeln geschlagen hatte. Doch waren diese „Mönche“ wild und außer Kontrolle geraten, und vor allem häretisch. Selbst bei Cassiodor taucht diese Analogie noch auf. Darüber hinaus zwangen sie nicht nur, wie Augustinus geschrieben hatte, andere Menschen durch Gewalt, sich ihrer Sekte anzuschließen, sondern nun zwangen sie andere, sich ihrem Selbstmordkult anzuschließen. Bei Isidor von Sevilla, der in seinem Werk De ecclesiasticis officiis vagierende Mönche aufführt, erscheinen die „circelliones“ als die Nummer 5, wobei drei gute und drei schlechte Mönchstypen aufgeführt sind. Isidor hängt den „circelliones“ noch weitere, ungute Eigenschaften an, die die Ursache ihrer Betrügereien und Gewalttätigkeit waren. In Isidors eigenem Liber de haeresibus verschwindet endgültig die Überlieferung, die Häretiker hätten sich zu Tode gestürzt - es bleiben nur noch Schwert und Feuer.81 Isidors spätere Autorität sorgte dafür, dass diese Vorstellungen immer weiter kolportiert wurden.
Erstmals im Jahr 180 wurden Leute hingerichtet, weil sie den Kaiserkult verweigerten. Diese Bewohner von Scilli, eines kleinen Dorfes bei Karthago, gelten als erste christliche Märtyrer Africas. In den langen Zeiten relativen Friedens zwischen 210 bis 250 und 260 bis 303 etablierte sich ein weniger drastischer Glaube, dem schon Cyprian, 246 bis 256 Bischof von Karthago, die klerikale Autorität vor derjenigen von Märtyrern und Bekennern voranstellte. Cyprian selbst wurde am 14. September 258 hingerichtet. Diese Doppelrolle des Bischofs und des Märtyrers prägte die afrikanische Kirche. Nach den schweren Verfolgungen der Jahre 303 bis 305 kam es zum Streit um Bischof Caecilian im Jahr 311. Seine Gegner waren eine Gruppe numidischer Bischöfe unter Führung des Secundus von Tigisis, die eine Kirche der Märtyrer propagierte, die damit dem Staat, der Caecilian unterstützte, ablehnend gegenüber stand. Dies hatte in Afrika Tradition, wie etwa bei Tertullian. Ab 313 führte diese Gruppe Bischof Donatus von Casae Nigrae, einer Siedlung am Rande der Sahara. Sie konnte sich letztlich durchsetzen, trotz aller Versuche Kaiser Constans, zwischen 347 und 362 die Vereinigung der zerstrittenen Kirchen durchzusetzen.
Im Jahr 346 hatte Donatus, Bischof von Karthago, die in anderen Provinzen gängigen Veränderungen der Kirche durch kaiserliche Eingriffe scharf abgewiesen. Wie immer waren kaiserliche Beamte mit Gold für die Armen gekommen, was einer Bereicherung der Gemeinden und ihrer Führer gleichkam. Doch Donatus fragte: „Quid imperatori cum ecclesia?“ (Was hat der Kaiser mit der Kirche zu tun?) und wies das Geld von sich. Der gleichnamige Donatus von Bagai im Süden, genau dort, wo es in den 340er Jahren zu Unruhen gekommen war, legte in dieser offenbar bereits sehr zugespitzten Situation bereits Vorräte an, was man für Kriegsvorbereitungen hielt.
Neben sozialen Spannungen, die mit dem Kolonat in Zusammenhang standen, spielte der Märtyrerkult bei den Auseinandersetzung eine Rolle, der sich in zahlreichen Reliquientranslationen und entsprechenden Kirchenbauten der konkurrierenden Gemeinden niederschlug. Dabei war etwa die Region von Timgad mit einer großen Zahl von Kirchenbauten ausgestattet, von denen eine einzige Felduntersuchung 73 Stätten allein in Zentralnumidien zutage förderte. Manche Siedlungen hatten drei, vier, sogar sieben Kirchen. Die große Basilika der Heiligen Crispina in Theveste ragte hierbei heraus. In Nordafrika entstand zudem etwas, was im übrigen Reich die Ausnahme war, ein landgebundener Episkopat, der auf dem Streit der christlichen Kirchen, aber auch auf regionalem und lokalem Stolz basierte. Niemand von außen durfte den Gemeinden hineinregieren.
Augustinus, der sich auf das Gebiet zwischen Hippo und Karthago konzentrierte, und dessen Erfahrungen und Freundeskreis, darunter der Bischof von Karthago, aus Rom stammten, scheint diese Sonderentwicklungen kaum bemerkt zu haben. So verstand er auch nicht, dass Antoninus, einer seiner Mönche, den er in einem Hügeldorf, dem castellum Fussala, als Bischof einsetzte, keineswegs zum Tyrannen, wie er glaubte, mutiert war. Fussala hatte nur nach dort üblicher Tradition einen ausgedehnten Bischofspalast errichten lasen, er hatte sich mit den lokalen Honoratioren verbunden und sogar das Privileg erhalten, bis nach Italien reisen zu dürfen, um Gefangene aus den Händen des Comes von Africa zu befreien. Damit hatte er in den Augen des Augustinus vergessen, wo er hingehörte.
Nach 410 wandte sich die Familie des Petronius Probus, die einflussreichen Anicier, einem britischen Mönch namens Pelagius zu. Dieser lehrte, dass die menschliche Natur – von Gott stammend – auch göttlich sei und dass der sterbliche Wille fähig sei, ohne göttlichen Beistand zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Adams Sünde sei zwar ein schlechtes Beispiel für seine Nachkommen gewesen, habe aber nicht die Konsequenzen gezeitigt, die der Erbsünde zugerechnet wurden. Die Gnade Gottes wurde daher im Vergleich zu anderen theologischen Schulen nur zweitrangig und gegenüber dem freien Willen des Menschen nur als Ergänzung angesehen. Jesus Christus habe der Menschheit ein gutes Beispiel gegeben und sei damit Adams schlechtem entgegengetreten. Caelestius, ein Gefährte des Pelagius, verfasste Sechs Sätze und Pelagius seine Schrift De Natura (Über die Natur). Weil diese Lehre die Freiheit des menschlichen Willens und darin eingeschlossen die Möglichkeit eines sittlich-vollkommenen Lebens mit der Erbsündenlehre des Augustinus kollidierte und damit auch die Notwendigkeit der Säuglingstaufe bestritt, ließ Augustinus Pelagius und Caelestius 411 von einer Synode in Karthago als Häretiker verurteilen. Als Augustinus erfuhr, dass Pelagius im Osten versuchte, wieder in die Kirche aufgenommen zu werden, wandte er sich 415 an Hieronymus, um durch dessen Unterstützung eine Verurteilung der Lehre auch im Osten zu erreichen. Trotz Hieronymus’ Bemühungen rehabilitierte eine Synode unter Vorsitz des Bischofs von Jerusalem Pelagius und Caelestius. Augustinus sorgte dafür, dass zwei nordafrikanische Regionalsynoden nochmals die Lehren verurteilten. Nach der Verurteilung des Pelagianismus durch Papst Zosimus widmete sich Augustinus 418 erneut der pelagianischen Lehre von Sünde und Gnade und verfasste die Schrift De gratia Christi et de peccato originali. Sein bedeutendster Gegenspieler in dieser Auseinandersetzung war Bischof Julianus von Eclanum, der sich geweigert hatte, die von Papst Zosimus gegen Pelagius verfasste Epistola Tractatoria zu unterzeichnen, und deswegen abgesetzt wurde. Die Lehre wurde auf dem Konzil von Ephesos im Jahre 431 endgültig als Häresie verurteilt.
Trotz der Niederlagen der Donatisten und Pelagianer blieb der Märtyrerkult in der afrikanischen Kirche überaus mächtig. Das gilt auch für die byzantinische Epoche, als zahlreiche Reliquien nach Afrika kamen. Selbst in dem kleinen Dorf Henchir Akhrib im Südwesten Numidiens, das zum Bistum Nicivibus (Nigaous) unter Bischof Columbus gehörte, fanden sich zwei große Reliquiare. Über die Niederlegung von Reliquien wurde genau buchgeführt; so deponierte der Presbyter Floridus die Reliquien des Julian von Antiochia am 11. September 543.82
Archäologisch ist die afrikanische Kirche mit all ihren Gruppen inzwischen besser zu fassen. Eine Besonderheit bildet eine Gruppe von Bauwerken im Nordwesten Algeriens.
Mit dem archäologischen Begriff „djedar“ bezeichnet nämlich die französische Archäologie dreizehn Grabmäler etwa 30 km südlich von Tiaret mit christlicher Ikonographie. Drei von ihnen fanden sich auf dem Jabal Lakhdar, zehn am Jabal Arawi, 6 km weiter südlich. Es bestehen große Ähnlichkeiten mit den älteren, kleineren bazinas der Berber, so dass die größeren Bauwerke trotz christlicher Ikonographie und der Verwendung römischer Bautechniken auf berberische Traditionen zurückgehen. Ob die Dynasten der Region selbst Christen waren, oder nur ihre Untertanen, ist unklar. In den großen Djedars, die bis zu 46 m Seitenlänge aufweisen und ursprünglich bis zu etwa 13 m hoch waren, fanden sich Grabkammern. Die Grabkomplexe waren von niedrigen Mauern umgeben. Die wenigen lateinischen Inschriften sind bis auf wenige Worte unlesbar. Der größte Djedar enthält Inschriften auf wiederverwerteten Grabsteinen und von anderen Bauwerken, die von 202/03 bis 494 reichen. Die drei Djedars am Lakhdar sind vermutlich die ältesten, von ihnen ist wiederum Djedar A, der größte unter ihnen, der älteste (4. Jahrhundert). Anhand der Handwerkermarken lässt sich erkennen, dass Djedar B wenig später von derselben Handwerkergruppe errichtet wurde. Überreste eines Sarges aus diesem Bauwerk konnten auf 410 ± 50 datiert werden. Die größere Gruppe, aus der ein Fund aus Djedar F auf das Jahr 494 datiert werden konnte, stammt vermutlich aus dem 6. oder 7. Jahrhundert. Zuweisungen zu einigen der wenigen bekannten Berberkönige und -kaiser aus dieser Zeit sind bisher spekulativ geblieben.84
Donatisten unterstützten gelegentlich aufständische Berber, wie etwa Firmus oder 396 seinen Bruder Gildon.85 370 oder 372 bis 375 rebellierte der mauretanische Fürstensohn Firmus, gegen den der römische Statthalter von Africa intrigiert hatte. Gegen ihn schickte Kaiser Valentinian seinen Feldherrn Flavius Theodosius, den Vater des späteren Kaisers Theodosius I. Er lehnte die von Firmus angebotene Unterwerfung ab. Nach der militärischen Niederlage nahm sich Firmus das Leben.
Im Zuge der Völkerwanderung setzten 429 vielleicht 50.000 (Prokop) oder 80.00086 Vandalen und Alanen unter der Führung Geiserichs von Südspanien nach Afrika über. Dies entsprach einer Streitmacht von etwa 10.000 bis 15.000 Mann.87 Einige Berberstämme unterstützten sie, ebenso wie Anhänger des Donatismus, die sich Schutz vor der Verfolgung durch die römische Staatskirche erhofften. 435 schloss Rom mit den Vandalen einen Vertrag, worin sie die beiden Provinzen Mauretania Tingitana und Mauretania Caesariensis sowie Numidien erhielten.88
Am 19. Oktober 439 eroberten sie unter Bruch des Vertrags Karthago, wobei ihnen die dort stationierte Flotte in die Hände fiel. 442 musste Valentinian III. die geschaffenen Tatsachen anerkennen. Mit Hilfe der Flotte gelang den Vandalen die Eroberung Sardiniens, Korsikas und der Balearen. Sie plünderten im Jahr 455 Rom.
Die Vandalen hingen dem Arianismus an, einer Glaubensrichtung, die auf dem Ersten Konzil von Nicäa zur Häresie erklärt worden war. Besitz der katholischen Kirche wurde in ihrem Machtbereich beschlagnahmt. Dabei schottete sich die verhältnismäßig kleine Eroberergruppe von den provinzialrömischen Untertanen ab. Die an den Boden gebundenen Kolonen dürften dabei nur die Herren ausgewechselt haben; die kaiserlichen Güter wurden wohl einfach in königliche Güter verwandelt und dienten der herrschenden Dynastie.89
Erst die Ermordung Kaiser Valentinians im Jahr 455 zerstörte Geiserichs dynastische Pläne einer Verheiratung seines Sohnes Hunerich mit Eudocia, einer Prinzessin aus kaiserlichem Hause. Beim Angriff auf Rom griff er erstmals auf Mauren zurück, also Berber. Eudocia wurde mit Hunerich verheiratet.90 Nun wurde zwar auch Cirta Teil des Vandalenreichs, doch zugleich wurden die gewissermaßen herrenlos gewordenen römischen Gebiete zu eigenen Kleinstaaten, die in wechselnden Koalitionen das Vandalenreich bedrängten. Auf dem Gebiet Algeriens geschah dies (von West nach Ost) vor allem um Altava, Ouarsenis, Hodna, im Aurés, um Nememcha und Capsa.91 Viele Berber wiederum ließen sich für die Flottenunternehmungen im westlichen Mittelmeer anwerben.
Nach Versuchen Roms, das Vandalenreich zu erobern, plünderten diese 462, 463 und 465 Sizilien, wobei sie 465 eine Niederlage erlitten. Dem Sieger Marcellinus gelang es 466, den Vandalen Sardinien zu entreißen, doch wurde er kaltgestellt. Ein weiterer großangelegter Versuch, diesmal west- und oströmischer Truppen, Africa zurückzuerobern, scheiterte 468, ein abermaliger im Jahr 470 – möglicherweise auf dem Landweg über Tripolitanien. 472 ging für wenige Monate die Kaiserkrone an Hunerichs Schwager Olybrius, so dass Sizilien an das Vandalenreich fiel. 474 garantierte Konstantinopel König Geiserich den Besitz Africas und der Inseln, nachdem es zu wechselvollen Kämpfen um einige der westgriechischen Inseln und zu einem Überfall auf Nikopolis in Epirus gekommen war.
Nach Geiserichs Tod folgte ihm 477 sein ältester Sohn Hunerich nach; er bekämpfte die katholische Kirche verstärkt und griff zum Mittel der Zwangstaufe. Anscheinend widersetzten sich die Reichsvölker der Alanen und Vandalen seiner Nachfolge, so dass er versuchte, die Provinzialrömer auf seine Seite zu ziehen. Doch die katholische Kirche lehnte eine von Rom unabhängige Kirche, der die Kommunikation mit den römischen Zentralen untersagt war, ab, so dass sich Hunerich gegen sie wandte.92 Zunächst schlug Hunerich die innergermanische Opposition nieder, wozu auch der Patriarch von Karthago Iucundus zählte. In zwei Edikten schloss Hunerich alle katholischen Kirchen und forderte den Übertritt zum Arianismus, ähnlich wie es frühere kaiserliche Edikte gegen Häretiker getan hatten. Die Bischöfe zwang er zu einem Eid auf seinen Sohn Hilderich als Thronfolger, machte sie aber daraufhin wegen Verstoßes gegen das biblische Schwurverbot zu Kolonen. Wer sich weigerte, den Eid zu leisten, wurde nach Korsika verbannt und schwerer körperlicher Arbeit unterworfen.93
484 starb gegen Ende des Jahres Hunerich jäh. Sein Nachfolger Thrasamund setzte die Kirchenpolitik fort, doch ließ er die Gründung von Klöstern zu.94 Im Jahr 500 heiratete er Amalafrida, die verwitwete Schwester des Ostgotenkönigs Theoderich, der inzwischen Italien beherrschte. Dennoch verloren die Vandalen an Ansehen, zum einen, weil sie die Ostgoten nicht unterstützten, zum anderen, weil sie kein Mittel gegen die Berber fanden, die Stück für Stück vandalisches Gebiet besetzten. Das galt inzwischen nicht nur für Algerien, sondern auch für das Kernland im heutigen Tunesien. Die Tablettes Albertini belegen die unsichere Situation im Nordwesten Tunesiens um den Djebel Mrata bereits in den Jahren 493 bis 496.95
Mit Masuna erscheint in den Quellen erstmals ein „Rex Maurorum et Romanorum“, dessen Herrschaftsgebiet vielleicht bis ins Aurès-Gebirge im südlichen Numidien reichte. Der Titel ist ein Hinweis, dass man unter Mauren keineswegs einen ethnischen Begriff zu verstehen hat, sondern dass sich auch zahlreiche Römer darunter subsumieren ließen. Als der Vandalenkönig das Bündnis mit dem Ostgotenkönig aufgab, plante Theoderich einen Rachefeldzug, doch starb er 526. König Hilderich distanzierte sich zugleich vom Arianismus. Die Mauren unter Führung eines gewissen Antalas schlugen im Osten Tunesiens eine vandalische Armee.96 Am 15. Juni 530 stürzte eine Verschwörung, bei der ein Urenkel Geiserichs namens Gelimer eine zentrale Rolle spielte, König Hilderich.
Schon bald konnten sich die Vandalen nur noch mit Mühe der Angriffe der Mauren bzw. Berber erwehren. Masties machte sich vollständig unabhängig und beherrschte das Hinterland. Er bekämpfte die Arianer und ließ sich möglicherweise zum Kaiser ausrufen. Als sich Gelimer auf den Thron setzte, wurde dieser von Ostrom als Usurpator betrachtet. 533 landeten 16.000 Mann unter Führung des oströmischen Feldherrn Belisar in Africa. Das Reich der Vandalen ging nach der Schlacht bei Tricamarum unter.
Aus dem vandalischen Algerien sind mehrere lateinische Urkundenbestände überliefert, von denen die Tabulae Albertini, die 1928 nahe der tunesischen Grenze am Djebel Mrata entdeckt und 1952 ediert wurden, auf 34 Holztafeln geschriebene Urkunden aus den Jahren 493 bis 496 umfassen. In den meisten Fällen handelt es sich um Grundstückskäufe, Land auf dem Feigen, Oliven oder Nüsse geerntet wurden, hinzu kommt eine Mitgiftbestellung und ein Sklavenkauf, ein Verkauf einer Olivenpresse und Rechentafeln.97 Auch in einem alten Brunnen in Bir Trouch fanden sich Holztafeln, doch sind sie nicht ediert. Bei den Tabulae Albertini handelt es sich wohl weniger um Käufe, als vielmehr um erbliche Nutzungsrechte und um Zugangsrechte zum Bewässerungssystem innerhalb des Fundus Tuletianos. Das dominium verblieb bei einem sonst nicht bekannten Flavius Geminius Catullinus flamen perpetuus. Die Käufer waren die Brüder Geminius Felix und Geminius Cresconius. Die Mitgiftbestellung betrifft ein weiteres Mitglieder dieser Familie namens Januarilla. In den Tafeln erscheinen insgesamt 147 Personen, von denen mindestens 75 schreiben konnten. Acht bis elf von ihnen waren nicht-professionelle Schreiber, davon war einer der örtliche Priester mit Namen Saturninus. Zwei weitere nennen sich magister, alle schrieben in Kursive in einem stark vom Vulgärlatein geprägten Latein. Der Schreiber Donatianus verkaufte jenen Sklaven, der Schreiber Paulus setzte sein instrumentum selbst auf, in dem er 30 Feigen- und Olivenbäume verkaufte. In nur wenigen Fällen konnten die Zeugen nicht selbst unterschreiben, wie ein Magarius, der einen Nobelianus bat, dies für ihn zu tun, da er nichts von den Buchstaben wisse.98
Karthago wurde Sitz eines oströmischen Statthalters, eines Prätorianerpräfekten, der für zivile Angelegenheiten zuständig war und dem sechs Gouverneure unterstanden. Für den militärischen Bereich wurde ein Magister militum für das kaiserliche Nordafrika eingesetzt, dem vier Generäle unterstanden. Allerdings war dieses System flexibel, so dass es gelegentlich zwei Magister gab, oder ziviles und militärisches Amt in einer Hand lagen. Auch als Ehrentitel ohne Machtbefugnis kam der Magister militum zum Zuge. Der Bischof von Karthago erhielt 535 vom Kaiser die Würde eines Metropoliten.99 Insgesamt bestanden sieben Provinzen, nämlich Proconsularis, Byzacium, Tripolis, Numidien, zwei Mauretanien und Sardinien. Hinzu kamen fünf Duces in Tripolitanien (Sitz in Leptis Magna), Byzacium (Capsa und Thelepte), Numidien (Constantina), Mauretanien (Caesarea) und der Dux von Sardinien. Aber auch hier konnte ein Bezirk zwei Duces haben; zudem ist bei der Bezeichnung Dux, die häufig in den Quellen auftaucht, was aber zunächst nicht mehr als Anführer bedeutet, Vorsicht geboten.
590 entstand zur Bündelung militärischer und ziviler Kompetenzen das Exarchat von Karthago. Der erste Exarch Gennadios (591–598) besiegte die Mauren. Um 600 wurde Herakleios der Ältere, der Vater des gleichnamigen Kaisers, Exarch von Karthago, wahrscheinlich war er der Nachfolger des Gennadios. 610 stürzte Herakleios den oströmischen Usurpator Phokas, indem er mit der karthagischen Flotte nach Konstantinopel fuhr. Als die Perser ab 603 große Teile des Oströmischen Reiches eroberten, wie 619 Ägypten, hegte Kaiser Herakleios Pläne, die Hauptstadt nach Karthago zu verlegen. Dazu kam es dann nicht, denn er konnte die Perser ab 627 besiegen.
Als 536 Teile der Garnisonstruppen in Africa gegen den oströmischen Feldherrn Solomon rebellierten, wählten sie den Soldaten Stotzas zu ihrem Anführer. Mit einem Heer, das neben den Rebellen rund tausend Vandalen und einige Sklaven umfasste, belagerte er Karthago. Nach Prokop hatten sich zwei Drittel der Garnisonstruppen den Rebellen angeschlossen. Als Belisar wieder in Africa landete, hob Stotzas die Belagerung auf und zog sich nach Membressa zurück, wurde jedoch von Belisar geschlagen. Nun floh Stotzas nach Numidien, konnte jedoch abermals ein Gefecht gewinnen. General Germanus, ein Verwandter des Kaisers Justinian, konnte zahlreiche Rebellen zum Überlaufen bewegen, woraufhin Stotzas die Schlacht suchte und bei Cellas Vatari unterlag, obwohl hinter seinem Heerhaufen einige zehntausend Mauren unter Jabdas und Ortaias standen. Doch einige Stämme machten Germanus bereits vor der Schlacht Bündnisangebote. Stotzas floh mit wenigen Getreuen nach Altava in Mauretania, wo er die Tochter eines Fürsten heiratete und 541 den Königstitel angenommen haben soll. 544 fiel er in die Provinz Africa ein, versammelte sich mit Aufständischen unter Antalas, der ihn herbeigerufen hatte, wurde jedoch im nächsten Jahr in einer Schlacht durch einen Pfeil getötet, auch wenn sein Heer siegte.100
Hierin zeigen sich nicht nur Konflikte innerhalb der Armee und zwischen Heerführern, sondern die Tatsache, dass die Berbergebiete, allen voran Numidia, eine immer selbstständigere Rolle spielten. Das Streben der Berber nach Autonomie hatte sich bereits zur Zeit der Vandalen verstärkt; möglicherweise weiter gefördert durch die Religionspolitik der Germanen. Zumindest einige Berbergruppen adaptierten das römische Legitimationsmuster und nannten sich etwa rex gentis Ucutamani (CIL. VIII. 8379).101 Der Berberführer Masties beherrschte ein Territorium im Aurès. Um seine Herrschaft bei den römischen Provinzialen zu legitimieren, nahm er nach 476 − wahrscheinlich 484 im Zusammenhang mit einer von Prokop erwähnten Rebellion der Berber gegen den Vandalenkönig Hunerich – möglicherweise den Kaisertitel an und bekannte sich als Christ.102 Eine Inschrift schreibt Masties 67 Jahre als dux zu und 10 (nach anderer Lesung: 40) als „imperator“ über „Römer und Mauren“.103 Als Regierungszeit ergibt sich somit entweder 484 bis 494 oder 476/477 bis 516. Masties' „Kaisertum“ ist weder von Zenon noch von Anastasios I. anerkannt worden. Eine dritte Inschrift, diesmal aus Altava, nennt einen Masuna als König über „Römer und Mauren“, ein Titel, der vielleicht auf eine römische, möglicherweise aber auch auf eine vandalische Herrschaftsvergabe zurückgeht. Inwiefern die Vandalen neben römischen Mustern auch solche der germanischen Nachfolgereiche übernahmen, ist seit langem beforscht, hingegen ist die Frage, inwiefern die Berber auf das Vandalenreich einwirkten, die sich offenbar ebenfalls als legitime Nachfolger und Erben des Römerreichs sahen, noch kaum zu beantworten.
