Aufgrund seiner Lage dürfte Griechenland für die erste Besiedlung Europas durch Angehörige der Gattung Mensch eine erhebliche Rolle gespielt haben.1 Dies spiegelt sich jedoch nicht in entsprechenden Funden wider, sieht man von dem 2017 publizierten Fund von 5,7 Millionen Jahre alten Fußabdrücken im Westen Kretas ab, die die Anwesenheit von Homininen belegen.1b Diese Tatsache wiederum wurde 2012 damit erklärt, dass natürliche Erosion und geomorphologische Prozesse für diese überraschende Lücke im Fundbestand verantwortlich seien.2 Demnach wurden potentielle archäologische Fundstätten durch klimatische Veränderungen, tektonische Aktivität, das Landschaftsrelief und Überschwemmungen im Wechsel von Warm- und Kaltzeiten zerstört. Dennoch besteht Anlass zu der Vermutung, dass vor allem die Ägäis eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung der frühen Menschen gespielt hat, eine Region, die lange wenig Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang gefunden hat, da das Meer in dieser frühen Phase als unüberwindbar galt.3
Nur wenige Stätten lassen sich durch Ähnlichkeiten mit datierten Industrien anderer Großräume dem Alt- oder Mittelpaläolithikum zuweisen, wie etwa Kokkinopilos in Epirus, das Eigenschaften des Moustérien aufweist, dazu einen Faustkeil,4 der auf 150 bis 200.000 Jahre datiert wurde,5 oder die Kythros-Höhle5a. Diese Höhle an der Nordostküste der unbewohnten Insel Kythros kennzeichnet zugleich einen Richtungswechsel in der Forschung, denn nun gerieten weniger das bis dahin betonte Festland sondern Inseln, in diesem Falle vor der westgriechischen Küste, in den Blickpunkt, die zeitweise vom Festland aus zu erreichen waren. Als der Meeresspiegel sehr viel niedriger lag, befand sich die Höhle oberhalb eines Tales zwischen den heutigen Nachbarinseln Meganisi und Lefkas. Die 2015 begonnenen Grabungsarbeiten ergaben zwei Schichten, von denen die obere auf 200.000 Jahre datiert werden konnte. Ähnliche Unsicherheit hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung wie in Kokkinopilos besteht beim Fundort Rodia in Thessalien, dessen Abschlag- und Klingenindustrie mit nur wenigen Faustkeilen auf ein Alter von 200 bis 400.000 Jahren geschätzt wurde. Sicher datiert waren in Griechenland bis 2008 ausschließlich Stätten, die allenfalls 100.000 Jahre zurückreichen.6 Dabei fanden sich Spuren der Neandertaler und ihrer Vorgänger in Makedonien bis hinunter zur Ebene von Elis.
Neben diesen wenigen Fundstätten aus dem Alt- oder Mittelpaläolithikum ist Marathousa 1 im Megalopolis-Becken auf dem Peloponnes zu nennen. Neben Überresten der Elefantenart Elephas (Palaeoloxodon) antiquus fanden sich dort Abschläge, jedoch keine Hinweise auf den Gebrauch von Faustkeilen. Hinzu kommen Einzelfunde, wie der Faustkeil, den Eric Higgs in West-Makedonien fand, sowie zwei weitere Fundstätten am thessalischen Peneios und bei Nea Artaki auf Euböa, dessen Datierung jedoch unsicher ist. Hinzu kommen Einzelfunde, die sich jedoch bestenfalls typologisch dieser Epoche zuordnen lassen. Die bedeutendste Fundstätte ist inzwischen Rodafnidia auf Lesbos, das mit ähnlich alten Fundstätten im Westen der Türkei in Zusammenhang gebracht wird, die gleichfalls dem Acheuléen zuzuordnen sind. Die Datierungen auf Lesbos ergaben zwei Cluster in der Zeit um 272.000 ± 25.000 und um 475.000 ± 48.000 Jahre.6r
Die Überreste eines Menschen, genauer gesagt der Schädel eines Mannes von etwa 30 Jahren, wurde 1960 in der Höhle von Petralona auf der Halbinsel Chalkidiki in Makedonien von dem Höhlenforscher Ioannis Petrocheilos entdeckt.7 Der Tote wurde zeitweise als Archanthropus europaeus petraloniensis bezeichnet.8 Sein Schädel wurde 1981 auf ein Alter von 160 bis 240.000 Jahren datiert,9 zwei Jahrzehnte später auf mindestens 300.000 Jahre.10 Das Fossil kann beiden Datierungen zufolge dem späten Homo heidelbergensis zugeordnet werden.
Im griechischen Teil Thrakiens finden sich vor allem Chopper, also Geröllwerkzeuge, jedoch fast keine Faustkeile. Im türkischen Teil Thrakiens, rund 23 km westlich der Innenstadt von Istanbul, genauer gesagt am Nordrand der Lagune von Küçükçekmece (Küçükçekmece Gölü), fanden sich etwa 1600 Artefakte in den Höhlen von Yarımburgaz (Yarımburgaz Mağarası), deren älteste auf etwa 400.000 Jahre datiert wurden. Wahrscheinlich bewohnte zuerst Homo erectus die Höhle, menschliche Überreste wurden jedoch nicht gefunden. In den ältesten Schichten fanden sich keine Faustkeile und keine Hinweise auf die Levallois-Technik, stattdessen konnten wenige Chopper und große Mengen kleiner Klingen mit Retuschen geborgen werden. Meist wurde Feuerstein genutzt, aber auch Quarz und Quarzit. Insgesamt ähnelt die Industrie derjenigen der Höhlen von Rodia und Doumbia in Thessalien und Makedonien.12
Die Steinartefakte der jüngeren Fundstätten weisen auf die in dieser Zeit auftauchende neue Steinbearbeitungstechnik hin, die unter dem Namen Levallois-Technik bekannt ist. Sie wird im Allgemeinen mit dem Neandertaler in Verbindung gebracht, von dem inzwischen Artefakte auf dem Peloponnes aufgetaucht sind13 (Kalamakia-Höhle) und auch auf Naxos an der Fundstätte Stélida13a. Ab der Zeit vor etwa 150.000 Jahren zeigen Artefakte ein entwickeltes Moustérien. In der epirotischen Höhle von Asprochaliko, 4 km nordöstlich von Kokkinopilos im Tal des Louros wurden die untersten Schichten auf 100.000 Jahre datiert. In Kokkinopilos weisen Freilandfunde auf die Anwesenheit von Neandertalern vor 150.000 Jahren hin. Die dortigen tiefer gelegenen Schichten sind offenbar ungestört und somit besser datierbar - damit ist die Fundstätte eine seltene Ausnahme in Griechenland.13c Dabei nahm man lange an, dass Neandertaler nur im Norden lebten und die trockeneren Regionen mieden, wie den Peloponnes oder Kreta, zumal die ältesten dortigen Fundstätten höchstens 55.000 Jahre alt waren. Im peloponnesischen Lakonis auf der Mani-Halbinsel am Lakonischen Golf tauchten jedoch im letzten Jahrzehnt mehrere Stätten auf, die zwischen 100.000 und 40.000 Jahre alt sind.14 Darunter befand sich der Zahn eines Neandertalers aus Lakonien, der der Übergangszeit zum anatomisch modernen Menschen zugeordnet wird.
Auf der Insel Kreta fanden sich im Bereich der Südküste überraschenderweise Artefakte, die auf ein Alter von 130.000 Jahren datiert wurden. 2008 und 2009 hatten Forscher um Thomas Strasser vom Providence College in der Schlucht des Megalopotamos oberhalb des Palmenstrandes von Preveli 130.000 Jahre alte Steinwerkzeuge gefunden.15 Sie zählten damit nicht nur zu den ältesten Funden des Landes, sondern belegten, dass Neandertaler in der Lage waren, größere Distanzen über das Meer zu überwinden.15d Ihre typischen Moustérien-Steinwerkzeuge wurden darüber hinaus auf den Inseln Lefkada, Kefalonia und Zakynthos entdeckt.16 Mit Ausnahme von Lefkada – während der Eiszeiten bei einem um über 100 m tieferen Meeresspiegel eine Halbinsel des Festlands – bildeten Kefalonia und Zakynthos einschließlich Ithaka in diesen Zeiten eine zusammenhängende Insel. Sie konnte wohl nur mit Wasserfahrzeugen erreicht werden, da der Abstand zum Festland seinerzeit etwa 5 bis 7,5 km zur Südspitze der Halbinsel von Lefkada betrug.17 Möglicherweise spielte die Tatsache eine Rolle, dass auf der Insel kaum über 110 cm große Mammute lebten (Mammuthus creticus), von denen 2012 Stoßzähne entdeckt wurden.17c
Neandertalergruppen lebten zugleich entlang der Flussläufe in Makedonien und Thessalien, denn auf einigen der gut erhaltenen Terrassen fanden sich Spuren entsprechender Lager. Dies gilt vor allem für das Gebiet westlich von Larisa. Die weiten Ebenen mit ihren Flussläufen waren für diejenigen Beutetiere attraktiv, von denen die Neandertaler als Fleisch konsumierende Großwildjäger ganz überwiegend lebten. Im Norden fand man einige ihrer Artefakte in den Höhlen von Rodia und Doumbia in Thessalien und Makedonien.18 Dabei ist Rodia der derzeit älteste Fundplatz, der auf 200 bis 400.000 Jahre datiert wurde.
Danach erscheint eine lange zeitliche Lücke, die erst vor 60.000 Jahren endet, als wieder Neandertaler erschienen. Bei ihnen zeigen sich saisonale Wanderungen, die vor allem deshalb unternommen wurden, um natürliche Ressourcen entlang der Flüsse, aber auch die der küstennahen Marschenlandschaft zu nutzen. Auch an Felsüberhängen und in schmalen Taldurchgängen, von denen die grasenden Herden beobachtet und bejagt werden konnten, fanden sich Artefakte.
Allerdings war Griechenland, im Gegensatz etwa zu Südfrankreich oder Nordspanien, in den kältesten Zeiten nur wenig als Refugium geeignet, denn es war für die Neandertaler, die von Norden nach Süden den vorrückenden Gletschern und der entstehenden Tundrenlandschaft auszuweichen suchten, zu trocken. Dies dürfte sowohl die lange Fundlücke hinreichend erklären, die gegen Ende der Neandertalerzeit entstand, als auch die fehlenden Funde aus der frühen Zeit des anatomisch modernen Menschen, der vor etwa 45.000 Jahren Europa erreichte. Nur einige Küstensäume, wie im Peloponnes, weisen Funde auf, etwa die von Lakonis.
Es ist beinahe unmöglich, auch nur eine entfernte Vorstellung davon zu gewinnen, wie viele Menschen um 20.000 v. Chr. in Europa lebten. Versuchsweise hat man die Bevölkerungszahl, unter Berücksichtigung der ökologischen Bedingungen einer fortgeschrittenen Kaltzeit, auf vielleicht 6 bis 10.000 geschätzt.19 Dabei handelte es sich um unseren unmittelbaren Vorfahren, den Homo sapiens, der vor etwa 45.000 Jahren nach Europa gekommen ist.
Kennzeichen des Jungpaläolithikums, dem Zeitalter des gleichfalls jagenden, sammelnden und fischenden Homo sapiens in den Bodenfunden ist eine neue Steinbearbeitungstechnik. Feuerstein wurde in einem neuartigen Klingenkonzept unter Anlage eines „Leitgrates“ verarbeitet. Das heißt, auf dem Kern wurde ein senkrechter Dorsalgrat angelegt, der das Abtrennen langschmaler Abschläge ermöglichte. Diese werden als Klingen bezeichnet.20 Dieses Konzept unterscheidet sich grundlegend von der auf der besagten Levalloistechnik basierenden, zuvor vorherrschenden Technik der Steinbearbeitung, die als kennzeichnend für das Mittelpaläolithikum gilt. Dies hört sich abstrakt an, doch hinter diesem Technologiewechsel verbirgt sich der Übergang vom Neandertaler zum anatomisch modernen Menschen, der als unser unmittelbarer Vorfahr gilt. Seine ältesten Spuren fanden sich in Italien. Zwei Zähne aus der Grotta del Cavallo, einer Höhle in Apulien, wurden auf ein Alter von 45.000 bis 43.000 Kalenderjahren vor heute datiert und gelten als der älteste Beleg für die Anwesenheit des anatomisch modernen Menschen in Europa.21
Während der größten eiszeitlichen Vergletscherung der nördlichen Halbkugel um 28.000 bis 20.000 v. Chr. (nach anderen Angaben 24.500 bis 18.000 v. Chr.22 - die letzten Neandertaler waren längst verschwunden - lag der Meeresspiegel um 100 bis 130 m tiefer als heute. Viele der heutigen Inseln waren zu dieser Zeit Halbinseln oder lagen in greifbarer Nähe zum Festland, dessen Ufer heute im Meer liegen. Der nachfolgende Anstieg war durch das Abschmelzen der gewaltigen Eismassen bedingt, das sich über Jahrtausende hinzog. Da dieser Prozess nicht linear verlief, ist die Rekonstruktion vergangener Küstenverläufe eine komplexe Aufgabe, wobei, im Gegensatz zu anderen Regionen, die Landhebungen und -senkungen, die dem Verschwinden der bis über 3000 m hohen Eismassen folgten, eher gering waren. Doch die starken Schwankungen des Meeresspiegels zerstörten vor allem in den küstennahen Ebenen zahllose archäologische Artefakte. Auch in der Ägäis waren die Inseln vielfach Teil des Festlands, doch als der Meeresspiegel anstieg, reichten die Überschwemmungen bis zu 70 km landeinwärts. Vor etwa 30.000 Jahren erfolgte geradezu eine Überflutung Thessaliens.
Eine Schlüsselstätte für die Jäger-und-Sammler-Epoche nach der letzten Kaltzeit, dem Mesolithikum, ist die Franchthihöhle im Nordosten des Peloponnes, die für 100.000 Jahre immer wieder aufgesucht wurde. Lange waren die einzigen mesolithischen Artefakte dort zu finden, jedoch bieten seit einigen Jahren neue Höhlenfunde weitere Fundstücke der letzten reinen Jägerkulturen Griechenlands. Dazu gehören die thessalische Theopetra-Höhle, die vom mittleren Paläolithikum bis zum Neolithikum aufgesucht wurde,23 aber auch mesolithische Funde in der Klissoura-Höhle24 im Nordostpeloponnes oder der Zyklopenhöhle auf den Sporaden. Theopetra liegt im Übergangsgebiet von der thessalischen Ebene zum Pindos. Die ältesten Schichten gehören dem frühen Mittelpaläolithikum an, möglicherweise reichen sie noch weiter zurück. Die meisten Fundstücke gehören aber der Zeit vor 50 bis 30.000 Jahren an. Die Jäger lebten in einer Steppenlandschaft, in der sie Bären und Hirschen auflauerten. An diese Phase schloss sich eine weitere Nutzungsphase an, die von 38.000 bis 25.300 BP reichte. Die von der zunehmenden Kälte vertriebenen Menschen kehrten erst vor 15.000 Jahren zurück. Sie blieben bis vor 11.000 Jahren.
Nach dem Maximum der besagten letzten Kaltzeit, die in Griechenland zugleich eine ausgeprägte Trockenzeit war, stieg die Temperatur vor etwa 18.000 Jahren wieder an, jedoch blieb das Land noch lange Zeit trocken. Jagdlager lassen sich nunmehr auch in höheren Regionen belegen, wie in Epiros, wo das Klima milder wurde. Die zuvor aufgesuchten Lager entlang der thessalischen Flussläufe blieben jedoch verwaist, nur die lange Zeit in Gebrauch befindlichen Höhlenplätze wurden wieder eingenommen. Offenbar weiteten sich die Tauschkontakte aus, denn in der Theopetra-Höhle fanden sich nunmehr Werkzeuge aus Material, das nicht mehr aus der Umgebung stammte oder entlang der Wanderzyklen aufgesammelt worden war, sondern es stammte aus weiter entfernten Gebieten. Im Sommer zogen Jagdgruppen ins Pindos-Gebirge, das für die Tierherden attraktiver wurde, da die Ebenen zunehmend verwaldeten.
Die Klithi-Höhle in Nord-Epiros bei Konitsa wurde von besagten spätglazialen Jägern, meist in kleinen Gruppen von 5 bis 10, vielleicht bis zu 20 Menschen, wahrscheinlich Familien, immer wieder in der warmen Jahreszeit für mehrere Monate aufgesucht. Dies geschah zwischen 16.500 und 13.000 BP, also in der Zeit zwischen der maximalen Vergletscherung und der beginnenden Rückkehr der Wälder im Laufe der globalen Erwärmung am Ende der letzten Kaltzeit.25 99 % der Knochen, die sich in der Höhle fanden, stammen von Ziegen und Gämsen. Die Tiere wurden in der Höhle zu Lebensmitteln, Artefakten und Kleidern verarbeitet. Während in den Ebenen und Tälern die pflanzliche Nahrung große Bedeutung hatte, spielte sie im Gebirge kaum eine Rolle. Im Gegensatz zu Klithi kam es an der Fundstätte bei Kastritsa wohl zum Zusammentreffen zahlreicher Jägergruppen. Die dritte wichtige Fundstätte in Epiros, Asprochaliko, ist hingegen kleiner. Sie stellt die älteste Fundstätte dieser transhumanten Jagdgruppen dar (26.000 BP).26 Mit dem Vordringen der Wälder verschwanden die Beutetiere aus der Region oder zogen sich in die höheren Gebirgslagen zurück, womit die Jägerfamilien ihren Sommerstandort ändern mussten.
Der Tausch oder Handel, der wahrscheinlich viel früher einsetzte, lässt sich gegen Ende der letzten Kaltzeit genauer fassen. Das wichtigste erkennbare Tauschobjekt im Mittelmeerraum waren zunächst wohl Muscheln, dann jedoch auch bestimmte Steinarten, die für die Geräteproduktion von großer Bedeutung waren, zumal wenn sie von hoher Qualität waren. Das galt etwa für das seltene Obsidian. Um 10.000 v. Chr. gelangte Obsidian von der Insel Melos in die peloponnesische Franchthihöhle,27 die etwa von 30.000 bis 3000 v. Chr. aufgesucht wurde, vor allem aber vor Ende der letzten Kaltzeit.
Das Mesolithikum, die Zeit zwischen der letzten Kaltzeit und dem Beginn der produzierenden Lebensweise, dem Neolithikum, galt lange als eine Periode kulturellen Niedergangs der beeindruckenden Kulturen der Jäger und Sammler. Daher stand diese Periode, die in Mitteleuropa von etwa 9600 bis in das 6. Jahrtausend v. Chr. reichte, in Westeuropa im Schatten des Magdalénien der Großwildjäger einerseits und des beginnenden Bodenbaus und der Viehhaltung andererseits, einer Epoche, die als „neolithische Revolution“ bekannt wurde. Trotz früher Funde änderte sich dies erst ab den 1950er Jahren.
In den letzten Jahren hat sich die Fundsituation in Griechenland erheblich verbessert. Als die gewaltigen Gletschermassen des Nordens und in den Gebirgen abzuschmelzen begannen - zuletzt kam es im Jüngeren Dryas zwischen 10.730 und 9.700/9.600 v. Chr. zu einer starken, globalen Abkühlung -, entstanden zahllose Seen und Flussläufe. Zugleich wurden die freiwerdenden Landmassen vom Druck des Eises entlastet und hoben sich, jedoch stieg der Wasserspiegel der Meere erheblich stärker. Dieser Anstieg erreichte 120 bis 130 m. Die Klimaveränderung und die daraus resultierenden Veränderungen der Landschaft und der Vegetation veränderten auch die Fauna und damit die Zusammensetzung der von den Menschen genutzten Tiere. Die großen, auf Tundren oder sonstige waldfreie Flächen angewiesenen Tierherden verschwanden oder zogen nordwärts oder in die höheren Gebirgszonen.
Die jungpaläolithischen Großwildjäger jagten nunmehr Kleinwild, lebten zunehmend von Vegetabilien, entwickelten neue Geräte und Waffen. Nun breitete sich Nadelwald in den höheren Lagen, Eichen in den tieferen aus. Als Jagdspektrum erschienen nun Wildziegen, Hirsch, Schwein und Hase, aber auch Vögel.
Im Werkzeugspektrum zeigt sich, dass Griechenland relativ isoliert war und von kulturellen Veränderungen in den umgebenden Großräumen kaum berührt wurde. Der Fischfang, insbesondere der von Thunfischen, nahm deutlich zu. Die Bewohner der Franchthi-Höhle lebten sogar überwiegend vom Fischfang. Jagd und Sammeln lieferten nur Zusatznahrungsmittel. Da auch die Fischer dem saisonal stark ansteigenden Fischbestand folgten, blieb ihr Leben von entsprechenden Wanderungen zu den besten Fangplätzen geprägt, sei es an den Meeresküsten oder an Seen. Ihre Steinartefakte sind sehr viel kleiner und werden als Mikrolithen bezeichnet. Diese waren meist Bestandteile von Werkzeugen und Waffen, die aus mehreren zusammengefügten Teilen bestanden, sogenannten Kompositwerkzeugen. Sie dienten dem Fang, der Verarbeitung und der Lagerung, schließlich dem Zerlegen zwecks Verzehr. Zu den Pflanzenresten der Höhle zählen neben zahlreichen Wildpflanzen Nüsse und Getreide.28
Ob die Steine, die zur Herstellung der Geräte nötig waren, und die aus immer größerem Umkreis stammten, auf eine Art Territorium hinweisen, in dem bestimmte Gruppen Vorrechte hatten, ist unklar. Es könnte sich auch um ein weiträumiges Handelsnetz handeln. Die Zyklopenhöhle auf der heute unbewohnten Sporadeninsel Gioura, 30 km von Alonnisos entfernt, wurde von 8700 bis 7000 v. Chr. regelmäßig aufgesucht. Zu dieser Zeit trennte bereits ein schmaler Kanal die Insel vom Festland, während der Eiszeit war sie noch ein Teil des festländischen Thessalien gewesen. Auf einem weiteren Eiland der Inselgruppe, auf Kythnos, fand man Spuren von Rundhütten, die wohl gleichfalls der veränderten Wirtschaftsweise zuzuordnen sind, die als „broad spectrum revolution“ bezeichnet worden ist. Dabei war es zu einer Verlagerung von Großwild auf ein breites Spektrum von Kleintieren, dazu Vegetabilien gekommen, eine Verlagerung, die das Überleben offenbar nach und nach sicherer machte.29 Zudem wurde die Jagd durch die zunehmende Verwaldung völlig verändert, die großen Herden verschwanden, zumal das ansteigende Meer darüber hinaus die großen Küstenebenen verschlang. Die Mesolithiker, so wurde postuliert, hätten bald Getreide genutzt, doch die meisten Archäologen halten diese Funde für Einschwemmungen aus höheren Schichten. Die Untersuchung der Gioura-Obsidianwerkzeuge konnte als Herkunftsort des vulkanischen Materials die Kykladeninsel Milos belegen, während Werkzeuge eine Ähnlichkeit mit Funden aus der Gegend von Antalya aufweisen, was zu dem Schluss führte, dass die Bewohner von Gioura weiträumige Kontakte unterhielten und über außerordentliche Navigationskenntnisse verfügt haben müssen.
Mesolithische Funde auf der Kykladeninsel Kythnos an der Fundstätte Maroulas brachten 1996 bis 2005 die wohl älteste Siedlung der Kykladen zu Tage. Sie wurde zwischen 8600 und 7800 v. Chr. datiert. Sie liegt auf einer flachen Landspitze nordöstlich des Dorfes Loutra etwa 50 bis 60 m über dem heutigen Meeresspiegel. Das Vorrücken der Küstenlinie zerstörte einen Großteil des Siedlungsplatzes, die Restfläche erstreckt sich auf etwa 1500 bis 2000 m².30 Zugleich fanden sich dort nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche die ältesten Begräbnisstätten im Freiland.
In Franchthi wurden die Toten nahe den Lebenden beigesetzt. Dabei kam zunehmend Ocker in Gebrauch sowie persönlicher Schmuck. Die Menschen lebten in einem engen Netzwerk von zusammenhängenden Lagern, wie Studien der letzten Jahre erwiesen. Sie zeigten, dass in Griechenland Mikrolandschaften bestanden, kleine Distrikte, in denen sich zahlreiche Stätten nachweisen ließen. Hingegen waren bisherige Flächenuntersuchungen weitgehend gescheitert, so dass man davon ausgegangen war, dass die Bevölkerungszahl äußerst gering gewesen sein musste. Das typische mesolithische Spektrum von Beutetieren und Pflanzen fand sich vor allem in kleinen küstennahen Ebenen. Allein 15 Plätze fanden sich unterhalb geeigneter Höhlen. Ähnliche geeignete Gebiete auf Kreta erbrachten gleichfalls mesolithische Funde. In der Theopetra-Höhle erfolgte gleichfalls eine mesolithische Nutzung von etwa 8 bis 6.000 v. Chr. An der Fundstätte Kerame 1 auf Ikaria in der östlichen Ägäis lassen sich Mesolithiker für die 1. Hälfte des 9. Jahrtausends belegen. Auch sie nutzten Obsidian von Milos.30k
Eine weitere Lebensweise, die Jagd auf entsprechende Mittel- und Hochgebirgstiere, ließ sich in den Gebirgsregionen zwischen Epiros und Thessalien/Makedonien an über 90 Stellen nachweisen. Dort orientierte man sich bei der Suche an vergleichsweise ebenen Terrains in Höhen zwischen 1400 und 1900 m. Doch auch hier beendete der vordringende Wald bald die Epoche der Jagd. Die nachfolgende, von eher bäuerlichen Kulturen dominierte Epoche, das Neolithikum, erhielt nur wenige Beiträge, die als mesolithisch gelten. Dies steht in Gegensatz zu anderen Regionen des Mittelmeers und darf als weiterer Indikator dafür gelten, dass die Zahl der Jäger, Sammler und Fischer in Griechenland vergleichsweise gering war, wenn auch nicht so gering, wie lange angenommen.