Zwar brach das Vandalenreich innerhalb eines Jahres nach dem oströmischen Angriff zusammen, doch kam es zu mehr als zwölf Jahre andauernden Kriegen; zunächst innerhalb der Armee, dann unter Parteinahmen der Berber. 546 scheiterten der dux Numidiae Guntarith und Johannes mit einem weiteren Usurpations- bzw. vandalischen Restaurationsversuch. Belisars Nachfolger Solomon ließ die Festungen verstärkt ausbauen, wobei ihm die Wiedereroberung lange verlorener Gebiete gelang, etwa südlich des Aurès. Viele Stadtmauern wurden verstärkt, wie etwa die von Thugga und Vaga (Béja). Das weitere Hinterland der Provinzhauptstadt entzog sich zunehmend der Kontrolle durch Konstantinopel. Dazu trugen Berberaufstände bei, wie 545–547 in der Byzacena, der südlichen Provinz auf dem Gebiet des heutigen Tunesien, dann 563 in Numidien, der süd- und westlichen Provinz Numidia Zeugitana. Unter Kaiser Justin II. erlitt eine byzantinische Armee eine Niederlage, 587 standen aufständische Berber vor Karthago. Dabei blieb die Rolle der Berberfürsten unklar, gern munkelte man vom Volkscharakter der Berber, um diese Unklarheit zu negieren.
Yves Modéran legte 2003 eine grundlegende Studie zur Geschichte der Berber in dieser Zeit vor.104 Nach ihm ist zwischen „internen“ und „externen“ Berbern zu unterscheiden, wie es auch Goripp getan hat. Erstere waren vorrangig die romanisierten Gruppen der Provinzen Byzacium und Numidia, also Ostalgeriens und Tunesiens, letztere stammten aus dem Osten, also aus dem Gebiet des heutigen Staates Libyen. Während sich die „internen“ Berber in spätrömischer Zeit in das römische Herrschaftssystem, das das gesamte Mittelmeer umspannte, integrierten, behielten sie doch ihre Stammesgliederung bei. Titel wie praefectus gentis oder princeps gentis vermochten die interne Herrschaft dabei zu legitimieren. In der Vandalenzeit kam es jedoch wieder zu einer verstärkten Tribalisierung. Es war sogar die Zugehörigkeit zu einem Stamm, die geradezu den Berber ausmachte, während römische Sprache, Christentum oder Titel diese Zugehörigkeit keineswegs minderten. Die „externen“ Berber standen hingegen der römischen Kultur und später dem Christentum ablehnend gegenüber.
Als die Vandalen zwar besiegt waren, aber noch Widerstand leisteten, erschienen Gesandte der Berber aus Mauretania, Numidia und Byzacena beim siegreichen Feldherrn Belisar und boten ihre Unterstellung unter die kaiserliche Herrschaft an. Doch verlangten sie eine Investitur, also wohl eine durch römische Titel gesicherte Einsetzung in ihre Ämter. Die Fürsten Antalas, Cusina und Iaudas, die für die weitere Geschichte eine zentrale Rolle spielten, dürften sich dementsprechend unterstellt haben. Der um 499 geborene Antalas, Sohn des Fürsten der Frexen namens Gunefan, hatte bereits 529 begonnen, die Vandalen zu bekämpfen.105 Infolge seines Sieges über die Vandalenarmee im Jahr 530 war es zu jenem Putsch gekommen, der Konstantinopel die Legitimation zum Eingreifen geliefert hatte.
Als sich 534/535 die Mauren in der Byzacena gegen Ostrom erhoben, blieb Antalas auf der Seite des Kaisers. Einer der Führer des Aufstands war der besagte Cusina, dessen Mutter eine „Römerin“ war. Er galt damit als Afrer, wie man die römisch-berberische Bevölkerung bezeichnete. Der Antagonismus zwischen Antalas und Cusina war für den Fortgang der Kämpfe ausschlaggebend.
Nach seiner Niederlage gegen Ostrom und Antalas floh Cusina zum Fürsten Iaudas nach Numidien, der nach Modéran zwar der am schlechtesten bekannte der drei berberischen Fürsten war, aber wohl der einflussreichste. Er hatte sich im ostalgerischen Aurès 535 gegen Ostrom erhoben und nun nahm er Cusina auf. 537 griff ihn Solomon erfolglos an, doch konnte er ihn 539 besiegen. Iaudas ergab sich jedoch nicht sondern floh nach Mauretania, was zunächst aus Cusina wurde, ist nicht bekannt. 542 bis 543 ereilte die Region die große Pest, so dass es zu keinen weiteren Kampfhandlungen mehr kam. Als jedoch Solomon 543 oder 544 Antalas die zugesagten Subsidien entzog und seinen Bruder Guarizila sogar hinrichten ließ, verbündete sich Antalas mit den in Libyen an der Syrte lebenden Berbern, den Lawata.106 Unter ihrem Priesterkönig Ierna zogen diese „externen“ Berber nun westwärts und plünderten römisches Gebiet - was noch niemals vorgekommen war. Solomon unterlag gegen die Lawata und Antalas in einer Schlacht und kam dabei ums Leben.
Damit hätte der Konflikt zwischen Solomon und Antalas beendet sein können. Antalas betrachtete sich nämlich weiterhin als dem Kaiser unterstellt, verlangte aber seit dem Tod seines Bruders, dass der Neffe und Nachfolger des Solomon, der in seinen Augen der Mörder seines Bruders war, abberufen wurde. Da Konstantinopel auf diese Forderung nicht reagierte, setzte sich der Kampf fort und die Berber eroberten Hadrumetum, das heutige Sousse.
Im folgenden Jahr 545 nahm der Dux Numidiens, der Pläne gegen Konstantinopel schmiedete, Kontakt zu Antalas auf. Tatsächlich unterstützten nun sowohl Antalas als auch Cusina und Iaudas den Usurpator Guntarith, um gemeinsam auf Karthago zu marschieren. Die Rivalen Antalas und Cusina führten dabei jeweils geheime Verhandlungen und versuchten sich so Vorteile zu verschaffen. Die Verhandlungen des Cusina kamen jedoch Guntarith zu Ohren, von dessen Abfall vom Kaiser der Unterhändler aber nichts wusste. Diesen Unterhändler namens Areobindus ließ Guntarith ermorden; zugleich war Antalas nun über den Verrat des Cusina im Bilde.
Das Haupt des Areobindus schickte Guntarith an Antalas, doch die geforderten Truppen und das Geld schickte er nicht. Daraufhin ließ Antalas Guntarith fallen und unterstellte sich dem Kaiser. Hingegen ergriff nun Cusina erst recht offen Partei für Guntarith. Römische Truppen unter dem Armenier Artabanes und Truppen unter Cusina griffen gemeinsam Antalas an und besiegten ihn, was den Krieg zwischen den beiden verfeindeten Berbern hätte abermals beenden können. Artabanes hatte jedoch seine eigenen Pläne. Er kehrte nach diesem Sieg nach Karthago zurück, rechtfertigte dort, warum er Antalas nicht weiter verfolgt und vernichtet hatte, und ermordete Guntarith bei einem Gelage. Er verließ daraufhin die Provinz auf eigenen Wunsch. Er wollte Praejecta, die Witwe des ermordeten Areobindus und Nichte Kaiser Justinians, die Guntarith hatte heiraten wollen, ehelichen. Der Kaiser ernannte ihn zum neuen magister militum von Africa. Obwohl er schon verheiratet war, verlobte sich Artabanes mit Praejecta. Wenig später wurde Artabanes nach Konstantinopel zurückgerufen, sein Nachfolger als Heermeister wurde Johannes Troglita. Artabanes' Frau reiste in die Hauptstadt und Kaiserin Theodora nötigte Artabanes, bei seiner Frau zu bleiben. Erst nach dem Tod Theodoras 548 konnte er sich von ihr scheiden lassen, doch war Praejecta inzwischen wiederverheiratet worden.107
Johannes führte nun den Kampf gegen die Berber, vor allem gegen Antalas, der erneut die Seite gewechselt hatte, wahrscheinlich, weil er auch diesmal keinen Lohn für seinen Einsatz erhalten hatte. Ostrom zog insofern Konsequenzen aus diesen Frontwechseln, als sein nunmehriger Verbündeter Cusina römische Truppen erhielt - und zwar unter seinem Kommando. Antalas unterlag 546; auf der Seite des Johannes kämpften Cusina und Iaudas. Die nach der Schlacht versprengten Berber aus der Syrte sammelten sich zwar nun unter Carcasan, dem sich auch die Streitmacht des Antalas anschloss, doch 548 unterlagen sie endgültig gegen die Armee des Johannes. Carcasan kam dabei ums Leben.
Abermals wurde Antalas nun römischer Verbündeter, diesmal gemeinsam mit Cusina, wenn auch ihre alte Feindschaft fortbestanden haben dürfte. Letzterer erhielt sogar den Titel eines Exarchen der Mauren. Doch die Oströmer versuchten abermals, die Geldzahlungen einzustellen. Cusina wurde sogar ermordet. Doch nun zogen seine Söhne durch die Provinzen und plünderten und mordeten. Ohne Ehrentitel und Zahlungen an die zunehmend autonomen Berbergruppen war ein Frieden an der überaus langen Grenze kaum mehr denkbar.
Nach dem Tod des Religionsstifters Mohammed im Jahr 632 drohte die muslimische Koalition, die er gegründet hatte, auseinanderzubrechen. Sein Nachfolger Abu Bakr erkannte offenbar, dass der Eroberungskrieg zu ihrem Fortbestand unverzichtbar war. Wer die Kriegssteuer verweigerte, wurde dementsprechend militärisch angegriffen, der letzte Widerstand auf der Arabischen Halbinsel brach 634 zusammen. 634 bis 640 wurde Palästina und 639 bis 642 Ägypten, zugleich Syrien und der Irak erobert. 636 gelangen den Muslimen am Yarmuk in Syrien und bei Qadisiyya im Irak entscheidende Siege über das Oströmische und das Sassanidenreich, die sich noch wenige Jahre zuvor unter Einsatz aller Kräfte bekämpft hatten.
Muslimischer Überlieferung zufolge stammen sowohl die Umayyaden als auch der Prophet Mohammed von Abd Manaf ibn Qusayy, einem Mitglied des Stammes der Quraisch, ab. Dessen Sohn, Abd Schams ibn Abd Manaf wurde zum Stammvater der Umayyaden. Zum Namensgeber der Umayyaden wurde Abd Schams’ Sohn Umayya ibn Abd Schams.108 Nachdem Mohammed 622 mit seinen Anhängern nach Medina fliehen musste und es in der Folge zu Kämpfen gegen Mekka kam, nahmen Mitglieder der Umayyadenfamilie führende Positionen auf Seiten der Mekkaner ein. Im späteren Verlauf der Kämpfe stand mit Abu Sufyan ibn Harb ihr Oberhaupt an der Spitze der mekkanischen Politik. Am Ende musste dieser sich jedoch Mohammed geschlagen geben und konvertierte noch kurz vor der Einnahme Mekkas durch die muslimischen Truppen im Jahr 630 selbst zum Islam.
Nach dem Tod des Propheten nahm Muawiya, ein Sohn Abu Sufyans, an den Feldzügen gegen das Oströmische Reich teil und wurde 639 mit dem Posten des Statthalters von Syrien belohnt. 644 wurde mit Uthman ibn Affan sogar ein Mitglied des Umayyadenklans zum Kalifen gewählt. Uthman zählte im Gegensatz zum Rest seiner Familie zu den frühsten Unterstützern Mohammeds und war bereits 622 bei der Flucht aus Mekka dabei gewesen. Bei der Vergabe einflussreicher Posten begünstigte er in hohem Maße seine Verwandten, sodass sich bald eine Opposition gegen seine Herrschaft bildete. 656 wurde er schließlich in Medina ermordet. Zu seinem Nachfolger wurde Ali ibn Abi Talib, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten, gewählt.
Doch die Wahl Alis zum Kalifen wurde von den Muslimen nicht allgemein anerkannt. Als Anhänger des ermordeten Uthman ließ sich Muawiya im Jahr 660 in Damaskus ebenfalls zum Kalifen ausrufen. Damit war die muslimische Gemeinschaft (die Umma) erstmals gespalten. Die Folge war die erste Fitna, der erste Bürgerkrieg des islamischen Großreichs. Zwar konnte Muawiya nach Alis Ermordung durch die Charidschiten im Jahr 661 seine Herrschaft durchsetzen und die Dynastie der Umayyaden begründen, doch wurde er von den Anhängern Alis weiterhin nicht als rechtmäßiger Herrscher anerkannt. Es kam somit zum Schisma zwischen Sunniten und Schiiten.
Unter Muawiya I. nahmen die Araber ihre Expansion, die durch innere Auseinandersetzungen zeitweilig zum Erliegen gekommen war, ab 661 wieder auf. Ab 664 erfolgten neue arabische Angriffe Richtung Westen. Africa wurde zurückerobert, nachdem der oströmische Exarch zusammen mit dem Berberfürsten Kusaila ibn Lemzem 683 von Uqba ibn Nafi bei Biskra vernichtend geschlagen worden war. 698 belagerte der Feldherr Hassan ibn an-Numan mit 40.000 Mann Karthago. Kaiser Leontios entsandte eine Flotte unter dem späteren Kaiser Tiberios II. Sie kämpfte mit wechselndem Erfolg, doch als sie nach Kreta auswich, um Verstärkung aufzunehmen, gelang den Belagerern die Einnahme und Zerstörung der Stadt.
Uqbas Nachfolger Abu al-Muhajir Dinar konnte den „Berberkönig“ Kusaila (oder berberisch Aksil) in Tilimsān, im Nordwesten Algeriens, für den Islam gewinnen, der die Awrāba-Clans im Aurès bis in das Gebiet um das marokkanische Fès dominierte. Als Uqba in sein Amt zurückkehrte, bestand er jedoch auf direkter arabischer Herrschaft und zog bis an den Atlantik. Auf dem Rückweg wurde er daher auf Anweisung Kusailas und mit oströmischer Unterstützung angegriffen und in einer Schlacht getötet. Gegen Kusaila entsandte Damaskus Zuhayr ibn Qays al-Balawī, der Kairuan zurückeroberte und Kusaila besiegte (vor 688). Eine zweite arabische Armee unter Ḥassān ibn al-Nuʿmān stieß ab 693 auf heftigen Widerstand durch die Jawāra im Aurès. Sie wurden nach dem Tod Kusailas von Damja, die kurz al-Kahina, die Priesterin, genannt wurde, geführt. Ihre Berber besiegten die Araber in einer Schlacht im Jahr 698. Doch 701 besiegten die Araber auch al-Kahina, womit der offene berberische Widerstand zusammenbrach.
Die arabischen Genealogen unterscheiden bei diesen Auseinandersetzungen zwischen Barānis, zu denen Kusaila gehörte und die meist sesshaft waren, und Butr, zu denen die Reiternomaden der Zanāta zählten, und zu denen sie auch die Leute der Kāhiina rechneten. Die Barānis waren stark von römischer Kultur beeinflusst und häufig christlich; sie teilten sich in zwei Gruppen ein, nämlich die Maṣmũda Zentral- und Südmarokkos und die Ṣanhāğa. Diese in der Wüste lebende nomadische Gruppe, zu der auch die sesshaften Kutāma Ostalgeriens gehörten, brachte später die Almoraviden hervor. Den Zanāta gelang es nicht, ein dauerhaftes Reich zu errichten und sie wurden nach Marokko abgedrängt. Viele von ihnen gingen nach Spanien. Auch lebten zahlreiche Juden im Maghreb, was zur Legende beitrug, die Konföderation der Kāhina sei jüdisch gewesen. Das Christentum verschwand im Laufe der nachfolgenden Generationen, doch lässt es sich noch im 11. Jahrhundert in Kairuan nachweisen.
Kairuan wurde später zum Ausgangspunkt für die Expeditionen in den nördlichen und westlichen Maghreb. Nach zähem Widerstand konvertierten die meisten Berber zum Islam, vor allem durch die Aufnahme in die Streitkräfte der Araber; kulturell jedoch fanden sie keinerlei Anerkennung, denn die neuen Herren standen ihnen mit ähnlicher Verachtung gegenüber wie einst Griechen und Römer ihren Nachbarn. Auch übernahmen sie das griechische Wort Barbar für diejenigen, die ihre Sprache nicht oder in ihren Augen unzureichend gelernt hatten. Daher heißen die Imazighen (Singular: Amazigh) noch heute Berber. Sie wurden in der Armee schlechter bezahlt, und ihre Frauen wurden mitunter versklavt wie bei unterworfenen Völkern. Nur Umar II. (717–720) untersagte diese Praxis und entsandte muslimische Gelehrte, um die Imazighen zu bekehren. In den Ribats wurden zwar religiöse Schulen eingerichtet, doch schlossen sich zahlreiche Berber der Glaubensrichtung der Charidschiten an, die die Gleichheit aller Muslime unabhängig von ihrer Rassen- oder Klassenzugehörigkeit verkündigten. Das Ressentiment gegen die Umayyadenherrschaft verstärkte sich. Schon 740 begann bei Tanger ein erster Aufstand der Charidschiten unter dem Berber Maysara. 742 kontrollierten sie ganz Algerien und bedrohten Kairuan.
Den Süden beherrschten die Warfajūma-Berber im Bund mit gemäßigten Charidschiten. Ihnen gelang 756 die Eroberung des Nordens von Tunesien. Doch eine andere gemäßigte Charidschitengruppe, die Ibāḍiyyah aus Tripolitanien, rief einen Imam aus, der sich auf der gleichen Stufe wie der Kalif sah, und eroberte 758 Tunesien. Zwar gelang den Abbasiden 761 die Eroberung großer Teile des aufständischen Gebiets, doch konnten sie sich nur in Tripolitanien, Tunesien und Ostalgerien durchsetzen. Zudem war die mühsam wieder aufgerichtete Herrschaft sehr fragil. Ibrāhīm ibn al-Aghlab, der die Armee in Ostalgerien kommandierte und die Dynastie der Aghlabiden gründete, machte das Land nach und nach unabhängig, erkannte jedoch formal weiterhin die Herrschaft der Abbasiden an.
Der 740 von Berbern getragene Aufstand des Maysara wurde 742 von den Truppen der Umayyaden niedergeschlagen. Im Gegensatz zu den Arabern waren die Berber mehrheitlich zur Ibadiyya, einer charidschitischen Ausprägung des Islams übergetreten. Die Abbasiden eroberten 758 unter Abu l-Chattab al-Maafiri Ifriqiya, wobei der Perser Ibn RustamʿAbd ar-Rahmān ibn Rustam als Statthalter in Kairuan eingesetzt wurde (758–761). Nach dem Sieg der Abbasiden floh Ibn Rustam zu den Zanata nach Westalgerien. Nachdem 772 ein erneuter Aufstand der Charidschiten unter Abu Quna und Ibn Rustam vor Kairuan gescheitert war, zog sich letzterer ins zentrale Algerien zurück und begründete das Emirat der Rustamiden in Tahert. Insbesondere durch das Bündnis mit den Miknasa von Sidschilmasa und den iberischen Umayyaden des Emirats von Córdoba konnte sich das Reich gegen die Idrisiden im Westen und die Aghlabiden im Osten behaupten. 787 kam es zu einem Friedensschluss mit den Abbasiden. 788 folgte Abdalwahab ibn Rustam auf dem Thron.
Tahert entwickelte sich zum religiösen und kulturellen Zentrum der Charidschiten im Maghreb. So gingen viele Charidschiten aus dem Nahen Osten, wo sie verfolgt wurden, nach Tahert. Das Reich partizipierte am Karawanenhandel und am Getreideexport nach Andalusien. Politisch war das Imamat durch die Abhängigkeit von den verbündeten Berberstämmen und Streitigkeiten um den geeigneten Herrscher allerdings instabil. Nach dem Tod Ibn Rustams 788 kam es zur Abspaltung der Nukkar, ein bis in die Gegenwart existierender Hauptzweig der Ibdaditen.
909 wurde das Imamat der Rustamiden von den Fatimiden erobert. Die überlebenden Charidschiten zogen sich nach Sedrata, beim heutigen Ouargla (nicht zu verwechseln mit Sedrata im Nordosten des Landes) in die Sahara zurück. Sedrata entwickelte sich als Begräbnisstätte des letzten Imams von Tahert zum bedeutenden Handels- und Pilgerzentrum der Ibaditen. Allerdings wurde Sedrata 1077 von den Hammadiden unterworfen, weshalb sich die Ibaditen in das Gebiet des Wadi M'zab zurückzogen. Daher hießen sie später Mozabiten. Dort bauten sie enorm tiefe Brunnen und bewässerten so ihre entstehenden Oasenstädte und Palmenhaine, spielten jedoch politisch und ökonomisch nur noch eine marginale Rolle. Mit dem Mzab-Wargla oder tumzabt sprechen sie heute eine eigene Variante der Berbersprache.109
Die Anfänge der Ibaditen liegen in Basra im südlichen Irak, das ab den 680er Jahren ein Zentrum der Charidschiten war. Hier wirkte ab 679 der aus Oman stammende Dschābir ibn Zaid. Er war ein Schüler von ʿAbd Allāh ibn ʿAbbās und erteilte Rechtsgutachten, bei denen er sich vornehmlich auf Raʾy stützte, die selbstständige Rechtsfindung der Rechtsgelehrten. Dschābir, der 712 starb, wird von den Ibāditen bis heute als eine ihrer bedeutendsten Autoritäten betrachtet. Als Selbstbezeichnung verwendeten die Ibāditen von Basra im 8. Jahrhundert Dschamāʿat al-muslimīn („Gemeinschaft der Muslime“), denn den anderen Muslimen erkannten sie nur den Status von ahl al-qibla zu, Leuten also, die in die richtige Gebetsrichtung beten.
Abū ʿUbaida baute seine Gemeinschaft zu einem Missionsnetzwerk um und schickte hamalat al-ʿilm („Wissensträger“) genannte Männer in die Provinzen des islamischen Reiches, mit dem Auftrag, dort ibāditische Gemeinden zu gründen. Sie traten nicht nur in arabischen Gebieten auf, sondern auch in Nordafrika, aber auch bis nach Indien. Die meisten dieser Werber waren gleichzeitig als Händler tätig. Mit dem von ihnen erwirtschafteten Geld wurde in Basra eine Kasse gegründet, mit der die Gemeinschaft finanzielle Selbständigkeit erlangte.110 Wie die anderen Charidschiten waren die Ibaditen der Auffassung, dass das Imamat nicht auf den Stamm des Propheten Mohammed, die Quraisch beschränkt sei, sondern jedem zustehe, den die Muslime zur Führung ihres Staates wählten. Sie predigten das Prinzip von Al-walā' wa-l-barā'a, Freundschaft und Solidarität mit allen, die im Geist des Islam lebten, und Meidung derjenigen, die die Gebote nicht einhielten. Letzteres richtete sich vor allem gegen die Umayyaden.111
In den Außenposten der ibāditischen Gemeinde kam es ab 745 zu Aufständen. Im Hadramaut wurde 746 ein erstes ibaditisches Imamat gegründet, das 747 Sanaa, die Hauptstadt Südarabiens, sowie Mekka und Medina erobern konnte. Doch 748 unterlag es gegen die Umayyaden. Um 748 errichteten die Ibāditen in Tripolitanien ein eigenes Imamat, und um 750 huldigten die Ibāditen von Oman al-Dschulandā ibn Masʿūd, einem Nachkommen der dortigen ehemaligen Herrscherfamilie, als erstem „Imam des Hervortretens“. Zwar wurde der ibāditische Imam von Oman, Dschulandā ibn Masʿūd, 752 von einer abbasidischen Militärexpedition gestürzt, doch entstand mit dem Rustamiden-Imamat von Tāhart 778 ein neues Reich mit ibāditischer Ausrichtung.
Die Führung der Gemeinde von Basra übernahm der gleichfalls aus Oman stammende Rabīʿ ibn Habīb al-Farāhīdī. Er mischte sich in die Politik der Rustamiden ein, als es nach dem Tod des ersten Rustamiden ʿAbd ar-Rahmān ibn Rustam 784 dort zu Spannungen kam. Der Sohn des Herrschers, ʿAbd al-Wahhāb, hatte sich bei dem Wahlgremium gegenüber einem anderen Kandidaten nur dadurch durchsetzen können, dass er das Versprechen gab, im Falle ihrer Unzufriedenheit zurückzutreten. Nachdem er die Macht übernommen hatte, hielt er sich jedoch nicht an seine Zusage, weil er glaubte, dass ein Imam, wenn er einmal gewählt sei, unumschränkte Autorität genieße. Er ließ sich dies von Rabīʿ in einem Rechtsgutachten absegnen. Die Gegner des neuen Rustamiden-Herrschers sammelten sich um einen Berber, der bereits zum Wahlgremium gehört hatte, und sonderten sich als eine eigene Gemeinschaft, die Nukkār genannt wurde, ab.112
In den 940er Jahren organisierte der zu den Nukkār gehörende Machlad ibn Kaidād einen Aufstand, der das Kalifat der Fatimiden fast zu Fall brachte. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands verlor die Ibādīya in Nordwestafrika endgültig ihre politische Rolle als staatstragende religiöse Lehre. Kleinere ibaditische Gemeinden blieben aber auf dem Gebiet des Rustamiden-Imamats erhalten. Hier bildete sich eine ibaditische Gelehrsamkeit heraus. Einer der bekanntesten Gelehrten war Abū l-Fadl al-Barrādī. Er verfasste in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein biographisches Werk, das auch einen Abschnitt über die frühe islamische Geschichte enthält.113 114
Im Jahr 800 übergab der Abassidenkalif Hārūn ar-Raschīd seine Macht über Ifriqiya dem Emir Ibrahim ibn al-Aghlab und übertrug ihm auch das Recht, seine Funktion zu vererben. Damit wurde die Aghlabiden-Dynastie gegründet, die Ostalgerien, Tunesien und Tripolitanien beherrschte. Um 896 verlegte sie ihren Hof nach Tunis.
Das Land gehörte ganz überwiegend arabischen Großgrundbesitzern, während die ethnisch gemischten Städte mit hohen Abgaben belastet wurden. Sie und die Berber beriefen sich auf islamische Normen, um gegen die arabische Dominanz zu protestieren. Zwei der vier sunnitischen Schulen, die Hanafiten und die Malikiten, herrschten im Land; erstere kam mit den Abbasiden nach Algerien, doch die meisten hingen letzterer an. Sie erschienen ab den 820er Jahren als Verteidiger des Volkes gegen die Ansprüche des Staates und stellten hohe moralische Anforderungen an eine gerechte Regierung. Um sie stärker einzubinden, wurden viele ihrer führenden Köpfe als Kadis beschäftigt.
Die großen Stammesgruppen der Berber im Maghreb waren die Zanāta, die Masmuda und die Ṣanhāǧa. Während die Zanata in Marokko lebten, siedelten sich Stämme der Ṣanhāǧa im Mittleren Atlas an, expandierten aber auch sehr viel weiter südwärts, zum Teil als Religionsflüchtlinge. Ein Teil der Ṣanhāǧa siedelte sich im östlichen Algerien (Kutama) an und bildete eine wichtige Stütze für den Aufstieg der Fatimiden. Hingegen verbündeten sich die marokkanischen Zanāta gegen die Fatimiden mit dem Kalifat von Córdoba. Restgruppen der Masmuda sind die Haha um Algier.
Bereits in byzantinischer Zeit hatten sich Berberverbände zu größeren Herrschaftsgebieten zusammengefunden; ihre Führer wurden als Könige bezeichnet. Vor allem den Kotama oder Kutāma gelang es, die Nachbarstämme an sich zu binden. In Algerien sind die berberischen Kabylen Nachfahren der Kutama. Die Kutama eroberten 902 Mila, 904 Sétif, 905 folgten Tobna (das römische Tubunae) und das Bélezma-Massiv, 909 gelang ihrem Führer Abu Abd Allah asch-Schi'i (893–911) sogar die Eroberung von Kairuan und des wenig mehr als 10 km südwestlich gelegenen Raqqada. Dieser hatte 893 eine überaus erfolgreiche schiitische Zelle bei den Kutāma gegründet, die dār al-hiğra auf dem Berg Ikğān bei Mila (bei der Bezeichnung ‚al-hiğra‘ handelte es sich um eine Anspielung an die Hidschra Mohammeds). Schließlich griffen sie weit nach Westen Richtung Sidschilmasa aus und befreiten ihren dort gefangen gehaltenen Führer Abdallah al-Mahdi, der sich seit seiner Flucht aus Syrien als Kaufmann ausgegeben hatte, den späteren ersten Kalifen der fatimidischen Dynastie.
Beide Führer strebten jedoch nach der weltlichen Herrschaft, während der Berberführer für seinen Verbündeten nur die geistliche Führerschaft vorgesehen hatte. In einem Umsturz wurde die Berberherrschaft am 18. Februar 911 beseitigt und ihre Führer ermordet. In der Folge intensivierte sich die Arabisierung.115 Die neuen Herrscher übernahmen große Teile des aghlabidischen Herrschaftsapparats.
Im Dezember 909 hatte sich Abdallah al-Mahdi zum Kalifen ausgerufen und damit die Fatimiden-Dynastie gegründet, die bis 1171 bestand. Er betrachtete die sunnitischen Umayyaden auf der Iberischen Halbinsel und die ebenfalls sunnitischen Abbasiden als Usurpatoren. Er selbst war ein Vertreter der Ismailiten, eines radikalen Flügels der Schiiten, der auch als Siebener-Schiiten bezeichnet wird. Die Ismailiten agierten seit Mitte des 9. Jahrhunderts zunächst von ihrem Zentrum Salamiyya im nördlichen Syrien aus. Sie sandten daʿis116 aus, Missionare, die Kontakt zu oppositionellen Gruppen im Abbasidenreich aufnahmen. Ab 901 erschienen sie auch bei den Kutama Ostalgeriens. Diese beseitigten die Macht der Aghlabiden. Der Fatimidenstaat breitete nun seinen Einfluss auf ganz Nordafrika aus, indem er die Karawansereien und damit die Handelswege mit dem transsaharischen Afrika unter seine Kontrolle brachte. 911 beseitigten sie wiederum die Berber, vor allem die Kutama, als Rivalen um die Vorherrschaft in Ifriqiya. Als Symbol der neuen Herrschaft wurde die Hauptstadt nach al-Mahdiya an der Ostküste Tunesiens verlegt, die Dynastie scheiterte allerdings bei der Einführung der Scharia.
Ab 917 begann die Eroberung des westlichen Maghrebs. Es gelang zwar die Einnahme von Fès, doch die Berber des Westens widerstanden erfolgreich. Die Umayyaden in Spanien eroberten im Gegenzug 927 und 931 Melilla und Ceuta. Hingegen stand der Takalata-Zweig der Ṣanhāǧa-Konföderation, zu der die Kutama gehörten, auf Seiten der Fatimiden. Von einer echten Herrschaft konnte jedoch nur in Ifriqiya die Rede sein.
Nachfolger des 946 verstorbenen zweiten Fatimidenherrschers wurde Ismail al-Mansur (946-953). Mit Hilfe der berberischen Ziriden (972–1149), die den Ṣanhāǧa angehörten, konnte er die Banu Ifran im westlichen Algerien und Marokko unterwerfen: Die letzte große Revolte des charidschitischen Banu-Ifran-Stammes unter Abu Yazid wurde nach vier Jahren im Jahr 947 niedergeschlagen. Die Banu Ifran hatten große Teile des Reichs erobert, doch zerbrach ihre Koalition bei der Belagerung von al-Mahdiya. Danach nahm der dritte Fatimidenkalif den Beinamen „al-Mansur“ an. Die Banu Ifran hatten selbst bei Tlemcen zwischen 765 und 786 ein „Kalifat“ unter Abu Qurra gegründet, waren jedoch unter die Herrschaft der marokkanischen Magrawa geraten. Sie wurden von den Fatimiden geschlagen, als sie ein Bündnis mit Cordoba eingehen wollten, und wurden schließlich nach Marokko abgedrängt.
Der vierte Fatimidenkalif wurde Abu Tamim al-Muizz (953-975). Ab 955 bekämpfte er im Westen die Berber und die iberischen Umayyaden. Die Eroberung Nordwestafrikas konnte 968 abgeschlossen werden, nachdem man sich schon 967 mit Byzanz auf einen Waffenstillstand geeinigt hatte. So gelang es den Fatimiden, erleichtert durch innere Krisen in Ägypten und auf der arabischen Halbinsel, das Reich der Ichschididen Ägyptens und Gebiete der Abbasiden ab 969 zu erobern. Nach zeitweiligen Eroberungen in Syrien verlegten die Fatimiden ihre Residenz in das neu gegründete Kairo. 972, drei Jahre nachdem die Region vollständig erobert war, verlegte die Fatimiden-Dynastie ihre Basis in östliche Richtung. Schwerpunkt des gewaltig angewachsenen Reiches wurde nun Ägypten.
Seit dem 9. Jahrhundert flohen Charidschiten in den dünn besiedelten M'zab, insbesondere Ibaditen. Diese gehen auf ʿAbd Allāh ibn Ibād (8. Jahrhundert) zurück. Nachdem ihre Hauptstadt in Tahert 909 niedergebrannt worden war, zogen sie zunächst nach Sedrata und schließlich nach M'zab. Dort bauten sie die Oasen mit Hilfe von Bewässerungsanlagen aus und pflanzten Palmenhaine an. Von der übrigen islamischen Welt werden sie nicht als Muslime anerkannt, wie zahlreiche andere Gruppen auch.
Die fünf zitadellenartigen Städtchen oder Ksour El Atteuf, Bou Noura, Beni Isguen, Mélika und der heutige Hauptort Ghardaia wurden gegründet. Jedes ist mit einer Mauer umgeben. Jede Stadt der Mozabiten stellte eine theokratische Republik dar, wobei ein Rat von zwölf religiösen Notabeln für die Rechtsprechung zuständig war, während ein Rat der Laien die Verwaltung leitete. Die Moscheen dienten auch als Arsenal und Kornspeicher sowie als eigenständige Befestigungsanlage. Die Häuser wurden in mehreren Kreisen konzentrisch um die Moschee errichtet und bestehen aus einem Raum einheitlicher Größe. Dabei ist El Atteuf die älteste Gründung. Sie entstand ab 1012. Die übrigen Städte entstanden bis etwa 1350.
Die Ibaditen Algeriens heißen Mozabiten. Als Oberhaupt erkennen sie nur einen gewählten Kalifen an, der von Gott als bester Muslim zu erkennen gegeben wird. Eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten entstand 1893.117
Um die Herrschaft im Westen zu sichern, legte Kalif Abu Tamim al-Muizz die Herrschaft über Ifriqiya in die Hände von Buluggin ibn Ziri, der die Ziriden-Dynastie gründete. Er war der Sohn von Ziri ibn Manad, des fatimidischen Hauptverbündeten in Algerien und Namensgeber der Dynastie. Unter ihrem Gründer Buluggin ibn Ziri († 984) wurde Algier gegründet; er bekämpfte die Zanata-Stämme im Westen. Genauer gesagt entstand Buluggins Hauptstadt zwischen 935/936 und 978 in Aschir im Süden von Algier. Daneben wurden Liliana und Médéa (Lamdiyya) zu Stützpunkten seiner Macht.
Als die Fatimiden den Reichsschwerpunkt nach Ägypten verlagerten, wurde er 972 zum Vizekönig in Ifriqiya ernannt. Allerdings hatten die Fatimiden die Flotte mitgenommen, so dass sich die Kalbiten auf Sizilien unabhängig machen konnten. Bei einem Feldzug nach Marokko stieß Buluggin bis an den Atlantik vor, starb allerdings. Sein Sohn und Nachfolger al-Mansur ibn Ziri († 995) konnte die Eroberungen im Westen nicht halten. Sein Erbe und Sohn Bādīs ibn Zīrī († 1016) musste sich im Gegenteil wieder verstärkt an seine Oberherren in Kairo anlehnen, denn sein Erbrecht wurde von seinem Großonkel Zāwī ibn Zīrī bestritten. Dieser konnte zwar auf die iberische Halbinsel vertrieben werden, wo er das Reich der Ziriden von Granada (1012–1090) gründete.
Gravierender war jedoch, dass sich eine Reichsgründung durch seinen Onkel Hammād nicht verhindern ließ. Er errichtete mit Qalat Banu Hammad eine eigene Residenz bei Bidschaya. 1015 machten sich schließlich die Banu Hammad im Osten Algeriens unabhängig; gegen sie erhielten die Ziriden außerdem keine Unterstützung durch die Kairoer Fatimiden. Mit der Verdrängung der Zanata aus Westalgerien nach Marokko wurden die Sanhadscha die Herren des zentralen Maghreb. Die Einwohner des eroberten Tlemcen wurden in die Hauptstadt Aschir verschleppt. Der Ziride al-Mansur (984-996) scheiterte beim Versuch, Sidschilmasa und Fès zu kontrollieren.
Nun erlangten ihrerseits die Ziriden die Unabhängigkeit von den Fatimiden. Zunächst folgte 1016 der minderjährige al-Muʿizz auf den Thron († 1062). Er stand bis 1022 unter der Vormundschaft einer Tante. 1016 kam es zu einem Aufstand in Ifriqiya, in dessen Verlauf die Residenz der Fatimiden in al-Mansuriya bei Kairuan zerstört wurde. Zudem wurden angeblich 20.000 Schiiten in dem strikt sunnitischen Land massakriert. Die bevorstehende Auseinandersetzung mit den Fatimiden zwang die Ziriden zu einem Waffenstillstand mit den Hammudiden und 1018 zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Schon zwischen 1007 und 1010 hatte sich Ḥammād, der Onkel von Badis (996-1016) eine Hauptstadt errichtet: Qal'at Banī Ḥammād entstand in den Bergen der Ḥudnā im Süden von Biğāya. Möglicherweise bestand dort ein eigenes, ummauertes christliches Quartier, Ḥammād unterhielt sogar Beziehungen zum Papst.118 Sein Neffe wurde im Kampf gegen Ḥammād nicht von den Fatimiden unterstützt, im Gegenteil.
Die Fatimiden nämlich rächten sich, indem sie 1027 einen Aufstand der Zanata in Tripolitanien unterstützten, das die Ziriden genauso endgültig aufgeben mussten, wie Sizilien. Vor allem aber statteten sie später die Beduinenstämme der Banu Hilal und der Banu Sulaym aus Ägypten mit Eigentumstiteln auf Land aus und ließen sie gegen die Ziriden ziehen. Zudem geriet das Reich ab den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts in eine Krise, die sich in Geldabwertungen, Epidemien und Hungersnöten niederschlug. Eine der Ursachen hierfür könnten die hohen Jahrestribute in Höhe von Million Golddinar gewesen sein, die die Ziriden jährlich an die Fatimiden abführen mussten. Als al-Muʿizz unter dem Einfluss der sunnitischen Rechtsgelehrten in Kairuan 1045 die Abbasiden in Bagdad als rechtmäßige Kalifen anerkannte, kam es zum endgültigen Bruch mit den Fatimiden. 1049 wurden die ersten Münzen mit sunnitischen Formeln geprägt. Infolge des Bruches kam es dazu, dass die Fatimiden die besagten Banu Hillal und Banu Sulaym westwärts schickten. Die Invasion dieser Beduinen in den Jahren 1051 und 1052 führte nach der Niederlage am Dschabal Haydaran zu massiven Verwüstungen und zu erheblichen Völkerwanderungen. Möglicherweise war in ihrem Gefolge eine kleine Gruppe, aus der die späteren Banu Maqtil hervorgingen. Sie wurden mit dem Zusammenbruch des Almohadenreichs in den Ksour Südmarokkos unabhängig und wehrten sich auch lange gegen die Meriniden. Auch sie trugen zur Arabisierung berberischer Stämme bei.
1057 flohen die Ziriden, nachdem die Beduinen Kairuan erobert hatten, nach Mahdia, während die Eroberer in Richtung Algerien weiterzogen. Dort beendeten sie die Herrschaft der Banu Hammad. Nur die Küstenstädte wurden noch kontrolliert, was für eine sehr viel stärkere Ausrichtung auf das Mittelmeer sorgte, doch gerieten die Ziriden damit in Konkurrenz zu den aufstreben Städten Genua und Pisa.
Die umfangreichen Migrationen zerstörten das Gleichgewicht zwischen nomadischen und sesshaften Berbern und führten zu einer Bevölkerungsdurchmischung. Das Arabische, bis dahin nur von den städtischen Eliten und am Hof gesprochen, begann, die Berbersprachen zu beeinflussen. Zudem flohen viele Berber west- und südwärts. Andererseits kamen Beduinengruppen nach Algerien, wie etwa die Cha'amba in der nördlichen Sahara. Sie beteiligten sich in der französischen Kolonialzeit an der Unterwerfung der Tuareg (Imuhar). Neben der Kamelzucht entwickelte sich vor allem der Dattelanbau in den Oasen als wichtige Lebensgrundlage.
Mit der verstärkten Arabisierung ging eine Intensivierung der Islamisierung einher. Bestanden um 1000 noch 47 Bistümer in Nordafrika, so waren es zur Zeit Papst Leos IX. nur noch fünf. In Tripolitanien reichen lateinische Inschriften auf christlichen Grabsteinen bis in das 11. Jahrhundert, der vulgärlateinische Dialekt verschwindet auch in abgelegenen Gegenden wie Gafsa im Laufe des 12. Jahrhunderts.
Anfang des 11. Jahrhunderts lebten nomadische Viehzüchter der Sanhadscha in der westlichen Sahara, wo sie den Karawanenhandel zwischen dem Sudan und dem Maghreb kontrollierten. Allerdings wurde dieser Handel durch das Vordringen der Magrawa, die zu den Zanata zählten, im westlichen Algerien und die Unterwerfung von Sidschilmasa erheblich gestört. Die Auflösung des Sanhadscha-Bundes zu Anfang des 11. Jahrhunderts führte zu einer Periode der Unruhe und des Krieges zwischen den Berbern.
Um 1039 brachte ein Djudala-Stammesführer von seiner Pilgerfahrt nach Mekka einen Theologen der Sanhadscha, Abdallah ibn Yasin († 1059), mit. Ibn Yasin und einige Sanhadscha aus seinem Gefolge zogen sich nach einer Revolte der Stämme mit seinen Anhängern nach Süden zurück, wo er am Senegal ein Ribat gründete. Im Bündnis mit Yahya ibn Umar, dem Führer des Lamtunastammes, schlug er die Revolte der Djudala nieder. Dort gründeten sie ein religiöses Zentrum, ein Ribat. Vom arabischen Geschichtsschreiber Ibn Abi Zarʿ († um 1315) stammt die Legende, dass der abgelegene Ort eine Insel namens Rābiṭa gewesen sein soll, wovon sich der Name Murābiṭūn abgeleitet habe. 1042 riefen die „Almurabitun“, die „Männer des Ribat“, zum Dschihad gegen die Ungläubigen und diejenigen unter den Sanhadscha auf, die sich nicht der Lehre der Malikiten anschließen wollten. Mitte des Jahrhunderts ging daraus der Kriegsbund der Almoraviden unter Yahya ibn Umar (1046–1056) hervor. Dieser stellte die politische Einheit der Sanhadscha unter einem religiösen Ziel wieder her. Ab 1054 kontrollierten die Almoraviden Sidschilmasa und eroberten zudem Audaghast im Reich von Ghana. Ibn Yasin führte eine strenge Ordnung ein, u.a. waren Wein und Musik verboten, nichtislamische Steuern wurden abgeschafft. Ein Fünftel der Kriegsbeute gestand er den Religionsgelehrten zu. Gegen diese rigorose Auslegung des Islam kam es 1055 zu einem Aufstand in Sidschilmasa.
Die Leitung der Bewegung ging im Süden an Abu Bakr ibn Umar (1056–1087), Emir von Adrar, und im Norden an Yusuf ibn Taschfin (1061–1106) über. Beim Versuch die in seinen Augen häretischen Bargawata an der Atlantikküste zu unterwerfen kam Ibn Yasin 1059 ums Leben.
1070 gründete Abu Bakr ibn Umar Marrakesch in Marokko als Hauptstadt des Reiches. Im Süden führte Abu Bakr Krieg gegen das Reich von Ghana - die Eroberung von dessen Hauptstadt Koumbi Saleh im Jahr 1076 ist wohl ein Produkt historischer Phantasie.118f Yusuf ibn Taschfin (1061–1106) organisierte das nördliche Reich vor allem mit Unterstützung seiner Rechtsgelehrten. Unter ihm eroberten die Almoraviden in Nordmarokko 1075 die Reiche der Magrawa und Salihiden im Rif sowie das westliche Algerien von den Hammadiden im Jahr 1082. Damit stand der gesamte Westmaghreb unter der Herrschaft der Almoraviden. 1086 kam es auf Ersuchen der muslimischen Fürsten von Al-Andalus zu einem Feldzug gegen die iberischen Christen. Bei diesem Vorstoß wurde Alfonso VI. von León und Kastilien in der Schlacht bei Zallaqa am 23. Oktober 1086 vernichtend geschlagen. Bis 1092 setzten sich die Almoraviden durch die Annexion der Taifa-Königreiche, in die die dortige muslimische Herrschaft zerfallen war, in Andalusien durch. Nur Valencia unter El Cid und Saragossa unter den Hudiden (1039-1110) blieben selbstständig. Die rigorose Durchsetzung des puritanischen Islams der Almoraviden in der städtischen andalusischen Kultur führte zu erheblichen Widerständen. Ihr Eifer richtete sich nicht nur gegen Andersgläubige, sondern auch gegen jene Muslime, denen sie religiöse Nachlässigkeit vorwarfen.
Unter Ali ibn Yusuf (1106–1143) wurden zwar Valencia und Saragossa sowie die Balearen unterworfen, doch ging Saragossa bereits 1118 an Aragon verloren, während sich im südlichen Marokko die strenge Reformbewegung der Almohaden zu verbreiten begann. Das riesige Reich zerfiel in Konflikten zwischen den Sippschaften nach dem Tode Abu Bakrs im Jahr 1087.
Eine neue islamisch-reformistische Macht, von Zanata-Almohaden angeführt, eroberte das Reich der Almoraviden in Marokko. Nach dem Tod Ali ibn Yusufs im Jahr 1143 und nach Aufständen der Muriden unter Ibn Qasi und Ibn al-Mundir mussten sich die Almoraviden aus Andalusien zurückziehen, was den Aufstieg von Ibn Mardanisch von Valencia begünstigte. Mit der Erstürmung Marrakeschs durch die Almohaden im Jahr 1147 und dem Tod des letzten Almoraviden Ishaq ibn Ali endete die Dynastie.
Der wohl bedeutendste Beitrag der Sanhadscha und der Almoraviden für die Geschichte Westafrikas war die Islamisierung weiterer Gebiete, die Vertreibung der Charidschiten und anderer islamischer Gemeinschaften sowie die Durchsetzung der konfessionellen Einheit Marokkos auf malikitischer Grundlage.
Nördlich und nordöstlich des Gebiets zwischen Dschebel Aurès und Tinis lebten Bauern und Hirten der Sanhadscha, in deren gebirgigem Herrschaftsbereich außer Marktorten keine Städte bestanden. Mit der Zeit zwischen der Gründung von Aschir im zweiten Drittel des 10. Jahrhunderts und der der Qal'a durch Hammad ibn Buluggin vollzog sich die Loslösung des zentralen Maghreb von Ifriqiyya. 1007 bis 1050 stieg das Reich der Hammadiden als Rivale Ifriqiyyas auf, wobei es sich, je nach politischer Lage, den Abbasiden oder den Fatimiden zuwandte. Der Einfall der Banu Hillal brachte zunächst Flüchtlinge in die Region, dann jedoch auch Zerstörungen. Während ein Zweig der Banu Hillal, die Aṯbağ, zeitweise auf Seiten der Hammadiden kämpften, stritt ein anderer, die Riyāḥ auf Seiten der Ziriden von Tunesien.
1067 musste an-Nāṣir in das kleine Biğāya oder Bejaia, das antike Saldae, ausweichen und es zu seiner Hauptstadt machen. 1088 wanderte eine erste Gruppe der Bewohner der Qal'a zur kabylischen Küste. Inzwischen setzten die Almoraviden ihren Eroberungszug fort und besetzten 1081 Tlemcen, dann Oran und Algier. Algier konnte allerdings 1102 zurückgewonnen werden. Al-Mansur überließ den Beduinen die Hälfte aller Ernteerträge und machte Biğāya 1090 zu seiner alleinigen Hauptstadt. Der Handel konzentrierte sich zunehmend auf die Küste, auch Piraterie begann eine Rolle zu spielen. Unter Yahya ibn Abd al-Aziz (1121-1152) konnte 1145 der Westen Algeriens nicht gegen die Almohaden verteidigt werden. 1151 begannen die Almohaden mit dem Angriff auf das Hammadidenreich und besiegten Yahya 1152 vor Bougie.