Das Neolithikum, das in Griechenland von etwa 7000 bis 3000 v. Chr. reicht, wird üblicherweise in vier Phasen eingeteilt. Die erste Phase ist zunächst das Präkeramische Neolithikum (ab 7000 v. Chr.), dem das Frühneolithikum (ab 6500 v. Chr.) folgt. Das Mittlere Neolithikum (ab 5800 v. Chr.) und das lange Spätneolithikum (ca. 5300 bis 3000 v. Chr.) folgen diesen beiden etwa zwölf Jahrhunderte umfassenden frühen Phasen. Dabei galten die neolithischen Siedlungen eher als klein, isoliert und geradezu statisch im Vergleich zu den beeindruckenden Fundstätten der nachfolgenden Bronzezeit. Zudem wurde ihnen die soziale Schichtung ebenso abgesprochen wie handwerkliche Differenzierung. Mehr als bloße Subsistenzwirtschaft traute man dem Neolithikum nicht zu. Es wurde geradezu zur Folie, vor der der Aufstieg Griechenlands gedanklich wiederaufgeführt werden konnte. Dabei wurde die Darstellung der üblichen Kulturabfolgen auf die Frage nach der Herkunft reduziert, womit ihre Komplexität und ihre Möglichkeiten aus dem Blick gerieten. Gleichzeitig wurden langsame Veränderungen im Rückblick zu Revolutionen stilisiert, im schlimmsten Fall der bloße technische Fortschritt in den Vordergrund gerückt, der sich üblicherweise in einer angeblich gesteigerten Beherrschung der Natur ausdrückte. Damit wurden historische Prozesse geradezu zu einer „Karikatur“.31
Die Arbeiten der letzten Jahrzehnte kamen zu dem Ergebnis, dass die Brüche keineswegs so hart waren, wie behauptet. Im Gegenteil hatten Neolithikum und Bronzezeit überraschend Vieles gemeinsam. Dazu zählte handwerkliche Differenzierung ebenso wie eine breite agrarische Basis mit starker Regionaldifferenzierung, Gartenwirtschaft, aber auch landwirtschaftliche Überschüsse und eine von Führungsgruppen getriebene Ökonomie sowie gesellschaftlicher Wettbewerb. Ebenso waren lokale, regionale und Fernkontakte Bestandteil beider Epochen, wozu rituelle Zusammenkünfte zur Festigung und Entwicklung von Zusammengehörigkeit, Identität und Werten gehörten. Allerdings war der gesellschaftliche Wettbewerb noch stärker durch soziale Kontrolle gesteuert. Selbst das Aufkommen des Handels mit Metall, Wein oder Oliven (letzteres ab Ende des 5. Jahrtausends im Westen Kretas und in Mazedonien), früher der Bronzezeit zugeschrieben, tauchte bereits im Neolithikum auf. Es gibt also keinen Bruch, keine Revolution zwischen dem Neolithikum und der Bronzezeit. Eine solche Kontinuität wurde schließlich auch für die Frage der Urbanisierung postuliert. Es stellte sich aber heraus, dass manche Siedlungen zwar sehr ausgedehnt waren, so dass das kretische Knossos etwa 5 ha maß, das thessalische Sesklo immerhin 13, das makedonische Vasilika gar 25 ha, doch erwies sich, dass diese Orte sehr dünn besiedelt waren. Ausgrabungen zeigten etwa in Knossos, dass der bewohnte Teil dieser erweiterten Siedlung auf 2 bis 2,5 ha reduziert werden musste.
Hingegen scheint der Übergang zwischen dem Mesolithikum und dem Neolithikum umso drastischer gewesen zu sein, wenn sich auch hier die Anzeichen für Kontinuitäten selbst in Griechenland mehren, wo der Bruch als besonders radikal galt.
Sozioökonomische Veränderungsphasen lassen sich im Neolithikum vielleicht um 5500/5300 und um 3500-3100/3000 v. Chr. fassen. Im frühen Neolithikum lassen sich Bevorratungen auf der Hausebene, also wohl auf der Ebene der erweiterten Familie, nicht fassen, so dass man annimmt, die Bevorratung sei auf der Ebene der Siedlung, also gemeinsam erfolgt.31f So fand man in Knossos eine Lehmziegelstruktur, die offenbar zum Lagern von Getreide gedient hat. Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass die häufig ausgesprochen langlebigen Siedlungen die Produktion ebenso gemeinschaftlich gestalteten, wie die Inszenierung ihrer Herkunft, ihrer Werte und ihrer Identität. Der interne Wettbewerb wurde möglicherweise kanalisiert, indem man Fernkontakte unterhielt, um an Güter zu gelangen, die von weither kamen. Solcherlei Geschenke gaben Anlass zu prestigeträchtiger und statusfördernder Zurschaustellung, aber auch zu den dazugehörigen Erwerbsgeschichten, die die dominierende Gemeinschaftlichkeit nicht untergruben.
Um 5500/5000 v. Chr. schob sich jedoch stärker der Haushalt, die erweiterte Familie in den Vordergrund. Der Raum, den deren 70 bis 100 m² große Häuser in der Siedlung einnahmen, wurde deutlicher abgegrenzt. Davon deutlicher getrennt entstanden wiederum „öffentliche“ Räume. Verstärkt wird dieser Eindruck durch tönerne Hausmodelle, die nun häufiger auftauchten. Diese Abgrenzung ermöglichte die Entstehung von kleinen Siedlungen von weniger als 0,5 ha Fläche, was wiederum die Erschließung bisher agrarisch ungenutzter Regionen ermöglichte. Im späten Neolithikum kam es zu einer deutlichen Intensivierung und Spezialisierung der Produktion, etwa von Keramik. Auch gibt es Hinweise auf Weberei, auf Oliven- und Weinanbau. Auf der Familienebene kam es also möglicherweise zu einer Spezialisierung, dort wurden nun auch Vorräte angelegt. Dies weist auf eine größere Kontrolle über Produktion und Lagerung hin. Dennoch blieb die Gemeinde der Ort der Riten, sie hatte immer noch starken Einfluss auf ideologische und ökonomische Tätigkeiten und fand beispielsweise im Megaron (samt seiner Umgebung) von Dimini einen monumentalen Ort für die Austragung individuellen und familiaren Wettbewerbs.
Zwischen 3600/3500 v. Chr. und der frühen Bronzezeit wanderten die Kochstellen in die Häuser oder sie wurden baulich an das jeweilige Haus angeschlossen. Die Ausbreitung in bis dahin marginale Gebiete fand auf Kreta um 3300 bis 3000 v. Chr. statt, auf dem Peloponnes und den Kykladen wenig später, sicherlich aber in der Frühbronzezeit (in Thessalien kennen wir das Spätneolithikum hingegen als Rachmani-Kultur). Bei dieser Ausbreitung handelte es sich um Netzwerke von kleinen Siedlungen, wobei diese Gebiete ökonomische Spezialisierungen erforderten, wie das Halten von Viehherden. Die kleinen Siedlungen, die in Notzeiten bis auf die Familie herabgebrochen werden konnten, unterhielten zwar weiterhin Kontakte, doch waren sie stärker auf sich gestellt und Misserfolge waren auf Dauer kaum mehr durch die Nachbarn auszugleichen. Zum anderen wurde Konkurrenz damit offenkundiger, was Erfolg oder Misserfolg betraf. So kam es möglicherweise zu ersten Formen der Verschuldung an Besitz und Arbeit, zur weiteren Spezialisierung oder zur Abwanderung.
Eine Alternative bestand im Handel. Umfang und Rolle des Handels veränderten sich. Entlang der Küsten der südlichen Ägäis entstanden zahlreiche neue Siedlungen, von denen viele bis in die Bronzezeit nachweisbar sind. Siedlungen wie Paoura auf Kea oder Petras Kephala auf Kreta waren mit 1 bis 2 ha Fläche nicht kleiner als die großen Handelszentren der Bronzezeit. Dabei rückte wohl zum ersten Mal der privilegierte Zugang zu Techniken und Zugängen in den Mittelpunkt, während der Geschenkverkehr an Bedeutung verlor. In Strophilas auf Andros fanden sich bildliche Darstellungen der dazugehörenden Transportmittel, nämlich von Langbooten. In Petras-Kephala wurden Metalle und Obsidian in Rohform angelandet und dort verarbeitet. Anscheinend wurde von dort aus der Handel ins Hinterland betrieben. Der Streit um jeden einzelnen Punkt, von der Rohstoffgewinnung über Transport, Lagerung und Weiterhandel bis zum Abnehmer, der nun seinerseits Bedingungen stellen konnte, setzte ein, denn mit dem Bekanntwerden dieser prestigeträchtigen Güter wurde zugleich eine Nachfrage angeregt. Die Haushalte wurden zugleich zu separaten, voll funktionsfähigen ökonomischen Einheiten, geradezu zu „modularen“ Haushalten, die sich, ohne Einmischung der Gemeinde, Güter aneignen und akkumulieren konnten. Doch gerieten sie damit auch in Konkurrenz zu anderen ökonomischen Einheiten dieser Art. Dies galt vor allem für den Status- und Prestigesektor, was sich in öffentlichen Ritualen niederschlug, wie etwa aufwändigeren Grabmalen und Beerdigungen auf Euböa, den Kykladen und in Attika in Form von Beisetzungsstätten außerhalb der Mauern. Zudem zeichnete sich die Entwicklung der Palasthöfe ab, wie sie für die Bronzezeit reich belegt sind.
Lange nahm man an, dass alle Gesellschaften von der Technologie, dann von Bevölkerungsdruck getrieben wurden. Inzwischen wird deutlicher, dass bestimmbare Gruppen, die einen ganz bestimmten Aktionsrahmen vorfinden, für die Veränderungen sorgen. Technologien breiten sich nicht aus, weil sie so gut sind, sondern weil sich Menschen entscheiden, sie einzusetzen. Die Bevölkerungszahl wächst nur, wenn sich die sozioökonomische Organisation ändert. Dabei sind klimatische Veränderungen von erheblicher Bedeutung. So ist die Zeit von 7000 bis 5500 v. Chr. von einem sehr günstigen Klima gekennzeichnet, das feuchter und milder war und das geringere jahreszeitliche Schwankungen aufwies. Dann verstärkten sich die Schwankungen von Jahr zu Jahr, und um 3500 v. Chr. wurde das Wetter dem heutigen ähnlich, war also trockener und kaum mehr voraussagbar. Das Wetter bestimmt niemals die Richtung gesellschaftlicher Entwicklungen, doch hat es das Potenzial, hergebrachten Gesellschaften die Stabilität zu rauben. In solch schwierigen Zeiten zeigen sich die Schwächen des zuvor stabilen Systems, das Vertrauen sinkt und neue Wege haben Aussichten, nicht mehr eingebunden zu werden.
Von ganz anderer Natur war der Umbruch vom Meso- zum Neolithikum. Die Siedlungen, die ab etwa 7000 v. Chr. in Griechenland entstanden, waren von großer Einheitlichkeit und unterschieden sich vor allem deutlich von den mesolithischen Vorgängern. Neben der Bodenbearbeitung und der Viehhaltung brachten die Neuankömmlinge verschiedene Techniken mit, wie Spinnen, das Polieren von Steinen, den Hausbau oder das sogenannte pressure flaking, eine erst spät erkannte Steinbearbeitungstechnik. Auch das Vieh stammte nicht von vorhandenen lokalen Vorfahren ab, sondern von mitgebrachten. Der Beitrag der Mesolithiker zur neu entstehenden weiträumigen Kultur wuchs dabei im Mittelmeer, grob gesagt, von Ost nach West an. In Griechenland, das nahe an den großen Radiationszentren der neuen Lebensweise lag, war ihr Beitrag offenbar gering. Wahrscheinlich waren es verschiedene Gruppen aus dem östlichen Mittelmeer, die Griechenland erreichten. In den ältesten neolithischen Siedlungen war der Gebrauch von Ton auf Figurinen und Ornamente beschränkt, ähnlich wie in den östlichen Radiationszentren des Nahen Ostens und von Zypern.
Genetische Untersuchungen an den ältesten neolithischen menschlichen Überresten Griechenlands konnten dabei belegen, dass die festlandsgriechischen Siedler eher mit denen auf dem Balkan verwandt waren, während die Bewohner der Inseln größere Nähe zu den Bewohnern Zentral- und vor allem des mediterranen Anatoliens aufwiesen.32 Neben Untersuchungen an Brot- oder Weichweizen weist dies darauf hin, dass es eine Aufspaltung der Siedler Richtung Nordgriechenland und Balkan bzw. Richtung Kreta, Peloponnes33 und Süditalien gab, die sich bereits im Frühneolithikum ereignete. Daher ist Weichweizen geradezu kennzeichnend für die südanatolischen, kretischen, aber auch die italienischen Gruppen. Sie bewegten sich aller Wahrscheinlichkeit nach über See.34 Diese Aufspaltung lässt sich auch an der DNA der offenbar mitgeführten Tiere nachweisen, allen voran Schafen und Ziegen, Schweinen und Rindern. Die domestizierten Tiere erreichten um 7000 v. Chr. Westanatolien, das Gebiet nördlich des Bosporus um 6200 v. Chr., um von dort aus auf zwei oder drei Routen weitere Verbreitung zu finden. Die Hauptrouten der Verbreitung führten über das Mittelmeer, den Balkan und um das Schwarze Meer, wo sich im Kaukasusgebiet neolithische Siedlungen um 6000 v. Chr. belegen lassen.35 Bei der Ausbreitung der bäuerlichen Kultur scheinen, folgt man weiteren genetischen Untersuchungen, Reproduktionsvorteile gegenüber den jeweils benachbarten Jäger-und-Sammler-Gesellschaften eine entscheidende Rolle gespielt zu haben.36
Zu diesem Bild passen auch die kulturellen Zusammenhänge, die sich nach Westanatolien belegen lassen, jedoch beziehen sich diese eher auf Fischer und Jäger. In Fikirtepe östlich von Istanbul konnte ihre Anwesenheit anhand ihrer ovalen und rechteckigen Häuser aus Lehmgeflecht erwiesen werden, sowie anhand ritzverzierter Keramik. Die Stätte gab der Fikirtepe-Kultur den Namen.37 Ihre spätneolithische Keramik fand sich westwärts bis nach Thessalien.38
Die Neuankömmlinge bevorzugten Siedlungsplätze, deren Grundlagen denjenigen ähnelten, die sie aus ihrer Heimat kannten. Semiaride Gebiete mit offenem Waldland waren dort wie hier typische Grundlagen, um Pflanzen und Tiere als Bauern und Hirten zu nutzen. Die kühleren, feuchteren Gebirgszonen des Nordens waren damit zunächst ausgeschlossen, aber auch das trockene südöstliche Festland oder die Kykladen, die erst ab dem Spätneolithikum von der neuen Lebensweise eingeholt wurden. So überrascht es nicht, dass die großen Ebenen von Thessalien, Makedonien und Thrakien eine Vielzahl von Fundstätten aufweisen, sogenannte Tell-Siedlungen größeren Ausmaßes, der Rest des festländischen Griechenlands hingegen eher schütter besiedelt wurde. Dort dominierten kleinere, wohl eher auf Verwandtschaft und Familie basierende Siedlungen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass es in den Tell-Gebieten nicht nur die auffälligen, auf Hügeln errichteten Siedlungen gab, sondern, dass auch dort flache Siedlungen bestanden, die dem Auge der Archäologen jedoch lange Zeit entgangen waren. Dass die Fundsituation nicht immer so eindeutig ist, erweisen auch Funde auf den Kykladen. Als ältester Fund von (Wild-)Schweinen gelten die Knochen, die auf der Insel Gioura entdeckt wurden. Sie wurden auf 7530 – 7100 v. Chr. datiert.39
Weniger beachtet wurde die zuweilen als „zweite neolithische Revolution“ bezeichnete, fortgeschrittene neolithische Phase, in der neben dem Tier als bloßem Fleischlieferanten andere Möglichkeiten der Tiernutzung auftraten, sei es die Gewinnung von Wolle, Eiern und Milch oder die Nutzung als Trag- und Zugtier sowie als Lieferant von Bau- und Heizmaterial (Dung). In diese Phase fällt auch die Ausweitung des Raumes, in dem Menschen auf diese Weise lebten, über Süd- und Südostanatolien hinaus auf ganz Anatolien und in Richtung Griechenland und Balkan. In der ersten Hälfte des 7. vorchristlichen Jahrtausends war Knossos auf Kreta die einzige neolithische Siedlung auf der ganzen Insel. Um 6500 erscheinen Siedlungen auch auf anderen ägäischen Inseln.40
Zu den besagten Veränderungen gehörte ein einfacher Hakenpflug, der aber nicht von Menschen betätigt, sondern von Vieh gezogen werden konnte. Dies reduzierte enorm den Krafteinsatz und den Zeitbedarf, zudem erschloss dies neue, bisher für die einfacheren Methoden nicht erschließbare Böden auf trockenerem Gebiet.
Außerdem wurde Vieh nicht mehr nur wegen seines Fleisches und seiner Knochen genutzt. Zu diesen Veränderungen gehörte einerseits die Gewinnung von Wolle, andererseits Milchprodukte, wie die Milch selbst, aber auch Joghurt, Käse oder Butter. Dies erforderte jedoch eine gewisse Zeit physischer Anpassung, um entsprechende Unverträglichkeiten zu überwinden. Es ist bezeichnend, dass vor allem in Nordwestanatolien des 7. bis 5. Jahrtausends diese Art der Viehhaltung sehr viel stärker verbreitet war, als im Nahen Osten. Um 5000 v. Chr. erreichte diese Wirtschaftsweise Rumänien, nach 4000 v. Chr. auch die britischen Inseln. Auf Kreta nutzte man diese Kenntnisse zwar auch, doch offenbar in viel geringerem Ausmaße.
Auch setzte eine Spezialisierung auf überwiegende Viehwirtschaft ein, die wiederum Gebiete erschloss, die für die Bodenbearbeitung wenig oder gar nicht geeignet waren, aber zum Weiden beste Voraussetzungen boten. Diese Lebensweise war wiederum so mobil, dass der Weidewechsel mit den Jahreszeiten, etwa zwischen Gebirge und Ebene, weitere Gebiete erschloss. Auch wurden die Kykladen nun in größerem Ausmaß besiedelt. Zumindest auf Naxos ließ sich eine erhebliche Kontinuität belegen. Maßgeblich für die Beurteilung der Kultursequenz vom Spätneolithikum bis zur frühen Bronzezeit ist die bei den Grabungen in der Zas-Höhle auf Naxos festgestellte Stratigraphie.41 Insgesamt lässt sich eine Expansion auch in die trockeneren Gebiete Kretas, des Peloponnes oder auch Thessaliens beobachten.
Die Tell-Siedlungen bestanden aus Lehmziegelhäusern, die über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende immer wieder auf den Überresten älterer Bauten errichtet wurden, so dass Hügel mitunter beachtlichen Ausmaßes entstanden. Sie sind vor allem aus dem Nahen Osten und Anatolien bekannt. Schmale Pfade trennten die Häuser, die funktional diversifiziert wurden. So bestanden neben Wohn- auch Lagerhäuser, ebenso wie solche für rituelle Zwecke. Die Orte wurden nicht ausgeweitet in die offene Landschaft, sie stellten vielleicht Repräsentanten der Ahnen, der Herkunft dar, vielleicht auch Symbole eines Habitus der Stabilität, einer an Traditionen gebundenen Lebensweise. Eine soziale Hierarchie ist nicht erkennbar, die rechteckigen Häuser ähneln einander stark, was vielleicht einen Hinweis auf Gesellschaften darstellt, deren Basis Familien oder Lineages waren. Dies gilt vor allem für das frühe Neolithikum. In Thessalien darf man mit 100 bis 300 Einwohnern pro Tell rechnen.
Einfache Strukturen wie in Nea Nikomedeia kontrastieren dabei mit späteren Siedlungen, wie etwa denen der mittelneolithischen Siedlung Sesklo im Osten Thessaliens, die aber in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme darstellt.
Sesklo und Dimini waren die ersten Tells Griechenlands, die ausgegraben wurden. Sesklo bestand aus einer Art Unter- und einer kleineren Oberstadt, die vielfach als Akropolis bezeichnet wird. Die Siedlung umfasste insgesamt 13 ha, die Akropolis erstreckte sich nur über eine Fläche von 1 ha. Ihre Bevölkerung wurde auf 3000 Einwohner geschätzt. Dimini wies umfangreiche rituelle Architekturrelikte auf, darunter kreisförmige, konzentrische, niedrige, vielleicht einen Meter hohe Mauern, in deren Zentrum sich eine große Baustruktur befand, die vielfach als Megaron bezeichnet wurde. Diese Bauform war bis in die frühe Eisenzeit verbreitet. Sie gilt als Beleg für eine entstehende gesellschaftliche Hierarchie, wenn nicht eine Klassengesellschaft. Für das späte Neolithikum nimmt man an, dass umliegende Dörfer von einer Elite Sesklos kontrolliert wurden und der Versorgung der stadtartigen Siedlung dienten. Während bei kleineren Orten die Bevölkerung auf exogame Beziehungen angewiesen war, was zu Kontrollverlusten über das umgebende Land führte, waren größere Siedlungen, jenseits von 500 bis 600 Einwohnern weniger darauf angewiesen, so dass die Familien die Zugriffsrechte auf das Land innerhalb der Siedlung halten konnten, denn endogame Beziehungsgeflechte stabilisierten den Besitz oder zumindest bestimmte Zugriffs- und Nutzungsrechte auf ortsansässige Familien. Die führenden Familien konnten damit über Vorräte verfügen und erhielten entscheidende Bedeutung für das Überleben der Gemeinschaft als Ganze. Die nunmehr reduzierten, bis dahin intensiven Heiratskontakte mit anderen Gemeinden konnten die Gefahr offener, gewaltsamer Auseinandersetzungen um Rechte steigern, wie ethnologische und historische Vergleiche nahelegen.42 Die Errichtung von Mauern und Anzeichen von Zerstörungen belegen die zunehmenden Konflikte. Vielleicht ist es kein Zufall, dass das kretische Phaistos auf eine spätneolithische Siedlung, um nicht zu sagen stadtartige Siedlung von 5,6 ha Fläche zurückgeht, die nach und nach ihr Umland dominierte.43
Gegen Ende des Neolithikums waren zahlreiche Dörfer und Weiler befestigt. Dies gilt für den gesamten Süden Griechenlands sowie die Kykladen. Dies weist auf intensive Konflikte hin, die in besagten gesellschaftlichen und ökonomischen Prozessen ihre Ursache gehabt haben dürften. In Attika fand sich ein halbes Dutzend befestigter Siedlungen, im Raum Korinth gehen einige der ummauerten und mit Türmen versehenen Orte wohl gleichfalls auf das späte Neolithikum zurück. Strophilas auf Andros weist eine starke Mauer auf, Felsritzungen auf den Kykladen weisen auf Schiffsflotten hin, die als Piraten gedeutet wurden. Am besten ist jedoch die Fundlage in Thessalien. Dort sind allein 120 Fundstätten aus dem Frühneolithikum bekannt, ebenso viele aus dem Mittleren Neolithikum.44 Sieht man vom südöstlichen Teil der östlichen Ebene ab, so liegen zwischen den Siedlungen im Schnitt nur Distanzen von 2,5 Kilometern. Dies führte zur Annahme, dass einem durchschnittlichen Dorf etwa 450 ha bebaubares Land zur Verfügung stand.45
Die Tells hingegen waren ausgesprochen ungleichmäßig verteilt. Allein die Hälfte dieser Siedlungen konzentrierte sich im Hügelland Mittelthessaliens, der Revenia. Die kleinen Territorien weisen auf eine Bodenbearbeitung hin, die unmittelbar vor den Mauern begann. Diejenigen Gebiete Thessaliens, die zu trocken, oder deren Böden zu schwer waren, wurden anscheinend nach wie vor gemieden. Während jedoch hier weite Teile des Landes großflächig nutzbar waren und dementsprechend eine recht gleichmäßige Besiedlung entstand, war man im trockeneren Süden sehr viel stärker gezwungen, sich an Marschen, Flussläufe oder Seen zu halten.
Dabei waren die flächigen Fundstätten, die in der Landschaft heute nicht mehr auffallen, sehr viel größer als die Tells; erstere umfassten 6 bis 20 ha, in seltenen Fällen bis zu 100, während die sehr viel auffälligeren Tells nur 1-3 ha groß waren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich um riesige, ebenerdige Siedlungen handelte, sondern dass die Häuser sehr häufig verlegt wurden und so weitläufige, aber sehr flache Fundhorizonte entstanden. Auch hier geht man von 60 bis 300 Einwohnern pro Siedlung aus. Kouphovouno war ein mittelneolithisches, immerhin 4 ha großes, ebenerdiges Dorf mit vielleicht 500 Einwohnern - es war also für die schwierigeren Verhältnisse im trockeneren Süden recht groß. Dabei war es in ein weitläufiges Handelsnetz eingebunden, denn man fand zahlreiche Artefakte aus Obsidian, der von den Kykladen stammte. Am besten ist jedoch Makriyalos in Makedonien erforscht. Dort zeigte sich, dass die Toten in Gräben, in einem Falle in einer Grube beigesetzt wurden. Außerdem werden große Anhäufungen von Tierknochen und Keramikbruchstücken an bestimmten Stellen als Anzeichen für gemeinschaftliche Rituale und Feierlichkeiten gedeutet.
Es wurden Überlegungen angestellt, ob die früh- und mittelneolithischen Siedlungen eher zu gemeinschaftlicher Arbeit - etwa an Kochstellen zwischen statt in den Häusern - und einer Offenlegung der gemeinsamen Vorräte neigten, während die spätneolithischen Siedlungen die Kochstellen zunehmend ins Haus nahmen und die Vorräte verbargen und damit dem Zugriff der gesamten Siedlung entzogen. Diese Tendenz vom Gemeinsamen zum Privaten konnte sowohl für Thessalien als auch für Knossos belegt werden. Möglicherweise bestanden zuvor Verpflichtungen, bei Bedarf reihum Tiere zu schlachten, während nun jedes Haus für sich verantwortlich war. Wie in Knossos belegt wurde Getreide in einem eigenen kommunalen Haus am Rande der Siedlung gelagert. Im Spätneolithikum tauchen große Vorratsgefäße auf und es entstanden Vorratsgruben unter, aber auch zwischen den Häusern. Auch die Keramik, die zuvor gemeinschaftlich produziert wurde, verlor durch die Privatisierung an Qualität. Ein Trend vom Teilen zum Horten, der jedoch leicht übersehen lässt, über wie lange Zeiten das egalitäre System stabil war. Die Faktoren, die diese Stabilität beendeten bleiben spekulativ.
Dabei geht man davon aus, dass eine reine Hirtenökonomie unter den Bedingungen Griechenlands nicht möglich war, es sich also immer um eine gemischte Wirtschaft aus Tierhaltung und Getreideanbau handelte, wobei die Produkte, die vor allem die Rinder lieferten, dazu deren Arbeitskraft, der Haltung von Rindern eine zusätzliche Bedeutung gegeben haben dürften. Wie die Obsidianfunde belegen, bestand die Notwendigkeit eines geeigneten Tauschmittels, wofür die neuen Produkte sicherlich ein geeignetes Mittel waren. In Zeiten von Missernten oder Tierkrankheiten wurden über die dazu nötigen Kontakte vermutlich Nahrungsmittel herbeigeführt, denn ansonsten wäre die enorme Kontinuität der Tells nicht erklärbar. Zudem bestand Transhumanz, was den Viehherden neue Weiden erschloss, hinzu kam die saisonale Anwesenheit von Fischern. Auch reine Fischerdörfer waren zu dieser Zeit noch schwer vorstellbar, denn auch diese konnten vornehmlich nur im Sommer ihrer Arbeit nachgehen. Lange war auch unklar, ob die Konservierung von Fisch - eine entscheidende Voraussetzung für Bevorratung und Lagerung und damit für eine größere Bedeutung des Lebensmittels im Jahreslauf - bekannt war. Die Trocknung war jedenfalls bereits am Übergang vom Mesolithikum zum Neolithikum auf den Sporaden bekannt.
Vere Gordon Childe entwickelte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eine einflussreiche Theorie, nach der die frühen neolithischen Bauern alles was sie brauchten selbst produzierten. Der Austausch von Rohmaterialien und Fertigprodukten war dabei von geringer Bedeutung. Dies änderte sich demnach erst mit der Bronzezeit, als das begehrte Metall einen weiträumigen und umfassenden Handel auslöste sowie eine handwerkliche Spezialisierung. Auf dieser Grundlage entstand eine Klasse von Händlern und Berufshandwerkern außerhalb der Bauernklasse. Darüber entstand eine Aristokratie, die Händler und Handwerker kontrollierte sowie ihre Erträge abschöpfte.
Während Keramik zunächst in der Hauptsache dazu diente, Lebensmittel darzureichen, änderte sich dies gegen Ende des Neolithikums insofern, als die geringe Produktion deutlich zunahm und sich vor allem Koch- und Vorratsgefäße, die zuvor extrem selten waren, stark vermehrten. Waren zunächst Kochtöpfe unbekannt - man legte heiße Steine in wassergefüllte Gruben und legte die Lebensmittel, die in organische Hüllen gepackt waren, in das kochende Wasser -, so weisen Feuerspuren auf einen stark ansteigenden Einsatz der Keramik zum Kochen. Die früheren Gefäße könnten eher Nachempfindungen etwa von Lederbeuteln gewesen sein. Schon im mittelneolithischen Sesklo erschienen jedoch elaboriertere Gefäße mit rotbraunem geometrischem Design auf weißem Untergrund, erst recht die spätneolithische Ware der Dimini-Kultur mit polychromer Oberfläche. Am Ende der Periode verschwanden jedoch die regionalen Stile, vielleicht durch interregionalen Handel.
Beim Handel mit bestimmten Steinen dominierten bis zum Mittelneolithikum eher für Schreinerarbeiten oder die Bearbeitung von Fellen geeignete Ausgangsmaterialen bzw. deren Werkzeuge, während im späteren Neolithikum große Äxte erschienen, die eher zum Roden von Wäldern geeignet waren. Auch Mahlsteine aus hartem Vulkangestein waren begehrt. So war etwa Andesit von der Insel Ägina sehr gefragt. Hinzu kamen bestimmte Muschelarten, aus denen Schmuck und Stempel hergestellt wurden, letztere möglicherweise für die Verzierung der Haut.
Im späteren Neolithikum, wohl bereits Mitte des 5. Jahrtausends, und mehr noch gegen Ende der Epoche, erschien Kupfer als erstes Metall. Eine bedeutende Abbaustätte befand sich etwa im bulgarischen Ain Bunar, wobei, im Gegensatz zu Griechenland, wo man Neolithikum II bevorzugt, die Periode zwischen 5000/4800 und 4500 v. Chr. als Chalkolithikum oder Kupfer(stein)zeit bezeichnet wird.46 Während im Spätneolithikum Kupfer in äußerst geringen Mengen von außerhalb Griechenlands kam, wurde das Metall, neben Silber und Gold, im Lande gewonnen und verarbeitet. Dies geschah etwa auf Syphnos oder in den Minen Attikas. Vor allem die Kykladen lieferten nun Obsidian, Mahlsteine, Marmor und Metalle. Vielleicht wurden sie sogar nur ihretwegen besiedelt. Die Inseln wurden in der Frühbronzezeit zur Drehscheibe des ägäischen Handels. Dabei wurde von Perlès die These aufgestellt, dass der extrem früh einsetzende Handel mit bestimmten Steinen möglicherweise von Spezialisten ausgeführt wurde, deren mobile Lebensweise ein Relikt des Mesolithikums oder sogar des späten Paläolithikums war.
Begräbnisstätten sind in Griechenland extrem selten, die Toten lagen gelegentlich unter dem Hausboden, in jedem Falle innerhalb der Siedlungen. Erst am Ende der Epoche erschienen Friedhöfe, die zudem außerhalb der Orte angelegt wurden, wie in Kephala auf Kea. Seit dem späten Neolithikum wurden die Toten auch in Höhlen beigesetzt. Doch die Zahl der Begräbnisplätze muss erheblich größer gewesen sein, wie ein Zufallsfund beim Souphli-Tell in Thessalien zeigte. Dort fand man einen Verbrennungsplatz; ähnliches fand man an der ebenerdigen Siedlung Makriyalos in Makedonien, wo die menschlichen Überreste eher mit der Erde vermischt wurden.
Zahlreiche Figurinen gestatten weitere Einblicke in die symbolische Ebene. Sie stellen überwiegend Haustiere und Frauen dar und weisen klare Beziehungen nach Anatolien auf. Die einfache Einordnung der Frauenfigurinen als Göttinnen oder Ahninnen in einem auf die weibliche Linie orientierten Verwandtschaftssystem, oder aber als Symbole weiblicher oder allgemeiner Fruchtbarkeit, stehen neben der Deutung als bloße Spielzeuge oder als Elemente in weiblichen Übergangsritualen, wie Pubertät, Ehe oder Geburt. Funde an Vorratsspeichern deuten möglicherweise auf die Trennung der Geschlechtersphären, also in das weibliche Haus und die männliche Außenwelt. Erst im Übergang zur Bronzezeit tauchten sie bei Begräbnissen auf, was sie vielleicht stärker einer religiösen Sphäre zuordnen würde - doch fehlen sie bei den extrem seltenen neolithischen Begräbnisplätzen.
Die Bronzezeit wird üblicherweise in eine Frühe, eine Mittlere und eine Spätere Periode eingeteilt. Erstere umfasst das gesamte Jahrtausend von etwa 3000 bis 2000 v. Chr., die mittlere Periode reicht dann bis 1700 v. Chr. und die spätere bis 1100 v. Chr.
Diese überaus grobe Einteilung, 1918 entwickelt, wurde verfeinert. Auf dem Festland wird die Epoche als Helladische Periode oder Helladikum bezeichnet, Dabei reicht das Frühhelladikum I von 3000 bis 2650 v. Chr., II bis 2200 und Frühhelladikum III bis 2000 v. Chr. Beim Mittelhelladikum umfasst jede der drei Phasen zwischen 2000 und 1700 v. Chr. ein Jahrhundert. Das anschließende Späthelladikum I reicht bis 1600 v. Chr., Späthelladikum II bis 1400 v. Chr., III bis 1100 v. Chr. Letzteres, das Späthelladikum III, wurde schließlich nochmals in drei Abschnitte unterteilt, nämlich Späthelladikum IIIA (bis 1300 v. Chr., IIIB bis 1200 und IIIC bis 1100 v. Chr.47
Zwar sind die Diskussionen um Beginn und Ende der Frühbronzezeit nicht beendet, doch wird meist auf die traditionelle Datierung auf die Zeit zwischen 3100 und 2000 v. Chr. rekurriert. Wie üblich, werden die Unterteilungen, in diesem Falle drei, durch Unterschiede in der Keramik ermittelt. Dabei ist das Frühhelladikum I durch polierte Keramik und durch eingetiefte Dekoration gekennzeichnet, Frühhelladikum II ist durch glasierte Keramik (Urfirnis), heute dark painted ware, Frühhelladikum III durch minderwertigere, glasierte Dunkel-auf-hell-Ware, den Rückgang von gelber, gesprenkelter Ware und durch einen wachsenden Anteil unverzierter Keramik gekennzeichnet.48 Während die frühere Forschung einen völligen Niedergang am Ende von Stufe III sah, aber auch einen zwischen II und III im Süden und erneut am Ende von III einen Bruch auf dem Festland, Brüche, die - wie es in dieser Zeit geläufig war - auf Invasionen fremder Völker zurückgeführt wurden, schlug Colin Renfrew für das Frühhelladikum III, auch Tiryns-Kultur genannt, lokale Ursachen vor. Beim Übergang von Frühhelladikum II zu III geht man inzwischen von einer Kontinuität der Population auf Ägina und in Lerna in der Argolis aus.
In Thrakien, Makedonien und Thessalien ließ sich eine Vereinheitlichung der bis dahin vorherrschenden verschiedenen Schulen der Keramikproduktion belegen, zudem eine erhöhte Nachfrage nach roher Ware, speziell von Vorratsgefäßen. Ob dies auf höhere Selbstgenügsamkeit oder im Gegenteil auf Bedürfnisse, die Vorräte gegen exotische Güter zu tauschen, zurückging, wird diskutiert. In Thrakien wurde bisher wenig gegraben, daher ist das Bild in Makedonien klarer, wie im seit 1961 ausgegrabenen Dikili Tash (genauer die Schicht IIIa) bei Philippi, oder in Sitagroi (IV-Va) für eine frühere Phase, sowie IIIb bzw. Vb für eine wenig spätere Phase. Dikili Tash weist Beziehungen nach Troja und nach Eutresis in Böotien auf, aber auch nach Norden. Das in der Ebene von Drama liegende Sitagroi stellt eine sogenannte Magoula dar, einen Tell oder Siedlungshügel. Bei Kriaritsi auf der südlichen Chalkidiki fand man eine Nekropole, die ebenfalls in Tauschbeziehungen mit Troja und Thessalien stand, dessen Grabform aber auf Beziehungen mit Steno auf Lefkas hinweist. Im Westen Makedoniens fand man frühbronzezeitliche Überreste in Servia, dessen Beziehungen darüber hinaus bis nach Epirus reichten. In Epirus wiederum war der nördliche Einfluss spürbarer, zudem weist die Fundstätte Doliana erstaunlich weitläufige Beziehungen auf, nämlich nach Süden bis Attika, nach Norden bis nach Mähren und Bulgarien. Das trockenere Thessalien weist sehr viel weniger Beziehungen nach Norden, dafür intensivere nach Süden auf. Magoule wie Argissa oder Pevkakia auf einem Felsen nahe der Küste erweisen anatolischen Einfluss, dazu einen Wechsel von apsidalen Bauwerken zum rechteckigen Megaron. Zugleich entstanden, wie in Pevkakia augenfällig, die ersten Festungen. Auch Orte in Attika, Kolonna auf Ägina, Lerna in der Argolis oder Geraki in Lakonien wurden im Frühhelladikum II befestigt.
Im mittelgriechischen Lokris und im Hinterland ließ sich eine überraschend frühe, komplexe Keramikproduktion nachweisen. Auch im in dieser Hinsicht eher unbedeutenden Phokis fand sich mit Kirrha ein großer Begräbnishügel. In Böotien existieren mehr Fundplätze, wie etwa die große Siedlung Lithares, hinzu kommen Lefkandi I oder Theben. Auf der Halbinsel Attika fand man vielfach Siedlungsüberreste auf niedrigen Hügeln; Obsidian kam von Melos, aber es bestanden auch zu den übrigen Kykladen Beziehungen, wie die Keramik erweist. Auch Tsepi bei Marathon weist enorm weitläufige Beziehungen auf, ähnlich wie Doliana in Epirus. Allerdings reichten die Beziehungen Attikas im Osten bis nach Anatolien. Kolonna auf Ägina gilt geradezu als Umschlagplatz für die gesamte Koiné. Eine der Schlüsselstätten ist das in den 50er Jahren ausgegrabene Lerna, das ein großes, palastartiges Gebäude, das Haus der Ziegel barg, ein wohl zweistöckiges Korridorhaus, das Feuerspuren aus dem 22. Jahrhundert v. Chr. aufweist. Auch in Tiryns fand sich der Rundbau und Apsidenhäuser aus dem Frühhelladikum II.
Einen zentralen Platz stellte wohl Helika in Achaia dar. Seine Kontakte reichten vom Peloponnes bis nach Anatolien, vielleicht sogar bis in den Nahen Osten. Pelopeion in Elis auf dem nordwestlichen Peloponnes stellt einen großen Tumulus aus dem Frühhelladikum II dar. Akovitika in Messenien, gleichfalls Teil des weitläufigen Tauschnetzes des Frühhelladikums II, barg Korridorhäuser, ähnlich wie in Lerna. In Lakonien ließen sich auch kleinräumigere Tauschnetze für Keramik belegen, was für eine größere Spezialisierung spricht. Größere Bedeutung hatte Kouphovouno bei Sparta, doch das Späthelladikum III ist kaum nachweisbar.
Die frühe Bronzezeit entspricht auf Kreta der frühminoischen Zeit.50 Dort gilt der Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit als Geburtsstunde der Minoischen Kultur. Auch hier vermutete man als Impuls eine externe Zuwanderung aus dem Osten. Die zweite Übergangsphase, die zur Mittleren Bronzezeit, also der Mittelminoischen Zeit (MM IB), wird als Zeit der beginnenden kretischen Hochkultur betrachtet. Nun erschienen die berühmten Paläste, die als zentrale Sitze einer Verwaltung staatsähnlichen Charakters betrachtet wurden.
Die Entwicklung dahin wurde einerseits als gradueller Prozess dargestellt, aber auch als explosionsartiges Auftauchen der neuen Kultur. Inzwischen neigt man dazu, dass bestimmte zentrale Zugangsorte wie Petras Kephala, die den Tausch mit dem ägäischen Raum abwickelten und damit exklusiven Zugang zu Gütern und Technologien erwarben, bereits im Spätneolithikum IV (3300-3100/3000 v. Chr.) Vorteile gegenüber dem Hinterland erlangten. Auch begann die Besiedlung von marginalem Land, wie etwa der Hochebene von Sitia, bereits im Spätneolithikum - was möglicherweise unfreiwillig durch Familien geschah, die aus den produktiveren Zentren verdrängt worden waren.
Krzysztof Nowicki geht hingegen eher von anhand der befestigten Siedlungen auf Höhenzügen erkennbaren Sicherheitsproblemen und einer abrupten und umfangreichen Zuwanderung aus dem Osten in der 2. Hälfte des 4. Jahrtausends aus. Möglicherweise deutet der Bevölkerungseinbruch im Dodekanes darauf hin, dass zumindest ein Teil dieser Gruppen nach Kreta abgewandert ist. Nowicki sieht diese Abwanderung im Rahmen einer hypothetischen Ost-West-Wanderung von Anatolien in die südliche Ägäis, die schon früher eingesetzt habe. Anhand der etwa 100 Grabungsstätten der Übergangszeit auf Kreta lassen sich Schwerpunkte auf der Sitia-Halbinsel, wo sich die höchste Siedlungskonzentration nachweisen lässt, und der Südküste des Isthmus von Rethymno ausmachen, hinzu kommen kleinere Cluster bis zur Westküste zwischen Palaiochora und Phalasarna.51 Fast alle Siedlungen finden sich an leicht zu verteidigenden Stellen im küstennahen Bereich. Es handelte sich durchweg um Neugründungen, deren Größe zwischen 2 oder 3 und mehr als 20 Haushalten variierte. Zakros Gorge Kato Kastellas maß immerhin 0,8 ha Fläche, Xerokampos Kastri ca. 0,6–0,8 und Agia Irini Kastri 0,8–1,0 ha.52 Viele der Siedlungen waren kurzlebig, doch einige, wie Livari Katharades, das extrem eng bebaut und stark befestigt war, bestanden über längere Zeit. Diese größeren Siedlungen des Spätneolithikums IV stehen in deutlichem Kontrast zu den erheblich kleineren Siedlungen des Spätneolithikums III. Offenbar expandierten diese Neuankömmlinge landeinwärts, zuerst fassbar im Epano-Zakros-Becken, wo ihre Siedlungen wieder an leicht zu verteidigenden Punkten am Rande des Beckens und mit Mauern geschützt entstanden. Auf dem Ziros-Plateau ließ sich die größte Ballung solcher Siedlungen für die Übergangszeit zwischen spätestem Neolithikum und frühester Bronzezeit belegen, dann auf den Hügeln von Mesa Apidi und in Agia Triada. Zwei weitere Cluster aus dieser Expansionsphase fand man auf dem Lamnoni-Plateau und zwischen Palaio Mitato53 und Magasa. An einigen Stellen fand man winzige Siedlungen, die häufig nur aus einem einzigen oder sehr wenigen Häusern bestanden. Die bedeutendste Siedlung im Ierapetra des Spätneolithikums und der frühesten Bronzezeit war Vainia Stavromenos, das sich über eine Fläche von 1,0 bis 1,2 ha erstreckte. Im Westen der Insel war der bedeutendste Ort wohl Palaiochora Nerovolakoi, das ähnlich groß war, doch wurde es angesichts der geringen Ressourcen der steilen Küstenregion bald wieder aufgegeben.
Dabei lassen sich anhand der Keramik zwei verschiedene Gruppen ausmachen, nämlich um Phaistos und Katalimata auf der einen Seite und Zakros Gorge Kato Kastellas und Palaiochora Nerovolakoi auf der anderen. Nowicki nimmt an, dass die erstere auf die ältere kretische Bevölkerung zurückgehe, während die letztere den Zuwanderern zuzuordnen sei. Anscheinend setzten sich die Zuwanderer zuerst auf vorgelagerten Inseln fest, wie auf Gaidouronisi (eine Siedlung von 0,6-0,7 ha, dazu eine sehr kleine Siedlung), das 14 km südlich vor Kreta liegt. Auf Koufonisi, 6 km vor der Küste, ließ sich eine höhere Bevölkerungszahl erweisen, als die Insel ernähren konnte, so dass es sich möglicherweise um einen ersten Aufenthaltsort der Zuwanderer handelte. Beide Plätze waren unbefestigt und lagen in Ebenen. Möglicherweise spielten bewohnbare Inseln um Kreta, wie die Dionysaden, Pseira, Dia und Gavdos ähnliche Rollen. Auf den Kykladen lassen sich wiederum Siedlungen nachweisen, wie Agia Irini I oder Paoura auf Keos, die, wie Kampos Komikias an der Westküste von Naxos oder Agios Ioannis Kastri auf Astypalaia, ähnliche Charakteristika aufwiesen, wie die kretischen Siedlungen dieser Epoche. Ähnliches gilt für Siedlungen auf Karpathos und Kasos. Diese unruhige Zeit endete auf Kreta erst mit den erheblichen Veränderungen am Ende der Frühbronzezeit, so dass hier der eigentliche gesellschaftliche Umbruch wohl nicht an der Grenze zwischen Neolithikum und Bronzezeit zu finden ist, sondern bereits an der zwischen Phase III und IV des späten Neolithikums.
Bei der Entstehung der Palastkulturen haben sich inzwischen die Schwerpunkte weiter verlagert. Die Suche nach einer steilen gesellschaftlichen Hierarchie und einem plötzlichen Wandel wurde in den letzten Jahrzehnten von einer nach schwachen Ausprägungen und einem Veränderungszeitraum von rund einem Jahrtausend abgelöst. Weniger die Eliten stehen inzwischen im Mittelpunkt, als die Frage nach der Gesellschaft dahinter.
Die früheste fassbare, auf Kreta entstandene Steinvasenindustrie geht auf das Frühminoikum IIA zurück. In Petras Kephala wurde offenbar Kupfer geschmolzen, lange Dolche entstanden in Poros, in Ayia Photia fand man Schmelztiegel. Im Frühminoikum III weist die spezialisierte Schmelzstätte von Chrysokamino auf eine Intensivierung der Metallverarbeitung hin.54 Räumliche Segregation der Prozessschritte könnte bereits auf Versuche hinweisen, die Produktion zu steuern und zu kontrollieren, so dass vielleicht der „Metallschock“ der Frühbronzeit II in das Frühminoikum I zurückverlegt werden muss.
Ab dem Frühminoikum IIB verschwanden in Knossos und Poros kykladische Einfuhren völlig, während die aus dem Osten Kretas zunahmen. Erst in Phase III und stärker im Mittleren Minoikum I wuchsen die Einfuhren wieder an. Doch Obsidian und Kupfer, beide ebenfalls von den Kykladen, kamen weiterhin auf die große Insel, so dass die Kontakte wohl fortbestanden. Doch der Charakter des Tausches hatte sich verändert. Während des Frühminoikums II und III bestanden Kontakte nach Syrien und Ägypten, deren Produkte auch kopiert wurden. Ab Phase III tauchten dazu passend Segelschiffe auf kretischen Siegeln auf. Das Entstehen von Eliten mit ihren Repräsentationszwängen führte möglicherweise dazu, dass die prestigeträchtigeren östlichen Waren gerade in der Übergangsphase von höherem Wert waren, als die ägäischen.
Siegel erscheinen auf Kreta etwa zur gleichen Zeit, wie auf dem Festland, nämlich im Frühminoikum II. Die ältesten Schriftzeichen erscheinen auf Siegelsteinen des Mittleren Minoikums IA und B.55 Einige Bruchstücke einer Vase aus Malia könnten sogar auf einen Gebrauch einer ebenfalls nicht entzifferten Schrift bereits im Frühminoikum III hindeuten. Möglicherweise hängt ihr Gebrauch weniger mit ökonomischen Motiven zusammen, also vor allem der Palastverwaltung wie vielfach angenommen, als mit sozialen und symbolischen Gründen. Die Beigabe von Siegeln in Gräbern könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie als nach außen erkennbares Zeichen sozialer Differenz eingesetzt wurden.