Die Gesamtzahl der Berber variiert, je nach Abgrenzung, zwischen 15 und 50 Millionen, davon sind über 3,5 Millionen Tuareg - etwa 140.000 leben in Algerien.119 Die Tuareg sind die südlichste Gruppe der Berber, die algerischen Gruppen sind die nördlichsten der Tuareg. Im Gegensatz zu den Berbern im Norden bezeichnen die zu dieser Sprachgruppe zählenden Tuareg die Berbersprache nicht als Amazigh sondern als Imuhag und meinen alle Tuareg, die Tamahak sprechen. Zwar besteht eine lange Schrifttradition, doch die Schrift wurde nie zur Aufbewahrung historischer Ereignisse im Gedächtnis benutzt. Daher besteht das historische Gedächtnis nur in mündlicher Form.
1925 entdeckten Archäologen in Abalessa im Ahaggar, etwa 80 km westlich von Tamanrasset, das Grabmal einer Frau.120 Neben dem gut erhaltenen Skelett fanden die Ausgräber Münzen aus der Zeit Konstantins I., Gold- und Silberschmuck sowie eine Grabkammer nebst Einrichtung, die sich heute im Nationalmuseum in Algier befinden. Die Funde wurden in das 4. oder 5. Jahrhundert datiert. Die Behauptung, es handle sich um Tin Hinan, die mythische Vorfahrin der adligen Tuareg, ist kaum zu belegen. Der Legende nach traf sie bei ihrer Ankunft im Ahaggar auf nur wenige Menschen, die Höhlen bewohnten und Ziegen hüteten. Sie hatte eine Tochter namens Kella, von der die bei den Tuareg führenden Gruppen der Kel Rala und der Taytok abstammen sollen. Auch andere Gruppen beanspruchen Tin Hinan als Vorfahrin, doch ist dies nur bei diesen beiden Gruppen unumstritten. Von Tin Hinans Dienerin oder Sklavin Takama hingegen, die zwei Töchter hatte, sollen ihre Vasallen, die Dag Rali, Kel Ahnet und die Aït Lowayan abstammen.
Im 11. Jahrhundert zogen die Tuareg aus den Gebieten der Mittelmeerküste südwärts. Sie wurden von den Banu Hilal aus dem Fessan südwärts vertrieben, wo sie ihrerseits die Tubbu aus dem Tassili n'Ajjer, Aïr und Ahaggar Richtung Tibestigebirge verdrängten. Nach dem Untergang des Songhaireichs im Zuge des marokkanischen Eroberungskrieges im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg in die Sahelzone ein und errangen die Kontrolle über Timbuktu und das Sultanat Aïr mit Sitz in Agadez.
Als kriegerisches Berbervolk unterwarfen sie ihre Gegner und machten sie zu Kriegsgefangenen und Sklaven. Die meisten Sklaven wurden unter den subsaharischen Afrikanern, den Songhai, Zarma, Kanuri und Hausa genommen, aber auch unter konkurrierenden Tuareg-Konföderationen. Diese bildeten die Iklan-Gemeinschaften.122 Entweder waren sie Haussklaven und lebten als Hausangestellte wie Familienmitglieder bei ihren Eigentümern, oder sie wurden Hirten, Bauern oder zur Salzgewinnung abgestellt. Beide Gruppen waren damit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Hab und Gut der Tuareg-Obrigkeit.123 Imajaren (Adelige) und Imrad (Vasallen) durften versklavte Frauen heiraten, wobei ihre gemeinsamen Kinder Freie waren. Reine Iklan-Familien behielten den Status der Leibeigenschaft.
Die Tuareg hatten ein geschichtetes Gesellschaftssystem.124 Bis zur Kolonialzeit der Franzosen stand den Stämmen der Tuareg der König voran. Die oberste soziale Kategorie nahmen die Imajaren (Adelsschicht)) ein, die für das Kriegshandwerk zuständig waren. Die Ineslemen (Korangelehrte) bildeten dahinter den Kern der Tuareggesellschaft. Dahinter wiederum reihten sich die Imrad (Vasallen) ein, die Funktionen als Viehzüchter und Soldaten innehatten und dem Oberbefehl der Imajaren unterstanden.
Die libysche Schrift (auch altlibysch oder numidisch genannt) ist eine Alphabetschrift, die etwa vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. in weiten Teilen Nordafrikas für die libysche Sprache verwendet wurde. Möglicherweise geht sie auf das phönizische Alphabet zurück.125 Aus der libyschen Schrift ging die Tifinagh-Schrift hervor.126
Um 1035 entstand in Mauretanien innerhalb der Sanhajah-Konföderation eine neue religiöse Bewegung unter der Führung von Ibn Yasin. Sie war eine Reaktion auf die gleichzeitige Bedrohung durch die Soninke von Ghana im Süden und durch Berberstämme, die aus dem Norden kamen, und war von Gedankengut aus Kairuan beeinflusst. Sie waren strenge Anhänger der dort vorherrschenden malikitischen Rechtsschule. Die Sanhaja Mauretaniens, vor allem die verschleierten Lamtuna, bildeten eine Art Aristokratie mit zahlreichen Vorrechten. Vor allem hielten sie alle wichtigen Staatspositionen. Unter Yusuf ibn Taschfin eroberten sie Marokko und ab 1086 große Teile der iberischen Halbinsel, ihre Hauptstadt war das 1070 gegründete Marrakesch. Die malekitischen Rechtsgelehrten erteilten vielfach Staatsbediensteten Anweisungen, so dass sie erhebliche Macht gewannen. Gegen sie wandten sich mystische Bewegungen aus Spanien und dem islamischen Osten, die die Gelehrten mit Unterstützung der Dynastie bekämpften.
1121 gründete Ibn Tumart, ein Masmuda-Berber aus dem Hohen Atlas, eine entsprechende, theologisch fundierte Bewegung, die Almohaden, für die er Anhänger aus acht Stämmen der Masmuda gewann. Er verlangte die Rückkehr zum Koran und zur Tradition (Hadith) und stellte sich gegen die Dominanz der vier Rechtsschulen; zugleich widersetzte er sich der wortwörtlichen Auslegung des Korans. Darüber hinaus betonten sie die absolute Einheit Gottes, weshalb sie sich „Einheitsbekenner“ (al-muwaḥḥidūn bzw. Almohaden) nannten. Diese Lehre schloss das Belegen Gottes mit bestimmten Eigenheiten sowie den Vergleich mit anderen Wesen aus. Der Heilige Krieg gegen die Almoraviden war wichtiger, als gegen die Ungläubigen, also die Anhänger anderer Religionen. 1128/29 kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, in deren Folge Ibn Tumarts Gegner umgebracht wurden. Am 13. Mai 1129 unterlag sein Heer bei al-Buhayra, auch scheiterte die Belagerung von Marrakesch. Am 20. August 1130 starb der Mahdi. Sein Tod wurde angeblich drei Jahre lang geheimgehalten.
Seinem Nachfolger, dem Qumiya-Berber Abd al-Mumin (1130–1163), gelang 1133 bis 1148 die Eroberung von Marokko, 1145 fielen Tlemcen, 1146 Fès und Marrakesch, ab 1147 gelang die Eroberung des in Kleinstaaten zerfallenen al-Andalus, also der muslimischen Herrschaftsgebiete auf der iberischen Halbinsel. 1149 stürzte er die Dynastie der Almoraviden in Marokko, nach einer Rebellion an der Atlantikküste und in Sousse erfolgte eine brutale Säuberung, der angeblich 32.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Almohaden eroberten das Reich der Hammadiden in Algerien 1152, schließlich 1155 bis 1160 das der Ziriden in Tunesien. Durch die Umsiedlung arabischer Beduinenstämme von Ifriqiya und Tripolitanien nach Marokko wurde die Arabisierung der Berber weiter beschleunigt. Auch Banu Hillal aus dem Hammadidenreich wurden umgesiedelt, sie ersetzten die vernichteten „häretischen“ Barġawāṭa der Atlantikküste. Die Masmudah-Berber beherrschten das Reich, doch hatten sie, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, ein weniger scharf profiliertes religiöses Ziel. Zum einzigen Mal war unter den Almohaden der gesamte Maghreb unter einer Berberdynastie vereinigt. 1161 setzte der Kalif nach Spanien über und eroberte Granada. 1163 starb er in Ribat, einem riesigen Heerlager, auf das die heutige Hauptstadt Marokkos, Rabat, zurückgeht. Ab 1172 war der muslimische Teil der iberischen Halbinsel eine almohadische Provinz.
Die letzte Phase der Almohadenherrschaft setzte ein, als die Banu Ghaniyah, die das muslimische Spanien für die Almoraviden beherrscht und 1148 die Balearen besetzt hatten, 1184 Algerien und 1203 Tunesien eroberten. In der sich ausweitenden Anarchie gewannen die arabischen Beduinen an Bedeutung. Bis 1235 verloren die Almohaden die Herrschaft über den Süden der iberischen Halbinsel, den Maghreb an drei Berberstämme. Ifriqiya ging an die Hafsiden; auch konnten die Almohaden nicht mehr verhindern, dass die Banu Marin, eine Gruppe der Zanata, durch Nordalgerien Richtung Marokko zog und 1248 Fès besetzte. 1269 fiel ihnen auch Marrakesch in die Hand. Schon in den 1230er Jahren hatte eine andere Zanata-Gruppe, die Westalgerien beherrschte, nämlich die Abdalwadiden, Tlemcen erobert, das sie bis Mitte des 16. Jahrhunderts beherrschten.
Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts geriet der gesamte Maghreb unter den Einfluss der marokkanischen Meriniden des Abu Inan Faris. Der Merinide Abu l-Hasan hatte nach einem Heiratsbündnis mit den tunesischen Hafsiden das Reich der Abdalwadiden, die auch Zayyaniden genannt werden, erobert und unterwarf 1346 bis 1347 den Osten des Maghreb und Tripolitanien.
Die Meriniden standen ihrerseits nach der Eroberung von Algeciras auf dem spanischen Festland (gegenüber von Marokko) ab 1344 unter dem Druck der Reconquista-Staaten der iberischen Halbinsel. 1348 musste der Merinidenherrscher nach einer schweren Niederlage aus Tunis fliehen. Sein Sohn Abu Inan versuchte die Eroberung 1356 bis 1357 erneut, doch auch er unterlag arabischen Stammeskonföderationen und musste das Land genauso überstürzt verlassen wie sein Vater. Zugleich waren es diese Stämme, deren Rivalitäten das Hafsidenreich zwischen 1348 und 1370 in zwei Teile zerrissen. Infolgedessen residierte das eine Herrscherhaus im algerischen Bejaia, das andere in Tunis. 1370 gelang Abu l-Abbas Ahmad II. die Vereinigung der beiden Herrschaftsgebiete. Trotz der häufigen Machtkämpfe gestattete die Stabilität der Dynastie eine stete kulturelle Entwicklung, deren bedeutendster Repräsentant Ibn Chaldun war, ein Historiker und Politiker.
Während Ostalgerien in der Hand der tunesischen Hafsiden blieb, machte sich 1235 Abu Yahya Yaghmurasan ibn Zayyan als Führer der berberischen Banu Abd al-Wad (auch: Banu Ziyan/Zayyan) von den Almohaden unabhängig.127 Die Hauptstadt des 1235 bis 1283 regierenden Herrschers wurde Tagrart, das heutige Tlemcen oder berberisch Tilimsan, das am Schnittpunkt der Straßen von Hunayn und Oran in den Tafilalet lag. Im Westen eroberten die Meriniden Fès 1248, so dass der Maghreb erneut dreigeteilt war. Wie das marokkanische Reich der Meriniden, so war auch das Abdalwadidenreich in Westalgerien eine Schöpfung der Zanata. Die Abdalwadiden versuchten nun zu verhindern, dass die Meriniden übermächtig wurden und sie unterstützten dazu ihre ehemaligen Oberherren. So fielen sie 1250, 1260 und 1268 in das Merinidenreich ein. Zwar wurden sie in allen drei Fällen zurückgeschlagen, doch den Meriniden wurde damit die Möglichkeit genommen, gegen die Almohaden im Süden vorzugehen.
Zunächst stützten sich die Herrscher auf die Banu Hilal, genauer die Zuġba, dann banden sie sich, um den Meriniden in Marokko und den Hafsiden widerstehen zu können, an die Nasriden von Granada und an das Königreich Kastilien. Ab 1283 war das Reich vier Angriffen der Meriniden ausgesetzt. 1295 attackierten die Meriniden ihre Nachbarn, sie belagerten von Mai 1299 bis 1307 Tlemcen und errichteten eine konkurrierende Stadt namens al-Mansura, die Siegreiche. Durch die Ermordung des Merinidenherrschers im Mai 1307 endete die Belagerung und die Abdalwadiden zerstörten die Konkurrentin.
Bereits im Vertrag von Monteagudo vom Dezember 1291 waren eine Art Interessensphären zwischen den beiden spanischen Mächten Aragon und Kastilien verabredet worden. Aragon, das seit etwa 1250 diplomatische und Handelsbeziehungen zu den Hafsiden und den Abdalwadiden unterhielt, beanspruchte dort Vorrechte, während Kastilien das Gleiche in Marokkos Merinidenreich einforderte. Zudem hatten die Meriniden es 1276 abgelehnt, mit Aragon einen Friedens- und Handelsvertrag abzuschließen. Als die beiden iberischen Mächte im Krieg lagen, versuchte Aragon 1286 ein Bündnis mit den Meriniden gegen Kastilien zustandezubringen, aber auch dies wurde abgelehnt. Die Meriniden blieben neutral, ebenso wie die iberischen Nasriden, doch sahen sie wohl in der Eroberung des Abdalwadidenreichs eine Möglichkeit, sich des fortgesetzten Drucks der beiden christlichen Staaten zu erwehren.
Doch dieses Reich konnte sich unter Abu Hammu I. Musa (1308–1318) und Abu Taschfin I. (1318–1337) stabilisieren, die Wesire dieser Herrscher waren Muslime aus Spanien. Doch die Abdalwadiden, die gegen die Hafsiden vorgehen wollten, sahen sich bald einer Koalition der Hafsiden mit den Meriniden gegenüber. Die Zayyaniden-Abdalwadiden ihrerseits unterstützten Mächte aus Tripolitanien, wobei es Ibn Abi 'Umran 1329 sogar mit ihrer Hilfe gelang, Tunis zu erobern. 1335 bis 1337 wurde im Gegenzug Tlemcen von den Meriniden erneut belagert, diesmal erfolgreich. Der Sieger, Abul-Hassan, besetzte nicht nur Algier und unterwarf die umliegenden Stämme, sondern er heiratete auch eine Schwester des Hafsidenherrschers. Diese kam jedoch bei einem Gefecht in Spanien ums Leben, kurzerhand heiratete er stattdessen 1346 eine Tochter des Hafsiden.
1337 bis 1348 gelang den Meriniden die Besetzung des Abdalwadidenreichs, die Konkurrenzstadt al-Mansura wurde erneut aufgebaut. 1352 kam es zu einer weiteren Invasion, die Meriniden besiegten ein Bündnis aus Abdalwadiden und Arabern in der Ebene von Angad nördlich von Oujda. Der Abdalwadide Abu Sa'id 'Utman wurde gefangen und getötet. Tlemcen wurde erneut besetzt, Oran und Algier waren schon bei der ersten Invasion besetzt worden, 1356 fiel Constantine, 1357 stand die merinidische Armee in Tunis. Allerdings musste sie sich bald zurückziehen und Tunesien aufgeben, wenn auch der überwiegende Teil Algeriens in ihrer Hand blieb.
Diese Angriffe hingen wohl damit zusammen, dass es im Zuge massiver politischer Veränderungen südlich der Sahara, darunter das Eindringen arabischer Stämme ins Draa-Tal im 13. Jahrhundert, der Zusammenbruch des Reiches von Ghana und der dadurch ausgelösten Verlagerung der Gold- und Handelsströme nach Osten,128 zu einer starken Konkurrenz für Sidschilmasa durch algerische und tunesische Städte kam.
Doch unter Abu Hammu II. Musa (1359–1388) gewann das Reich von Tlemcen nach einem Aufstand seine Unabhängigkeit zurück. Mit Hilfe der arabischen Stämme der Dawawda und der Awlad Sa'id konnte Abu Hammu im Februar 1359 Tlemcen erobern. Über Jahrzehnte widerstand der Abdalwadide den Meriniden, allerdings musste er 1359, 1360, 1370 und 1383 aus seiner Hauptstadt fliehen. 1366 griff er Bijaya an und handelte sich damit die Feindschaft eines weiteren mächtigen Gegners ein. Der Hafsidenherrscher von Bijaya und Constantine, Abul 'Abbas, der spätere Sultan von Tunis, verband sich nämlich mit einem Verwandten des Abdalwadiden, mit Abu Zayyan. Der Dauerstreit zwischen den Abdalwadiden wurde nur 1370 durch eine Invasion der Meriniden unterbrochen, die die beiden Abdalwadidenprinzen zeitweise zur Flucht in die Wüste zwang. Abu Zayyan ließ sich in Algier zum Sultan ausrufen, doch gelang es Abu Hammu, die Stadt kurz danach 1378 zu erobern, was die zwölfjährige Auseinandersetzung beendete.
Doch nun traten abermals die Meriniden auf den Plan, die 1383 Tlemcen eroberten. Abu Hammu plante nun, seine Hauptstadt nach Algier zu verlegen, um sich dem nahen Merinidenreich zu entziehen. Dazu wollte er 1386 seinen Hofschatz nach Algier schicken, doch fürchtete einer seiner Söhne, bei der Gelegenheit von der Nachfolge ausgeschlossen zu werden. So ließ Abu Taschfin, dem entsprechende Briefe in die Hände gefallen waren, sowohl seinen Bruder als auch seinen Vater im Januar 1387 verhaften. Doch Abu Hammu gelang die Flucht und im Juli 1388 saß er wieder in Tlemcen. Sein Sohn verbündete sich nun seinerseits mit den Meriniden, die sich die Gelegenheit zum Eingreifen nicht entgehen ließen. Der aus Fès aufbrechenden Armee gelang es, Abu Hammu zu töten. Abu Taschfin erhielt zwar Tlemcen, doch nun wurden die Abdalwadiden Vasallen der Meriniden, ab 1424 der Hafsiden.129
In dieser Zeit erfolgte eine fast vollständige Arabisierung der Berber im westlichen Algerien durch die Beduinen. Aus der Zeit der Abdalwadiden stammen Minarette von Moscheen in Agadir und Tlemcen sowie drei kleine Moscheen in der Hauptstadt. Von Bedeutung ist aber vor allem die 1339 von den Meriniden errichtete Grabmoschee des Mystikers und Stadtpatrons Abu Madyan (1126–1198).
1390 besetzte eine Koalition christlicher Mächte, vor allem Franzosen, Engländer und Genuesen, das Arsenal des hafsidischen Mahdia. Doch der in Constantine residierende Zweig der Hafsiden konnte die Herrschaft der Dynastie sichern. 1424 und 1432 konnten sie sich unter Abu Faris der Bedrohung durch das iberische Königreich Aragon erwehren. Zwischen 1450 und 1494 wurde die Hauptstadt durch Familienfehden, das Land durch Pestepidemien und Hungersnöte erschüttert. Dennoch errang das Land eine Vormachtstellung im westlichen Islam und dominierte wirtschaftlich und kulturell.
Gleichzeitig begannen Mauren und Juden aus Andalusien einzuwandern, dessen letzte muslimische Herrschaft 1492 von Spaniern erobert worden war. Letztere eroberten unter Ferdinand II. und Isabella I. die Städte Mers-el-Kébir im algerischen Nordwesten, den Hafen von Oran, 1509 Oran selbst, Bejaia und die Algier vorgelagerte Insel Penon (heute Ilôt de l'Amirauté), Ténès und Mostagamen.
1509 mussten die Abdalwadiden die spanische Oberhoheit anerkennen, als dessen Flotte Oran eroberte; 1543 bis 1544 war es von Spaniern besetzt. Bis 1554 kämpften katholische Spanier und sunnitische Korsaren, die von den Osmanen unterstützt wurden, um das Reich. Die Korsaren konnten schließlich 1550 Tlemcen erobern, wenige Jahre später verschwand das Abdalwadidenreich.
Möglicherweise bereits im Zuge der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 kamen jüdische Flüchtlinge in den Westen Numidiens.130 In Tilimsan (Tlemcen), das die Römer Pomaria nannten, wuchs eine Gemeinde heran, die später als „Jerusalem des Westens“ galt. Nach der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert wurde sie, wie die meisten Gemeinden, und wie es schon Mohammed für die Gebiete außerhalb der Arabischen Halbinsel vorgesehen hatte, geduldet. Im 10. und 11. Jahrhundert korrespondierten jüdische Gelehrte aus Tlemcen mit den Geonim Mesopotamiens, den dortigen Talmudinterpreten. 1146 wurde die Stadt von den Almohaden zerstört.
Juden lebten dort erst wieder 1248, als Tlemcen die Hauptstadt der Abdalwadiden wurde. Sie lebten in einer Vorstadt namens Agadir. 1415 war Rabbi Saadiah ha-Cohen Sullal Vorsteher der Gemeinde, sein Sohn Nathan folgte ihm im Amt. Ephraim b. Israel Al-Nakawa (Enquaua), ein Flüchtling aus Spanien, erhielt die Erlaubnis für die Juden, innerhalb der Stadt Tlemcen zu leben, wo bald eine Synagoge entstand. Zu ihren bedeutendsten Gelehrten gehörten Judah Najjār, Marzuk b. Tāwa, Saadiah Najjār, die Ankawa, Zerahia Zalmati und die Alashkar. Der arabische Reisende 'Abd al-Bāsit studierte Medizin bei Moses Alashkar (1465).
Die Gemeinde spielte für den Transsaharahandel eine wichtige Rolle, doch geriet sie damit in Konkurrenz zu muslimischen Händlern und vor allem in Auseinandersetzungen mit einem Fundamentalisten. Bereits 1467 kam es zu Plünderungen. Doch erst Muhammad al-Maghili († um 1505) zerstörte ihre Synagoge, vertrieb die Gemeinde und bekämpfte die jüdischen Berber im Twat (wohl 1492). Da seine Unternehmungen von den muslimischen Herrschern abgelehnt wurden, und dieser die Scharia nicht durchsetzen konnte, ging er nach Timbuktu.131 Doch auch in Takidda, Kano, im Emirat Katsina und in Gao lehrte er bei den westafrikanischen Songhai-Herrschern, die auf seine Initiative Juden den Zutritt zu ihrem Reich untersagten,132 kehrte jedoch zwei Jahre vor seinem Tod in den Norden zurück. Auslöser hierfür war der Tod seines Sohnes im Twat.133
Nach der Zerstörung der Synagoge im Jahr 1467 waren viele Juden nach Kastilien geflohen, doch weiterhin lehrten in Tlemcen bedeutende Männer. Rabbi Joseph Sasportas (Sohns Abraham Sasportas') wurde Anfang des 15. Jahrhunderts in Tlemcen geboren und lernte beim Dayyan R. Ephraim Enquaua. Sein Sohn Judah und sein Enkgel Moses lernten in Tlemcen. Ihr Lehrer war R. Amram Najjari. Joseph Sasportas wurde vom Abdalwadidenherrscher zum Dayyan ernannt.
1493 lebte der spanische Rabbi Judah Khalass, der Autor von Mesi'aḥ Illemim, in der Stadt, in die ab 1492 viele spanische Juden flohen. Abraham ben Saadon unterstützte die Flüchtlinge und machte Tlemcen zu einem Zentrum der Tora-Studien. Jacob Alegre ging 1531 als Unterhändler an den Hof Karls V. Rabbi Jacob ha-Kohen Ashkenazi war ein bedeutender Kabbalist und Lehrer; sein bedeutendster Schüler war R. Jeshua ben Joseph ha-Levi, der Autor des Halikhot Olam.134
Doch der Niedergang der Gemeinde begann 1517, als die Osmanen die Stadt plünderten und die Juden zwangen, ihre Kopfbedeckung mit einem gelben Kennzeichen zu versehen. Um 1520 gab es nur noch 500 jüdische „Häuser“ in der Stadt. 1534 eroberten die Spanier die Stadt, wobei es zu einem Massaker kam. 1.500 Juden wurden versklavt, doch Juden aus Fès und Oran kauften sie frei. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts arbeitete Dayyan Solomon Khallas II. für die Gemeinde, andere Gelehrte waren Solomon Enquaua, Maimon Khallas und Judah Khallas III., Anfang des 17. Jahrhunderts lebte Dayyan Moses Shuraqi in Tlemcen.