Ein starker Anstieg der Temperaturen in der nördlichen Hemisphäre ging dem Zusammenbruch der Palastzentren voran, ein starker Abfall ereignete sich während dieser Phase. In der späten Bronzezeit sank die Temperatur des Mittelmeers, was den Eintritt von Wasser in die Atmosphäre und damit die Niederschläge reduzierte. Die von einer relativ hohen Produktivität abhängigen Bevölkerungszentren wurden infolgedessen von einem Rückgang der Ernte besonders stark betroffen. Das sogenannte Dunkle Zeitalter fiel in eine Zeit langanhaltender Trockenheit, die sich bis in die römische Warmphase erstreckte.56
Während des Frühminoikums II wuchsen die Siedlungen stark an und sie entwickelten städtische Strukturen. Ein weiteres Wachstum dieser proto-urbanen Zentren schloss sich im Frühminoikum III bis in das Mittelminoikum IA an. Daneben entstand eine große Anzahl kleinerer Siedlungen, was auf eine Steigerung agrarischer Produktion hinweist. Den Nachteil, den Knossos beim Außenhandel ausgesetzt war, glich es durch die enge Bindung mit Poros aus, über das es Anschluss an den Fernhandel fand und während der gesamten Bronzezeit unterhielt. Eine politische Integration oder Beherrschung des Umlandes durch Knossos, die weitest entwickelte urbane Siedlung, lässt sich erst für das Mittelminoikum IA als gesichert annehmen. Zwar gingen die großen Plätze für öffentliche Rituale auf das Endneolithikum zurück, doch die großen Terrassierungen des Frühminoikums II boten erst den Raum für die entsprechenden Gebäude. Der sogenannte Erste Palast dürfte mit solcherlei Baumaßnahmen zwischen Frühminoikum III und Mittelminoikum IA und B entstanden sein. Ähnliches gilt für Malia. In Phaistos entstand der Erste Palast zwischen Mittelminoikum IB und IIA, doch reichen die Bauten ebenfalls bis in das Endneolithikum III-IV zurück.57
Ab der Entstehung der ersten Palastbauten um 1900 v. Chr. wird vielfach von der ersten europäischen Hochkultur gesprochen. Anscheinend entsprach die moderne Vielschichtigkeit öffentlicher Plätze der Multifunktionalität bronzezeitlicher Stätten; sie galten als Erinnerungsorte, dienten der Begegnung zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten. Einen Schwerpunkt stellten öffentliche Räume innerhalb von Nekropolen dar (ab 3000 v. Chr.). Zur dortigen Durchführung von Totenkulten gehörten auch gemeinschaftliche Gelage. In manchen urbanen Siedlungen waren öffentliche Plätze von vornherein Teil der Stadtplanung, zuerst vielleicht in Vasiliki im Osten Kretas um 2700 v. Chr. Zu den integralen Bestandteilen der urbanen Plätze zählten vor allem die sogenannten Westhöfe, die sich als Freiflächen an die Palastfassaden anlehnten. Die dortigen Eliten eigneten sich durch die Präsenz von Architekturen die Plätze an.58
Entsprechend dem Zeitgeist stand die Annahme einer politischen Vorherrschaft dieser Eliten im Vordergrund. Knossos, Phaistos und Malia galten, unter der kaum geprüften Annahme, dass sie sich zur gleichen Zeit entwickelten, als Zentren. Alle weiteren Palastfunde wurden als Nebenzentren oder als „außergewöhnlich“ abgetan. Zudem wurden Erkenntnisse aus Linear-B-Inschriften, die entziffert werden konnten, und die zeigen, dass tatsächlich gegen Ende der Kultur zumindest das Zentrum und der Osten der Insel von Knossos aus verwaltet wurden, in die Gründungsphase am Beginn des 2. Jahrtausends zurückprojiziert. Dadurch entstand ein statisches Bild der minoischen Palastkultur, die zudem schlagartig auftauchte (und verschwand).
Neue Debatten um Methoden und Theorien stellten dies in Frage und öffneten den Blick auf die Entwicklungen in der Zeit vor etwa 1900 v. Chr. und auf die Frage der frühen Kleinräumigkeit und Anfälligkeit politischer Machtstrukturen (troubled island model). Es scheint anerkannt zu sein, dass die drei Hauptpaläste die Insel überwiegend beherrschten, wobei gegen Ende der Kultur Knossos die Führung übernahm. Die Entzifferung der Mayaschrift führte jedoch vor Augen, dass es kaum möglich ist, anhand archäologischer Spuren politische Strukturen zu enträtseln. Alle Annahmen über die dortige politische Struktur waren unzutreffend, die seit der Entzifferung erschließbaren Quellen enthüllten stattdessen ein hochgradig mobiles, komplexes Geflecht von unabhängigen und quasi-unabhängigen, kleinen bis großen, durch Bündnisse kurzer Dauer aneinander gebundener Städte und Siedlungen, die auf zwischendynastischen Ehen und Eroberung basierten. All dies hinterließ praktisch keine archäologischen Spuren.
Kreta gilt als eines der archäologisch bestuntersuchten Gebiete des Mittelmeerraums. So wurden verschiedene Versuche unternommen, die politische Struktur erkennbar zu machen, so etwa anhand der Verteilung der Keramik. Am ehesten kommen jedoch noch Modelle in Frage, die sich mit der Siedlungsstruktur befassen. Dabei wurde ein Vier-Stufen-Modell der Hierarchisierung bevorzugt, das die Rechtfertigung liefern sollte, von einem Staatswesen zu sprechen. Doch selbst Athen in der klassischen Zeit wies keine solche Hierarchisierung anhand der Bodenfunde auf, und so ist das Modell vielleicht für Flächenstaaten oder sehr große Stadtstaaten geeignet, jedoch kaum für die zu erwartenden kleinen Stadtstaaten der Bronzezeit.
Zugleich können die Ortsangaben der Linear-A-Texte aus Agia Triada im Süden Kretas nicht zugeordnet werden. Surveys wurden vor allem um Phaistos, in dieser Fragestellung allerdings ohne gesicherten Ertrag, und um Malia durchgeführt. In dessen Gebiet fanden sich am Rande der Lassithi-Ebene Bauwerke, die als Festungen identifiziert werden konnten, und die wohl tatsächlich eine Art Grenze des Machtbereiches von Malia im Mittelminoikum darstellten. Diese Funde weckten aber zugleich auch Zweifel an einer weitergehenden Dominanz auf der Insel.
Knossos ist ein anders gelagerter Fall. Schon im Mittelminoikum IA umfasste die Stätte 20, wenn nicht 40 ha Fläche. Neuere Funde zeigen, dass die Gegend um Galatas möglicherweise ähnliche Befestigungsanzeichen aufwies, wie im Falle Malia, so dass hier vielleicht eine Südgrenze auszumachen ist (Mittelminoikum III A). In jedem Fall dürfte die Kontrolle über ein so weitläufiges fruchtbares Umland sehr viel leichter zu gewinnen gewesen sein, als im Falle von Malia, das für agrarische Zwecke unbrauchbare Gebirgszüge hätte überwinden müssen, um jenseits dieser Gebiete über längere Zeit Kontrolle auszuüben. Ob der Palastneubau in Malia wiederum nur eine stilistische Orientierung nach Knossos bedeutete, oder aber eine Machtausdehnung der größeren Stadt, ist unklar. Insgesamt scheint die Herrschaft über Kreta sehr viel fragmentierter, dynamischer und vielschichtiger gewesen zu sein, als seit Beginn der Palastforschung angenommen. Nur im Falle von Knossos, das doppelt so groß war, wie die nächstgrößeren Zentren, kann man sekundäre Zentren annehmen, nämlich Archanes (etwa 12 km südlich von Iraklio), Tylissos59, Poros, Amnisos (etwa 7 km östlich von Iraklio) und vielleicht Vitsila.60
Die Kykladenkultur ist gleichfalls in engem Zusammenhang mit den dortigen Vorgängerkulturen zu sehen. Schon im Jungpaläolithikum erreichte Obsidian von Melos die Franchthi-Höhle in der Argolis.61 Der kulturelle Einfluss der Kykladen, in der Mitte zwischen griechischem Festland, Kreta und Anatolien gelegen, war in der frühen Bronzezeit sehr ausgeprägt, wie etwa Funde im westtürkischen Liman Tepe zeigen. Die erste Siedlung, die auf den Kykladen Ende des 19. Jahrhunderts ausgegraben wurde, war Phylakopi auf Melos, dann folgte Ayia Irini auf Kea (Frühbronzezeit in den Schichten I bis III), das eher für die nachfolgenden Perioden bekannt ist, was auch für Akrotiri auf Thira gilt. So ist die Frühbronzezeit nur wenig repräsentiert, wenn auch Funde in Kastri auf Syros oder in Markiani auf Amorgos, vor allem aber das Dorf Skarkos auf Ios, Aussagen gestatten, die über die ansonsten vorherrschenden Begräbnisstätten hinausgehen.
Saliagos auf Antiparos erwies erstmals, dass im Neolithikum Bauern und Fischer auf der Insel lebten. Sie bevorzugten Gerste vor Emmer und Einkorn, Schafe und Ziegen dominierten bereits zu dieser Zeit die Haustierzucht - Spinnerei, vielleicht Weberei, war verbreitet -, so wie überwiegend Thunfisch gefangen wurde. Auch die violinenförmigen Frauenfigurinen existierten bereits in abstrahierender Form (die meisten von ihnen entbehren allerdings dank Raub und in die Höhe getriebener Preise jeden archäologischen Zusammenhangs, so dass wir fast nichts über ihren Gebrauch wissen). Die Fundstätte wurde zum Namensgeber der Saliagos-Kultur, die auf die Zeit zwischen 5000 und 4500 v. Chr. datiert wurde.62 Maroulas auf Kythnos stellt eine noch ältere neolithische Stätte dar. Die Typusstätte für das Spätneolithikum ist jedoch Kephala auf Kea. Die Entdeckung und Ausgrabung von Strofilas auf Andros, der ältesten befestigten Siedlung auf den Kykladen, hat unser Bild von der Epoche deutlich verändert. Dazu trugen Felsritzungen von Langschiffen, wie sie bis dahin erst aus der tausend Jahre späteren Keros-Syros-Kultur bekannt waren, erheblich bei.
Ähnlich wie im übrigen ägäischen Raum wird die frühbronzezeitliche Kykladenkultur in drei Phasen eingeteilt, wobei nicht jede Phase auch auf allen Inseln nachgewiesen ist. Die frühkykladische Grotta-Pelos-Kultur (nach Colin Renfrew ca. 3400 bis 3000 v. Chr.) stellt dabei die erste Phase dar, setzt aber bereits im Neolithikum ein. Sie ist vor allem aus Kistengräbern bekannt. Die dunkle Keramik ist oftmals mit Fischgrätmustern verziert. Auch fanden sich Obsidianklingen und Marmorgefäße. Die Figurinen sind eher schematisch, wobei zwei Typen unterschieden werden, nämlich der Louros-Typ und der Plastiras-Typ. Letzterer ist detailreicher und die Arme treffen sich im Hüftbereich, ersterer besteht meist nur aus hervorgehobenem Kopf und Beinen. Die Kampos-Gruppe (ca. 3000 bis 2800 v. Chr.) ist nach dem Friedhof von Kampos auf Paros benannt. Sie gehört bereits zur Übergangsphase zwischen Abschnitt I und II der Frühbronzezeit. Wichtiger Fundplatz ist Agrilia auf Pano Koufonisi und Markiani63 auf Amorgos. Zwischen den südlichen Kykladen und einigen Küstenorten Kretas bestanden so intensive Kontakte, dass man annimmt, hier seien Siedler auf die große Insel im Süden abgewandert.
Die Keros-Syros-Kultur (2800 bis 2300 v. Chr.) gehört bereits dem frühbronzezeitlichen Kykladikum II an. Chalandriani auf Syros, eine Siedlung und ein Friedhof, sowie Kavos auf Keros,64 wo Tote rituell abgelegt worden waren (dazu die Siedlung auf dem nahegelegenen Daskalio), gaben der Kultur den Namen. Sie ist auch durch verschiedene Friedhöfe auf Naxos und Amorgos repräsentiert. Die Strahlkraft und Dynamik der Kultur nahm enorm zu, hochentwickelte Keramik und Fundobjekte bis hin zu den Figurinen mit gekreuzten Armen waren kennzeichnend. Kupfer tauchte nun vielfach auf, als Dolch oder als Schmuck. Die Kontakte reichten bis Liman Tepe und Troja in Westanatolien und bis auf den Peloponnes. Man sprach geradezu von einem „international spirit“ der Kykladenkultur dieser Zeit. Die Kastri-Gruppe (ca. 2500-2200 v. Chr., Frühkykladikum II-III), benannt nach der befestigten Siedlung Kastri auf Syros, findet ihre Artefakte in Lefkandi auf Euböa, in Markiani und Ayia Irini. Dazu Korfari ton Amygdalion bzw. Panormos auf Naxos mit einer Fläche von 500 m².65 Viele Kulturelemente weisen auf anatolische Ursprünge hin, zahlreiche Siedlungen waren nun befestigt. Zinnbronze ersetzte zunehmend die auf den Kykladen bis dahin dominierende Arsenbronze.
Die Phylakopi-I-Kultur (Frühkykladikum III, 2200 bis 1900 v. Chr.) ist am besten im namengebenden Phylakopi und in Parikia auf Paros repräsentiert. Während die Größe von Phylakopi wohl wuchs, verminderte sich diejenige von Melos drastisch. Möglicherweise gab es eine Lücke zwischen dieser und den vorgehenden Phasen, doch könnte dies auch auf bisher fehlende Funde zurückgehen.
Insgesamt weist die Keros-Syros-Kultur Anzeichen von Prosperität auf; auch übertraf die Bevölkerungszahl diejenige der Grotta-Pelos-Kultur. Wein und Oliven verdrängten zunehmend den Anbau von Getreide, und es mehrten sich die Anzeichen für Zeremonien und Feierlichkeiten, bei denen der Weinkonsum eine Rolle spielte. Als die vier wichtigsten Kommunikationszentren wurden Chalandriani-Kastri, Ayia Irini, Grotta-Aplomata und Dhaskalio-Kavos vorgeschlagen, weil sie durch ihre Bevölkerungszahl und ihre differenzierte Produktion in verschiedenen Sphären herausragten, aber auch durch verstärkten Konsum prestigeträchtiger Güter und durch intensivste Integration in den Seehandel gekennzeichnet waren - man spricht geradezu von einem anatolischen Handelsnetz, in das die Kastri-Gruppe zunehmend integriert wurde, das sich jedoch bald auflöste.66
In Westanatolien erschien zu Beginn der Bronzezeit als architektonisches Kennzeichen das Megaron. Troja I begann um ca. 3000 und endete zwischen 2600 und 2500 v. Chr. Die Siedlung wurde von 2,5 m dicken Mauern geschützt, drei Stadttore ermöglichten den Einlass. Eines der Megaron-Gebäude wies eine Halle auf, die 7 × 18,5 m maß.67 Eine der größten Siedlungen in Westanatolien war Beycesultan, das mindestens bis in die Kupferzeit zurückreichte. Troja II, das zwischen 2700 und 2500 v. Chr. entstand, war erheblich größer als die Vorgängersiedlung. Mindestens fünf Megaron-Gebäude ließen sich nachweisen. Die Funktion dieser Gebäude, die sich stark von den Wohngebäuden unterscheiden, ist ungeklärt. Aus Troja II stammt ein Depot, das als das größte dieser Phase gilt und wahrscheinlich angesichts eines Stadtbrandes vergraben wurde. Entgegen früheren Annahmen bestand zwischen der mittleren und späteren frühen Bronzezeit eine erhebliche Siedlungskontinuität, wie Funde in Troja III, Küllüoba, Liman Tepe oder Bakla Tepe erwiesen. Dabei herrschten in Troja nun steinerne Häuser vor, was vielleicht eine Reaktion auf die Feuersbrunst darstellte.
Zwischen Westanatolien und den Inseln der Ostägäis bestanden enge Kontakte. Während sich jedoch in der Troas beim Übergang von Troja I zu Troja II ein Rückgang der Dorfzahlen belegen lässt, was möglicherweise auf eine Bevölkerungskonzentration zurückzuführen ist, lassen sich für Lesbos nur zwei Besiedlungskerne im Osten und am Golf von Kalloni nachweisen. Dies überrascht nicht, da der Westen der gebirgigen Insel höchst unfruchtbar ist. Im Hinterland bestanden wenige und kleine Gehöfte oder Siedlungen wie Angourelia Sarakinas, Saliakas und Prophitis Ilias. Einige Siedlungen wie das mindestens 4 ha große Kourtir am Golf von Kalloni bestanden über lange Zeit, ansonsten lässt sich über die Dauerhaftigkeit der Siedlungen keine Aussage treffen. Ähnlich sieht es auf Lemnos aus, wo an der Küste die Mehrheit der Siedlungen, die zudem komplexer waren, bestand, während das Hinterland nur dünn besiedelt war. Dort entstanden ebenso wie auf Lesbos Höhensiedlungen, wie Progomylos oder Neftina. Verteidigungs- und Beobachtungsaspekte dürften eine entscheidende Rolle bei der Wahl dieser ansonsten ungünstigen Standorte gespielt haben. So überblickt Plati-Mistegnon auf Lesbos die östliche Meerenge von einem 100 m hohen Kliff aus, Saliakas hingegen kontrolliert die einzige Landverbindung zwischen der Südostküste und dem Binnenland am Golf von Kalloni. Für Imbros und Chios lassen sich keine Aussagen über zunehmende Siedlungskonzentration treffen.68 Während der Frühbronzezeit II wuchsen einige Siedlungen, wie das lesbische Therni erheblich an und dürften ihre Bevölkerungszahl verdoppelt haben, wenn sie damit auch weit hinter dem Konzentrationsprozess auf dem anatolischen Festland zurückblieben.69
Das Festland erhielt mit Blick auf das Mittelhelladikum lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit.70 Dies hing damit zusammen, dass die Zeit davor und die danach erheblich besser untersucht wurden, und dass das Festland neben der Ägäis und der Palastkultur Kretas verblasste. Zudem konzentrierte sich die Forschung auf typologische Sequenzen und auf die Ursprünge der mittelhelladischen Kulturen. Jüngere Forschungen erwiesen jedoch, dass die Kulturen auf dem Festland weder statisch noch einheitlich, weder isoliert noch rückständig waren.
Der Beginn der Mittleren Bronzezeit wird um 2100 v. Chr. oder wenig früher angesetzt. Das Ende dieser Epoche wird traditionell um 1600 v. Chr. angesetzt, folgt man einer anderen Chronologie eher um 1700, was auch von jüngeren Radiokohlenstoffdatierungen unterstützt wird. Konzentriert man sich eher auf gesellschaftliche Prozesse, so erscheint es hingegen sinnvoller, die Zeit zwischen Frühhelladikum III und Mittelhelladikum II zusammenzufassen und das Mittelhelladikum III mit dem Späthelladikum I.
Zahlreiche Belege erweisen einen starken Bevölkerungsrückgang und Zerstörungen am Übergang von Frühhelladikum II zu III und während letzterer Epoche, deren Ursachen jedoch noch diskutiert werden. Dabei veränderten sich die Siedlungsstrukturen, die Begräbnissitten, die materielle Kultur. Während man früher ausschließlich Bevölkerungsbewegungen und Invasionen dafür verantwortlich machte, werden heute stärker andere Veränderungen ins Spiel gebracht, wie etwa die Degradation des Bodens oder Erosion, was die Gesellschaften stark verändert haben dürfte. Sie traten anscheinend im Zusammenhang - ob als Ursache oder Folge - mit Wanderungen statt. Zugleich waren die Auswirkungen in den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich.
Während man lange Mittelhelladikum I und II für eher statisch hielt, erwiesen Funde in Lerna, dass in der früheren Phase die Hausstrukturen deutlichen Veränderungen unterlagen, wozu vielleicht eine ausgeprägtere Anhäufung von Reichtum kam, in der späteren änderten sich die Begräbnissitten. Diese Ansätze scheinen aber wieder untergegangen zu sein, während sich die Veränderungen am Ende der Mittleren Bronzezeit als unumkehrbar erwiesen. Bekannt ist die extreme Ausweitung des Fernhandels - bereits ein goldbeschlagenes Siegel eines Beamten aus der Zeit des Pharaos Djedkare (um 2400 v. Chr.) deutet auf Handelsbeziehungen mit Ägypten hin.71 Zugleich nahm die festländische Kulturregion sehr viel stärker ägäische und minoische Einflüsse auf.
Von den Siedlungen waren nur wenige befestigt, wie etwa Kolonna, während die Mauern von Malthi wohl eher der mykenischen Kultur zuzurechnen sind. Die Gebäude waren relativ gleichförmig, freistehend und unregelmäßig im Gebiet der jeweiligen Siedlung verteilt. Meistens bestanden sie aus zwei Räumen und überschritten nur selten eine Gesamtfläche von 50 bis 60 m². Auf steinernen Fundamenten erhoben sich Lehmziegelstrukturen. In der frühen Phase waren die Unterschiede eher gering, nahmen jedoch später deutlich zu. Einige der dem Mittelhelladikum III zugewiesenen Häuser in Asine waren viermal so groß, wie das durchschnittliche Haus der Epoche, komplexer aufgebaut und standen entlang einem Pfad, so dass sie ähnlich orientiert waren. Kolonna stellte einen Ausnahmefall dar: Es war stark befestigt, die Hausstrukturen komplex und eine monumentale Baustruktur entstand bereits im Mittelhelladikum I. Die Stadt ähnelte eher den Orten der Ägäis.
Die Begräbnisse zwischen dem Frühhelladikum I und dem Mittelhelladikum II fanden innerhalb der Mauern statt; einige der Toten, meist Kinder, wurden noch unter den Häusern begraben. Viele Gräber wurden in zerstörten Häusern angelegt. Wahrscheinlich spätestens im Mittelhelladikum II waren Begräbnisstätten außerhalb der Siedlungen verbreitet; Grabhügel wurden errichtet, doch ist ihre Verteilung ungleichmäßig. Einfache Gruben, Kisten verschiedenster Art, dazu ausschließlich für Kinder große pithoi oder Krüge waren gängig. Meist wurden die Toten einzeln, kontrahiert beigesetzt, selten sind Mehrfachgräber. Grabbeigaben sind selten und wenig auf Eindruck angelegt, wie etwa durch Beigabe von Vasen oder Perlen. Ausnahmen sind die Grabhügel von Aphidna und Kastrulia oder das Grabbauwerk in Kolonna. In der Epoche nach dem Mittelhelladikum II bis zum Späthelladikum I wurden Friedhöfe außerhalb der Mauern sehr viel häufiger errichtet, auch wurden Gräber mehrfach genutzt - Tholos- und Schachtgräber sind dafür besser geeignet - und die Körper der Toten einer erneuten Behandlung unterworfen. Zwar wurden die Grabbeigaben reicher, doch reichten sie nicht entfernt an die Ausstattung in Mykene heran.
Von Kultstätten fand sich keine Spur, und selbst Figurinen, wie die von Eleusis, sind selten. Die religiöse Praxis lässt sich nur anhand von Riten im Zusammenhang mit den Gräbern fassen. Nur in Apollon Maleatas bei Epidauros - entstanden am Ende des Mittelhelladikums - lässt sich ein Schrein erkennen, dessen Votivgaben allerdings erst aus dem Späthelladikum stammen. Immerhin fand sich am benachbarten Kynortion-Hügel eine Grube, in der sich Überreste zeremonieller Handlungen vermengt mit Tierknochen mitten in einer bereits im Frühhelladikum aufgegebenen Siedlung fanden. Die Tatsache, dass die Siedlung nie wieder bebaut wurde, könnte auf eine Sanktifizierung der Stätte hindeuten.
Die materielle Kultur wies einige Neuerungen auf, wie Tumuli, doch diese tauchten nicht zur gleichen Zeit auf. Auch die Keramik galt als konservativ und einfach, doch jede Stätte weist verschiedene Anteile lokaler Art auf, was sich in stilistischen Unterschieden niederschlägt, ebenso wie unterschiedliche Anteile an Importware oder lokalen Imitationen. Fortschritte in der Keramik lassen sich nur in Böotien erkennen. Andererseits wurde die Keramik aus Ägina in Thessalien imitiert, keineswegs aber in Böotien. Die Werkzeuge blieben lange unverändert. Dabei ließ sich jüngst belegen, dass Kupfer- durch Bronzemetallurgie abgelöst, und dass die Töpferscheibe übernommen wurde. Am Ende der Epoche kam es zu einer größeren Offenheit gegenüber äußeren Einflüssen, es kam zu einer Diversifizierung der Keramikstile, zu einer drastisch anwachsenden Figürlichkeit und zu einem sprunghaften Anstieg der Einfuhren.
Doch selbst im frühen Mittelhelladikum I kam es zu intensivierten Kontakten zwischen den Ostküstenorten und Ägina, den Ägäisinseln und Kreta. Keramik aus Ägina kam in der Nähe der Insel häufiger vor, als im Hinterland, doch erreichte sie auch in einigen Fällen Anatolien und Italien. Böotische Keramik wurde in den Süden ausgeführt, ein thessalisches Handelsnetz umspannte die nördliche Ägäis. Einfuhren konzentrierten sich in Lerna und Argos. Der Löwenanteil des festländischen Kupfers kam aus der Ägäis, die zugleich das gesamte Blei lieferte. Geringe Kupfermengen stammten aus Thrakien oder kamen von Zypern. Auch bestanden Kontakte nach Epiros, auf den Balkan und nach Italien.
Weiterhin war Verwandtschaft das zentrale Element der gesellschaftlichen Organisation. Damit verlagerten sich Status- und Prestigefragen, vor allem aber Autoritätsfragen in die Familien und mussten weniger auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene einer Siedlung zum Ausdruck gebracht werden. Damit blieben Alters- und Geschlechtsfragen zentral. Die Ursachen der Veränderungen lassen sich anscheinend nicht nur auf Veränderungen in der Ökonomie zurückführen, wie auf das Bedürfnis Rohstoffe zu kontrollieren. Dennoch dürften die weiträumigen Handelsnetze, in denen es darauf ankam, auswärtige Führungsgruppen im eigenen Interesse zu beeinflussen, eine wichtige Rolle gespielt haben. Auch die expansionistischen Bestrebungen der minoischen Palastkultur und die Konkurrenz oder das Prestige der Handelszentren dürften von größter Bedeutung gewesen sein. Hier boten sich nicht nur einflussreiche, sondern auch nur von wenigen auszufüllende Rollen in der Gesellschaft an, gerade im „diplomatischen“ Bereich. Vor diesem Hintergrund könnte sich die langsame Entwicklung zur mykenischen Kultur geradezu als ein Coup einzelner Gruppen erweisen. Doch um hier eine Aussage treffen zu können, sind die Erkenntnisse über die Rollen von Individuen, Gesellschaftsgruppen und Gemeinschaften in dieser expandierenden Welt noch zu unklar.
Das Auftauchen des ersten großen oder alten Palastes wird im Allgemeinen als das zentrale Ereignis auf der mittelbronzezeitlichen Insel bezeichnet, die die südliche Ägäis begrenzt.72 Dabei nimmt man an, dass dies im Mittelminoikum IB geschah, was kalendarisch mit 1925/1900 v. Chr. wiedergegeben wird.
Zu den Hauptorten zählten Knossos und Phaistos, Malia und Petras östlich von Sitia, wobei diese Monumentalisierung eher einen langsam fortschreitenden Prozess darstellte, während Phaistos und Malia auf umfangreiche Einebnungsarbeiten sogleich die Errichtung monumentaler Bauwerke erfolgte. Anderenorts entstanden Palastbauten entweder im Mittelminoikum IIA, wie in Petras oder Monastiraki, im Mittelminoikum IIB, wie in Kommos, oder aber erst im Mittelminoikum IIIA, wie in Galatas. Mancherorts entstanden diese Bauwerke sogar erst in der Neupalastzeit, wie in Gournia, Zakros oder Phaistos. Die jüngeren Funde in Sissi (mindestens Neupalastperiode) oder Protoria-Damatri in der östlichen Messara, von Chania und Archanes oder Zominthos lassen annehmen, dass noch mehr Fundstätten dieser Art auftauchen werden. Dabei kann inzwischen davon ausgegangen werden, dass die Palastbauten von den einfachsten bis zu höchstentwickelten Komplexen variierten. Ob die Monumentalisierung besonders gegen Ende des 20. Jahrhunderts v. Chr. auf orientalische Einflüsse zurückgeht, wird noch diskutiert, von einem „Palast-Paket“ analog zum neolithischen kann jedoch wohl kaum die Rede sein.
Der Palast von Knossos umfasste dabei eine umbaute Fläche von 21.000 m² auf einer lichten Fläche von 2,2 ha. Er wurde um einen rechteckigen Zentralhof von 53 × 28 m errichtet. Aus vier Richtungen kommen verwinkelte, schmale Gänge, reich dekorierte Korridore, bemalte Säle, aufwändig gestaltete Treppenhäuser und säulenumstandene Galerien auf diesen Hof zu.
Die Idee eines Königreiches und viele weitere Vorstellungen gehen auf den Ausgräber Arthur Evans zurück. Er deutete die Anlagen als Residenzen von Priesterkönigen, wobei er deutlich von orientalischen Vorbildern inspiriert war. Einige ihrer baulichen Muster, wie die Orientierung, große Höfe, Flügelbauten, weisen jedoch eher in das Frühminoikum IIB. Nachdem die Linear-B-Schrift 1952 entziffert worden war, erhielt der ökonomische Aspekt einen sehr viel größeren Platz. Bald glaubte man an eine hocheffiziente Verwaltung, die jede Bewegung, sei es Mensch oder Ware, registrierte und steuerte. Dabei wurde eine starke Anbindung an ein agrarisches Hinterland ab den 1970er Jahren betont, dazu die Vorstellung von einer Verwaltung in einer hierarchisierten Gesellschaft.
Solcherlei Vorstellungen von einem zentralen wirtschaftlichen Schwerpunkt und Umschlagplatz unter der Kontrolle einer umfassenden priesterköniglichen Leitung, womöglich auf ganz Kreta, scheinen jedoch, wenn überhaupt, dann bestenfalls für den zentralen wirtschaftlichen Umschlagplatz und eher für das Spätminoikum II-III zuzutreffen, als für die früheren Phasen. Auch die Rolle als Verteilungszentrum (an abhängiges Personal) wurde schließlich bezweifelt. Es stellte sich die Frage, ob die vermutete Kontrolle in religiöser, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht nicht zu sehr eine moderne Staatsvorstellung implizierte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so war der Übergang doch offenbar weniger drastisch als vermutet. Zudem wurde die ökonomische Rolle der koulourai, steinerner, kreisförmiger Gruben, die augenscheinlich der Bevorratung mit Getreide dienten, infragegestellt, ebenso wie die Vorstellung von einem durch Bedürfnisse der gemutmaßten Eliten angetriebenen Handel mit Luxusgütern. Die Kamaresware, benannt nach dem mittelkretischen Ort Kamares und üblicherweise Palastwerkstätten zugeschrieben, lässt sich nicht mit der Vorstellung einer Kontrolle durch den Palast verbinden. Im Gegenteil wurde ein erheblicher Teil dieser qualitativ hochwertigen Keramik im südlichen Zentralkreta produziert und bis nach Ägypten ausgeführt, etwa nach Avaris. So tritt inzwischen Knossos weniger als Produzent denn als Konsument in der Literatur auf. Auch die imaginierte völlige Kontrolle über die Verteilung widerspricht der Tatsache, dass nicht einmal die weiter fortgeschrittenen Staatsgebilden des Nahen Ostens dazu in der Lage waren, die ja dieser Vorstellung zugrunde lagen. Auf der anderen Seite erwies sich, dass ein Teil der Produktion tatsächlich in den Palästen stattfand.
Die Anerkennung der vier Hauptfundstätten als „Paläste“ ist darüber hinaus eher willkürlich, denn die monumentalen Anlagen von Kommos, Monastiraki oder Archanes werden nicht zu ihnen gerechnet, von jüngsten Funden ganz zu schweigen. Neben voreiligen Staatsvorstellungen und dem Festhalten an einer bestimmten Epoche steckt vielfach die Idee dahinter, dass die besagten Paläste von gleicher Gestalt sein müssen, mithin wurde von einer Homogenität über alle kulturellen Unterschiede Kretas hinweg ausgegangen. Um den irreführenden Assoziationen, die der Begriff „Palast“ mit sich trägt, entgegenzuwirken, sprach man zunehmend von hofzentrierten Gebäuden, aber auch von Hofgebäuden oder -anlagen. Schließlich wird angezweifelt, dass Priestertum und Herrschaft unter einem Dach zu finden waren, denn diese Art der Herrschaft lässt sich nirgendwo nachweisen, erst recht nicht im Nahen Osten, wo immer eine Doppelstruktur bestand. Die Paläste eignen sich darüber hinaus nicht zur Rekonstruktion der gesamten minoischen Gesellschaft, wie lange angenommen wurde.
Die Belege für eine palasteigene Produktion sind eher gering an Zahl und zudem sehr unsicher. Außerdem wurden ähnliche Produkte andernorts hergestellt, was etwa für die Textilproduktion gilt, die in Knossos sicherlich stattfand. Getreide, Feigen oder Oliven auf Tontafeln könnten Hinweise auf eine Produktion im Umkreis der Tempel sein. In jedem Falle wurden die Tafeln selbst in großem Umfang in Knossos gelagert.
Dortige Trinkgefäße wurden vielleicht zum Verteilen von Getränken in großem Maßstab gestapelt, denn ihre Zahl übersteigt bei weitem die dazugehörige Zahl an Gefäßen, die der Vorratshaltung dienten.74 Eine Werkstatt in der Mesara versorgte sowohl Phaistos als auch Knossos mit hochwertiger Keramik. Hingegen wurde ein Teil dieser aufwändigen Ware im Mittelminoikum I von Pediada herbeigeführt. In Phaistos fanden sich enorme Mengen an Keramik im Südteil des Westflügels, die allein etwa ein Viertel des Gesamtbestandes darstellen. Sie dienten wohl umfangreichen Ritualen mit zahlreichen Teilnehmern, an die Getränke ausgegeben wurden. Dabei denkt man über die religiösen Formen nach, die möglicherweise schamanistischer und eher auf unmittelbarer Erfahrung basiert haben, wozu Trance, Zustandsveränderungen und Extase gehört haben mögen, die womöglich besser zu der performativen Natur gepasst haben, für die sich die großen Plätze eigneten.75
Schrift und Siegel wurden gleichfalls der Entstehungszeit der Paläste als Herrschafts- und Religionszentren, wie man lange glaubte, zugeschrieben. Zu dieser Zeit gab es den Schriftgebrauch allerdings schon, wenn er auch eine Verbesserung und eine weitere Verbreitung fand. Auch wurden die Siegelformen differenzierter. Die als „Archive“ bezeichneten Sammlungen von Tontafeln stammen in Knossos wohl aus dem Mittelminoikum II, eher aber noch aus III. Das größte „Archiv“ fand man bisher im Quartier Mu in Malia. Auch einige der Keramikwerkstätten nutzten die Schrift; in Knossos fanden sich Siegel im Produktionsschutt.
Quartier Mu bestand aus zwei Hauptgebäuden und einer Reihe von Werkstätten. Anscheinend überwachte eine Elite die Produktion, ein Teil der Güter fand sich in den Hauptgebäuden gelagert. Doch nicht alle Güter stammten aus den örtlichen Werkstätten. Auch wenn der örtliche Palast erheblich größer war, so barg er doch nicht wesentlich mehr Vorratsgefäße, und Anzeichen für Produktion innerhalb des Palastes fehlen ganz, sieht man von wenigen Webgewichten ab. Die Paläste waren, so scheint es, eher Orte von Ritualen mit einer großen Teilnehmerzahl, als Orte der Produktion, des ausschließlichen Konsums von Luxusgütern oder gar der herrschaftlichen Kontrolle über einen einheitlichen Wirtschaftsraum.
In der Agios-Charalambas-Höhle von Lasithi fand man die Knochen von etwa 400 Individuen, dazu Figurinen, Siegelsteine und Musikinstrumente, die überwiegend aus dem Mittelminoikum IIB stammten. Elf männliche und fünf weibliche Leichname wiesen Schädelverletzungen auf, außerdem fanden sich die wohl ältesten Fälle von Trepanationen in Griechenland, wie 2006 berichtet wurde.76
In der frühen kykladischen Kultur lassen sich Zusammenhänge nur an kulturellen Ähnlichkeiten in den Artefakten erkennen, und darin zeigt sich, dass Orte an der Küste von Attika, wie Ayios Kosmas oder Tsepi (Marathon), auf Kreta, wie Ayia Photia, oder in Westanatolien, wie Iasos, nahe mit den kykladischen Orten verwandt waren.77 Frühere Publikationen schlossen darauf auf Kolonien, doch handelte es sich wohl eher um einen durch Seefahrt zusammengehaltenen Kulturraum. Ganz im Gegensatz zur frühen Phase dieser Kultur war die mittlere Phase anscheinend auf die heutige Inselgruppe beschränkt. Sie reichte von 2000 v. Chr. ± 50 Jahre bis etwa 1675 oder 1600 v. Chr. - je nachdem wann der katastrophale Vulkanausbruch von Thera datiert wird.
Die Einteilung in Phasen geht von der Keramik aus, bildliche Darstellungen gestatten oftmals rätselhafte Einblicke in die Gesellschaft dieser Zeit. Während andere Artefakte kaum mehr als typisch für die Kykladen bezeichnet werden können, veränderte sich die Siedlungsstruktur drastisch. Es entstanden größere Siedlungen, während die kleinen, verstreuten Siedlungen verschwanden. Zugleich führte im Rahmen dieser Siedlungskonzentration, von der es, wie jüngste Grabungen zeigen, Ausnahmen gibt, zu einer komplexeren städtischen Struktur und zu aufwändigeren Bauwerken und zu für diese Epoche charakteristischen Stadtbefestigungen. Die wenigen bekannten Gräber, wie die auf Kea, scheinen einen Rückgang der Kistengräber anzuzeigen, dazu eine größere Variabilität, doch alles in allem setzte man die frühbronzezeitlichen Gewohnheiten fort.
Die Kontakte zu den Nachbarn, die bereits in der frühen kykladischen Kultur IIIB stark waren, setzten sich ebenfalls fort, es fanden sich sogar Belege für wachsende Im- und Exporte. Fragmente minoischer Keramik belegen Kontakte nach Kreta im Mittelminoikum IA und II, im späteren Stadium der kykladischen Kultur lassen sich mittels Keramik Kontakte zum Mittelminoikum III und zum festländischen Mittelhelladikum fassen. Vorsicht ist hier allerdings geboten, da beispielsweise die mittleren Phasen in den drei Großräumen Griechenlands je nach Kriterium (Keramik, Architektur) nicht immer übereinstimmen, erst recht nicht, wenn es um die „Mittlere Bronzezeit in der Ägäis“ geht.
In Phylakopi trennt eine Zerstörungsschicht die frühkykladische von der mittelkykladischen Stadt, was daraus abgeleitet wurde, dass die Keramik der späteren Stadt in Zusammenhang mit mittelminoischer und mittelhelladischer Keramik stand. Für einige Archäologen war dies ein voreiliger Schluss, denn sie setzen den Beginn der mittelkykladischen Phase vor der Zerstörung der Stadt an. Die Stadt war dicht bebaut und bedeckte eine Fläche von rund 220 m Länge und nicht mehr feststellbarer Breite, weil Teile des Felsplateaus ins Meer gerutscht sind.
Auch in Agia Irini auf Kea bestand eine Lücke zwischen den Schichten aus Periode III, identifiziert mit Frühkykladisch IIIA, auch Frühkykladisch IIB oder Kastri-Phase, und Periode IV und V, die der frühen und der späten Phase der wiederaufgebauten mittelkykladischen Siedlung entsprechen. Vor allem Akrotiri auf Thera, aber auch Ftellos und Ayios Ioannis Eleemon lieferten früh-mittelkykladische Artefakte. Ähnliches gilt für Paroikia auf Paros. Kastro auf Naxos war die Akropolis einer mittelkykladischen Stadtsiedlung, zu der auch ein tiefer liegender Teil von Grotta gehörte. Plaka auf Andros war ebenfalls ein bedeutendes Zentrum dieser Zeit.
Nach der Eroberung der Hyksoshauptstadt Avaris im Nildelta durch Pharao Ahmose I. wurden dort Wände in minoischem Stil bemalt, wobei anscheinend keinerlei Verbindung zu den früheren minoischen Einwohnern Ägyptens besteht. Neben den Malereien findet sich nichts zu ihrer Kultur. Der zeitweilige ägäische Kultureinfluss wich einem Rückgriff auf ägyptische Traditionen. Die Beziehungen zur Ägäis verdichteten sich jedoch unter Amenophis III. um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Erstmals erschienen Namen wie Mykene oder Knossos in Hieroglyphen.
Die mykenische Kultur (um 1700 bis ins 12. Jahrhundert v. Chr.) bestand während der späten Bronzezeit, im sogenannten Späthelladikum.78 Anfang und Ende dieser Epoche werden anhand von Keramikfunden bestimmt. Diese Phasen der Keramikstile korrespondieren keineswegs mit den stärker an politischen und gesellschaftlichen Schlussfolgerungen aus archäologischen Funden hervorgegangenen Entwicklungen, die sich in Begriffen wie Vorpalast-, Palast-, oder Nachpalastkultur niederschlagen.
Die Anfänge der Kultur reichen ins Mittelhelladikum zurück. Ähnlich wie auf Kreta standen auch hier die Paläste lange im Vordergrund, während die Siedlungen vernachlässigt wurden. Die Paläste gehen überraschenderweise häufiger auf Begräbnisstätten zurück, seltener auf Siedlungen. Dabei spielte der Wettbewerb zwischen Eliten eine wichtige Rolle, dazu der Zugang zu externen Gütern, aber auch die Vermittlung des Zugangs zu Ressourcen des Hinterlandes für Kreta und die Kykladen. Die mykenischen Fundstätten teilten, unabhängig von ihrer Größe, bestimmte Charakteristika, wie die Betonung ihres baulichen Zentrums, eine beherrschende Lage (manchmal befestigt) sowie die Nähe zu Trinkwasser und gutem Ackerboden. Außerdem befanden sie sich an Verbindungslinien vom Meer ins Hinterland. Dabei sollte die Größe der Paläste nicht überschätzt werden. Das Megaron, der Kern des Palasts von Mykene, umfasste eine Fläche von 149 m², das von Pylos nur wenig mehr als 115 m².
Regionale Schwerpunkte lagen im Zentrum und im Süden Griechenlands, insbesondere in der Argolis und in Messenien, wohl auch in Lakonien, dann Attika, Böotien, in der östlichen Phokis und an der Küste Thessaliens. Die ersten Artefakte der mykenischen Kultur gehören dem Späthelladikum I an und beschränken sich auf den Peloponnes, Attika und Zentralgriechenland. Dabei liegen hier nur Grabfunde vor. Die Ruhestätten wurden im Laufe der Epoche differenzierter, die Siedlungen waren hingegen klein. Anscheinend gab es bereits oligarchische Allianzen, die Siedlungen oder Regionen beherrschten. Reiche Grabbeigaben zeigen an, dass sich ein gewisser Reichtum anhäufte, wobei Waffen und Importwaren Macht, Vermögen und vielleicht Krieg anzeigten; die berühmtesten sind die Schachtgräber von Mykene. Im Mai 2015 wurde bei Pylos ein 2,4 m langes und 1,5 m breites, ungestörtes Grab mit dem hölzernen Sarg eines Kriegers von Archäologen der Universität Cincinnatti entdeckt. Im Grab befand sich eine perlengeschmückte Goldkette und Siegelringe, dazu Silbervasen und Elfenbeinkämme, schließlich ein Bronzeschwert, dessen Griff mit Elfenbein verziert ist. Die Fundstücke weisen Elemente auf, wie Stier oder Adler, die im Stil minoisch gehalten sind.78c
Die zahlreichen Anzeichen von Kontinuität bis in das Mittelhelladikum zurück deuten auf eine Entstehung aus der vorhandenen Bevölkerung hin, nicht auf Zuwanderung oder Eroberung. Familie und Abstammung waren weiterhin von zentraler Bedeutung, wobei Grabtypen und -ausstattung, vor allem aber umfangreiche Beilegungszeremonien auf einen internen Wettbewerb verweisen, aber auch auf Fluktuation. Eine Kombination von lokalen, traditionellen Ideen mit externen, die sich in den Artefakten ablesen lässt, zeigt sich in den reichen Gräbern von Mykene, aber auch in den Tholoi insbesondere Messeniens. Die „Mykener“ hatten Kontakte bis nach Albanien und Italien, Kreta und Anatolien, ja, bis in den Nahen Osten.
Im Späthelladikum kam es an einigen Stellen zu größeren Machtausweitungen, jedoch mit je eigenem Charakter. So verloren die Orte Messeniens ihre völlige Autonomie an Pylos, das die einzige Palastsiedlung wurde, während in der Argolis mehrere Zentren fortbestanden, darunter Mykene, Tiryns und Midea. In Lakonien entstand überhaupt keine Palastsiedlung; dennoch entstanden dort Zentren wie Agios Stephanos oder Pellana.
Für diese Entwicklung waren die Kontakte nach Kreta und zu den Kykladen von zentraler Bedeutung. Handwerkliche Produkte von dort wurden als prestigesteigernd aufgefasst, vielfach in Verbindung mit lokalen Fertigkeiten. Zugleich wurden minoische Stile übernommen, nachgeahmt und angepasst, so dass es nicht immer leicht ist, mykenische von minoischen Hervorbringungen zu unterscheiden. Als eine Art Vermittler traten die Inseln Ägina, Kythera und wahrscheinlich Kea auf.
Anscheinend gelang es den mykenischen Eliten, einen Teil der minoischen Handelsrouten im Späthelladikum II zu besetzen. Nun begann mykenische Keramik in Umkehrung der zuvor herrschenden Austauschsituation, die kretische zu beeinflussen. Dies steigerte sich bis in die anschließende Periode, in der Griechisch in Form der Linear-B-Schrift zur Verwaltungssprache von Knossos wurde.
In der Palastperiode des Späthelladikums IIIA-B, also im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr., entstanden zentral fokussierte und verwaltete Herrschaftsgebiete, die vielfach als Staat angesprochen werden. Mit der zweiten Zerstörung von Knossos im 14. Jahrhundert gelangten vielleicht neue Organisationsprinzipien aufs Festland. Die mykenische Kultur dehnte sich bis zum Olymp aus, erreichte westwärts Epiros, ostwärts den Dodekanes, im Süden Kreta. Im Späthelladikum IIIA2 des späten 14. Jahrhunderts dominierte die Kultur auch die Ägäis. Im Osten erreichte sie Anatolien, im Westen die Metallressourcen Sardiniens, im Norden vielleicht das Schwarze Meer. Schriftliche Verwaltung lässt sich allerdings bisher nur in Mykene und Tiryns, in Theben, Pylos, Dimini und Orchomenos fassen, jüngst auch durch eine Grabung unter Leitung von Adamantia Vassilogrambrou westlich von Sparta78f. Die seit 2008 dort aufgefundenen Linear-B-Tafeln verweisen auf den Handel mit und die Herstellung von Duftstoffen und Kleidern sowie durch eine Doppelaxt auf Kontakte mit Kreta; die palastartige Anlage wurde um 1300 durch Feuer zerstört. In Athen lässt sich zwar eine starke Befestigung fassen, aber kein Gebrauch der Linear-B-Schrift, was aber vermutlich damit zusammenhängt, dass der dortige Palast nicht, wie viele andere dieser Bauwerke, zerstört wurde. Damit dürften die dortigen Schrifttafeln zerfallen sein, während sie andernorts durch Feuersbrünste gehärtet wurden. Gla in Böotien mit seiner 3 km langen Umfassungsmauer gilt als eine der größten Militäranlagen mykenischer Zeit, wurde jedoch anscheinend von Orchomenos beherrscht.79
Die Palastperiode war auch eine Zeit der Institutionalisierung der Machtstrukturen. Auch hier waren die Siedlungen von verschiedener Größe und Funktion, die Palastsiedlungen waren auf das Megaron ausgerichtet. Wie andernorts auch, so erforschte die Archäologie lange überwiegend die Eliten und ihre Bodenspuren, während die restliche Gesellschaft vernachlässigt wurde. Ausnahmen sind hier Nichoria, Tsoungiza, Asine, Berbati oder Korakou. Sie und neuere Grabungen sind überaus ertragreich für das Verständnis der mykenischen Kultur.
Der überwiegende Teil der Artefakte stammt aus dem 13. Jahrhundert v. Chr., als große Bauprogramme ebenso durchgeführt wurden, wie Verbesserungen der Infrastruktur, die der inzwischen exklusiven Elite dienten. Die berühmten Zyklopenmauern kennen wir aus Mykene, Tiryns und Midea, aus Athen und Gla, wohl auch aus Theben und vielleicht aus Orchomenos und Pylos in Böotien bzw. Messenien. Transport und Kommunikation ebenso wie spezialisierte Produktion wurden verbessert und intensiviert. Die Tholoi hingegen verschwanden am Ende von Späthelladikum IIIA und IIIB, und offenbar wurde vorgegeben, dass auf Beigaben in den Kammergräbern der späten Epoche verzichtet wurde.
In Pylos fand man große Mengen an Linear-B-Tafeln, die einen Einblick in das Machtgebilde und seine Verwaltung geben. An den anderen Palästen fanden sich gleichfalls Tafeln, doch in erheblich geringerer Zahl. Funde in Mykene (im Petsas-Haus) aus dem späten 14. Jahrhundert zeigen, dass diese Art von Gütererfassung (aus der voreilig eine Verwaltung abgeleitet wurde) nur wenig später als in Knossos in Gebrauch kam.
Aus Pylos sind etwa 1200 Schrifttafeln erhalten, die auf 200 „Verwaltungsvorgänge“ rekurrieren. Dies weist darauf hin, dass eine Art moderner Verwaltung gar nicht das Ziel gewesen sein kann. An der Spitze der „Verwaltung“ von Pylos stand der wa-na-ka, später Wanax oder Anax genannt, was eher Heerführer bedeutete. Jüngere Forschungen weisen ihm eher eine kultische Funktion zu und Tassilo Schmitt gelangte zu der Annahme, dass es sich um einen Gott handelte, denn auf keiner einzigen Tontafel erscheine ein Individualname eines Herrschers.80 Der zweite Mann scheint der re-wa-ke-ta gewesen zu sein. Sein Land umfasste ein Drittel des Landes des wa-na-ka. Eher militärische Aufgaben erfüllte ein e-qe-ta, der vielleicht ein Gefolgsmann des wa-na-ka war. Der Herrschaftsbereich von Pylos scheint zwei „Provinzen“ und darin 16 „Distrikte“ umfasst zu haben. Diese Einteilungen dürften weniger einer Verwaltung, als vielmehr der Sicherung und der Eintreibung von Abgaben gedient haben. Als lokaler Funktionsträger diente der qa-si-re-u, eine Bezeichnung, aus der vielleicht später der basileus hervorging.