1670 wurde die Gemeinde erneut von Osmanen geplündert, doch lebten auch weiterhin Gelehrte in der Stadt, wie Nathan Djian und Isaac Moatti. Als die Franzosen 1830 die Stadt besetzten, lebten dort wieder 1.585 Juden und es bestanden fünf Synagogen, von denen allerdings eine 1842 in eine Kirche umgewandelt wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts war Ḥayyim Kasbi der Oberrabbi, der Verfasser des 1807 erschienenen Ẓeror ha-Ḥayyim, auch gründete R. Abraham Enquaua eine Jeschiwa. 1846 kam es zu einem Pogrom, dennoch lebten 1851 2.688 Juden in Tlemcen, es bestanden acht Synagogen und zwei Schulen. Manche der jüdischen Kinder besuchten inzwischen christliche Schulen, Juden dienten in der Armee. Als sie 1881 angegriffen wurden, setzten sie sich zur Wehr.
1911 zählte die Gemeinde etwa 5.000 Mitglieder, 1941/42 waren es 4.907. Sie zählte nie mehr als 6.000 Mitglieder und bestand meist aus Arbeitern und Angestellten. 1902 beklagte der örtliche Rabbi Abraham Meir, der 1890 aus Frankreich nach Tlemcen gekommen war, die Rückständigkeit der örtlichen im Vergleich zu den europäischen Juden. Daraufhin musstet er nach Frankreich zurückkehren. Ein weiterer bedeutender Rabbi war David Cohen Sekely; zu seinen Schülern zählten Ḥayyim Touati, Jacob Sharvit, Saadiah Sharvit und Samuel Benichou. Jacob Goldman, der 1890 Tlemcen besuchte, beschrieb die Gemeinde. Danach lebten die Juden in einem dicht besiedelten Quartier in einstöckigen Häusern, die Vermögenden unter ihnen lebten in großen Häusern in anderen Quartieren. Auf dem Friedhof, einem wichtigen Pilgerort, den zuweilen 10.000 Menschen besuchten, lag Rabbi Ephraim Enquaua. 1924 bis 1940 war Joseph Mashash Oberrabbi. Die von der Alliance Israélite Universelle gegründete Schule wurde 1934 geschlossen. Die letzten Rabbis waren Jacob Sharvit und Isaac Rouch, seit 1962 gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Tlemcen.
Wie kompliziert die Verhältnisse und die Überlieferungslage im Südwesten Algeriens waren, zeigt die Entstehung des Ksar von Timimoun. Über ihn gibt es verschiedene Legenden, die für die Region eine jüdische Geschichte konstatieren. Bei der Islamisierung spielte ein Sidi Musa eine entscheidende Rolle. Vor der Errichtung des Ksar lebten zunächst mehrere Stämme, darunter die At Brahim in der Region, nicht weit von Tin Sayin. Auf Aufforderung des Wali Sidi Ahmad u-Lhadj (17. Jahrhundert), eines Nachfahren des Sidi Musa (14. Jahrhundert?) zogen sie von Tiditin dorthin. Sidi Musa gilt wiederum als Heiliger, dem es gelang, die Gemeinde zum Islam zurückzuführen, nachdem ein Jude namens Gourari sie davon abspenstig gemacht habe, wie eine Legende weiß. Dies konnte nur mit Unterstützung des Muhammad al-Maghili (um 1450-1503/4 oder 1505/6) gelingen, der bereits die Juden in Tlemcen drangsaliert hatte. Er war über den Twat aus dem Sudan gekommen. Er plante zunächst, die ungläubige Stadt zu zerstören, doch habe ihn Sidi Musa davon abgehalten. Eine andere Legende berichtet, dass Sidi Musa, auf der Suche nach einem unbewohnten Platz, mit dem Juden Mimoun kooperierte, der sogar zum Namensgeber des Ksar wurde. Sein Stamm lebte in Tabya, das sie jedoch auf Intervention des Heiligen aufgaben, ebenso wie ihre Religion, und die nun nahe der zu errichtenden Moschee und des Souk leben sollten, eines Marktes. Sidi Musa soll zudem diesen Souk gegründet haben, so dass der Ksar zum Hauptort des Tigurarin wurde. Zum Stamm Mimouns gehörte auch Fatima bint al-Hadj Tidikelt, die die Moschee auf von ihr gestifteten Gärten errichten ließ und Sidi Othman die Führung der Moschee überantwortete. 135 Bis heute wird der Heilige verehrt.
Algerien geriet im 16. Jahrhundert in den Konflikt zwischen den Großreichen. Spanien und das Osmanenreich, die sich vor allem auf dem Mittelmeer bekämpften, bildeten hier eine Zone aus, in der sich ihre Konflikte mit religiösen und lokalen Konflikten vermischten. Gesellschaft und Wirtschaft wurden auf diesen Kampf ausgerichtet und lieferten die Ressourcen zu heiligen Kriegen auf beiden Seiten. Kastilien nutzte die internen Auseinandersetzungen im bis 1492 muslimischen Granada aus, um dort Fuß zu fassen. Anfang 1492 schließlich zog seine Armee kampflos in die letzte muslimische Stadt auf iberischem Boden ein. Die Muslime wurden zur Auswanderung ermuntert und 1493 verließen 6.000 von ihnen die Halbinsel Richtung Maghreb.136 Nach gescheiterten Bekehrungsversuchen ging die kastilische Regierung ab 1499 zu Zwangsbekehrungen über, nicht konversionswillige Juden mussten bereits ab 1492 das Land verlassen.
Zugleich bereitete Kastilien die Expansion auf die andere Seite des Mittelmeers vor, wurde jedoch einige Jahre durch Auseinandersetzungen mit Frankreich um das Königreich Neapel aufgehalten. Hinzu kam die überraschende Möglichkeit, ab 1492 nach Amerika zu expandieren, die bald enorme Kräfte band, und die die Expansion nach Nordafrika zweitrangig erscheinen ließ. So wurde das marokkanische Malila (Melilla) erst 1497 besetzt. Zwar versuchten die Wattasiden von Marokko dies zu verhindern, doch hielten die spanischen Schiffskanonen deren Armee auf Distanz von der Küste.
Der Tod Königin Isabellas (1504) und die damit zusammenhängende Schwerpunktverlagerung auf den aragonesischen Reichsteil führte dazu, dass aragonesische Interessen - insbesondere Richtung Italien statt Richtung Maghreb - stärker berücksichtigt wurden. So errichtete Spanien kein kastilisch-maghrebinisches Reich sondern begnügte sich mit der Besetzung von Stützpunkten (presidios) entlang der afrikanischen Küste. Diese sollten eine Rückeroberung der seit dem 8. Jahrhundert muslimischen Gebiete auf der iberischen Halbinsel, wie sie sich schon früher ereignet hatte, dauerhaft verhindern helfen. Salim al-Thumi, der Führer der arabischen Tha'aliba um Algier, verhandelte mit den Spaniern in Béjaia. Er verpflichtete sich zu Tributzahlungen und gestattete den Spaniern, eine Festung auf einer der Inseln vor Algier zu errichten. Doch die presidios blieben von spanischen Lebensmittel- und Waffenlieferungen abhängig.
Insgesamt hatten die Reiche des Maghreb, die weder über die Technologie noch die Bevölkerungsmengen verfügten, denen zudem weder die Ressourcen großer Städteballungen noch eine hinreichende Zentralisierung zu Gebote standen, kaum eine Möglichkeit zur offenen Gegenwehr. Diese Gegenwehr organisierten stattdessen Korsaren unter Arudj und Khair ad-Din Barbarossa. Letzterer erkannte 1519 die Oberhoheit des osmanischen Sultans in Istanbul an, nachdem Hugo de Moncada, der Vizekönig von Sizilien, im August 1519 Algier angegriffen hatte. Doch noch bevor die zugesagten 2.000 Mann Janitscharen sowie Artillerie Algerien erreichten, musste Barbarossa eine Niederlage gegen den politisch-religiösen Führer der Kuku in der Großen Kabylei, Ahmad b. al-Qadi, vor Algier einstecken, der mit den Hafsiden zusammenarbeitete. Barbarossa setzte sich jedoch in den nächsten Jahren in Jijel, Annaba und Constantine fest und konnte 1525 Algier zurückerobern. 1529 konnte er zudem die spanische Festung auf einer der vier Inseln vor der Stadt erobern. Er verband die Inseln nun mit der Stadt und baute Algier zu einer Seefestung aus. Sein Gebiet reichte von Mostaganem im Westen bis Jijel im Osten und Constantine im Süden. Er setzte lokale Führer wieder ein, und es genügte, wenn sie ihm und damit Istanbul loyal blieben. Sogar den Bruder seines Gegners, Ahmad b. al-Qadis, duldete er als Herrscher der Großen Kabylei und verlangte nur Tribute. 1533 wurde Khair ad-Din Barbarossa nach Istanbul gerufen, im nächsten zum Admiral (Kapudan Paşa) erhoben, mit dem Auftrag, Tunis zurückzuerobern. Dies gelang ihm zwar im August 1534, doch eine spanische Flotte von 300 Schiffen und 30.000 Mann eroberte die Stadt ihrerseits im Juni 1535.
Unter den spanischen presidios gelang nur Oran eine Kooperation mit örtlichen Stämmen, in diesem Falle den Banu 'Amir. Der spanische Adlige Martín Alonso Fernández de Córdoba Montemayor y Velasco, zeitweise Vizekönig von Navarra, kurz Alcaudete wurde 1534 Generalkapitän von Oran. Er erhielt weitgehende Rechte, die lokalen Stämme gegen die Osmanen zu organisieren. 'Abdul-Rahman b. Radwan, der Führer der Banu 'Amir, schlug ihm vor, Muhammad, den Sultan von Tilimsan (Tlemcen) durch seinen jüngeren Bruder 'Abdullah zu ersetzen. Dieser erklärte sich mit einem Vasallenstatus einverstanden. Alcaudete stellte den Banu 'Amir 600 seiner Männer für den Angriff auf Tilimsan zur Verfügung, der 1535 erfolgte. Doch der Angriff schlug fehl, die Armee geriet bei der Festung Tibda in eine Falle, aus der nur 70 Mann als Gefangene herauskamen; nur wenigen gelang die Flucht.137 Trotz dieser katastrophalen Niederlage bewirkte die spanische Rückeroberung von Tunis im Jahr 1535 wohl, dass Sultan Muhammad sich noch im September 1535 bereit erklärte, Vasall Spaniens zu werden. Er wollte dafür Sorge tragen, dass alle Waren, die Tilimsan passierten, Richtung Oran liefen und darüber hinaus Tribut zahlen. Im Gegenzug sollte Spanien ihm 500 Soldaten stellen. Alcaudete machte keine Anstalten, den Vertrag vom König ratifizieren zu lassen, und er gedachte auch nicht, die Banu 'Amir zu verprellen.
Eine neue Wendung nahm der Kampf zwischen Madrid und Istanbul zwischen 1536 und 1544. 1536 schlossen nämlich Paris und Istanbul einen Vertrag, der in Geheimklauseln vorsah, dass sich die beiden Seemächte gegenseitig gegen das habsburgische Spanien unterstützten. Kaiser Karl V. bot Khair ad-Din nun seinerseits die Herrschaft von Algier bis Tripolis unter spanischer Oberhoheit an, doch blieb diese Offerte aufgrund des gegenseitigen Misstrauens folgenlos. 1541 entschloss sich Karl Algier mit einer riesigen Flotte anzugreifen. Diese bestand aus 500 Schiffen mit 12.000 Mann Besatzung und 24.000 Soldaten an Bord. Doch der Angriff scheiterte, Khair ad-Din kaperte weiterhin im Namen Istanbuls. Erst nachdem Frankreich und das Habsburgerreich 1544 Frieden geschlossen hatten, endete der steile Aufstieg Khair ad-Dins, der 1546 starb. Als Beylerbey von Algier folgte ihm sein Sohn Hassan. Solche Beylerbeys regierten in Algier bis 1587, als Istanbul eine regelrechte osmanische Verwaltung einführte.
In dieser Zeit, zwischen 1557 und 1584, in der Spanier und Osmanen um die Herrschaft in der Alten Welt rangen, befand sich auch der Kaperkrieg zwischen den Korsaren und den christlichen Staaten des Mittelmeers auf dem Höhepunkt. 1558 kaperten Korsaren in den balearischen Gewässern eine Flotte von 150 Galeeren, 1560 besiegten sie die Flotte unter Führung des Genuesen Andrea Doria vor Djerba. Im Gegenzug konnte die spanische Flotte den Korsaren 1563 und 1564 schwere Niederlagen zufügen und sich wieder ins mittlere Mittelmeer vorwagen, um Malta zu verteidigen. 1568 bis 1570 kam es in Spanien zu einem Aufstand der Muslime, die vielleicht noch 250.000 Angehörige zählten. Diese „Morisken“ waren zwar offiziell 1502 zum Christentum übergetreten, doch waren sie weiterhin von der Inquisition drangsaliert worden. 1571 siegte die spanisch-venezianische Flotte bei Lepanto zwar über die osmanische, dennoch fiel 1573 Zypern endgültig an das Istanbuler Großreich, Tunesien wurde 1574 eine Provinz des Osmanischen Reiches.
Doch dessen Einfluss reichte nicht bis nach Marokko, wo Scherifen, die als Nachkommen des Propheten Mohammed galten, von einer einflussreichen Gruppe zur herrschenden aufstiegen. Dies wiederum verhinderten in Algerien die dort dominierenden Piraten. 1552 wurde Hassan, der Sohn Khair ad-Dins und Herr von Algier, abberufen, da es immer wieder zu Konflikten mit den Saadiern von Marokko kam, die das westlich angrenzende Land zwischen 1549 und 1664 beherrschten. Istanbul hatte aber ein Interesse daran, alle muslimischen Kräfte zusammenzufassen. So erhielt Salah Ra'is die Herrschaft über Algier, doch gelang auch ihm keine Zusammenarbeit mit den Saadiern. Schließlich eroberte Salah Ra'is Anfang 1554 das marokkanische Fès und ließ dort 'Ali Abu-Hassun mit einigen Janitscharen zurück. Doch diese Eroberung löste eine rasche Gegenreaktion aus: Bereits im September eroberten die Truppen unter Muhammad asch-Schaich die Stadt zurück. Er knüpfte Kontakte mit Alcaudete in Oran, um einen gemeinsamen Angriff auf Algier vorzubereiten. Doch zunächst lehnte Spanien ab, änderte den Kurs allerdings, als die Osmanen Béjaia eroberten und Oran angriffen. Als die Osmanen die Belagerung Orans im August 1556 abbrachen - inzwischen hatten die Marokkaner Tilimsan erobert -, reiste Alcaudete nach Spanien und seine Gesandten nach Marokko, wo sie eine Abmachung zur Zusammenarbeit erreichten. Die Osmanen ihrerseits setzten 1557 Hassan wieder als Beylerbey in Algier ein. Zugleich forderten Gesandte Muhammad asch-Schaich auf, Münzen im Namen der Osmanen zu prägen und sich im öffentlichen Gebet dem Sultan zu unterstellen. Dieser lehnte jedoch ab. Im Oktober des Jahres wurde er daraufhin von vorgeblichen türkischen Deserteuren ermordet. Hassan gelang daraufhin die Besetzung Tilimsans, doch konnte keine der beiden Parteien die Schlacht im Wadi al-Laban nördlich von Fès zu ihren Gunsten entscheiden. Hassan musste 1558 nach Algier zurückkehren. Alcaudete hatte in Spanien 11.000 Mann rekrutiert, mit denen er nun statt Algier Mustaghanem angriff. Am 25./26. August wurde er besiegt und getötet, seine halbe Armee gefangen nach Algier verschleppt. Hassan, der in Streit mit seiner Armee geriet, wurde abberufen, jedoch 1562 wiedereingesetzt. Von Februar bis Juni 1563 belagerte er Oran, doch die Stadt blieb bis 1708 spanisch, dann noch einmal von 1732 bis 1792. Hassan wurde, wie sein Vater, 1567 zum Kapudan Paşa ernannt.
1576 unternahmen die Korsaren erneut einen Versuch, in Marokko Fuß zu fassen; als Verbündeter Istanbuls wurde dort 'Abd al-Malik installiert. Spanien verwickelte sich seinerseits zunehmend in die Kämpfe um die Reformation im Norden Europas, vor allem in den Niederlanden, und die Krone sah sich einem neuen atlantischen Rivalen gegenüber, nämlich England. Seine Händler erschienen sogar in Marokko, was wiederum Portugal auf den Plan rief, das die neuen Rivalen sehr ernst nahm. Zudem misstraute man in Lissabon Venedig, dem man zutraute, sich auch noch in den Atlantikhandel einzumischen. Auch Spanien versuchte 1595/96 das Land zu destabilisieren.
1578 erschienen spanische Unterhändler in Istanbul, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Zwar verzögerte sich der Abschluss durch Kämpfe zwischen Portugiesen und den Marokkanern, doch im August 1580 akzeptierte Istanbul einen Vertrag, in dem sich die beiden Großmächte verpflichteten, ihre Territorien und Untertanen nicht mehr anzugreifen.
Infolgedessen zeichnete sich ab dem Waffenstillstand von 1581 zwischen Spanien und dem Osmanenreich eine Tendenz ab, die Großmächte räumlich zu trennen und Berührungsflächen zu vermeiden. Nachdem die alten Rivalen Philipp von Spanien 1598, Elizabeth von England 1603 und Murad III. bereits 1595 gestorben waren, verbesserten sich die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden. Frankreich und Habsburg schlossen ihn 1598, die Habsburger und die Osmanen 1604, Habsburg und die Niederlande 1609.
Die unter dem äußeren Druck stark beschleunigte gesellschaftliche und technisch-militärische Entwicklung in Algerien verlangsamte sich erst im 17. Jahrhundert. Die äußerste Anspannung aller Kräfte verlieh den zunehmend zentralistischen Staaten nicht nur große äußere Macht. Der enorme Bedarf an Soldaten, vor allem aber an Geldmitteln verlieh den Staaten Zugriff auf die Mittel der produktiven Teile der Bevölkerung, eine Erkenntnis, die wiederum zu Versuchen führte, diese Wirtschaftskraft zu stärken. Analog zum europäischen Merkantilismus bestand auch im Maghreb ein Interesse, die Wirtschaftskraft zu stärken, um dem Staat mehr Mittel zuzuführen.
Zugleich erkannte Istanbul an, dass Algerien tribal organisiert war, und dass es genügte, den lokalen Autoritäten ihre Macht zu erhalten. Bei den nördlichen Berbern, die egalitärer waren als die Tuareg mit ihrer Adelsherrschaft, lag diese Autorität bei den Stammesräten (jama'a). Sie waren nur verpflichtet, im Interesse der Osmanen zu handeln, Tribute zu entrichten und die Herrschaft des Militärs (Ujaq) zu akzeptieren, das die äußere Verteidigung übernahm. Diese Truppen wiederum zeigten keinerlei Anzeichen der Integration in die algerische Gesellschaft. Im 17. Jahrhundert umfassten sie etwa 12.000 Mann. Mitte des 18. Jahrhunderts waren es nur noch 7.000 Mann, am Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch 4.000.138 Traditionsgemäß wurden die osmanischen Truppen ausschließlich in Anatolien rekrutiert, nur selten wurden kulughli, Nachkommen türkischer Männer und algerischer Frauen, in die Janitscharen aufgenommen.
Neben diesen anatolischen Truppen bestand eine ethnisch gemischte Seefahrergruppe, die ta'ifa (Gemeinde) der Seeleute. Die von ihnen und von Gefangenen, die zum Islam konvertierten, aber auch von zahlreichen Abenteurern gebildeten Seeleute waren die Grundlage für ein staatliches Kapermonopol (im Gegensatz zu Tunesien, wo dies auch auf private Rechnung erlaubt war), das noch lange als „Heiliger Krieg“ ausgegeben wurde.
Die Osmanen setzten in Algier Paschas als Regenten ein, die aber spätestens 1659 die effektive Kontrolle über das Land verloren. In diesem Jahr übernahm die Ujaq die Macht in Algier. Vier Aghas der Janitscharen regierten nun nacheinander das Land, doch alle wurden ermordet. Nach dem Verlust von sieben Schiffen im Kampf gegen eine englische Flotte unter Edward Spragg kam es zu einer Rebellion, in deren Verlauf der letzte Agha namens Ali (1664-1671) ums Leben kam. Die Rais beriefen nun den Dey (Onkel mütterlicherseits) von Algier als Machthaber, ähnlich wie in Tunesien, wo dieses Amt seit 1591 bestand. Ab 1689 wurde der Dey zwar vom Militär (Ujaq) gewählt, aber der Agha war nicht mehr automatisch, qua Amt, Herrscher des Landes. Istanbul entsandte weiterhin Paschas, deren Aufgabe jedoch vor allem in der Aufrechterhaltung der Kommunikation zwischen Istanbul und Algier bestand. Erst ab 1711 erhielt der Dey zugleich den Titel eines Paschas, so dass die Ämter wieder zusammengeführt wurden.
Erster Minister des Dey war der Schatzmeister, der ihm auch für gewöhnlich im Amt folgte. Zweiter Minister war der Agha, der in Dar al-Sultan herrschte, also in Algier und seiner Umgebung. Er rückte zum Schatzmeister auf, wenn dieser beim Tod des Dey zum Herrscher aufrückte. Der Militärrat (diwan al-'askar) verlor im Zuge dieser Ämtersequenz seinen anfangs dominierenden Einfluss. Unterhalb dieser obersten Ebene ragten der Flottenkommandant, der Führer der Kavallerie und die vier Sekretäre heraus. Insgesamt wies das Ämtersystem große Kontinuität auf und hielt sich bis 1830.
Neben dem Bezirk um Algier, dem Dar al-Sultan, bestand Algerien aus drei Provinzen. Diese Beyliks unterstanden Beys in Constantine im Osten, Tittari mit der Hauptstadt Midya im Zentrum und Muaskar im Westen, die 1792, nachdem die Spanier es endgültig geräumt hatten, nach Oran verlegt wurde. Unterhalb dieser Ebene wurden kleinere Einheiten gebildet, denen jeweils ein Qa'id vorstand. Der Bey war für das Militärkommando und das Eintreiben der Abgaben verantwortlich. Eine Reihe von Stämmen, die für ihre Dienste von Abgaben befreit wurden, leisteten Unterstützung in Form von Hilfstruppen und indem sie bei anderen Stämmen die Abgaben eintrieben. Auch zum Kampf gegen Rebellionen wurden sie herangezogen.
Neben den Abgaben, die auf islamischem Recht basierten, wurden auch Abgaben eingezogen, die der Unterstützung des Krieges gegen die Christen dienten. Hinzu kamen Abgaben, die dazu dienten, die halbjährlich zu entrichtenden Geschenke der Beys an den Dey und seine Ratgeber zu finanzieren. Jeder Bey hatte diese Abgabe wiederum alle drei Jahre persönlich abzuliefern, ansonsten brachte sie sein Stellvertreter nach Algier. Man erwartete dabei vom Bey von Constantine größere Geschenke, auch solche aus Tunesien, während die weiter westlichen weniger entrichten mussten. Zu den Geschenken zählten Sklaven, Seide, Pferde, Schmuck, aber auch Geld.
Die Beys von Constantine, die den Deys von Algier unterstanden und ihnen tributpflichtig waren, entwickelten sich durch intensive Nutzung ihrer Weizen- und Gerstenkulturen aus bloßen Statthaltern zu regelrechten Unternehmern. Zu Anfang hatten die Janitscharen das System gemischter Geld- und Naturalabgaben übernommen. Dabei wurde als Naturalabgabe nur so viel eingezogen, wie für den Unterhalt der Herrscher und ihrer Helfer vonnöten war. Die Bauern ihrerseits verkauften von dem, was sie nicht selbst verbrauchten so viel auf dem Markt, dass sie die Geldabgaben aufbringen konnten. Nun wurden die Naturalabgaben erhöht, so dass die Herrscher selbst als Händler, nämlich als Verkäufer an französische Großhändler auftreten konnten. Die besten Böden um Constantine wurden nur noch bebaut, um diese Abgaben zu liefern. Bei Olivenöl besaßen die Beys eine monopolartige Stellung. Bei diesen Parallelentwicklungen zu europäischen Prozessen blieb der Maghreb jedoch vergleichsweise bevölkerungsarm, das waffentechnologische Gleichziehen setzte keine technologische Entwicklung auf dem Land in Gang, Eingriffe des Fiskus überforderten häufig die lokale Wirtschaftskraft und die Zahl der urbanen Zentren blieb gering. Dabei breiteten sich Musketen praktisch im ganzen Land aus, was manchen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit in die Hand gab, gegen die Herrscher Widerstand zu leisten, wie etwa Ende des 18. Jahrhunderts bei den religiös motivierten Aufständen gegen die Beys in West- und Südwestalgerien.