Der Palast besaß und verlieh selbst ebenfalls Land (ko-to-na oder ka-ma), ohne dass eine Art Feudalsystem entstand. Die vergleichsweise hohen Erträge gestatteten es, die Bauern zu Bauten oder zum Militär heranzuziehen. Auf den Ländereien des Palasts wurden parfümierte Öle, Textilien und andere hochentwickelte Produkte hergestellt. Agrarprodukte wurden als Abgaben von außerhalb eingezogen. Die Paläste waren im Handel tätig und importierten Rohmaterialien wie Elfenbein, Glas oder Metalle, wie der Fund eines Schiffswracks vor Kap Iria belegt, das von Zypern über Kreta in die Argolis gekommen war. Allerdings waren derlei Schiffe meist nur 10 bis 15 m lang, was dem Fernhandel Grenzen setzte, bzw. ihn auf bestimmte Produkte limitierte - das Schiff von Kap Iria galt wohl eher dem Alltagshandel, als vom Palast in Auftrag gegebenen Einfuhren von Luxuswaren.81
Die Paläste führten handwerkliche Fertigwaren aus, die auf Importwaren basierten, dazu kamen lokale Produkte wie Olivenöl, Parfüm, Wolle oder Wein, aber auch Keramik. Letztere diente einerseits der Verpackung, andererseits war sie selbst sehr gefragt - und zwar beinahe im ganzen Mittelmeerraum. Die Erfindung des Glanztons (Firnis, Tonschlicker) im 16. Jahrhundert v. Chr. dürfte stark dazu beigetragen haben. Bei der Keramik beobachtete man eine große Einheitlichkeit, so dass geradezu von einer mykenischen Koine gesprochen wurde. Sie wurde in hoher Qualität und dennoch massenhaft hergestellt. Das gleiche galt für Siegel, Waffen oder Schmuck. Anscheinend gab es auch Sklaven, die als do-e-no bzw. do-e-na bezeichnet wurden, woraus anscheinend später doulos und doule hervorgingen, sie konnten aber auch Pächter sein. Kultpersonal und Handwerker verrichteten gegen Nutzungsrechte am Land ihre Dienste, wobei die Parzellierung des Bodens auf ältere Formen der Gartenbaukultur hindeutet. Dabei diente der Schriftgebrauch wohl weniger einer umfassenden Verwaltung, als vielmehr den Fragen um Gefolgschaft, Militärs und Priesterschaft und deren Versorgung. So ist Viehhaltung an 44 Orten, Flachsproduktion an 62, Erzverarbeitung an 20 Orten im Gebiet von Pylos belegt, dann Textilverarbeitung an 15 und Handwerkstätigkeit an 38 Plätzen.82
Mehrfach, aber lokal und nur kurzzeitig, kam es zu Zerstörungen der Palastbauten, gefolgt von monumentalen Neubauten. Intensivierte Kontrolle und Anzeichen von gewaltsamen Konflikten weisen auf scharfe interne Konflikte hin. So wurden bald Mykene und Tiryns zerstört, die sich nur mühsam erholten, während dies Theben und Pylos nicht mehr gelang. Schon im 15. Jahrhundert ließ sich für Attika erweisen, dass nach der Zerstörung von Kiapha Thiti durch einen Bergrutsch nicht nur dieser Zentralort seine Bedeutung verlor, sondern auch Thorikos, Menidi, Brauron und Vrana bei Marathon. Im Späthelladikum III bestanden neben der großen „Residenz“ in Athen nur noch bedeutende Dynastien in Eleusis und Aphidnai.83 Auch in anderen Regionen bestanden mehrere, wohl konkurrierende Zentren, die vielfach nur kurzlebig waren.
Die spätmykenische Phase, das Späthelladikum IIIC, kennt in den meisten Regionen des Festlands keine Paläste mehr. Alle Paläste erlitten um 1200 v. Chr. ein gewaltsames Ende und wurden nicht wieder aufgebaut. Viele nicht-palastartige Siedlungen waren gleichfalls betroffen, manche wurden aufgegeben. Mit den Großbauwerken und der Verwaltungsstruktur verschwanden auch Schrift und Freskenmalerei sowie andere Kennzeichen der Palastepoche. Diese massiven, über mehrere Jahrzehnte anhaltenden Zerstörungen haben zum Teil natürliche Ursachen, wie Erdbeben, doch sie betrafen das gesamte östliche Mittelmeer, wo ganze Kulturen und Reiche verschwanden.
In Tiryns und Mykene entstanden neue Strukturen auf den Ruinen, doch die Verwaltung hatte wohl nur noch eine regionale Reichweite. Regionale und lokale Stile lösten die einheitliche mykenische Kultur ab. Zugleich scheint die Bevölkerung eingebrochen zu sein, wie etwa in der Argolis. Hingegen wuchs die Zahl der Beisetzungen in Attika an. Es kam zu einer temporären Erholung, die jedoch in ein noch tieferes Desaster mündete, so dass in den Funden des 11. Jahrhunderts kaum noch etwas als mykenisch bezeichnet werden kann.
Die spätminoische Epoche war eine Zeit großer Veränderungen.84 Von den Palästen hat anscheinend nur Knossos überlebt. Mykenische Festländer siedelten auf der Insel, die meisten Küstenorte wurden aufgegeben, die Bevölkerung zog ins Hinterland oder emigrierte.
Im Spätminoikum I bestand eine florierende, wohlorganisierte Gesellschaft. Paläste bestanden in Knossos (dieser war der größte), Phaistos, Malia, Zakro und Galatas sowie in Petras im Osten der Insel. Wahrscheinlich existieren noch Palastruinen in Chania und Stavromenos östlich von Rethymno.
Erkennbare Werkzeuge der Verwaltung waren Täfelchen mit Linear-A-Schrift, die noch nicht entziffert ist, und Siegel. Erstere wurden in allen Siedlungen des Spätminoikums I entdeckt, letztere nur in Palastarchiven. Geschrieben wurde auch mit Tinte, so dass man inzwischen von einer weitergehenden Verwaltungstätigkeit als bisher ausgeht. Dokumente wurden anscheinend von einem Ort zum anderen gesandt.
Der Vulkanausbruch auf Thira traf Kreta hart, vor allem im Nordosten der Insel, aber auch weiter im Westen, wie die Funde von Papadiokampos und - damit wäre es die westlichste Stätte mit entsprechenden Tephrafunden - Priniatikos Pyrgos. Insbesondere seit den 1980ern führten zahlreiche Untersuchungen im Wesentlichen zu einer Aufteilung in zwei Lager: auf der einen Seite die Vertreter der „späten Datierung“ (1530–1520 v. Chr.) und dementsprechend der „kurzen Chronologie“,85 auf der anderen die der „frühen Datierung“ (1628–1620 v. Chr.) und der „langen Chronologie“.86 Die Debatte führte bisher jedoch zu keiner endgültigen Antwort.
Im nachfolgenden Spätminoikum IB kam es in jedem Falle, entgegen früheren Annahmen, zu einer Erholung. Diese Erholung ging so weit, dass sich der kulturelle Einfluss der Insel sogar in Ägypten bemerkbar machte, wo sich auch Malereien in Grabmälern fanden, die minoische Gesandtschaften darstellen. Das Ende dieser anhand von Keramik nachweisbaren Epoche bedeutete zugleich das Ende der Neupalastkultur. Ob dies, wie häufig angenommen, mit einer Eroberung durch die Mykener zusammenfällt, ist schwer zu belegen. In Knossos wurde zwar die Siedlung zerstört, nicht jedoch der Palast selbst. Dieser wandelte sich aber von einem Zentrum für Zeremonien zu einem Machtzentrum. Der Haupthafen an der Südküste, Kommos, war von den Zerstörungen gar nicht betroffen.
Das nachfolgende Spätminoikum II zeichnet sich durch geringe Funddichte aus. Offenbar hatten sich die Kontakte zum Festland verdichtet, wie die Kriegergräber, Waffen und dergl. belegen. Tontafeln existieren aus dieser Periode nicht, nur einige wenige Siegel fanden sich in Chania. Der Palast von Knossos wurde zweimal zerstört, jedoch ist der genaue Zeitpunkt unklar. In Chania fand sich eine Schreibtafel, die die Knossos-Tradition über die vermutete Zeit der Eroberung durch Mykene fortsetzte, doch auch dies ist kein sicheres Anzeichen, das gegen eine mykenische Eroberung spricht.
Hingegen änderte sich der Schriftgebrauch und der Umgang mit Siegeln. Schon die Einführung der Linear-B-Schrift spricht für eine zumindest ökonomische Dominanz der mykenischen Nachbarn. Doch auch die Tatsache, dass sie (bisher) nie an ein Schriftstück geheftet wurden, und dass Schrifttafeln in Lagerhäusern statt in Archiven gefunden wurden, deutet auf einen drastischen Wechsel in der Administration hin. Während zudem die Schrift in vielfältigen Zusammenhängen gebraucht worden war, reduzierte sich dieser Gebrauch nun auf den im engeren Sinne ökonomischen Kontext. Linear-B-Schrift taucht auf Steigbügelgefäßen auf, die auf Kreta frühestens im Spätminoikum IIIB datiert werden können. Damit gilt die Anwesenheit eines wanax auf der Insel als gesichert. Anzeichen für eine massenhafte Invasion gibt es jedoch nicht.
Darüber hinaus wurden die Gräber nun reich ausgestattet, während wir von den minoischen Gräbern nur wenig wissen. Genau umgekehrt ist es bei den Palästen. Jüngst wurde im Westen der Insel, wo es zu zahlreichen Neuentdeckungen kam, der Westeingang einer Palaststruktur nebst dem Fragment einer Linear-B-Tafel aus dem Spätminoikum IIIB bei Chania entdeckt. Dort ließen sich zudem Opfer von Getreide, Schafen und Ziegen, von einem Schwein und zwei Ochsen sowie einer jungen Frau nachweisen.87 Schließlich wechselte die Architektur von mehr- auf einstöckige Gebäude, die nicht mehr auf Holzkonstruktionen basierten, sondern auf Steinfundamenten. Viele der Paläste, wie die von Kommos, Malia, Sissi, Gouves, Amnissos, wurden in der ersten Hälfte des Spätminoikums IIIB zerstört. Die wiederbesiedelten, wie Palaikastro und Sissi, waren im späteren Spätminoikum IIIB deutlich kleiner. Nur Chania scheint diese Phase bis weit ins 12. Jahrhundert wenig erschüttert überlebt zu haben.
Auf Kreta wurde die Werkstatt von Kydonia im Westen vorherrschend, vielleicht zusammen mit der von Knossos. Ihre Produkte fand man zwischen Zypern und Sardinien, wahrscheinlich erreichten sie auch die Levante und Ägypten. Möglicherweise lebten italienische Handwerker aus dem Süden auf Kreta.
Am Ende der Bronzezeit veränderten sich die Siedlungsstrukturen erneut. Nur wenige der küstennahen Orte bestanden fort. Die Wanderungen der Seevölker, die im Osten zum Untergang des Hethiterreiches und zur Schwächung Ägyptens führten, trafen offenbar auch Kreta, wo die Küste kein sicherer Ort mehr war. Die Bewohner verließen die Küste und zogen in extrem unzugängliche Höhensiedlungen, von denen zunächst Karfi88 und Katalimata entdeckt wurden; über 80 weitere Höhensiedlungen folgten. Kastri hingegen, in einer Ebene gelegen, könnte eine Siedlung der Seevölker gewesen sein.
Mit dem Übergang zur späten Bronzezeit verlor die kykladische Kultur ihre Eigenwilligkeit, während sich zunächst starke minoische Einflüsse, dann mykenische durchsetzten.89 Daher erfolgt die Unterteilung in spätkykladisch I, II und III meist anhand minoischer und mykenischer Keramik oder von deren Imitationen. Dabei setzte sich in Phase I (ab 1700 bzw. 1600 v. Chr., je nach Chronologie, der Einfachheit halber hier einheitlich ab 1600 v. Chr. gerechnet) der minoische Einfluss durch, in Phase II expandierte die mykenische Kultur zu dessen Lasten und setzte sich in Phase III schließlich durch. In der spätesten Phase III ereigneten sich komplexe Veränderungen, die mit dem Niedergang der mykenischen Kultur zusammenhingen. Im Spätkykladikum IIIC verschwanden fast alle Siedlungen, die Bevölkerung ging stark zurück und aus der nachmykenischen und protogeometrischen Epoche gibt es kaum Fundstücke.
Die spätkykladischen Fundstücke stammen meist aus Akrotiri, das besonders gut erhaltene Stücke dank der vulkanischen Zerstörung hinterließ, Agia Irini (VI bis VIII) auf Kea, Phylakopi auf Melos und Grotta auf Naxos, letzteres allerdings erst ab der spätkykladischen Phase III. In Phylakopi fällt der Übergang von mittel- zu spätkykladisch zeitlich annähernd mit der Zerstörung der zweiten und dem Aufbau der dritten Stadt zusammen. Allerdings überstand die Keramikstufe Spätkykladikum I hier selbst den Vulkanausbruch von Thira noch um einige Zeit. Doch nicht nur die Keramik der Phase I war stark von Kreta beeinflusst, sondern auch die Freskos, die Architektur, aber auch technische Verfahren, dazu Bronzegefäße, Steinvasen und Terracotta-Figurinen. Noch deutlicher wirkt, dass die Gewichte auf minoische Standards umgestellt wurden, sowie der Gebrauch der Linear-A-Schrift. Dieser Einfluss wurde zunächst auf den Inseln entlang der Handelsroute zum Festland vermutet, doch zeigen auch die mittleren Kykladen entsprechende Anzeichen. Besonders stark war der minoische Einfluss in Akrotiri, was zunächst die Annahme bestärkte, dass die Minoer eine Seeherrschaft errichtet hatten, eine Thalassokratie. Die Zerstörung von Phylakopi II und Ayia Irini am Ende der Periode V und die über diesen Zerstörungen nachweisbaren Veränderungen der Kultur schienen zu bestätigen, dass diese Herrschaft mit Gewalt durchgesetzt worden war. Doch werden auch andere Gründe für die Adaption angenommen, wie Prestigeträchtigkeit oder Vereinfachung des Handels.
Im Spätkykladikum II stieg in Ayia Irini der Anteil mykenischer Keramik auf etwa 50 % an, ähnlich wie in Phylakopi (Akrotiri existierte nicht mehr). In Phylakopi III-ii fanden sich Zerstörungsspuren, die möglicherweise auch hier auf eine militärische Intervention mykenischer Kräfte zurückzuführen sind. Ein mykenischer Palast entstand (III-iii/Phase E), was vielleicht gleichfalls auf eine mykenische Übernahme hinweist. Auch weist die Errichtung von Tholos-Gräbern auf Mykonos, Tenos und Naxos in diese Richtung. In jedem Falle war nun nicht mehr Akrotiri die dominante Stadt auf den Kykladen, sondern Phylakopi. Damit verlagerte sich wohl auch der politische Schwerpunkt von Thira nach Melos. Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. endete diese Phase, als sich der festländische Einfluss abschwächte.
Im Gegensatz zum frühen Spätkykladikum III (ca. 1390-1260 v. Chr.) war das mittlere (ca. 1260-1150 v. Chr.) von wachsender lokaler Keramikproduktion gekennzeichnet, die die wegfallenden Festlandseinfuhren ersetzen musste. Phylakopi sah sich veranlasst, eine massive Stadtbefestigung zu errichten, ebenso wie eine erhebliche Zahl befestigter Siedlungen. Wahrscheinlich bestand ein Zusammenhang mit den Zerstörungsspuren auf dem Festland und dem Niedergang der dortigen Paläste. Die gleichfalls diskutierten klimatischen Veränderungen, in deren Gefolge die vergleichsweise dichten Handelsnetze zerrissen wurden - vielleicht auch durch Piraterie - könnten erklären, warum der mykenische Charakter der Kultur erhalten blieb, und dennoch die Importe praktisch ausfielen.
Im späten Spätkykladikum III (ca. 1150-1090 v. Chr.) wurde Grotta auf Naxos außergewöhnlich reich (wenn auch auf Naxos ähnlicher Reichtum nachgewiesen werden konnte), und die Gräber deuten auf weiträumige Kontakte hin. Gefäße mit stilisierter Octopus-Dekoration sind typisch. Zudem wurden die Toten nun verbrannt. Dies führte zur Annahme, dass sich zwischen den Kykladen und Milet auf dem kleinasiatischen Festland, ungestört von den Zerstörungen auf dem griechischen Festland, eine mykenische Kultur gehalten habe. Auch könnten Flüchtlinge der dortigen Palastkultur die Kykladen erreicht haben. Sollte Grotta repräsentativ für diese Phase sein, so handelte es sich um eine Zeit ruhiger Entwicklung.
In der letzten Phase des Spätkykladikums III (ca. 1090-1065/15 v. Chr.) riss diese Ruhe ab und Grotta wurde zerstört. Viele Orte wurden aufgegeben, nur wenig Keramik lässt sich dieser Zeit zuordnen. Auch in Ayia Irini ließen sich nur bescheidene Nutzungsspuren im Tempel belegen, was auf eine rituelle Gemeinschaft umgebender Dorfbewohner hindeuten könnte. Die Bevölkerung ging zurück, die Keramik wurde selten und überaus einfach. Auf Naxos scheint es zum Verschwinden der Bevölkerung und zur Besetzung durch eine neue Gruppe von Menschen gekommen zu sein, denn die Struktur der protogeometrischen Siedlung war vollkommen anders geartet. Für die erneute Ankunft von Festlandsflüchtlingen auf einigen der Kykladen spricht das Erscheinen von neuer Keramik, geradezu einer neuen Festlandskoine.
Vermutlich mit einem mykenischen Reich kann Achijawa identifiziert werden, eine Annahme, zu der die Ähnlichkeit zu Achäer führte, einem der drei Namen, mit denen die Griechen von Homer bezeichnet wurden. Aber auch die geographischen Angaben zu Achijawa lassen viele Forscher darauf schließen, dass es westlich des hethitischen Reichs lag, und zumindest ein größerer Teil Ahhijawas jenseits der westkleinasiatischen Küste lag. Ob dabei ein mykenisches Großreich unter der Führung von Mykene oder eventuell auch Theben, das das griechische Festland und die Ägäis beherrschte, gemeint war, oder eventuell ein kleinerer mykenischer Staat, der im südöstlichen Ägäis-Raum lag, ist umstritten. Achijawa hatte zumindest zeitweise Stützpunkte oder Kolonien an der westkleinasiatischen Küste. Von diesen gelten Milet an der Mündung des Mäander und die weiter südlich gelegene Fundstätte Müsgebi auf der Bodrum-Halbinsel als mykenische Siedlungen. Umfangreichere Funde wurden u. a. auch in Iasos und Ephesos gemacht, so dass davon ausgegangen wird, dass hier zumindest zeitweise mykenische Griechen lebten.
In Milet fanden sich Spuren minoischer Besiedlung aus der mittleren (Milet III, etwa 2000 bis 1650 v. Chr.) und der späten Bronzezeit (Milet IV).90 Möglicherweise eroberten mykenische Griechen die Siedlung in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Gesichert ist, dass ab ca. 1400 (Milet V) die Stadt nun eindeutig mykenische Prägung hat. Erhebliche Mengen mykenischer Keramik fanden sich ab 2004 auch in Çine-Tepecik im Mäandergebiet in der Provinz Aydın. In dessen Schicht II,1, die auf etwa 1350 bis 1240 v. Chr. datiert wurde, ließen sich die 'Funde in die späthelladischen Phasen Späthelladikum III B1 bis III C datieren. Unter ihnen findet sich ein Krater mit der Darstellung von Hunden, die einen Hirsch jagen. Zwei Siegelabdrücke tragen hethitische Namen, einer von ihnen nennt einen Enkel des Königs. Insgesamt bestand der Ort von etwa 2000 v. Chr. an, die spätere Siedlung war mit starken, 2,20 m dicken Türmen und Mauern umgeben. Sie dürfte dem mykenischen Einflussbereich zuzuordnen sein.91
Der Hethiterkönig Muršili II. zerstörte das im Westen gelegene „Millawanda“ gegen Ende des 14. Jahrhunderts, das sich an einer anti-hethitischen Koalition einiger westanatolischer Fürstentümer beteiligt hatte. Die Mehrheit der Forscher setzt Millawanda mit Milet gleich und verbindet die Zerstörungsschicht von Milet V mit dem Bericht über die Zerstörung Millawandas. Das folgende Milet VI zeigt deutlich mehr hethitische Elemente. Möglicherweise gelang es Tudhalija IV. (ca. 1240–1215 v. Chr.) den Einfluss Ahhijawas auf die Küstenstädte, der im Laufe des 13. Jahrhunderts wieder gewachsen zu sein scheint, ganz zurückzudrängen. Die Stadtmauer Milets, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts v. Chr. gebaut wurde, zeigt starke Parallelen zu hethitischen Stadtmauern, z. B. der um die hethitische Hauptstadt Hattuša.
Das nördlich von Mira gelegene Šeḫa (das Flussland), zu dem auch die Insel Lazpa (Lesbos) gehörte, unterwarf sich angesichts der Invasionsarmee Muršilis II., nachdem es sich um 1318 v. Chr. erhoben hatte. Als letztes unterwarfen die Hethiter Wiluša, das wahrscheinlich in der Troas lag. Sein letzter König Walmu wurde von Aufständischen oder Angreifern gestürzt, jedoch von Tudhalija IV. wieder eingesetzt.
Die Diskussion um die Zerstörungen und Raubfahrten der Seevölker ist von zahllosen apodiktischen, aber quellenmäßig oder archäologisch nicht ausreichend untermauerten Aussagen gekennzeichnet. Dabei reichen die Deutungen für die offenkundigen, aber zeitlich nicht immer gut einzuordnenden Zerstörungen von innermykenischen Kämpfen über Aufstände bis zu flächendeckenden Zerstörungen großer Schiffsverbände plündernder Völker auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Deren Herkunft ist zudem umstritten. 2017 teilte die Stiftung Luwian Studies mit, dass eine Hieroglypheninschrift übersetzt worden sei, die Hinweise auf die Herkunft der Seevölker gebe. Die luwische Inschrift stamme aus dem Nachlass von James Mellaart. Der Archäologe George Perrot soll sie 1878 in Beyköy im Landkreis İhsaniye kopiert haben, wobei die dortigen Steinblöcke später in das Fundament einer Moschee eingemauert wurden. In der knapp 30 m langen Inschrift werden Kriegszüge des westanatolischen Königreichs Mira geschildert, darunter ein Unternehmen von vier luwischen Herrschern mit 500 Schiffen und 10.000 Kriegern gegen Zypern, Karkemisch und Syrien, das bis an die Grenzen Ägyptens reichte.91d
Auch ist nicht klar, über welche Zeiträume sich die möglichen Völkerbewegungen erstreckten. Sicherlich kann man aber davon ausgehen, dass die gewaltigen Bauwerke den lokalen Bevölkerungen enorme Lasten aufbürdeten, was als eine Ursache für Aufstände, neben der Erschöpfung des Bodens, in Betracht gezogen wurde. Auch schwere Erdbebenschäden in der Argolis weisen auf eine mögliche Ursache hin. In jedem Falle konnte, trotz erkennbarer Bemühungen, die zuvor entfaltete bauliche Pracht nicht wieder entfaltet werden, die in unseren Augen so kennzeichnend für die Hauptpaläste ist.
Jedenfalls herrschte in Pylos „totales Chaos“,92 etwa 90 % der Siedlungen wurden verlassen. In den Augen der Mykener versagten die Götter den Menschen die Hilfe, die Herrscher verloren ihr Prestige und ihre Gefolgschaft, die Schriftlichkeit verlor ihren gesellschaftlichen Halt im Laufe dieser vielleicht zwei Jahrhunderte anhaltenden Kette von Katastrophen. Ob die vergleichsweise kleinen Herrschaften in den Siedlungskammern Griechenlands den Herrschern keine Möglichkeiten boten, ihren Gefolgsleuten ausreichend Land zukommen zu lassen, was ihre Loyalität untergraben haben könnte, ist gleichfalls unklar. Der Brand des Kornspeichers in Mykene, der um 1125 v. Chr. datiert wurde, scheint zum endgültigen Verfall der dortigen Herrschaft geführt zu haben.
Im Zusammenhang mit dem Invasionsmodell wurden verschiedene Ansätze zur Klärung erprobt. So wurde angeführt, dass in Griechenland qualitativ weit hinter die mykenische zurückfallende, „barbarische“ Keramik als Anzeichen für entsprechende Zuwanderungen gelten könne (sogenannte Handgemachte, geglättete Keramik), obwohl diese bereits gegen Ende des Späthelladikums IIIB auftauchte, also vor der Zerstörung der Palastzentren. Daher wird sie auch mit zugewanderten Arbeitern oder Söldnern in Verbindung gebracht. Zudem bestand die mykenische Qualitätsware fort und fand im Dichten Stil und im Figuralstil ihre Fortsetzung. Möglicherweise kam es zu meist unmerklichen Zuwanderungen, die sich womöglich nahtlos im Rahmen der griechischen Kolonisationsbewegung ab der Zeit um 750 v. Chr. fortsetzten.
Diese letzte Phase der ägäischen Bronzezeit, das Späthelladikum IIIC bzw. Spätminoikum IIIC, basiert in ihrer relativen Chronologie auf wenigen, aber sehr klaren Siedlungsstratigraphien.93 So bietet die Unterburg von Tiryns die längste Sequenz. In dessen Westhälfte wurde in den 70er und 80er Jahren eine große Fläche von etwa 20 mal 80 m ausgegraben; es folgten Grabungen am Nordtor. Die Unterburg weist kurz aufeinanderfolgende Zerstörungsereignisse auf, die eine entsprechend genaue Keramiksequenz vom Späthelladikum IIIAi bis zur submykenischen Phase gestatten. Nachpalastzeitliche Siedlungen wurden in den nordwestlichen und nordöstlichen Teilen der die Burg umgebenden Unterstadt entdeckt. Ähnliches gilt für Mykene. In Attika sind die wichtigsten Fundorte die Begräbnisstätten von Perati im Osten und des Kerameikos in Athen, der Typusstätte für die frühe Eisenzeit. In Theben ließ sich nach der Zerstörung des Palastes eine Neubesiedlung im frühen und fortgeschrittenen Späthelladikum IIIC nachweisen. Auch Lefkandi auf Euböa und Pyrgos Livanaton (Kynos) an der Phiotis-Küste sowie das Sanktuar von Kalapodi in seinem Hinterland sind für die Übergangsphase zwischen postpalatialer Kultur und Eisenzeit von Bedeutung, ebenso wie einige Fundstätten im Nordwesten des Peloponnes. In Lefkandi kam es gleichfalls zu einer Neubesiedlung im Späthelladikum IIIC, auch wurde es nach einem neuen Brand wieder aufgebaut und bestand bis Ende von IIIC. In einem der Zerstörungshorizonte fand man Skelette, die schwere Verletzungen aufwiesen, und von denen sich zum Teil erwies, dass sie nur notdürftig, wohl in aller Eile, beigesetzt worden waren.