Mit der Stärkung der christlichen Seefahrermächte, vor allem Englands, Frankreichs und der Niederlande, verlor die Kaperei gegen den christlichen Handel im Mittelmeer zunehmend an Bedeutung. Zudem war der Preis der Kaperei hoch. So wurde Algier 1661, 1665, 1682, 1683, 1688 durch die französische Flotte bombardiert. Bald gewann der Handel mit Europa, vor allem mit Frankreich, zwar an Bedeutung, doch litt er unter den kapernden Maltesern, noch mehr aber darunter, dass die muslimischen Schiffe nur wenige der europäischen Häfen anlaufen durften. Zudem war die Kaperei ein staatliches Monopol, das wichtige Einnahmen - etwa aus Lösegeldern, Sklavenverkäufen usw. - generierte. Doch ging deren Umfang massiv zurück. Verfügte Algier Anfang des 17. Jahrhunderts noch über etwa 75 Schiffe, die an Kaperfahrten teilnahmen, so waren es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur noch 20.139 Nachdem ein Schoner aus Boston von Piraten gekapert worden war, verhielten sich die Amerikaner, die noch kaum über eine ausreichende Seemacht verfügten, so konziliant, dass ihnen vorgeworfen wurde, sie würden damit allen anderen Seefahrern das Leben erschweren. Nur während der Napoleonischen Kriege kam es zu einem Wiederaufleben der Piraterie in größerem Maßstab. Hierbei stach Ra'is Hamidu hervor, dem zahlreiche Prisen zufielen.
In Algier lebten im 17. Jahrhundert rund 100.000 Menschen, dazu vielleicht 20-25.000 Gefangene aus Kaperfahrten. Constantine, Oran und Tilimsan hatten etwa 10.000 bis 25.000 Einwohner. Während Algiers Wirtschaft auf Kaperei und Außenhandel basierte, partizipierten Constantine und Tilimsan am Karawanenhandel. Doch die Qualität der in Algerien hergestellten Waren fiel gegenüber denjenigen aus Tunesien und Marokko zurück. Anwachsende Importe, etwa von Seide, Kopfbedeckungen, Schuhen oder Sätteln gingen zu Lasten der lokalen Produzenten. Weiterhin lebte Westalgerien ebenso wie der Süden von nomadischen Produktionsformen, während der dichter besiedelte Osten sesshaft war. Das Land, vielfach in Staatsbesitz oder dem von vermögenden Bewohnern der Städte wurde unter dem Khammas-System ausgegeben. Bei den Khammas handelte es sich um Landarbeiter, die ein Fünftel der Ernte zur Entlohnung erhielten, manchmal mehr, je nachdem, wie die Ernte ausfiel.140 Um 1830 hatte Algerien vielleicht drei Millionen Einwohner.
Der Rückgang der Einnahmen brachte Konflikte zwischen Militär und politischer Führung, zwischen Ujaq und Dey mit sich. Schließlich kam es zu massiven Soldkürzungen, auf die die Seeleute 1784 reagierten, indem sie zuließen, dass die spanischen Schiffe so nah an den Palast des Dey in Algier heransegelten, dass sie das Gebäude beschießen konnten. Da auf der anderen Seite die Deys sinkenden Einnahmen aus dem Seeraub und zugleich höheren Verteidigungskosten gegenüberstanden, belasteten sie praktisch jeden Wirtschaftszweig mit verschiedenen Abgaben. Die Ujaq trug damit zu immer höheren Lasten bei, verhinderte damit zugleich jede Entwicklung.
Um Einnahmen aus dem Weizenexport zu generieren, gestatteten die Deys den jüdischen Familien der Buschnaq und Bakri, die ursprünglich aus Livorno stammten, die Ausfuhr nach Europa. Doch dies brachte neue Konflikte, da Algier immer wieder unter Trockenheit und schlechten Ernten litt. Am 28. Juni 1805 wurde Naphtali Busnash, der zu großem Einfluss beim Dey gekommen war und ein Handelsmonopol genoss, von einem türkischen Soldaten ermordet, woraufhin ein Kadi dem Täter gratulierte.141 Nun kam es zu Plünderungen, in deren Verlauf etwa 200 Juden ermordet wurden. Wenig später wurde von den Truppen auch Mustafa Dey ermordet. Dey zu sein bedeutete in höchster Gefahr zu leben: Bis 1816 wurden alle sechs Deys von Soldaten ums Leben gebracht.
Zugleich kam es im Westen und Südwesten des Landes zu erheblichen Unruhen, die vor allem von Angehörigen der Sufi-Orden angeführt wurden. Sie erreichten ihren Höhepunkt 1805 mit der Rebellion der Darqawiyya Tariqa. Die Darqawa, ein Zweig der im 13. Jahrhundert entstandenen Schadhiliyya, gehen auf den Marokkaner Muhammad al-Arabi al-Darqawi (1760–1823) zurück, der diese Tariqa, also einen Sufiorden, erneuerte. Dieser Orden gewann erheblichen Einfluss in Marokko, aber auch im Westen Algeriens. Einer ihrer wichtigsten Führer war 'Abdul Qadir ibn al-Sharif, der mit den Osmanen von 1783 bis 1805 in ständigem Konflikt stand. Er forderte den gesamten Westen des Landes zum Aufstand auf und kündigte an, das ganze Land zu erobern. Muaskar öffnete ihm kampflos die Tore, und auch in Tilimsan stand die Bevölkerung, sieht man von den kulughli ab, auf seiner Seite. Der neue Bey Muhammad al-Muqallash zwang ihn jedoch, die Belagerung von Oran aufzuheben und nach Marokko zu fliehen.
Auch die Tidschānīya-Tariqa stand ab 1784 in Konflikt mit den Osmanen. Muhammad al-Kabir Bey unterwarf in dieser Zeit die Stämme von al-Aghwat (Laghouat). Nach einer zweiten Expedition im Jahr 1788 musste der Sufiführer Ahmad al-Tijani 1789 Algerien verlassen. Er verbrachte seinen Lebensabend in Fès, wo er 1815 starb. Sein Sohn Muhammad al-Kabir formte jedoch eine Stammesallianz, um die Türken aus Westalgerien zu vertreiben. Dieser Konfliktherd, nämlich der Versuch der Beys, insbesondere im Westen, die Stämme zu unterwerfen, schwelte schon seit einem halben Jahrhundert. Bey 'Uthman (1747-1760) hatte mit der militärischen Unterwerfung begonnen. Muhammad al-Kabir (1780-1797) war es gelungen, auch die mächtigen A'shash, al-Hasham und al-Aghwat zur Entrichtung der geforderten Abgaben zu zwingen. Nun schlossen sich die Banu Haschim dem Sufismus an. 1827 führte Muhammad al-Kabir seine Anhänger in die Ebene von Gharis vor Muaskar und attackierte die dortigen osmanischen Truppen. Doch die Banu Haschim versagten ihm letztlich die Unterstützung, so dass er unterlag, gefangengenommen und umgebracht wurde. Anhänger der Tijaniyya Tariqa sahen in der französischen Besetzung Algiers 1830 die Erfüllung der Gebete des Gründers um Vertreibung der Türken.
Die Oberherrschaft Istanbuls verhinderte neben einer Vielzahl interner Konflikte keineswegs, dass es zu offenen Auseinandersetzungen mit Marokko und mit Tunesien kam. 1756 wurde in Tunesien der seit 1736 herrschende Bey Ali I. al-Husain von den Söhnen seines Vorgängers gestürzt. Diese eroberten mit algerischer Hilfe Tunis. Mit Hammuda al-Husain (1782–1814), dem Herrscher Tunesiens, kam es von 1807 bis 1812 gar zum Krieg. Er wurde unter osmanischer Vermittlung beendet, jedoch erst 1821 wurde der Vertrag ratifiziert.
Auch mit einigen europäischen Handelsmächten kam es zum Konflikt, wobei der Vorwurf des Sklavenhandels nun größere Durchschlagkraft erhielt, als der der Piraterie. Für Algier waren solche Angriff allerdings bei Weitem nichts Neues: So wurde die Stadt zwischen 1622 und 1688 sechsmal von der englischen (1620-22, 1655, 1670-72, 1688-82) bzw. französischen (vor allem im 17. Jahrhundert, dann wieder 1805) Flotte angegriffen, zwischen 1662 und 1729 sechsmal von den Niederländern. Zwischen 1770 und 1773 erschienen dreimal die Dänen, von 1775 bis 1784 dreimal die Spanier vor Algier. Auch Venedig (1682-92 gegen Tunis), aber auch in einer gemeinsamen Unternehmung im Jahr 1784 Spanien, Portugal, Neapel-Sizilien, Sardinien und Malta, unternahmen Strafexpeditionen gegen Algier. Nachdem eine Flotte der USA im Juni 1815 eine algerische Flotte vor der spanischen Hafenstadt Cartagena vernichtete und im Juli 1815 Algier beschoss, plünderte eine tunesische Piratenflotte auf Sardinien. Ein britisches Geschwader zwang Tunis und Tripolis zu Abkommen über die Respektierung der britischen Flagge und zu einem veränderten Umgang mit den Schiffsbesatzungen. Allein Omar Agha, der Dey von Algier, weigerte sich, ohne Zustimmung Istanbuls ein ähnliches Abkommen mit London zu schließen. Stattdessen ließ er im Mai 1816 die Besatzungen von unter britischer Flagge im Hafen von Bône liegenden italienischen Booten hinrichten.
Großbritannien entsandte daraufhin 22 Kriegsschiffe unter Admiral Edward Exmouth nach Algier, denen sich 6 niederländische Fregatten unter Vizeadmiral Theodorus Frederik van Capellen anschlossen. Die Flotte drang in den Hafen von Algier ein und forderte die Freilassung aller europäisch-christlichen Gefangenen und die Rückgabe von Lösegeldern. Als Omar Agha auf die Forderungen mit Kanonenbeschuss reagierte, begann die britisch-niederländische Flotte am 27. August ihrerseits mit dem Beschuss der Festung, des Hafens und der Stadt. Durch den Beschuss wurden die Festungsartillerie und die im Hafen liegende algerische Flotte vernichtet und erhebliche Teile der Stadt mitsamt ihren Vorratsspeichern zerstört. Am 28. August 1816 kam es zu einer Übereinkunft, durch die 1.211 vorwiegend italienische Sklaven freigelassen wurden und der Dey zusagte, die Sklaverei und die Piraterie aufzugeben.142
Die Bombardierung Algiers beendete die Piraterie jedoch nicht. Omar Agha wurde von den Janitscharen gestürzt und schon 1817 überfielen algerische Piraten wieder Schiffe im Mittelmeer und auch im Atlantik sowie sogar in der Nordsee. Spanien und die italienischen Staaten mussten weiterhin Tribute an Algier entrichten. 1824 beschoss ein britisches Geschwader unter Admiral Neale erneut Algier.
In Konkurrenz zu Spanien und England erschienen bereits früh Franzosen vor der algerischen Küste. Ab 1560 erhielten sie Fischereirechte vor Algier, 1564 richtete Paris ein Konsulat ein. 1628 und 1694 kam es zum Abschluss von Handelsverträgen zwischen Paris und Algier. Dabei hatten die Deys ein Wirtschaftssystem durchgesetzt, das durchaus merkantilistische Züge trug. So setzten sie etwa den Handel mit Olivenöl als Monopol durch. Auch waffentechnisch waren sie lange den Europäern ebenbürtig, wozu kleine Waffenschmieden in der Kabylei besonders beitrugen. Mit der industriellen Revolution standen den Europäern neben einer größeren Bevölkerungszahl - Algerien hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielleicht 1,5 Millionen Einwohner143 - bessere Waffen, bessere und billigere Waren und umfangreichere Kreditmittel zur Verfügung. Zudem fehlten in Algerien urbane Zentren, weniger als 100.000 Menschen lebten in den wenigen Städten.
Der Dey von Algier unterstützte 1793 bis 1798 Napoleon mit Weizen, doch zog sich die Bezahlung über lange Jahre hin, so dass sich die Schuld auf 8 Millionen Francs belief, die die Familien Bakri und Bushnaq noch zu bekommen hatten. Diese waren aufgrund der ausbleibenden Rückzahlungen in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber dem Dey gekommen. Außerdem stellte der Dey fest, dass der Neffe des seit 1815 im Lande befindlichen Gesandten, Alexandre Deval, der selbst seit 1823 Vizekonsul in Annaba war, die dortige Handelsstationen vertragswidrig mit Kanonen bestückt hatte. Am 29. April 1827 schließlich kam es bei einem Disput über die französischen Schulden dazu, dass der Dey den französischen Konsul Pierre Deval mit einem Fliegenwedel ins Gesicht „schlug“. Zunächst wollte Paris es mit einem Salutschuss auf die französische Flagge als diplomatische Geste durch den Dey bewenden lassen, doch der lehnte, vielleicht vom britischen Konsul ermuntert, ab. Ab dem 16. Juni blockierte Frankreich daraufhin algerische Häfen, versuchte 1829 noch einzulenken. Doch die Händler in Marseille beklagten den Schaden, die Kaperei ging weiter, so dass der Dey ebenfalls keine Veranlassung sah, nachzugeben. Premierminister Polignac betrieb nun den Plan, den Herrn Ägyptens Muhammad Ali dazu zu veranlassen, das Land in Besitz zu nehmen. Frankreich betrieb, im Gegensatz zu England, bereits zu dieser Zeit eine Politik der Auflösung des Osmanenreiches. Dazu fand sich Großbritannien erst ab 1878 bereit. Obwohl Muhammad Ali den Plan im Oktober 1829 akzeptierte, änderte Polignac seine Pläne auf öffentlichen Druck insofern, als der Ägypter nur noch Tripolitanien und Tunesien besetzen sollte, Algerien sollte nunmehr an Frankreich gehen. Diesen Plan musste Muhammad Ali ablehnen, da ihm dies in der islamischen Welt schwer geschadet hätte. Der innenpolitische Druck kam einerseits von den Marseiller Händlerkreisen, die in Bedrängnis gerieten, weil auch der Handel mit Griechenland unterbrochen war. Kriegsminister Bourmont und die königstreuen Kreise forderten Heldentaten. Schließlich wollte man gegenüber den Liberalen Erfolge vorweisen. Karl X. kündigte am 10. März 1830 die Invasion Algiers an, als er das Parlament eröffnete, das er später auflöste. So erhoffte man sich nach einem schnellen Sieg einen Erfolg in den Wahlen, die für Juli angesetzt waren. Das politische Ziel erreichte Karl nicht, denn er verlor die Wahl und musste am 2. August zurücktreten. Doch die Kriegsmaschinerie sollte die eingeschlagene Richtung für mehr als ein Jahrhundert nicht mehr aufgeben.
Am 14. Juni 1830 landeten 37.000 Mann auf knapp 700 Schiffen bei Sidi Ferruch (Sidi Fredj). Algier wurde nach nur zehn Tagen vom Land her erober. Der Dey verfügte über 26.000 Janitscharen und Qulogli (Kuloglu), Abkömmlinge türkischer Väter und nordafrikanischer Mütter, sowie 16.000 bis 18.000 kabylische Infanteristen. Am 5. Juli unterzeichnete er einen Vertrag, der Algier den Franzosen übergab. Er selbst ging ins Exil nach Neapel, einen Monat später musste allerdings auch der französische König abtreten. Von dem auf 150 Millionen geschätzten Staatsschatz kamen nur 40 Millionen beim französischen Fiskus an, 50 Millionen verschwanden spurlos, 60 Millionen verschwanden in Paris.144 Die Kosten für die Blockade und die Eroberung beliefen sich auf 75 Millionen Franken. Bourmont, der sich mit Plänen trug, seinen König gewaltsam wieder ins Amt zurückzubringen, sah sich innerhalb der Armee so starken Kräften gegenüber, dass er ins Exil nach Spanien ging.
1830 besetzten französische Truppen die mit etwa 10.000 Einwohnern vergleichsweise große Stadt Oran, dessen Einwohnerzahl 1831 nur noch bei einem Zehntel lag, und Beleb el-Anab (Bône). Frankreich begann damit mit der Eroberung des Landes. Den Truppen stellte sich Abd el-Kader entgegen, der in Westalgerien Widerstand leistete; dabei wurde er von der Qadiriyya unterstützt. 1833 eroberten französische Truppen Tlemcen, 1835 zerstörte die französische Flotte Abd el-Kaders Hauptstadt Mascara. Die verbliebenen tausend Juden warfen sich, so der Duc d'Orleans, den Franzosen zu Füßen und baten um Gnade. Trotz dieses Erfolges musste Frankreich, nach einem 1836 gescheiterten Angriff auf Constantine, am 20. Mai 1837 im Vertrag von Tafna Abd el-Kader als Emir von Algerien anerkennen. Allerdings kam es nicht zur Zusammenarbeit zwischen ihm und Ahmad ibn Muhammad, Bey von Constantine, der in Ostalgerien gegen Frankreich kämpfte. Nachdem die französischen Truppen am 13. Oktober 1837 Constantine erobert hatten, drangen sie in Westalgerien ein und zwangen Abd el-Kader 1844 zur Flucht nach Marokko. Dies gelang umso leichter, als Abd el-Kader keinesfalls von allen anerkannt wurde. So bekämpfte ihn etwa die Tijaniyya Tariqa, deren wichtigste Stadt 'Ayn Madi er fünf Monate lang belagerte. Doch selbst nach der Eroberung weigerten sie sich, sich ihm zu unterstellen. Er selbst hatte nie mehr als 10.000 Mann zur Verfügung, doch, je nachdem wo er gerade mit seinem Lager unterwegs war, standen ihm Hilfstruppen der Stämme zur Verfügung. Als die Franzosen demonstrativ mit dem Thronerben die Strecke zwischen Algier und Constantine bereisten, erkannte el-Kader, dass die Franzosen dauerhaft bleiben wollten. Bei einem Angriff auf die Siedler in der al-Mitija-Ebene wurden 108 Siedler getötet, die algerische Kavallerie stand vor Algier. Doch Frankreich wagte es nicht, Algier zu evakuieren, so dass sich ein zäher Krieg entspann. Erst 1847 gab er den Widerstand auf. Zu dieser Zeit lebten bereits 109.380 Europäer in Algerien.145
Doch die konfiszierten Ländereien der Gegner waren bald alle vergeben, so dass man nach neuem Land für die Siedler Ausschau hielt. Das als habus bezeichnete Land, das bis dahin unveräußerlich war, wurde nun ab dem 1. Oktober 1844 privatisiert und konnte von Siedlern erworben werden. Dabei konstruierte man eine rechtliche Kontinuität von arabisch-osmanischer Eroberung des Landes, das nun an Frankreich übergegangen sei. Am 21. Juli 1846 wurde kurzerhand alles Land konfisziert, das nicht in Gebrauch war, also wirtschaftlich genutzt wurde. Von den so ergatterten 200.000 ha Land gingen nur 32.000 an Muslime. In den 1850er Jahren kam Land hinzu, das die Stämme nutzten, oftmals das fruchtbarste. Ohne Weideland gerieten erste Stämme in massive Schwierigkeiten. Zwischen 1853 und 1863 erhielten allein 51 Subsidiäre 50.000 ha Land, so dass hier ein enormer Landraub vonstattenging. Vielfach änderte sich insofern nichts, als die neuen Eigentümer wenig unternahmen und stattdessen die muslimischen Bauern die Arbeit verrichten ließen.
Nach der Februarrevolution 1848 endete der Kolonialstatus für den nördlichen Teil Algeriens – er wurde integraler Bestandteil des französischen Mutterlands und als Siedlungskolonie definiert. Ab November 1848 wurde Algerien also zum französischen Territorium erklärt. Drei Départements (Algier, Constantine, Oran) wurden errichtet. Es kamen französische und andere europäische Siedler (vor allem Italiener, Spanier) ins Land, für die weitere Ländereien der einheimischen Bevölkerung enteignet wurden. Dort, wo genügend Europäer lebten, sollte das französische Recht eingeführt werden, der Rest des Landes sollte durch die Ausweitung der Besiedlung assimiliert werden. Allein 1848 bis 1850 brachte Paris 20.500 Franzosen, die kurz zuvor noch auf den Barrikaden der Hauptstadt gestanden hatten, nach Algerien.146 1856 zählte man 2.496.067 Einwohner.147 1871 bot die Regierung den 8.000 Auswanderern aus dem von Deutschland besetzten Elsass 100.000 ha Land an. Die Zahl der Siedler wuchs von 1833 bis 1954 von 7.812 auf 984.031. Jede neue Siedlerstelle ging zu Lasten der vorherigen Landnutzer und -besitzer.
Der Widerstand in der Kabylei wurde vielfach gewaltsam gebrochen. Religiöse Führer wie Bu Bahla, der behauptete, ein Scharif zu sein, schürten den Widerstand. 1852 brach weiter im Süden, in al-Aghwat ebenfalls ein Aufstand aus. Muhammad b. 'Abdulla von den Awlad Sidi al-Shaykh behauptete gleichfalls, er sei Sharif. Er musste im Dezember 1852 nach Tuggurt fliehen, das die Franzosen aber im Dezember 1854 besetzten, so dass im gesamten Suf der Widerstand zusammenbrach.
Napoleon III., der sich mit Kennern des Landes und Muslimen auseinandersetzte, setzte durch, dass der stammesgebundene Gebrauch des Landes auf gleicher Stufe mit dem Eigentum stand, dass die konstruierte Kontinuität des Landbesitzes nicht haltbar war, und vor allem, dass Algerien ein arabisches Königreich sei. Doch überhebliche Behandlung von Algeriern durch Beamte bis hin zur öffentlichen Prügelstrafe lösten 1864 einen Aufstand des östlichen Zweiges der Sidi al-Shaykh. Zwar bot man den Algeriern und den dort lebenden Juden an, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, doch nahmen bis 1870 nur 398 Juden und 194 Muslime dieses Recht in Anspruch.148
Die Siedler fürchteten jedoch, sie könnten in die Minderheit geraten und ihre ökonomischen Vorrechte verlieren. Der Bischof von Algier, der 1867 berufene Charles Martial Lavigerie, verlangte hingegen die Konversion zum Christentum als Bedingung für die gleichen Rechte, und um von der Barbarei loszukommen.
Der gegen diese Enteignungen gerichtete Aufstand unter Führung von Mohamed el-Mokrani (1815–1871) in der Kabylei in den Jahren 1870 bis 1871 wurde unter Einsatz von 80.000 Soldaten von den Franzosen niedergeschlagen. Algerien verlor 25 % seiner Bevölkerung und weitere 70 % des Landbesitzes an die französischen Siedler. 665.591 ha Land wurden sequestriert, eine Kriegskompensation von 68 Millionen Francs veranschlagt.149 Um die Schulden abzahlen zu können, mussten die Bauern ihre Produkte nun unmittelbar nach der Ernte verkaufen, was die Preise drastisch verminderte. Um dennoch überleben zu können, nahmen sie Kredite auf. So gerieten sie in immer tiefere Schulden, bis sie ihr Land verkaufen mussten. Damit entstand ein umfangreiches Proletariat, was der beginnenden Industrialisierung zu niedrigen Löhnen zur Verfügung stand. Doch noch schneller stieg der Bedarf an Arbeitskräften im Kolonialsektor, aber auch saisonal im traditionellen Agrarbereich. Dort wurden die Familien aufgespalten, so dass ein Teil in die Städte abwanderte. Insgesamt verzeichnete Algerien, nach einem Rückgang bis 1876, einen deutlichen Bevölkerungsanstieg, wobei die einheimische Bevölkerung noch schneller wuchs, als die französische. Außerdem wurden zunehmend Waldgebiete gerodet, um den staatlichen Forderungen nach Bargeldzahlungen standhalten zu können.
Einfälle von Plünderern aus der Kroumirie nach Algerien lieferten dem französischen Ministerpräsidenten Jules Ferry den Vorwand, auch Tunesien zu annektieren. Im April 1881 drangen Truppen in Tunesien ein und eroberten das Land binnen drei Wochen.
Nach 1871 wurde der sogenannte Code de l’indigénat erstmals in Algerien 1881 installiert und später in allen französischen Kolonien eingeführt. Er zwang die einheimische Bevölkerung unter eine „besondere Gerichtsbarkeit“, so dass sie in einem permanenten Ausnahmezustand lebte. Der Code war bis 1946 gültig, wurde aber für die Algerier erst 1962 mit dem Ende des Algerienkrieges außer Kraft gesetzt.
Ein Dekret von 1870, das den algerischen Juden die französische Staatsbürgerschaft eingeräumt hatte, wurde erst von der Vichy-Regierung aufgehoben. Danach folgte die Einziehung ihres Vermögens und ihres Besitzes, doch verzögerte die örtliche Verwaltung die Durchführung.
Auf der Basis von statistischen Rückrechnungen wird angenommen, dass die einheimische Bevölkerung des Landes von rund 3 Millionen im Jahr 1830 auf 2,1 Millionen durch Kämpfe, Hunger, Krankheit oder Flucht fiel.150 Während sich die Bevölkerungszahl von den Verlusten der Aufstände und der ökonomischen Marginalisierung zu erholen begann - sie stieg zwischen 1876 und 1931 von knapp 2,9 Millionen auf über 6,5 Millionen -, brach die Agrarwirtschaft nach und nach ein. Während es in Algerien 1867 noch 8 Millionen Schafe gegeben hatte, waren es 1927 nur noch 3,3 Millionen; die Zahl der Ziegen fiel zwischen den 1880er Jahren und 1927 von 3,7 auf 2,1 Millionen; die Zahl der Rinder fiel zwischen 1887 und 1927 von einer Million auf 707.000. Die Verbindung der Zahlen zur menschlichen Bevölkerung mit denen der Haustiere zeigt die Dramatik: Kamen 1871 auf 100 Einwohner noch 1.533 Schafe, 694 Ziegen und 200 Rinder, so fielen diese Zahlen bis 1953 auf 631, 330 und 90, was bei einer geringfügigen Verminderung des Anteils der ländlichen Bevölkerung bedeutete, dass sich die Basis der Agrarproduktion mehr als halbiert hatte. Ähnliches gilt für die Weizenproduktion, und selbst die Olivenölernte brach zwischen 1910 und 1940 von 3,5 Millionen Liter auf 1,65 Millionen Liter ein.151
Die Politik griff auf vorhandene Systeme zurück, um des Arbeitskräftemangels Herr zu werden. So setzte man das Khammas-System fort. Etwa ein Drittel des Siedlerlandes wurde auf diese Art von algerischen Bauern bewirtschaftet, oder wurde an sie verpachtet. Von 617.544 algerischen Landbesitzern im Jahr 1930 besaßen 434.537 weniger als 10 ha - der Durchschnitt lag bei 4 ha. Infolgedessen verloren etwa 40 % der Landbesitzer ihr Eigentum bis 1960. Dies sorgte für eine weitere Vergrößerung des ländlichen Proletariats und für eine Abwanderung in die Städte bei enormem Anwachsen der Landbevölkerung. Sie wuchs zwischen 1931 und 1959 von 4,5 auf 7 Millionen. Die Zahl der Khammas stieg von 350.715 im Jahr 1901 auf 713.000 im Jahr 1938. Die daraufhin einsetzende Mechanisierung der Landwirtschaft, vor allem aber Auswanderung sorgte dafür, dass ihre Zahl bis 1948 auf 132.000 einbrach, um 1954 mit 60.500 praktisch bedeutungslos zu werden. Hingegen stieg die Zahl der Landarbeiter von 1901 bis 1930 von 152.108 auf 534.000, ein Niveau, das sich bis zum Ende der Kolonialzeit hielt. Sie arbeiteten meist auf Siedlerland, das überwiegend für den Export produzierte. Die 22.007 französischen Siedler besaßen zusammen 2.726.700 ha Land, was einer Fläche von 124 ha besten Landes pro Hof entsprach. Hingegen besaßen die 630.732 algerischen Bauern 7.348.700 ha, was 11,5 ha pro Hof entsprach, also weniger als einem Zehntel.152 Von 1932 bis 1955 stieg der Wert der Agrarprodukte Algeriens von 130 auf 155 Milliarden alte Francs. Neben Getreide waren dies vor allem Wein, Tabak, Obst und Gemüse, Halfa und Kork. Dabei erbrachten Wein und Getreide mehr als zwei Drittel dieser Erträge. 1914 arbeiteten von den 386.000 algerischen Landarbeitern knapp 122.000 im Getreide-, knapp 108.000 im Weinbau. Ihre Löhne lagen etwa halb so hoch, wie die ihrer europäischen Kollegen, was erklärt, warum sie, trotz rapide wachsender Mechanisierung, weiter eingesetzt wurden. Allerdings arbeiteten 1954 nur noch 200.000 Arbeiter mehr als 90 Tage in den Betrieben, denn der überwiegende Teil der Arbeit hatte saisonalen Charakter.
In den Städten bekämpfte die Kolonialverwaltung die algerische Konkurrenz im Handwerk. So stürzte die Zahl der Handwerker, die Mitte des 19. Jahrhunderts noch bei 100.000 gelegen hatte, bis 1951 auf 3.500 ab. Sie wurden von französischen Industrieprodukten verdrängt. Hinzu kam, dass der traditionelle Bildungssektor, von Korporationen und bestimmten Ländereien (habus) finanziert, wegbrach. Ländliche Schulen, wie die zawiyas verschwanden zuerst in den Kriegsgebieten bis 1871, dann folgte die Vernachlässigung der Koranschulen, schließlich der Verlust grundlegender Texte. Das französische Bildungssystem sah vor, dass nur die Notabeln daran partizipierten, während mehrere Generationen von der vor 1830 recht hohen Alphabetisierung abgeschnitten wurden. Zwar gab es Bemühungen, auch in ländlichen Gebieten für Grundschulen zu sorgen, doch diese besuchten 1944 erst 8 % der Schüler. 1954 galten 85 % der algerischen Bevölkerung als illiterat, wobei die der Frauen bei 95 bis 98 % lag. Zu dieser Zeit hatten von den etwa 1,9 Millionen Kindern gerade einmal 320.000 eine Schule besucht; nur 1.700 Studenten gab es im Land, davon besuchten 589 die Universität Algier. Jeder 227. Franzose war Student, jedoch nur jeder 15341. Algerier.153 Zugleich versuchte man Bildung an die Verdrängung des Arabischen zu binden. Erst ab 1936 war es gestattet, die Sprache aus Fremdsprache zu unterrichten.
Die Zuwanderung in die Städte betraf auch die Siedler. Allein zwischen 1911 und 1921 stieg ihre Zahl in den Städten von 460.000 auf 512.218. 65 % von ihnen lebten in den Städten Algier, Oran und Constantine. Insgesamt lebten dort 38 % der europäischen Bevölkerung. Die Zunahme der algerischen Bevölkerung beschleunigte sich erst mit der Weltwirtschaftskrise. Zwischen 1930 und 1954 zogen 1,5 Millionen von ihnen in die Städte. Hatten die Städte 1936 erst 722.800 Einwohner, so waren es 1.129.000 im Jahr 1948 und 1,6 Millionen 1954. Dies entsprach knapp 19 % der Bevölkerung. Weitere 300.000 Algerier gingen nach Frankreich. Andererseits waren über 1,4 Millionen Männer auf dem Lande ohne Arbeit. Dabei wuchsen die von jeder Versorgung abgeschnittenen Vorstädte. 1954 lebten von den 293.470 Einwohnern Algiers allein 86.500 in solchen Slums.
Diese Menschen konnten von keiner adäquaten industriellen Entwicklung aufgefangen werden. Die Industrieproduktion wuchs sehr langsam, wurde allerdings durch den Zweiten Weltkrieg und die Besetzung Frankreichs stark gefördert. Während ihr Gesamtwert 1930 noch bei 44 Milliarden alten Francs gelegen hatte, stieg er bis 1955 auf 170 Milliarden.154 Doch nur 7,8 % der Bevölkerung arbeiteten im Industriesektor, 70 % in der Landwirtschaft. Vor allem Charles de Gaulle betrieb mit dem Plan de Constantine eine Hinwendung zur Industrialisierung Algeriens.
Die Rohstoffe wurden von französischen Konzernen kontrolliert, wie etwa die Minen von El Houenza (Union Parisienne), das Eisenerz von Mokta El Hadid (Mirabaud) oder Phosphatminen (Union des Mines). Zudem wurde das Banken- und Transportsystem von Paris gesteuert. Wie in allen Kolonien fiel Algerien die Aufgabe zu, Rohstoffe und Arbeitskräfte zu liefern, deren Ertrag überwiegend in die Metropolen floss, wo auch zunehmend die französische Bevölkerung lebte, und Produkte aus Frankreich abzunehmen.
Erste algerische Auswanderer erschienen bereits 1871 in Europa, ab 1876 war eine Reiseerlaubnis nötig, wenn ein Algerier nach Frankreich gehen wollte. 1911 zählte man 3.000 von ihnen in Frankreich. Im Ersten Weltkrieg kämpften insgesamt 173.000 Algerier, dazu 80.000 Tunesier und 40.000 Marokkaner auf französischer Seite. Zudem gingen 180.000 Algerier nach Frankreich, um dort in Waffenfabriken, in der Landwirtschaft und im Transport zu arbeiten.155
Die Tuareg leisteten der vordringenden Kolonialmacht heftigen Widerstand. So endete eine Expedition unter Leitung von Colonel Flatters, die im November 1880 südwärts aufbrach, um die Möglichkeiten eines Eisenbahnbaus durch die Sahara zu untersuchen, am 16. Februar 1881 in einem Fiasko. Von den 92 Mann überlebten nur 40 den Überfall durch Tuareg. Sie mussten sich unter extrem schwierigen Bedingungen 750 km nordwärts durchschlagen.156 Erst als 1897 arabische Verbündete der Franzosen von Taytok in Hassi Inifel angegriffen wurden, erwachte erneut ein Interesse, weiter im Süden zu intervenieren. Mit der Flamand-Pein-Expedition begann 1899 die Eroberung von In Salaj, kurz darauf folgten die Oasenstädte von Guerrara, Tidikelt und Touat. Die Tuareg reagierten mit Überfällen auf die letzteren beiden, dann auf Aoulef und Akabil. Damit trafen sie arabische Siedlungen unter französischem Schutz. Schließlich unterlagen die Tuareg in der Schlacht bei Tit, 60 km nordwestlich von Tamanrasset, im Jahr 1902, bei der sie gegen gut bewaffnete Truppen des Leutnants Cottenest unter Führung von Moussa Ag Amastane über 100 Männer verloren. 1904 bot der junge Amenokal (König) Moussa ag Amastan an, die Waffen niederzulegen. Doch die neue Grenze zwischen Algerien und Französisch-Westafrika raubte den Kel Ahaggar, den Tuareg des Ahaggar, ihre Weidegründe im Adrar n'Iforas. Kaocen, der im Air und in Djanet 1916 Widerstand leistete und Agadez eroberte, vor allem aber die Dag Rhali im Kel Ahaggar setzten den Widerstand fort. Letztere brachten den 80 Franzosen unter General Laperrine am 5. April 1917 am Berg Ilamane im nördlichen Atakor-Herzgebirge eine empfindliche Niederlage bei. Erst 1917 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Mit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den nunmehr unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere Gruppen der Tuareg zudem in Libyen und Burkina Faso leben.
Bis 1917 war auch der algerische Teil der Sahara unterworfen. Algerien bildete zusammen mit Tunesien und Marokko die Kolonie Französisch-Nordafrika, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsschauplatz der britisch-amerikanischen Operation Torch wurde.
Das französische Kriegsministerium kam zu dem Schluss, dass die wirtschaftlich bedeutenden jüdischen Gruppen für die Kolonialisierung Algeriens von Nutzen sein könnten.157 Nach dem Vorbild Napoleons, der 1808 die Einrichtung des Consistoire central israélite veranlasst hatte, das bis 1905 bestand, wurde dazu 1845 ein übergeordnetes Konsistorium in Algier gegründet sowie regionale Konsistorien in Oran und Constantine. 1867 wurden diese algerischen Konsistorien dem französischen Mutterland angeschlossen. 1840 zählte man in Algier 6.065 Juden und 12.322 Muslime - wobei beide als „Einheimische“ (indigènes) bezeichnet wurden -, die Zahl der Franzosen war auf 6.831 angewachsen. Die übrigen der insgesamt 14.434 Europäer waren vor allem Spanier, Italiener, Malteser und Deutsche. In Oran zählte man bei 17.000 Einwohnern 3.700 Juden. Hier waren von den 4.837 Europäern allein 2.333 Spanier und nur 1.342 Franzosen. Allein 57 Familien aus dem M'zab kontrollierten den Handel Richtung Sahara und Sudan, andere aus dieser Region betrieben Mühlen in Algier oder lieferten Sklaven an reiche Familien.158
Die jüdischen Gemeinden mussten sich ab 1905 als Vereinigungen (associations) konstituieren und ohne staatliche Zuwendungen auskommen. Als Dachverband wurde die Union des associations culturelles de France et d'Algérie gegründet. Die Gruppierungen des orthodoxen Judentums, die sich nie dem konsistorialen System unterworfen hatten, traten auch dieser Union nicht bei.159 Die Konsistorien repräsentierten ihre Gemeinden, verwalteten und beaufsichtigten sie intern und konnten Steuern einziehen, etwa auf koscheres Essen. Das Konsistorium von Algier erhielt dabei die Verfügungsgewalt über das Budget der beiden anderen Konsistorien. Den französischen Behörden ging es dabei nicht nur um die Kontrolle über die jüdische Bevölkerung, die vor allem im Handel als Konkurrenz wahrgenommen wurde, sondern auch darum, sie in das entstehende Kolonialsystem einzubinden. Frankreich sah sich schon früh in der Rolle einer „Zivilisierungsmacht“, wie andere Kolonialstaaten auch. Dabei waren die Kontrolle der Synagogen, der jüdischen Familie und der Status der jüdischen Frauen Schwerpunkte. Darüber hinaus standen vor allem die beiden erlaubten Einrichtungen der Polygamie und der Scheidung im Fokus, denen Frankreich sein patriarchalisches Familienmodell und die Monogamie entgegensetzte. Nach dem Vorbild des Großen Sanhedrin, der 1806 gegründet den Code civil in die jüdischen Gemeinden getragen hatte, sollte dies auch in Algerien geschehen, wo man die Juden unter dem schädlichen muslimischen Einfluss sah. 1870 wurden die Juden Algeriens französische Bürger, was sie rechtlich den Franzosen gleichstellte, sie zugleich aber von ihrer muslimischen Umgebung entfremdete. Paris betrachtete sie entweder als zivilisierbar, oder aber als Araber jüdischen Glaubens mit einem nicht tolerablen Familiensystem und von grundsätzlichem „Fanatismus“, sobald sie den Assimilationsbestrebungen widerstanden.
Denn viele Juden gingen diesem System aus dem Weg, folgten ihren eigenen Rabbis und schickten ihre Kinder nicht auf die französischen Schulen, weil sie ihnen nicht fromm genug oder zu schlecht waren, sondern auf eigene. Außerdem hatten kleinere Gemeinden, wie Tlemcen, wo wichtige Pilgerstätten zu bedeutenden Rabbis bestanden, Mascara oder Mostaganem bis 1851 überhaupt keine französisch-jüdischen Schulen,160 ganz zu schweigen von der jüdischen Gemeinde von Ghardaia. In Tlemcen entstand eine solche erst ab 1854/55. Hingegen bestanden drei Midraschim, insgesamt 25 in der Provinz. Dort waren zudem in Ain Temouchent, Nedroma, Nemours (heute Ghazaouet) und Saida neue entstanden.161 Führende jüdische Familien nutzten hingegen das neue Instrument, um sich gegenüber Konkurrenten Vorteile zu verschaffen. Auch verschaffte die Existenz eines Konsistoriums der entsprechenden Gemeinde ein Übergewicht über die Nachbargemeinden. So kontrollierte das Konsistorium von Oran auch die Gemeinde von Tlemcen, und veranlasste die Kolonialbehörden, die El-Medioni-Synagoge zu schließen.162 Darüber hinaus gab es auch innerhalb der Gemeinde von Tlemcen scharfe Auseinandersetzungen.
Dabei war das Spektrum der Juden sehr weit, denn es reichte von den Haketia sprechenden Flüchtlingen aus Marokko über Arabisch sprechende Handwerker bis zu den vermögenden Familien aus dem italienischen Livorno. Sie standen in einem dichten Netz mit ihren Nachbarn, seien es Katholiken auf Malta oder Araber, sie bevorzugten im Westen Algeriens den spanischen Duro gegenüber dem Franc. Die französische Kolonialverwaltung - auch wenn hier durchaus widerstreitende Ansichten vorhanden waren - sah in den Juden jedoch vorrangig Unterdrückte, die es zu befreien und zu zivilisieren galt. Am Ende der Kolonialzeit hatte diese Trennung von ihrer Umgebung in Verbindung mit der (ungewöhnlichen) Einbindung in ein „Zivilisierungsvorhaben“ katastrophale Folgen für die jüdischen Gemeinden. Diese potentielle Auswirkung wurde 1870 durchaus diskutiert.
1962, so glaubte man lange, verließen die Juden nach dem Ende des Algerienkrieges geschlossen das Land. Doch wie das Beispiel des Zouzef Tatayou (Joseph der Schneider) in dem kleinen Ort Nedroma im Westen des Landes zeigt, der sich einfach weigerte, zu gehen, war der Exodus nicht vollständig.163
Mit der Gründung der Partei der Jungen Algerier kam es ab 1911 zu einer anderen Art von Kampf gegen die Kolonialmacht. Die gemäßigten évolués der Freunde des Freiheitsmanifests (AML), die bisher für eine Assimilation an Frankreich eingetreten waren, radikalisierten sich ab 1943 um Ferhat Abbas. Der Apotheker und Sohn eines 1871 enteigneten Bauern, schloss sich Messali Hadj an, dem Führer der Algerischen Volkspartei (PPA). Der Schuhmacher aus Tlemcen hatte in Frankreich die afrikanischen Arbeiter organisiert, doch wurde die PPA 1939 verboten.
Im September 1944 wurde General Georges Catroux als Generalgouverneur von dem liberaleren und am Islam interessierten Yves Chataigneau (1891-1969) abgelöst (bis 1948). Zu einem Aufschwung der Unabhängigkeitsbewegung kam es, als 1945, unmittelbar nach Kriegsende, Demonstranten die Freilassung des nach Brazzaville verbannten Hadj und „Algerien den Arabern“ forderten. Am 8. Mai kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf 28 Europäer getötet wurden. Insgesamt kamen bei Unruhen und Überfällen 103 Siedler ums Leben. Nach weiteren Unruhen in Guelma und Morden durch französische Siedler wurden mindestens 6 bis 8.000 Algerier, nach anderen Angaben ein Vielfaches,164 von der französischen Armee im Massaker von Sétif und Guelma getötet. Die französische Regierung erkannte die Verantwortung für das Massaker erst 2005 an.165
Chataigneau versuchte durch verschiedene soziale Maßnahmen und durch Veränderung des Wahlrechts den aufkommenden Forderungen nach Unabhängigkeit entgegenzuwirken. So erhielten die beiden Wählerschaften, das sogenannte 1er und 2e collège, die gleiche Stimmzahl. Bei den ersten Nachkriegswahlen im Juli 1945 griffen die Behörden nicht unter dem Vorwand des „Islamfehlers“ ein, dennoch riefen PPA und Freunde des Manifests dazu auf, nicht an den für Oktober 1945 vorgesehenen Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung teilzunehmen. Die Gemäßigten unter Bendjelloul errangen 7 der 13 Sitze, die Sozialisten 4, die Kommunisten 2. Nun forderte Bendjelloul das gleiche, freie Wahlrecht, wie in Frankreich.
Ferhat Abbas gründete im März 1946 die Partei Demokratische Union des Algerischen Manifests. Diese UDMA forderte die Franzosen auf, ihren „kolonialen Komplex“ und ihren „Erobererstolz“ aufzugeben, die Algerier, ihre „mittelalterlichen theokratischen Vorstellungen“. Als Anhänger Atatürks lehnte er den Arabismus ab und setzte sich für eine friedliche Lösung ein, die Algerien in einer freien Verbindung mit Frankreich sah. Bei den Wahlen erhielt Abbas' UDMA 71 % der Stimmen, bzw. 11 der 13 Sitze. Die übrigen beiden erhielten die Sozialisten. Doch sein Verfassungsvorschlag kommt gar nicht erst vor die französische Nationalversammlung.
Vor den nächsten Wahlen wurde Messali Hadj freigelassen; er gründete die Bewegung für den Triumph der demokratischen Freiheiten. Einige seiner Anhänger planten bereits Aktionen, sehr junge Anhänger gründeten im Februar die Organisation spéciale.
Im September 1947 entschied die Nationalversammlung über den Status Algeriens. Die beiden Wählerklassen, eine für die Franzosen, eine für die Algerier, wurden fortgeschrieben. Der Generalgouverneur und seine sechs Beiräte führten die Regierung, bei der Legislative behielt das französische Parlament sein Übergewicht über die algerische Versammlung. Die Algerier waren enttäuscht und Messali Hajs Bewegung gewann fast alle ihre Stimmen. Die Polarisierung nahm zu, wofür man den Generalgouverneur verantwortlich machte. Er wurde am 11. Februar 1948 durch den Sozialisten und Bildungsminister Marcel-Edmond Naegelen (1892-1978) ersetzt. Am 15. April wurde dieser wiederum durch Roger Léonard ersetzt. Beide bekämpften die MTLD mit allen Mitteln einschließlich manipulierter Wahlen. Am 5. August entstand die von UDMA, MTLD, Kommunisten und Ulema gegründete Algerische Front für die Verteidigung und den Respekt der Freiheit (Front algérien pour la défense et le respect de la liberté).
Ab den 1950er Jahren bezeichnete man die colons („Siedler“) als Pieds-noirs („Schwarzfüße“). Nur ungefähr 40 % dieser Siedler stammten aus Frankreich, vor allem von Korsika, aus dem Elsass und Lothringen. Die meisten übrigen stammten aus Malta, Italien und Spanien, hinzu kamen sephardische Juden („israélites“), die die französische Staatsangehörigkeit mit dem Décret Crémieux von 1870 erhalten hatten, das etwa 35.000 Juden betraf. 1962 betrug die Zahl der Pieds-noirs etwa 1,4 Millionen, was 13 % der Bevölkerung entsprach. Eine besondere spielten die unter den Algeriern angeworbenen Harkis. 1952 hatte der Ethnologe Jean Servier im Auftrag der Kolonialverwaltung eine Haraka im Sinne einer Bürgerwehr mit dem Ziel gegründet, einen loyalistischen Stamm in einem Konflikt zu unterstützen. 1955 stellten die Speziellen Administrationseinheiten der Armee zu ihrem eigenen Schutz pro Einheit Hilfstruppen auf. Die als Moghaznis bezeichneten Kämpfer hatten zunächst eine Gesamtstärke von 1.200 Mann, doch 1959 umfassten diese Hilfstruppen bereits 28.000 Mann. 1956 verkündete ein Befehl von General Henri Lorillot (1901-85) die Aufstellung von Harkas auf Korpsebene. Den Harkis war eine Aufklärungsrolle zum Aufspüren der FLN-Guerilleros zugedacht. Die Zerschlagung der gegnerischen Verbände sollten jedoch französische Truppen übernehmen. Harkis erhielten nur ein geringes Handgeld, im Gefecht erlittene Verwundungen wurden wie zivile Arbeitsunfälle behandelt.166
Im November 1954 begann der Unabhängigkeitskrieg (Algerienkrieg) gegen Frankreich unter Führung der Nationalen Befreiungsfront (Front de Libération Nationale, FLN), die ab 1947 entstanden war. Unter dem Druck der Pieds-noirs erhöhte Ministerpräsident Guy Mollet die Truppen in Algerien auf 500.000 Mann.167 1958 änderte General Maurice Challe die militärische Strategie, indem er mittels Hubschraubern Truppen in Aufstandsgebiete fliegen ließ, um dort Search-and-destroy-Aktionen durchzuführen. Dazu brauchte er ortskundige Algerier, die er systematisch anwerben ließ. Die Zahl der Algerier, die auf Seiten der französischen Armee kämpften, der Harkis, schnellte von 26.000 auf 60.000 in die Höhe. Ende 1958 schien der Aufstand beendet zu sein.168
Doch die Entscheidung fiel nicht auf militärischer Ebene, wenn auch der französischen Armee im Rahmen der „doctrine de la guerre révolutionnaire“, der zufolge die Armee als Gestalterin einer fundamentalen Neuordnung des gesellschaftlichen Lebens fungieren sollte, womit ihr eine zentrale Rolle zugeschrieben wurde - so sollte es zu einem Einklang zwischen Krieg und „Modernieiserung“ kommen. Dies geschah vor dem Hintergrund und dadurch verstärkt, dass die in kurzer Folge scheiternden Regierungen in Paris der Armee ungemein freie Hand ließen. Gleichzeitig wurde die Präsenz Frankreichs in Algerien, trotz massiv anwachsender Kosten, nicht in Frage gestellt. Die Dominanz der Armee sorgte zunächst dafür, dass auch deren Propagandasprache zunächst dominierte.