Auf den Kykladen ist Phylakopi für die Übergangsphase von Bedeutung, ebenso wie Koukounaries auf Paros und Grotta. Auch Chania auf Kreta bietet eine Stätte der Übergangszeit. Auf einer Fläche von 660 m² am Agia Aikaterini-Platz zeigte sich, dass auf einer zerstörten späten späthelladischen IIIB2-Siedlung eine IIIC-Siedlung entstanden war. Knossos bietet wiederum die meisten Funde; im Osten der Insel, am Golf von Ierapetra, wurden mehrere Siedlungsreste untersucht. So bietet das Kastro von Kavousi (60 mal 35 m) ebenfalls eine lange, ununterbrochene Sequenz. Dennoch gibt es bisher keine gesicherte Sequenz für die Insel und auch die Synchronisierung mit den festländischen und kykladischen Sequenzen ist noch nicht gelungen.
Diese Unsicherheit ist im Nordwesten des Landes noch erheblich größer. Allerdings bieten Tells in Makedonien lange Sequenzen. Das gilt etwa für die lokal toumba genannten Siedlungsstätten Ayios Mamas (das urgeschichtliche Olynthus), Assiros, Kastanas sowie Thessaloniki (die Bezeichnung toumba ist irreführend, da sie eine Grabstätte bezeichnet). Doch gehörte das Gebiet kulturell eher zum Balkan, so dass eine Korrelierung mit griechischen Stratigraphien kaum gelingen kann. So war etwa die Masse der dortigen Keramik handgemacht, nicht mit Hilfe der Töpferscheibe. Dennoch weist Makedonien für das 10. und 9. Jahrhundert v. Chr. die vollständigsten Siedlungspläne Griechenlands auf. Mykenische Anlagen in Volos und Dimini sind wohl erst im 12. Jahrhundert zerstört worden.
Das frühe Späthelladikum IIIC wurde traditionell als erste Phase der Nachpalastzeit definiert, doch wurde eine Übergangsphase zwischen IIIC2/frühem IIIC jüngst bestimmt und frühe Palastzerstörungen lassen sich bereits in Phase IIIB fassen. Obwohl die relative Chronologie Griechenlands auf Keramikfunden aufbaut, kommen mit IIIC nun auch Metallfunde in Frage, etwa Fibeln.
Für die absolute Chronologie ist eine Inschrift Ramses' III. im ägyptischen Medinet Habu von Bedeutung, sowie ein in Akkadisch verfasster ägyptischer Brief, der in Ugarit entdeckt wurde. Der Brief wurde von Bay, dem Schatzmeister des Pharaos Siptah versandt. Siptah regierte wohl ab 1197 oder 1194/93. Bay wurde in dessen fünftem Regierungsjahr hingerichtet. Der Brief muss also vor 1193 oder 1190/89 verschickt worden sein. Der Brief warnt vor einem bevorstehenden Angriff auf Ugarit von See her. Nach der Inschrift Ramses' III., die auf 1180, 1177 oder 1176/75 datiert wurde, griff eine Flotte verschiedener Mittelmeervölker auch Ägypten an. In jedem Falle müssen die von der Inschrift erwähnten Zerstörungen von Ugarit (und Amurru) davor stattgefunden haben.
Das frühe Späthelladikum IIIC mit seinen Zerstörungen liegt also zeitlich wohl nach der Zerstörung von Ugarit durch die besagten „Seevölker“, also vor den 1190er/70ern. Die unweit von Ugarit am Meer gelegene Siedlung Ras Ibn Hani wurde etwa zur gleichen Zeit wie Ugarit zerstört. Danach kam es zu einer kurzen Phase der Nachbesiedlung. Aus dieser Phase stammen Keramikfragmente des frühen SH IIIC. Für die Zeit danach verfügen wir über keinerlei übergreifende Daten zwischen den beiden Großräumen. Weder C14-Datierung noch Dendrochronologie helfen hier weiter, da die entsprechende Kurve sehr flach ist und selbst sehr geeignete Fundstücke praktisch überall „passen“. Erste dendrochronologische Daten stammen von der makedonischen Tell-Stätte Assiros Toumba. Es ließ sich ein Einschlagdatum für die Pfosten und Ständer von Phase 2 von ca. 1070 v. Chr. ermitteln, für die früheste Phase 3 etwa zehn Jahre früher. Die Ausgräber schlugen für die Nachpalastphase etwa 1120 v. Chr. vor, was mindestens 50 Jahre und bis 120 Jahre vor den bisherigen Annahmen liegt. Es könnte jedoch durchaus sein, dass - selbst wenn die Ergebnisse zutreffen - die Hölzer allesamt aus einer davor liegenden Phase stammen.
Vermittelt über die italienischen Funde aus der spätesten Bronzezeit (wie etwa die mindestens 5 ha große Siedlung Roca Vecchia in Apulien, die ab dem 17./16. Jahrhundert v. Chr. bestand, Livorno Stagno in der Toskana) gelang eine Synchronisierung mit den entsprechenden Funden an den Schweizer Seen. Trifft diese Kette von Annahmen zu, so endete die submykenische Zeit zwischen 1070 und 1040 v. Chr.
Entgegen den früheren Darstellungen, die sich auf bedeutende Namen wie Homer, Hesiod oder Herodot beriefen, lässt sich eine politische Geschichte nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht mehr schreiben. Früher dominierende Ansätze dieser Art neigten dazu, nur wiederzugeben, welches Bild sich die sehr viel später lebenden Griechen selbst von ihrer eisenzeitlichen Vergangenheit gemacht hatten. Auch die Vorstellung einer vom Orient unabhängigen Sonderentwicklung Griechenlands ist inzwischen unhaltbar geworden, wie schon die vor der Eisenzeit liegenden Epochen zeigen.
Anfang des 20. Jahrhunderts fiel eine zeitliche Lücke zwischen den Palastkulturen und dem Zeitalter Homers auf; diese „Dunklen Jahrhunderte“ dauerten vom 12. bis zum 8. Jahrhundert v. Chr. an. Lange glaubte man, dass die archäologischen Funde in Troja, Mykene oder Knossos bestätigten, was die antiken Autoren und die Bibel behaupteten. So verließ man sich nur allzu ungeprüft auf die Texte der Historiker, insbesondere auf Herodot und Thukydides. Letzterer hatte die Herrscher Kretas als „Hellenen“ bezeichnet, so dass Minos leicht zu einer Art König von Kreta aufsteigen konnte, der darüber hinaus ein Seereich führte. In Mykene seinerseits herrschte Agamemnon, in Pylos Nestor und die Griechen kämpften wegen Helena zehn Jahre lang um Troja.
Die Erklärung für die Klarsichtigkeit Homers, der Jahrhunderte nach seinen Helden lebte, bestand in einer gemutmaßten mündlichen Tradition, denn die Linear-A- und -B-Schriften waren untergegangen. Die Buchstabenschrift wurde andererseits erst im 9./8. Jahrhundert von den Phöniziern übernommen und adaptiert, so dass eine unüberbrückbare Lücke in der schriftlichen Tradition bestand. Parallele Untersuchungen zu anderen oralen Dichtertraditionen, wie sie sich noch in serbischen Heldengesängen des 20. Jahrhunderts zeigten, erwiesen, dass die Poeten zahlreiche Elemente ihrer eigenen Epoche einflochten. So reduzierte man die Erzählungen Homers um die zeitgenössischen Elemente, glaubte aber weiterhin an einen bronzezeitlichen Erinnerungskern. Archäologische Funde bestätigen dies inzwischen.
So kannte Homer den seltsamen Eberzahnhelm, der archäologisch belegt ist, und das auf Euböa entdeckte Grab des Fürsten von Lefkandi bestätigte, dass es auch in dieser als ärmlich eingeschätzten Epoche, dem 10. Jahrhundert v. Chr., reiche Grabausstattungen gab, die der Vorstellung, die man aus Homer von einem Fürsten der Zeit gewinnen konnte, entsprachen. Dabei handelt es sich um die Reste eines über 45 m langen Gebäudes, in dem wohl der „Fürst von Lefkandi“ und seine Frau nebst reichen, auch orientalischen Beigaben bestattet wurden. So setzte sich die Vorstellung in der Forschung weitgehend durch, dass Homer tatsächlich immer noch im Rahmen seiner weitestgehend mündlichen Kultur über Vorstellungen von Kultur und Mentalität derartig weit zurückliegender Vorfahren verfügt haben muss.
Dennoch bleibt es schwierig, Aussagen zu treffen, die über die geringe materielle Überlieferung hinausgehen. Selbst die Wanderungen der griechischen, geschweige denn der vorgriechischen Gruppen genauer zu bestimmen, ist problematisch. Alle diese Gruppen gehören der über 400 Sprachen umfassenden indoeuropäischen Sprachfamilie an. Sicher ist aber nur, dass die Mykener ein altertümliches Griechisch benutzten, das in ihren Tontafeln partiell überliefert ist. Die dialektalen Abweichungen sind offenbar nur gering, auch auf Kreta, was zwar kein Beleg für eine übergreifende Herrschaft ist, aber immerhin für eine Übernahme der mykenischen Verwaltungspraxis und ihrer Begrifflichkeit. Die Sprache, so wurde schon früh angenommen, kam mit Zuwanderern nach Griechenland, doch kulturelle Brüche sind zwar nachweisbar, jedoch nicht ausreichend, um als Beleg für eine massive Zuwanderung unter Verdrängung älterer Populationen gelten zu können - wenn auch die Ausbreitung von Apsidenhäusern, Schaftlochäxten oder Tonankern im Frühhelladikum II und III als Anzeichen hierfür in Erwägung gezogen wurden. Wo schließlich das Frühgriechische im 3. Jahrtausend (?) entstand, ist unklar. Vielleicht sickerten diese Gruppen nach und nach in Griechenland ein. Ältere Mutmaßungen, nach denen um 2000, 1600 und 1200 v. Chr. großflächige Invasionen stattgefunden haben, sind inzwischen obsolet. Eher schon diskutiert wird der Bruch am Ende des Frühhelladikums II um 2300/2200 v. Chr., vielfach in Verbindung mit der Annahme einer nomadischen Kurganpopulation, die über Anatolien oder Makedonien nach Griechenland gewandert sei. Historiker wie Jonathan Hall nehmen aufgrund von Überlegungen zur Verteilung der griechischen Dialekte an, dass es infolge innerer Wirren um 1100 zu einer zeitweiligen Aufgabe der Sesshaftigkeit und einer Renomadisierung gekommen sei.94
Für die Griechen der archaischen und der klassischen Zeit bestand kein Zweifel, dass es alteingesessene Gruppen gab, die von drei griechischen Großgruppen aus vielen Gebieten Griechenlands verdrängt wurden. Doch selbst diese kollektive Erinnerung ist widersprüchlich. So hielten sich die Ionier für autochthon, also für nicht zugewandert, und tatsächlich blieb Attika von den Zerstörungen durch die Seevölker verschont. Vielleicht kaschierten sie damit aber auch nur die Vertreibung der „Pelasger“ aus Attika, die der allgemeinen Überlieferung nach als autochthon galten.95 Dennoch wird meist weiterhin die These vertreten, die Ionier seien schon zu Anfang des 2. Jahrtausends nach Griechenland gekommen. Drei weitere der vier Hauptgruppen, die späteren Äoler, Achäer und Dorer folgten in großen zeitlichen Abständen - so wurde lange vermutet - und vermischten sich später mit den ansässigen, nichtgriechischen „Pelasgern“. Schon in der frühen Überlieferung spielen die beiden Hauptmuster, Verdrängung und Vermischung, eine zentrale Rolle in der Vorstellungswelt. Hinzu kommt das Motiv des Frauenraubs, genauer gesagt der Rache für diesen Raub, der ja auch der Überlieferung nach dem Trojanischen Krieg zugrunde lag.
Herodot schreibt, dass der erste Name Griechenlands Pelasgía gewesen sei (Historien II 56). Er nennt Pelasger als Bewohner von Plakia und Skylake am Hellespont (I 57), erwähnt die Samothraker, die bestimmte Mysterien von den Pelasgern übernommen hatten (II 51), vielleicht auch Dodona (II, 52), sicher aber Lemnos (IV 145) und Imbros (V 26) hält er für pelasgisch - sowie Argos und Arkadien. Thukydides nennt die Bewohner von Lemnos und Imbros „tyrsenische Pelasger“ ((Thukydides IV 109 u.a.), nach Hekataios von Milet waren sie wiederum aus Attika vertriebene Pelasger (auch bei Herodot, Historien, VI 137). Die Bezeichnung „tyrsenische Pelasger“ übertrug Sophokles auf die Pelasger von Argos. Demnach siedelten diese vorgriechischen Gruppen also im Norden Griechenlands und der Ägäis, aber auch auf dem Peloponnes.
Andererseits wurden auch die Etrusker Italiens als Pelasger bezeichnet, in deren Sprache eine Inschrift auf Lemnos96 überliefert ist,97 bzw. die ihrer Sprache sehr nahe verwandt ist. Ob es eine Wanderung dieser Sprachgruppe von Ost nach West oder umgekehrt gab, wird diskutiert, ebenso wie eine anatolische Herkunft der Etrusker, die schon Herodot behauptete, der sie für Lydier hielt, von denen ein Teil über Smyrna westwärts gezogen sei (I, 94). Die Etrusker waren vielleicht aber auch Nachkommen der Seevölker, die demnach überwiegend aus Italien kamen und die Achäer mitzogen, die sie bald in ihrer Tätigkeit überboten.98
Ionische Seeräuber begegnen möglicherweise um 715 v. Chr. in assyrischen Quellen erstmals unter König Sargon II. Dieser berichtet, er habe „Jamanu“ vor der syrischen Küste gefangengenommen, die Kilikien und Tyros bedrohten.99
Die Dorer verdrängten offenbar griechischsprachige Bevölkerungen des Festlands auf die Inseln und nach Westanatolien, so dass bei Beginn der dichteren schriftlichen Überlieferung im Norden Äoler, in der Mitte Ionier und im Süden und auf Kreta Dorer anzutreffen waren. Eine Zuwanderung der Dorer in mehreren Schüben um 1000 v. Chr. wird angenommen. In dieser Zeit kommt deutlich stärker die Brandbestattung auf und in der Vasenmalerei erfolgt der Übergang von der sogenannten submykenischen zur sogenannten protogeometrischen Keramik.
Ob die Gruppen, die im 10. Jahrhundert um Sparta lebten, von Anfang an eine Handlungsgemeinschaft bildeten, ist ungewiss. Vermutlich bewährten sich einzelne Krieger als Führungskräfte, die den Kern einer Oberschicht bildeten. Dabei setzten sich wohl zwei Familien durch, die am Anfang des spartanischen Doppelkönigtums standen. Im Gebiet von Korinth lässt sich zwischen dem 9. und dem 8. Jahrhundert eine wachsende soziale Differenzierung belegen. Aus den Kämpfen innerhalb der sich dort entwickelnden Oberschicht gingen die Bakchiaden als führende Familie hervor. Sie übte ab 748 v. Chr. fast ein ganzes Jahrhundert lang eine oligarchische Herrschaft aus, wobei die Stadt einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erlebte.
Die gängige Einteilung in eine protogeometrische (1050-900), eine geometrische (bis 700) und orientalisierende (bis 620) Epoche sowie eine archaische Phase (bis 480 v. Chr.) spiegeln keine gesellschaftlich-politische Entwicklung sondern Stilformen wider, insbesondere der griechischen Vasenmalerei. Außerdem überlappten sich die Phasen zeitlich, regionale Stile entstanden.
Dennoch sind sie Ausdruck einer gesamtgriechischen Gemeinschaft mit verbindenden Vorstellungen und Idealen. Homer wurde zum Verkünder des Wettbewerbs darum, der Hervorragende unter allen zu sein. Auch Vasenmalereien künden von dieser altertümlichen Welt kriegerischen Ehrgeizes, die vielfach in Gegensatz zur Gerechtigkeit des basileus stand. Fleiß und Geschicklichkeit galten hingegen als Ideale von Handwerkern und Bauern. Auch der kämpferische Ehrgeiz musste kanalisiert werden, so dass - häufig blutige - „sportliche“ Kämpfe und Wettbewerbe vielleicht schon im 9., spätestens jedoch im 8. Jahrhundert in Olympia ausgetragen wurden. Mit einem Sieg dort verband mancher eine Annäherung an die inzwischen mythisch verehrten Helden der Vorzeit.
Auf Ägina fanden sich in Zagora Überreste eines Komplexes, der im Wesentlichen zwischen 760 und 750 v. Chr. entstanden war (spätgeometrisch I). Im 51 m² großen Saal des „Palasts des Stadtfürsten“ befanden sich entlang dreier Wände umlaufende Sitzgelegenheiten in Form von fest angebrachten Bänken, so dass man von einem dauerhaft zu diesem Zweck eingerichteten Beratungsraum ausgeht. Südöstlich des Gebäudes befand sich ein Altar, an dem zu dieser Zeit Rituale unter freiem Himmel durchgeführt wurden, und wo später ein Tempel entstand. Im Osten der Siedlung fand sich eine etwa 140 m lange Mauer, die von Schlucht zu Schlucht reichte und durch die nur ein Tor führte. Auch das Megaron einer kleineren Siedlung bei Emporio auf Chios, das Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. erbaut wurde, entstand zur gleichen Zeit wie die Schutzmauer der dortigen Akropolis. Das Megaron des benachbarten Emporion, das ebenfalls deutlich größer als die üblichen Häuser war, maß 18,25 mal 6,40 m. Und auch dort wurde später ein Altar von einem Tempel überbaut, ähnlich wie auf Ägina. Auch in Koukounaries auf Paros entstand in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts eine Art Ratsgebäude, diesmal von 13,7 m Länge. Dieses war allerdings über einem Apsidenbau des späten 10. Jahrhunderts errichtet worden. Nur 12 m davon entfernt befand sich gleichfalls ein Altar, doch wurde die Siedlung um 650 v. Chr. aufgegeben.
Ähnlich wie in Lefkandi und Nichoria hatten sich also religiöse Zeremonien mit festen Orten neu etabliert, ebenso wie mehr oder minder regelmäßige, in jedem Falle häufige Beratungen. Man darf annehmen, dass zunächst alle männlichen Erwachsenen, dann aber bei Anwachsen der Siedlungen die angesehensten Männer sich versammelten. Doch erlaubten die öffentlichen Rituale weiterhin eine gewisse Partizipation aller Gruppen der immer noch vergleichsweise kleinen Siedlungen. Vielleicht waren es diese Versammlungen, die zugleich Möglichkeiten gesellschaftlichen Aufstiegs, aber auch Abstiegs boten. Die führenden Männer, später basileus genannt, mussten, wenn man der Überlieferung traut, das Volk, den demos, befragen und dieser konnte einen Befehlshaber über die Waffenfähigen berufen. Zeus selbst verlieh den Gemeindeführern die Fähigkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen, der wiederum als Garant einer göttlichen Ordnung für das Volk Sorge trug. Hier kamen möglicherweise altorientalische Vorstellungen von Herrschaft und Gerechtigkeit zum Tragen, die das Bild eines idealen basileus beeinflussten. Homer überliefert ein Verfahren in Ilias 18, 497-508. Auf einem Platz, der Agora, bei der jeder einzelne der Ältesten, der gerontes, in einem Streitfall zu einem Urteil kommen sollte, entschied die Lautstärke der jeweiligen Akklamation durch den demos über den Fall. Dabei ging es bezeichnenderweise um die Frage, ob ein Wergeld als Ausgleich für die Tötung eines Mannes bereits gezahlt worden war oder nicht. Mit derlei Ausgleichszahlungen sollte die Blutrache eingedämmt werden. An anderer Stelle (Odyssee, 12, 439-440) übernahm diese Aufgabe bereits ein Schlichter, so dass sich hierin der Weg zu institutionellen Regelungen der gefährlichen inneren Konflikte bereits anbahnte. Diese Aufgabe fiel den baseileis zu, wie Hesiods Theogonie (85-89) um 700 v. Chr. erweist.
Wahrscheinlich unter ägyptischem Einfluss entstanden, jedoch entgegen älteren Annahmen wohl erst im 7. Jahrhundert, die ersten Ringhallentempel oder Peripteroi, die am weitesten verbreitete Form des griechischen Tempels. Die Grundlage solcher Einflüsse war die Intensivierung der Kontakte in den östlichen Mittelmeerraum. Ein treibendes Motiv war die Suche nach den dortigen Luxusgütern, nach denen eine sich sozial immer stärker differenzierende Gesellschaft und vor allem deren Führungsschicht rief. Dies galt auch für die qualitativ immer höherwertige Keramikproduktion, die sich in der Wahl ihrer Motive an den Bedürfnissen der führenden Gruppen orientierte. So wurden Bestattungsrituale oder Kämpfe, aber auch Kampf- oder musische Agone dargestellt. Die Herrenschicht grenzte sich von den übrigen Freien vor allem durch ihr Verhalten ab, etwa, indem sie sich zu Symposien verabredete, auf denen das Verhältnis zu anderen Orten oder der Wertekodex der eigenen Gruppe erörtert wurde. Andererseits traten sie als Schiedsleute zwischen streitenden Freien auf, die ihrerseits versuchten, wie Hesiod durchblicken lässt, die Herren mittels Gaben auf ihre Seite zu ziehen. Die Bauern ihrerseits fürchteten den gesellschaftlichen Abstieg, wenn sie auch keine Abgaben leisten mussten und von ihren mittelgroßen Höfen leben konnten. Die Theten, die grundbesitzlose, freie Unterklasse, wie Handwerker, Lohnarbeiter oder Händler, wiederum wurden nur beschäftigt und entlohnt, wenn Arbeit vorhanden war. Viele von ihnen werden einen kleinen Hof bewirtschaftet haben.
Mit der Entstehung des griechischen Alphabets im frühen 8. Jahrhundert wurde auch die schriftliche Fixierung der Epen Homers möglich. Diese trugen (vermeintliche) Erinnerungen an ein heroisches Zeitalter in die Gesellschaft, was wiederum zu einer Verehrung der mykenischen Stätten führte, die sich als Relikte der nunmehr als griechisch vereinnahmten Helden der Vergangenheit zunehmender Verehrung erfreuten. Zudem hoffte man auf ihre Unterstützung in einer von unberechenbaren Göttern bevölkerten Welt.
Neben der Führungsgruppe, die sich bald auch überregional verband, bestand die größere Gruppe der Freien. Doch die scharfe Trennungslinie bestand zwischen Freien und Unfreien, eine Gruppe, in die auch die Freien jederzeit durch Raub geraten konnten. Sie standen als Eigentum eines Freien außerhalb der Rechts- und Sozialverbände ihrer Herren. Gewonnen wurden sie vielfach durch Raub, wobei der Sklavenhandel verbreitet war, wo bis dahin die Bewohner der eroberten Gebiete vielfach getötet worden waren.
Zwischen den Freien und Sklaven gab es die Bewohner großer Gebiete, die insgesamt als douloi bezeichnet wurden. Zu ihnen zählten die Heloten Spartas. Sie waren an die Scholle gebunden, durften also ihr Land nicht verlassen, und wurden als zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe der „öffentlichen Sklaven“ angesehen. Sie waren an ihrer Kleidung erkennbar. Ähnliches galt für die Penesten in Thessalien, die allerdings größere Freiheiten genossen und eher Zinsbauern waren, die Klaroten und Mnoiten auf Kreta, die Korynephoroi (Keulenträger) von Argos oder die Gymneten in Sikyon. Die beiden letzteren waren allerdings in klassischer Zeit keine Unfreien sondern Freie geringeren Rechts. Die Penesten, die in dieser Stellung erst ab dem frühen 5. Jahrhundert v. Chr. belegt sind, waren vielleicht Nachfahren der von den Thessaliern unterworfenen Pelasger. Ähnlich wie auf Kreta erfolgte die Zuwanderung wohl in kleinen Gruppen, die über einen sehr langen Zeitraum dortige Gruppen in Unfreiheit zwangen.
Sparta dürfte Südlakonien erst sehr viel später annektiert haben, jedenfalls war das Gebiet in der Zuwanderungsphase zu dünn besiedelt, ebenso wie Sparta selbst. Mitte des 10. Jahrhunderts verbanden sich wohl die vier Dörfer um Sparta, zu denen das 5 km südlich Spartas gelegene Amyklai hinzukam. Vor dem 8. Jahrhundert konnten einzelne Führer bereits Getreue für Raub und Plünderung um sich scharen. Die Bewohner der unterworfenen Gebiete wurden zwar gleichfalls Lakedämonier, doch galten sie als minderberechtigte Periöken, als „Umwohnende“. Andere wurden zu rechtlosen Heloten, die nichts als Abgaben für das Land, das sie bearbeiteten, an die jeweiligen neuen Herren zu liefern hatten. Sie wurden nicht außerhalb Spartas verkauft und waren an die Scholle gebunden.