Am 13. Mai 1958 kam es zur Gründung des Französischen Algerien, nachdem die Generalregierung im Zuge einer Demonstration festgesetzt worden war. Am 1. Juni übernahm de Gaulle die Volksversammlung und meinte am 4. Juni in Algier mehrdeutig: „Ich habe euch verstanden“. Tatsächlich gab es in der Verfassung von 1958 nur noch eine Wählerschaft. Am 19. September wurde eine provisorische Regierung eingerichtet, mit Ferhat Abbas als Regierungschef. Die Regierung verfolgte die Politik einer vollständigen Integration in die Metropole. Am 16. September 1959 verkündete de Gaulle, wohl unter dem Druck der erstarkten antikolonialen und soeben unabhängig werdenden Staaten, dass die Algerier selbst über ihre Staatsform und das Verhältnis zu Frankreich entscheiden sollten. Die Siedler fühlten sich verraten und gründeten die Französische Nationalfront (Front National Francais). Sie organisierte für den 24. Januar 1960 eine Großdemonstration in Algier. Dabei kam es zu 26 Toten, die Aufständischen, die sich hinter Barrikaden verschanzten, konnten zum Aufgeben bewegt werden.
Am 8. Januar 1961 fand das von Charles de Gaulle angekündigte Referendum statt. 69,09 % der Wähler in Algerien stimmten für die Unabhängigkeit, und sogar 75,25 % in Frankreich. Doch in der Nacht vom 21. auf den 22. April fand in Algier der Putsch der Generäle statt. Vier pensionierte Generäle, darunter Challe und Salan, und Fallschirmspringer brachten die Regierung in ihre Gewalt. Allerdings verweigerten die Marine und ein Teil der Luftwaffe die Teilnahme. So brach der Putsch nach drei Tagen zusammen. Einige der Flüchtigen schlossen sich der Organisation armée secrète an. Ferhat Abbas wurde nun von der Regierung ausgeschlossen, die Youssef Ben Kedda übernahm. Währenddessen fielen die ländlichen Gebiete zunehmend in die Hände der FLN, die Armee wurde nach und nach abgezogen. Zugleich versuchte die OAS de Gaulle von seiner Algerienpolitik abzubringen oder ihn zum Rücktritt zu zwingen. Sie beherrschte inzwischen den Norden, der Generalgouverneur war geflohen. Doch Paris betrachtete die OAS zunehmend als terroristische Organisation. Am 17. Oktober 1961 kamen etwa 30.000 der 130.000 Algerier, die im Umkreis von Paris lebten, zu einer Demonstration zusammen, zu der die FLN aufgerufen hatte. Sie wurde später als Massaker oder nuit noire, Schwarze Nacht, bezeichnet. Polizeipräfekt in Paris war Maurice Papon, der in einem 1997/98 stattfindenden Prozess schuldig gesprochen, im Zweiten Weltkrieg die Deportation von über 1500 Juden angeordnet zu haben. Er war 1961 für die Niederschlagung der Demonstration zuständig. Zwischen 1958 und 1961 waren 54 Polizisten bei Attentaten ums Leben gekommen, so dass in Paris eine nächtliche Ausgangssperre für die Algerier verhängt worden war. Als die FLN zu einer friedlichen Demonstration aufrief, kam es zur „Schlacht um Paris“. Der Historiker Jean-Luc Einaudi kam 1991 zu dem Ergebnis, dass 200, möglicherweise 300 Menschen ums Leben kamen,169 andere kamen auf 50 Opfer. Zudem wurden 11.000 Algerier tagelang in Pariser Sportstadien festgehalten. Bis dahin lautete die offizielle Statistik: drei Tote, darunter ein Franzose, der an Herzversagen verstorben war, dazu 77 Verletzte, davon 13 Polizisten.170 Die Publikation des Fotografen Élie Kagan wurde von der Polizei beschlagnahmt, die meisten Zeitungen schwiegen in der aufgeheizten Atmosphäre, und drei Jahrzehnte lang fand praktisch keine Aufarbeitung statt.
Am 18. März 1962 wurde Algerien mit dem in Evian geschlossenen Vertrag unabhängig, 90 % der Franzosen stimmten dem Vertrag am 8. April zu. Doch die politischen Parteien der Algerier bekämpften sich weiterhin. Daher hatte man in Paris über eine Teilung des Landes spekuliert. Nun verließen 800.000 Menschen das Land, das am 1. Juli in einem Referendum die Unabhängigkeit als muslimisches Land bestätigte. Allein im Juni hatten es 350.000 verlassen. Im August 1962 wurde die Demokratische Volksrepublik Algerien ausgerufen, die Macht ging von der provisorischen Regierung GPRA auf die FLN über. Erster Präsident wurde im September Ben Bella.
Bei Kriegsende 1962 gab es rund 45.000 Harkis, 60.000 Kriegsdienstleistende und 20.000 Berufssoldaten in der französischen Armee, dazu 60.000 Mitglieder örtlich gebundener Milizen. Darüber hinaus gab es neben dem Militärapparat noch rund 50.000 Staatsangestellte.171 Sie alle gerieten als Kollaborateure in höchste Gefahr, ein Argument, das auch die vier Generäle des Putsches von 1961 aufgegriffen hatten. Ben Bella scheute sich hingegen nicht, sie als Verräter zu bezeichnen und damit zahlreiche Massaker auszulösen.
Die Zahl der Opfer des Krieges auf Seiten der Algerier lag nach französischen Angaben bei 300.000, algerische Quellen gingen von einer Million aus. Guy Pervillé kam 2008 auf 253.000 bis 270.000 Opfer.172Neben den französischen Soldaten kamen etwa 10.000 Europäer bei Terrorakten ums Leben, de Gaulle selbst entkam nur knapp einem Attentat der OAS. Nach offiziellen Angaben starben 17.456 französische Soldaten, knapp 65.000 wurden verletzt, 1.000 blieben vermisst. 90 % der mehr als eine Million französischen Siedler verließen das Land,173 nur 30.000 Europäer blieben.174 Pervillé kam hier auf 24.614, davon starben etwa 9.000 bei Unfällen oder an Krankheiten.
Von den etwa 250.000 Algeriern, die für die Franzosen gearbeitet hatten, entkamen zunächst nur 15.000 aus dem Land. Unter meist ungeklärten Umständen wurden viele der Zurückgebliebenen entwaffnet, ausgeliefert und gefoltert. Auch hier ist es beinahe unmöglich, genaue Zahlen zu ermitteln: zwischen 30.000 und 150.000 wurden ermordet.175 Frankreich schätzte die Zahl der getöteten Kriegsgegner auf 141.000, hinzu kamen 12.000 in internen Kämpfen getötete FLN-Kämpfer, 16.000 von der FLN getötete Zivilisten sowie weitere 50.000 getötete Muslime. Darin sind nicht die als Harkis bezeichneten und als Kollaborateure Ermordeten eingeschlossen, deren Zahl zwischen 40.000 und 150.000 geschätzt wurde, sowie 4.300 Kämpfer, die in Frankreich ums Leben kamen. Wenn sich die französische Armee zurückziehe, werde es ein Blutbad geben, hatte de Gaulle schon 1959 vorhergesagt; dennoch hatte er keine Vorkehrungen für die Algerier getroffen. 2012 sprachen Nicolas Sarkozy und François Hollande von der Verantwortung, die ihr Land trage, weil es die Morde nicht verhindert habe.176 Pervillé rechnete 2008 mit 5.800 Terroropfern auf Seiten der Europäer, jedoch mit 120.000 bis 140.000 auf Seiten der Algerier, davon 2 bis 6.000, die bei internen Säuberungen getötet wurden. Die OAS war demnach für 2.700 Tote verantwortlich. Während der ersten vier Monate nach dem Waffenstillstand vom 19. März kamen mit 2.700 Europäern fast so viele Europäer ums Leben, wie während des gesamten Krieges (3.100). Allein im Raum Oran kamen zwischen dem 26. Juni und dem 10. Juli 1962 etwa 700 Europäer um. Gleichzeitig wurden in dieser Zeit 60 bis 80.000 Muslime ermordet; viele von ihnen waren nach Évian ihrer französischen Staatsbürgerschaft entkleidet und entwaffnet worden, und die noch im Land verbliebene Armee durfte sich während der Massaker an ganzen Dörfern nicht einmischen, die auch von tunesischen und marokkanischen Freitheitskämpfern verübt wurden.177
Insgesamt dürfte der Krieg, in dessen Verlauf 1,8 Millionen Algerier aus ihren Häusern vertrieben wurden, Frankreich 50 bis 55 Milliarden neue Francs gekostet haben, hinzu kamen die wirtschaftlichen Verluste durch Abwesenheit von 500.000 Mann und die damit zusammenhängende Unproduktivität, die auf 3 bis 4 Milliarden pro Jahr geschätzt wurde. Zudem kam es zu deutlichen Einbrüchen in der Bevölkerungsentwicklung, die ja schon durch die Generation des Zweiten Weltkriegs Stagnation und Rückgänge erlebt hatte.
Allein zwischen 1962 und 1965 kamen 324.000 Rückkehrer (répatriés) nach Frankreich, ebenso wie 110.000 Algerier.178 Viele von den in den nächsten Jahren illegal aus dem Land Gebrachten waren Analphabeten, die in Frankreichs Arbeitsmarkt keine Chance hatten und ein isoliertes Leben führten. Die Kinder der Harkis in Algerien litten noch lange unter der Geringschätzung der übrigen Bevölkerung; erst in den letzten Jahren begann die Aufarbeitung auch ihres Schicksals.
Am 1. Juli 1962 sprachen sich 99,7 % der Algerier für die Unabhängigkeit aus, genau 5.975.581 Stimmen waren für, 16.534 gegen die Unabhängigkeit.178r Am 25. September wurde die Demokratische Republik Algerien ausgerufen. Doch nach acht Kriegsjahren stand das Land vor großen Problemen. Zum einen verließen erst 1967 die letzten französischen Armeeeinheiten die Stützpunkte von Reggane und Béchar, 1968 von Mers-el-Kébir. In der Nähe von In Ecker, am westlichen Rand des Hoggar-Gebirges, etwa 150 km nord-nord-westlich von Tamanrasset, betrieb Frankreich bis 1966 ein Versuchszentrum (Centre d'expérimentations militaires des oasis). Dort wurden noch zwischen dem 7. November 1961 und dem 16. Februar 1966 dreizehn Kernwaffentests durchgeführt.179
Es kam aber zum anderen zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen, da mit der Unabhängigkeit der Großteil der französischen Fachkräfte das Land verlassen hatte, zahlreiche Kontakte abrissen. Zudem hatte die Kolonialregierung eine Industrialisierung erst sehr spät zugelassen und dem Land eine koloniale Rechts-, Besitz- und Wirtschaftsstruktur aufgezwungen, die Algerien als Lebensmittel und Rohstofflieferanten vorsah. Auch verließen viele Algerier das Land, um in Frankreich Arbeit zu suchen. Bald brachen darüber hinaus Machtkämpfe in der FLN über den politischen Kurs aus, der aber bald von Ahmed Ben Bella, Präsident von 1962 bis 1965, insoweit entschieden wurde, als die FLN eine sozialistisch orientierte Einheitspartei wurde. Sie kontrollierte bald alle Behörden und die verstaatlichte Wirtschaft. Dieses Einparteiensystem wurde 1963 in einem Referendum mit 98 % der Stimmen bestätigt.179r
Der erste Präsident Ahmed Ben Bella wurde jedoch am 19. Juni 1965 in einem Staatsstreich von Houari Boumedienne gestürzt.180 Unter der Führung Boumediennes (1965–1978) wurden die Bodenschätze des Landes, vor allem Erdöl und Erdgas verstärkt ausgebeutet, um die industrielle Entwicklung des Landes und einen „algerischen Sozialismus“ voranzutreiben. Er verstaatlichte die Ölindustrie und Teile der Landwirtschaft und versuchte durch hohe Zölle die aufkeimende Industrie zu schützen. Die Verfassung von 1976 bestätigte Boumediennes Machtstellung und die Ausschaltung jedweder Opposition. Während er gemäß der Verfassung von 1963 noch durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden konnte, sah die von Verfassung von 1976 dies nicht mehr vor.180d
Nachfolger für den 1978 verstorbenen Boumedienne wurde Chadli Bendjedid (1978-1992), der die Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft etwas lockerte. 1980 kam es zu einer ersten Protestwelle, im November 1986 ging von Constantine eine Jugendrevolte aus, die fast ganz Ostalgerien erfasste. Sie richtete sich gegen die Austeritätspolitik der Regierung, die wiederum auf Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank reagiert hatte. Die Proteste richteten sich gegen die kulturelle und soziale Unterversorgung der Städte. Bei schweren sozialen Unruhen 1988 schossen Sicherheitskräfte auf die demonstrierende Menge. Ursachen waren der gesunkene Ölpreis und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen sowie die Wohnungsnot. Chadli musste eine Demokratisierung einleiten und im Februar 1989 einer demokratischen Verfassungsänderungen zustimmen. Diese sahen die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vor.
Dem stand, wie im gesamten arabischen Raum, eine andere Entwicklung entgegen. Nachdem 1991 die radikalen Islamisten der „Islamischen Heilspartei“ (FIS) den ersten Durchgang der freien Wahlen gewonnen und dabei 188 der 430 Sitze gewonnen hatten, übernahm vor dem zweiten Wahldurchgang 1992 das Militär unter Kriegsminister Khaled Nazzar die Macht und annullierte die Wahl. Er löste das Parlament auf, rief den Notstand aus, verbot die FIS und zwang Chadli am 12. Januar zum Rücktritt.
Am 14. Januar übernahm Muhammad Boudiaf die Führung des Hohen Staatsrats, der aus marokkanischem Exil zurückgekehrt war. Seine geplante Reformpolitik konnte aber nicht mehr umgesetzt werden, da er am 29. Juni 1992 einem Attentat zum Opfer fiel. Bis 1994 regierte der Hohe Staatsrat unter der Leitung von Ali Kafi (2. Juli 1992 – 31. Januar 1994).
Als die FIS verboten wurde, ging die Mehrzahl ihrer Mitglieder in den Untergrund und ein Bürgerkrieg begann. Dieser Auseinandersetzung zwischen Islamisten und der Armee fielen seither über 120.000 Menschen zum Opfer. Auch nachdem die Regierung am 30. Januar 1994 an Präsident Liamine Zéroual (1994–1999) übergeben worden war, dauerten die Terroraktionen der Islamisten an. Die Sicherheitskräfte konnten seit 1995 einige Erfolge erzielen. Unter den Islamisten kam es zu mehreren Spaltungen, deren radikalste Fraktion die Groupe Islamique Armé (GIA) war. Sie war für die brutalsten Terroranschläge verantwortlich; sogar die FIS distanzierte sich von der Gruppierung. 1996 trat nach einem Referendum eine neue Verfassung in Kraft.
Auch unter Präsident Abd al-Aziz Bouteflika (Wahl am 15. April 1999) konnte das Problem des Terrors nicht beseitigt werden, ebenso wenig die sehr hohe Arbeitslosigkeit der Jugend. 1998 ging aus der GIA die Salafistengruppe für Predigt und Kampf hervor. So kam es 2001 zu erneuten Unruhen. Nach Protesten der Berber in der Kabylei wurde am 2. Mai 2002 die Berbersprache Tamazight zur Nationalsprache erklärt (nicht zur offiziellen), die seit Gründung Algeriens zugunsten des Arabischen verdrängt werden sollte.
Nach dem Abflauen des Bürgerkriegs initiierte die Regierung 1999 eine Volksabstimmung über eine Versöhnungspolitik. Im Januar 2000 lief eine Amnestie für reuige Islamisten aus, die Bouteflika nach der Selbstauflösung der Armée islamique du Salut (Islamische Heilsarmee, AIS), des bewaffneten Arms der Front islamique du Salut (Islamischen Heilsfront, FIS), im März 2000 unbefristet verlängerte. Nun wurde die ehemalige Einheitspartei FLN bei den Parlamentswahlen 2002 bestätigt.
Am 8. April 2004 fand eine erneute Präsidentenwahl statt. Da das Militär diesmal Neutralität zugesichert hatte, galt die Wahl als freieste seit der Unabhängigkeit. Insgesamt traten sechs Kandidaten an. Abd al-Asis Bouteflika, der 1999 mit Rückendeckung des Militärs gewählt worden war, galt als Favorit. Der Ex-Premierminister Ali Benflis galt als der einzig nennenswerte Herausforderer. Bouteflika erhielt bereits im ersten Wahlgang 83 % der Stimmen. Er war der erste Präsident Algeriens, der ein zweites Mandat erhielt. In einem Referendum stimmten die Algerier 2005 über eine Generalamnestie ab. Infolgedessen wurde der GIA-Gründer Abdelhak Layada im März 2006 aus der Haft entlassen - und neben ihm 2.200 vormalige Islamisten sowie 37.800 weitere Gefangene. 2009 wurde Bouteflika für eine dritte Amtszeit bestätigt. 2008 wurde Algerien Mitglied der Mittelmeerunion.
Die Salafisten vernetzten sich Anfang 2007 mit al-Qaida und schlossen mit weiteren nordafrikanischen Islamisten einen Bund, der in der AQIM (al-Qaida in Maghreb) aufging.181 Dessen Einflusssphäre reichte bis Spanien, Frankreich und bis Zentralafrika; die Zahl der Kämpfer der al-Qaida in Afrika wurde 2012 auf 20.000 geschätzt, die der AQIM hingegen nur auf 800.182 Die Finanzierung erfolgt über Lösegelder, vor allem aber über den Kokainhandel.
Im Konflikt zwischen Marokko und der Frente Polisario um die ehemalige spanische Kolonie Spanisch-Sahara beanspruchte Marokko das Gebiet, während die Polisario die Unabhängigkeit des gesamten Territoriums anstrebte. Bereits 1967 hatte sich Spanien bereit erklärt, ein Referendum über den Status der Kolonie durchzuführen. Marokko und Mauretanien unterstützten dieses Vorhaben, doch nachdem Spanien die Durchführung dieses Referendums immer weiter hinausgezögert hatte, gründete im Mai 1973 eine Gruppe ehemaliger Studenten um al-Wali Mustafa Sayyid die sahrauische Befreiungsbewegung Frente Polisario, die die Kolonie mit Waffen von der Kolonialherrschaft befreien wollte.
Ab 1974 forderte der marokkanische König Hassan II. den Anschluss der Westsahara, jedoch ohne die Durchführung eines Referendums. Ende 1974 kündigte Spanien an, im folgenden Jahr die Bevölkerung entscheiden lassen zu wollen. Mauretanien und Marokko erwirkten noch im selben Jahr die Resolution 3292 der UN-Vollversammlung. Spanien wurde darin aufgefordert, das Referendum nicht durchzuführen; stattdessen sollte der Internationale Gerichtshof ein Gutachten zur Zugehörigkeit des Gebietes erstellen. Es wurde am 16. Oktober 1975 veröffentlicht und stellte fest, dass das Selbstbestimmungsrecht einen höheren Wert habe, also ein Referendum durchgeführt werden solle.
Noch am selben Tag kündigte Hassan einen Marsch marokkanischer Zivilisten an, um die historischen Bindungen zwischen Marokko und der Westsahara zu unterstreichen. Nachdem marokkanisches Militär im Vorfeld in den Norden eingedrungen war, um ein Eingreifen Algeriens zu verhindern und um Polisario-Kräfte zu binden, fand der Grüne Marsch vom 6. bis 10. November statt. 350.000 Teilnehmer überschritten an mehreren Stellen die marokkanisch-westsaharische Grenze und stießen einige Kilometer tief in westsaharisches Gebiet vor, doch ein Weitermarsch auf die Hauptstadt El Aaiún fand wegen der spanischen Militärpräsenz nicht statt. Verhandlungen zwischen Marokko, Mauretanien und Spanien führten dazu, dass Spanien seine Kolonialherrschaft zum 26. Februar 1976 aufgab.
Nachdem am 26. Februar 1976 eine Versammlung saharauischer Stammesfürsten der Aufteilung der Westsahara zwischen Marokko und Mauretanien zugestimmt hatte, rief die von Algerien unterstützte Polisario am 27. Februar 1976 in Bir Lehlu die Demokratische Arabische Republik Sahara aus.
Marokko besetzte die nördlichen zwei Drittel der Westsahara, Mauretanien das südliche Drittel. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen forderte jedoch in der Resolution 3458 weiterhin die Durchführung eines Referendums. Die Polisario, die seit 1975 finanziell und militärlogistisch von Algerien unterstützt wurde, erreichte, dass Mauretanien 1979 den Verzicht auf alle Ansprüche erklärte, woraufhin Marokko auch das südliche Drittel annektierte. Im Zuge der Kämpfe wurde ein System von Mauern angelegt, der sogenannte Marokkanische Wall, der das Eindringen von Polisario-Kämpfern in marokkanisch kontrolliertes Gebiet verhindern sollte. Dieses Mauersystem wurde nach jedem bedeutenden Gebietsgewinn erweitert. Seit 1991 beträgt die Länge der äußersten Wallanlage etwa 2500 Kilometer. Der offene Kampf zwischen Marokko und der Polisario wurde 1991 durch einen Waffenstillstand beendet. Ein Referendum scheiterte 1992 und 1997 daran, dass die Polisario nur die Saharauis, die zu Zeiten der spanischen Kolonialherrschaft in der Westsahara lebten und deren Nachkommen zulassen will, Marokko hingegen auch die Mitglieder saharauischer Stämme, die früher in Südmarokko gelebt haben.
2007 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1754, in der die Gegner erneut zur Durchführung eines Referendums aufgerufen wurden und die Friedensmission MINURSO bis Oktober 2007 verlängerte. Daraufhin fanden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen in Manhasset bei New York vier Treffen statt, die jedoch alle ergebnislos verliefen. Marokkanische Sicherheitskräfte räumten ein Zeltlager nahe El Aaiún gewaltsam, das im Oktober 2010 von Anhängern der Polisario errichtet worden war.183 Dabei kamen mindestens elf Menschen ums Leben.184 Die laufende UN-Mission wurde bis zum 30. April 2014 verlängert.185 Etwa 180.000 Flüchtlinge leben seit 1976 in Flüchtlingslagern bei Tindouf.
1961/62 bis 1964 kam es in Mali zu den ersten Tuaregaufständen, von denen Algerien jedoch wenig betroffen war. Allerdings vernichtete 1984 bis 1985 extreme Trockenheit etwa 70 % der Viehbestände der Tuareg, viele Hungerflüchtlinge aus dem Süden kamen nach Algerien. Infolgedessen kam es zu mehreren Saharakonferenzen zwischen Algerien, Libyen, Mali und Niger. Es kam erstmals wieder zu Abkommen über den bis dahin weitgehend unterbundenen Handel, Grenzsicherheit, Bekämpfung von Banden und Terrorismus sowie der illegalen Einwanderung. Während der Aufstände in Mali und Niger von 1990 bis 1995 flohen viele Tuareg nach Algerien. Sie begannen zwar 1993 nach Mali zurückzukehren, doch kam es 1994 zu einem Massaker durch die Armee. 1995 wurden die Flüchtlinge in neuen Lagern untergebracht. 2012 begann ein erneuter Krieg jenseits der algerischen Grenze, der fundamentalistische Züge annahm, die bis zur Zerstörung von Kulturmonumenten und der gewaltsamen Durchsetzung der Scharia reichten. Die BBC berichtete Anfang 2013, dass 228.918 Menschen innerhalb von Mali geflohen waren. Zudem flohen 144.500 Menschen ins Ausland, davon 54.100 nach Mauretanien, 50.000 nach Niger, 38.800 nach Burkina Faso und 1500 nach Algerien.186
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