Anscheinend kam es zu einem langsamen Ansteigen der Bevölkerung, vielleicht um das Doppelte in eineinhalb Jahrhunderten. Dies veranlasste die Siedlungen, die bereits ummauert und von Beratungen gekennzeichnet waren, Organisationsformen zu entwickeln, die bisher unnötig waren. Die führenden Gruppen in den größeren Siedlungen stellten wohl im 8. Jahrhundert bereits eine etablierte Größe dar, so dass aus ihren Kreisen zur Abdeckung bestimmter Funktionen die geeigneten Männer von der Gemeinschaft ausgewählt wurden, etwa um Streit zu schlichten. Aus den entsprechenden Ratsversammlungen und Kriegsgemeinschaften konnten sich dauerhafte Institutionen entwickeln. Dies geschah möglicherweise unter der Einwirkung orientalischer Vorstellungen, die am ehesten durch die Phönizier transportiert worden sein können.
Die Große Rhetra stellt das wohl älteste und umstrittenste Dokument zur griechischen Verfassungsgeschichte dar. Sie ist in die von Plutarch verfasste Biographie Lykurgs, des fiktiven Gründers Spartas, eingebunden. Der vielleicht Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr. anzusetzende Text wird von Plutarch als delphischer Orakelspruch an Lykurg dargeboten (Lyk. 6), der im Kontext der Einrichtung der Gerusia, des Ältestenrats steht. Auch sollte Lykurg Phylen und obai konstituieren. Religiöse und politische Ordnung gingen hier Hand in Hand. Die Phylen bildeten, folgt man dem Dichter Tyrtaios, der militärischen Aufgebotsordnung. So hatte jeder Spartaner einen festen Platz in der Gesellschaft, der Politik und im Aufgebot. Der Ältestenrat stieß eine Entscheidungsfindung an, der aus den beiden Anführern der Königshäuser und den 28 Geronten, die die Gerusia bildeten, bestand. Sie mussten mindestens 60 Jahre alt sein und blieben auf Lebenszeit im Amt. Der damos, die Volksversammlung, wurde unregelmäßig zur akustisch geäußerten Bestätigung der Maßnahmen einberufen, um dann wieder aufgelöst zu werden.
Die Einsetzung von Magistraten erfolgte in Griechenland in einem weiten zeitlichen Rahmen. Als Kylon um 630 v. Chr. mit einer Truppe die Herrschaft in Athen zu gewinnen versuchte, gab es bereits das eponyme Archontat - ausgefüllt von Megakles aus dem Geschlecht der Alkmaioniden -, das höchste athenische Amt. Megakles ließ die Männer Kylons töten, wofür er später verbannt wurde.100 Nach dem Amt wurde das Jahr benannt; neben ihm gab es an Archonten noch den Basileus und den Archon polemarchos. Ersterer hatte vor allem sakrale Funktionen, letzterer führte das Aufgebot.
Die brutalen Machtkämpfe und die Gefahr der Blutrache boten um 620 v. Chr. den Anlass zu einer Gesetzes- und Verfassungsänderung, die mit dem Namen Drakon verbunden ist. Diese unterschied zwischen Notwehr sowie vorsätzlicher und unbeabsichtigter Tötung. Sie sah aber vor allem den Verweis der jeweiligen Straffälle an Gerichtshöfe vor, die auf das Vergehen spezialisiert waren. Nur die Bestimmungen zur unbeabsichtigten Tötung, zur Tötung „ohne Vorbedacht“, sind in einer Inschrift von 409/408 überliefert. Selbst in diesem Falle hatte der Täter Attika sofort zu verlassen, wohl um ihn der Blutrache zu entziehen. 51 Epheten - eine Einrichtung, die vielleicht schon vor Drakon bestand - befanden darüber, ob die Tat ohne Absicht geschehen war. Am Verfahren nahmen vielleicht die vier Vorsteher der altattischen Phylen, die Phylobasileis teil, dazu der sakrale (Archon) Basileus, wie die basileis, die auch das Urteil verkündeten. Stimmten die Verwandten des Opfers ausnahmslos für eine Aussöhnung, so zahlte der Täter ein Wergeld. Für alle freien Athener, die Mitglied einer Phratrie waren, bestand damit Rechtsgleichheit. Zudem wurden kultische, richterliche und politische Aufgaben erstmals erkennbar getrennt und Ämtern zugewiesen. So fällten die Thesmotheten das Urteil nach überliefertem Gewohnheitsrecht, während der Archon für Familien- und Erbrecht, der Polemarchos im Fremdenrecht und der Basileus im Blutrecht zuständig wurde. Außerdem waren nun tamiai für die Verwahrung des Tempelschatzes der Athene zuständig, Elfmänner fungierten als gerichtliche Exekutive, kolakretai als Empfänger und Verwalter von Abgaben an die Polis.
Auch andere Poleis richteten entsprechende Institutionen ein, wie die Prytanen. In Athen amtierten nach den Kleisthenischen Reformen, die Athen in zehn Phylen einteilten, die fünfzig Ratsmitglieder einer Phyle jeweils für 35 oder 36 Tage als Prytanen, bevor sie von einer anderen Phyle abgelöst wurden. Ihr Amtssitz war das Leiton (Volkshaus), das später Prytaneion genannt wurde. Hier befand sich der heilige Staatsherd zu Ehren der Göttin Hestia, dessen Feuer die Prytanen stets am Brennen halten mussten. Weitere Aufgaben der Prytanen war der Empfang und die Bewirtung von fremden Boten und von Ehrenbürgern und die Beratung bei Kriegshandlungen.101 Im archaischen Attika bildeten die Demiurgen neben den Bauern und den Adligen einen der drei Bürgerstände, doch gilt diese Gliederung nicht als zuverlässig überliefert. Vor allem dort, wo der ionische Dialekt überliefert ist, sind zudem temouchoi bekannt. In Phokaia bestand dieses Amt wohl bereits vor 600 v. Chr., denn das um diese Zeit gegründete Massalia, das heutige Marseille, bezeichnete seine drei Oberbeamten sowie alle 600 Mitglieder des Synhedrion, des beschlussfassenden Organs, dazu die 15 Männer in dessen geschäftsführendem Ausschuss als temouchoi. Auch Olbia und Sinope, Kolonien von Milet, übernahmen wohl von der Mutterstadt diese Bezeichnung, in diesem Fall sogar als Oberbegriff für alle behördenartigen Einrichtungen. Selbst in Sparta wurden die beiden Königshäuser am Ende in die Polisverfassung eingebunden, der Ehrgeiz der Adelsclans auf prestigeträchtige, aber zeitlich befristete Ämter kanalisiert. Dabei spielten mitunter recht große Ratsgremien eine wichtige Rolle, die Neumitglieder über Akklamation oder Selbstergänzung erhielten.
Dies konnte jedoch nicht immer verhindern, dass sich Einzelne eine königsgleiche Stellung erkämpften, wie um 650 v. Chr. in Korinth oder Sikyon. Doch gelang diesen als Tyrannen bezeichneten Männern keine Dynastiegründung. So wurden sie zu einem der wichtigsten Unruhefaktoren.
Die sogenannte griechische Kolonisation war weder eine gemeinsame Unternehmung der griechischen Städte noch wurden die Neugründungen als abhängig betrachtet. In Alt-Smyrna fand sich um 1050 v. Chr. eine kleine Schar von Griechen, die sich mit den Ortsansässigen zu arrangieren hatte. Auch die Neugründung Megara Hyblaea, das Ende des 8. Jahrhunderts auf Sizilien entstand, bestand nur aus wenigen verstreuten Häusern. Nur in Pithekussai auf Capri entstand vor 750 v. Chr. eine regelrechte Pflanzstadt Euböas, die rasch wirtschaftlich expandierte, wo auch Phönizier lebten und die bald den engen Rahmen der Insel sprengte. Die dortigen Siedler unterhielten weiterhin Kontakte nach Griechenland, aber auch mit Karthago und sie gründeten um 750 v. Chr. Kyme. Sie galt als apoikia von Chalkis, von wo aus weitere Siedlungen wie Zankle und Rhegion an der Straße von Messina entstanden. Um 600 v. Chr. wurde von Pithekussai aus Neapolis gegründet, das heutige Neapel. Auf Chalkidier und Gründer von Naxos geht die Entstehung der ersten apoikia auf Sizilien zurück, nämlich von Naxos. Ähnliches wie für Pithekussai gilt für Al Mina in Syrien, wo griechische Keramik ab etwa 800 v. Chr. einsetzt. Dort fanden sich auch größere Speicher. Im Nordosten reichte die Kolonisation bis in den Raum nördlich des Schwarzen Meeres. So gründete Miliet die Stadt Pantikapaion (Kertsch), der späteren Hauptstadt des Bosporanischen Reiches.
Der Legende nach gründeten Korinther 733 v. Chr. Syrakus, wobei die erste Siedlung Korinths auf Ortygia, einer vorgelagerten Insel entstanden war. Vielleicht hatten die Gründer von Syrakus sich gegen den Herrschaftsanspruch der korinthischen Bakchiaden aufgelehnt und hatten sich gezwungen gesehen, die Stadt zu verlassen. Durch Syrakusaner entstanden weitere Gründungen, wie Akrai, Kasmenai und Kamarina. Daneben beteiligte sich Rhodos, das Gela gründete. Dieses wiederum gründete um 690 v. Chr. Akragas, das spätere Agrigent.
Eine der wichtigsten apoikiai wurde Massalia an der Rhonemündung, das Auswanderer aus dem kleinasiatischen Phokaia um 600 v. Chr. gründeten. Diese weit ausgreifenden Kolonien dienten der Sicherung von Handelswegen weit über das östliche Mittelmeer hinaus, etwa zum britischen Zinn. Dies galt auch für Alalia auf Korsika - ebenfalls eine Gründung Phokaias um 565 v. Chr. - oder Emporion auf der iberischen Halbinsel, für Nikaia-Nizza oder Monoikos-Monaco. Diese zweite, intensivere Welle der Kolonisierung ging auf die Expansion des Perserreiches zurück, so dass 545 v. Chr. erneut Phokaier in Alalia landeten. Die Handelsmacht der Neuankömmlinge rief jedoch den Widerstand der Etrusker und Karthager hervor, so dass die Siedler nach einer Niederlage Alalia aufgeben und sich nach Elea auf dem italienischen Festland, genauer in Kampanien, zurückziehen mussten.
Entlang der Ostküste der Adria entstanden gleichfalls apoikiai, wie etwa von Eretria aus Kerkyra auf Korfu um 750 v. Chr. Doch Korinth setzte seinen Herrschaftsanspruch auf die Insel 15 Jahre später durch. Kypselos, der die Bakchiaden in Korinth vertrieben hatte, ließ auch Besiedlungszüge auf die Insel Leukas und in Anaktorium am Golf von Ambrakia organisieren.
Eine ganz andere Richtung nahm die Insel Thira, von wo aus im heutigen Libyen um 631 v. Chr. die Kolonie Kyrene entstand. Innere Konflikte in der ansonsten militärisch erfolgreichen Kolonie löste erst eine Phylenorganisation. Vermutlich diente die Abwanderung nach Nordafrika ebenso der Lösung innerer Konflikte, wie die Gründung von Tarent durch Sparta.
Doch auch in der Ägäis entstanden Kolonien. Von Chalkis aus wurden auf der Chalkidike apoikiai gegründet, wie Methone, Mende und Torone Mitte des 7. Jahrhunderts. Von Megara aus wurden am Marmarameer Astakos und Selymbria vor Ende des 8. Jahrhunderts gegründet, dazu Byzantion und Chalkedon am Bosporus im 7. Jahrhundert sowie Herakleia am Südufer des Schwarzen Meeres um 560 v. Chr. In Byzantion fanden sich auch Flüchtlinge aus Arkadien, Korinth und Böotien ein, und in Herakleia aus verschiedenen Orten Böotiens. Die Führungsrolle in diesem Raum übernahm dabei Milet. Schon Mitte des 8. Jahrhunderts waren Sinope und Trapezunt entstanden; hinzu kamen Abydos, Istros, Olbia und Pantikapaion.
Insgesamt entstanden etwa 200 bis 230 Kolonien. Die wichtigsten Mutterstädte waren Chalkis, Korinth, Eretria, Megara, Milet und Phokaia. Einige apoikiai erreichten beachtliche Einwohnerzahlen, wie etwa Akragas mit 80.000 oder Sybaris mit 100.000 Einwohnern.102 Einfache Erklärungen für diese Expansion, wie man sie früher bevorzugte, wie Landnot und wirtschaftliche Bedürfnisse, werden inzwischen durch konkretere, auf den jeweiligen Einzelfall gemünzte Untersuchungen erweitert. So diente die Kolonisierung nicht nur Flüchtlingen vor Tyrannen als Vehikel, sondern diese selbst gründeten zur Sicherung ihrer Macht eigene Kolonien, wie im Falle von Korinth. Diese Motive wiederum lassen eine Unterscheidung zwischen apoikiai und Handelsemporien in nur wenigen Fällen zu. Ein Emporion stellte sicherlich Naukratis im westlichen Nildelta dar, doch sind die Quellen zur Gründung widersprüchlich. Nach Strabon besiegten 30 milesische Schiffe zur Zeit von Pharao Psammetich I. den Feldherrn Inaros I. (um 665 v. Chr.) und gründeten daraufhin die Stadt Naukratis.103 Nach Herodot landeten hingegen Ionier und Karer an der Küste. Psammetich verbündete sich mit ihnen. Als Dank für den gemeinsamen Sieg gab er ihnen in der Nähe der Stadt Bubastis (etwa 100 km östlich von Naukratis) Land zum Siedeln. Der Ort wurde Stratopeda (Heerlager) genannt.104 Unter Pharao Amasis (570-526 v. Chr.) war Naukratis der einzige Ort in Ägypten, über den Waren aus Griechenland importiert werden durften.105 Die Griechen wurden dabei so zahlreich, dass es sogar zu Animositäten kam, die Psammetichs Sohn und Nachfolger Necho II. zwangen, sie zeitweise abzuziehen. Unter dessen Nachfolger Apries (589-570 v. Chr.) kam es auf Elephantine sogar zu einem Aufstand der griechischen Söldner.
Weiterhin gestattete Amasis den Griechen die Errichtung von Heiligtümern. Zudem lässt sich bei allen Herrschern der 26. Dynastie eine starke Anlehnung an die griechischen Stadtstaaten feststellen, wenn auch unter Pharao Apries der Versuch einer Loslösung von den Griechen erkennbar ist, die das Heer dominierten. Herodot (2.177.1) meinte, es sei überliefert, dass niemals zuvor solcher Reichtum in Ägypten herrschte, und dass 20.000 Städte im Reich bestanden hätten. Vielfach waren die Händler wiederum Griechen.
Männer wie Peisistratos von Athen oder Kypselos von Korinth zerstörten mit rücksichtsloser Gewalt das noch in den Anfängen steckende System wechselseitiger Machtkontrolle der Poleis, an der viele Einzelne teilhatten. Andererseits waren es die noch recht jungen Ämter, die Ehrgeizigen neue Aufstiegsmöglichkeiten boten, die in der oligarchischen Gesellschaft bis dahin kaum bestanden hatten. Die Tyrannen selbst - diese Bezeichnung geht vielleicht auf die Bezeichnung des Lyderkönigs Gyges zurück - sahen sich als basileus oder monarchos und damit nicht als Putschisten. Sie konnten sich nur in zwei bis drei Dutzend Poleis durchsetzen. Ihre Anhänger bestanden aus Gruppen, die als Hetairien agierten, jedoch noch keine Hoplitenrüstungen oder Teile davon besaßen. In den Augen ihrer Gegner standen die Tyrannen außerhalb der göttlichen Ordnung. Nur an wenigen Orten lässt sich die Entwicklung der Tyrannis angesichts der wenigen, verzerrenden, von Rückprojektionen gekennzeichneten Darstellungen aus späterer Zeit rekonstruieren. Kaum etwas wissen wir etwa über die Tyrannen von Epidauros, Kephallenia, Naxos (Lygdamis bis 525/24 v. Chr.), Samos (Polykrates), Chios, Kos (Skythes, Kadmos), Byzantion oder Phokaia. Wie Skythes' und Kadmos' Aktivitätsfelder belegen, agierten diese Männer um 500 v. Chr. bereits auf einer Ebene, die von Sizilien bis weit nach Persien reichte.
Besonderheiten sind die Tyrannen von Miltiades dem Älteren und dem Jüngeren auf der thrakischen Chersones und der Peisistratiden von Sigeion. Miltiades d.Ä. war (wohl vor 560 v. Chr.) von Thrakern um Hilfe gegen ihre Nachbarn gebeten worden, woraufhin der Athener mit einem starken Heer dort erschien und zum Tyrannen gemacht wurde (Herodot 6,36,1). Sein Sohn Miltiades (d.J.) folgte ihm nach und nahm 513 v. Chr. am Skythenfeldzug des Perserkönigs teil. Er holte athenische Siedler nach Lemnos, das kurz zuvor von Persern besetzt worden war. 493 v. Chr. musste er nach Athen fliehen, da der Hof seine Eigenmächtigkeiten nicht länger duldete. In Athen musste er sich rechtfertigen, da man ihm vorwarf, als Tyrann über Griechen geherrscht zu haben.
Für Solon bestand die Gefahr, dass die Bauern von einzelnen Führern, die die Macht monopolisierten, noch mehr ausgenutzt, ja, dass die Bauern nur als Streitmasse für die Kämpfe auf der obersten Gesellschaftsebene missbraucht würden. Die größte Gefahr sah er aber in den ständigen Kämpfen innerhalb der Führungsschicht. Zugleich wurde die griechische Welt der Lokalherrschaften im Osten zunehmend von Großreichen bedrängt, zunächst der Lyder, dann aber vor allem der Perser. Auf Chios, wo es anscheinend eine Volksversammlung neben einer Adelsversammlung gab, lancierten die Perser einen Tyrannen, der während des Ionischen Aufstandes (500/499 v. Chr.) vertrieben wurde. Erneut von den Persern eingesetzt, wurde er nach der Niederlage der Perser am Mykale-Gebirge (479 v. Chr.) endgültig vertrieben.
Der erfolgreichste Tyrann war zunächst Kypselos von Korinth. Folgt man Diodor (7.9), dann wählten die Korinther alljährlich einen prytanis. Die herrschende Gruppe von ranghohen Familien stellten die etwa 200 Bakchiaden dar, die von sich behaupteten, die Stadt, die es zu dieser Zeit wohl noch nicht gab, seit etwa 750 v. Chr. zu beherrschen. Kypselos, der nur über die Mutter mit ihnen verwandt war, gelang der Aufstieg in ihren Kreis und schließlich der Umsturz. Viele der späteren Behauptungen über ihn, etwa, er habe sich mit den Bauern verbündet, entsprechen eher den Beurteilungskriterien späterer Tyrannenherrschaften. Jedenfalls folgte ihm nach 30 Jahren, in denen auch mehrere Koloniegründungen erfolgt waren, sein Sohn Periandros. Im Gegensatz zu seinem Vater musste er sich mit einer Leibwache umgeben und unterdrückte den aristokratischen Widerstand, andererseits versuchte er sich als Dichter und galt als einer der Sieben Weisen. Eindruck hinterließ sein Schiedsspruch im Streit zwischen Athen und Mytilene um den wichtigen Hafen Sigeion; auch versuchte er übertriebenen Luxus einzuschränken. Von seinen Kriegszügen ist nur der gegen seinen Schwiegervater Prokles von Epidauros sicher belegt. Durch die Gründung von Poteidaia setzte er die Koloniegründungen fort, es ist allerdings unklar, ob er oder bereits sein Vater einen Aufstand der geflohenen Bakchiaden auf Kerkyra unterdrückte. Als Periandros nach vier Jahrzehnten starb, folgte ihm sein Neffe Psammetichos, denn seine Söhne lebten nicht mehr. Er wurde von den Aristokraten bereits nach drei Jahren 583/82 v. Chr. gestürzt.
In Sikyon war es Orthagoras, der 656/55 v. Chr. die Macht an sich riss. Die Herrschaft der Orthagoriden dauerte angeblich ein Jahrhundert an. Kleisthenes, der um 600 bis 570 v. Chr. die Macht innehatte, gab seine Tochter Agariste dem Athener Megakles zur Frau (Herodot, Historien, 6, 126 ff.). Durch das Paar wurde Kleisthenes von Sikyon zum Großvater des gleichnamigen Athener Reformers Kleisthenes. Nach Herodot soll er den drei dorischen Phylen entehrende Namen gegeben haben, während sich sein Machtanspruch im Namen Archelaoi widergespiegelt haben soll (5,68). Inzwischen neigt die Forschung dazu anzunehmen, dass in Wirklichkeit die Namen keineswegs entehrend waren, sondern verballhornt auf ältere Ortsnamen verweisen, und dass Archelaoi auf Archelaos zurückgeht, den Sohn des Gründers der Temenidendynastie in Argos. Er war zudem legendärer Gründer von Aigai in Zentralmakedonien. Überliefert sind auch hier brutale Machtkämpfe innerhalb der Familie. Sein Nachfolger Aischines wurde - angeblich mit Hilfe Spartas - gestürzt, womit die aristokratischen Familien wieder an die Macht zurückkehrten.
Noch spärlicher sind die Quellen zur Tyrannis des Theagenes von Megara, der um und nach 640 v. Chr. herrschte. Aristoteles nannte ihn einen Feind der Reichen, auch dies eine Rückprojektion der Verhältnisse zu Zeiten des Philosophen. Seinem Schwiegersohn Kylon stellte er Männer für einen Putsch in Athen zur Verfügung. Nachdem dieser Putschversuch gescheitert war, konnte sich auch Theagenes mit seinen Gefolgsleuten nicht mehr lange halten.
Auch hier war es angeblich die Arroganz der herrschenden Familie, der Penthiliden, die zur Tyrannis führte. Dort gelangte zunächst ein Melanchros an die Macht, wurde aber bald von Pittakos und den Brüdern des Dichters Alkaios gestürzt. Doch die Machtkämpfe gingen weiter, so dass ein Myrsilos zum Stadtherrn wurde und seine Gegner ins Exil trieb. Pittakos wurde schließlich nach dem Ableben des Myrsilos von einer Aristokratenversammlung zum Aisymneten bestellt, zum „Versöhner“. Alkaios betrachtete ihn jedoch als gewählten Tyrannen und musste erneut ins Exil gehen. Deutlich wird, dass die Volksversammlung zunehmend zum Mittel wurde, um außer Kontrolle geratene Konflikte innerhalb der Herrenschicht zu beenden. Pittakos trat dementsprechend nach einem Jahrzehnt von seinem geradezu monarchischen Amt zurück.
Die Tyrannis auf Samos ist mit Polykrates (ca. 538 bis 522 v. Chr.) verbunden. Die Führungsschicht der Insel suchte auch auf das angrenzende Festland zu expandieren. Dabei erlitt sie Ende des 7. Jahrhunderts allerdings eine Niederlage gegen Priene. Dennoch gründete man Kolonien auf den Kykladen in Amorgos und um 602 v. Chr. in Perinthos am Marmarameer. Ein Syloson (d.Ä.), der eigentlich die Bevölkerung der Stadt während einer rituellen Feier schützen sollte, schwang sich zum Herrscher der Stadt auf. Doch nach seinem Tod regierten wieder die alteingesessenen Grundherren. 538/37 wurde das Fest zu Ehren der Hera erneut zu einem Putsch genutzt, der drei Jahre lang drei Männer zu Stadtherren machte. Doch Polykrates ließ seinen Mitstreiter Pantagnotos ermorden, während sein anderer Mitstreiter Syloson (d.J.) zu den Persern fliehen konnte (Herodot 3,39). Als Polykrates dem Perserkönig eine Flotte zur Verfügung stellen wollte, rebellierte die Mannschaft, musste jedoch nach einer Niederlage gegen die übrige Bevölkerung von Samos nach Sparta fliehen. Das Regime basierte daneben auf Söldnern, die überwiegend aus Erträgen der Piraterie entlohnt wurden. Auch den Samiern, den Vermögenden zumindest, bot er Möglichkeiten, sich zu bereichern. Als Oroites, der Satrap von Sardis, glaubte, sich unabhängig machen zu können, da der Perserkönig in Ägypten beschäftigt war, lockte er den Tyrannen 522 v. Chr. in eine Falle und ließ ihn kreuzigen (Herodot 3.125). Sein Stellvertreter Maiandrios okkupierte die Macht. Er musste fliehen gleichfalls nach Sparta fliehen, als persische Truppen anrückten - er führte genug goldenes und silbernes Tafelgeschirr mit sich, um einen Versuch zu unternehmen, Kleomenes I. damit zu bestechen. Die weitere Entwicklung im Kampf mit den Persern ähnelte der auf Chios.
Auch in Milet ging die Tyrannis auf Machtkämpfe zwischen den führenden Familien zurück, doch erst die Nähe des persischen Großreiches verlieh ihr Dauerhaftigkeit. Dies hing mit dem Skythenfeldzug Dareios' I. zusammen, in dem Hystiaios von Milet bei der Anlage einer Brücke über die Donau eine wichtige Rolle spielte. Zum Dank schenkte ihm der Großkönig die Siedlung Myrkinos in Thrakien, das die Perser besetzt hatten, doch wurde er an den Hof nach Sardes berufen. Sein Nachfolger in Milet wurde Aristagoras, sein Schwiegersohn. Er versuchte vergeblich, sich durch die Rückgewinnung der Insel Naxos, die sich von Persien losgesagt hatte, Verdienste zu erwerben. Um einer persischen Bestrafung zuvorzukommen, plante er 500 v. Chr. den Ionischen Aufstand und einen Feldzug gegen die persische Metropole Susa. Diese Pläne, die im Einvernehmen mit dem Demos Milets in Angriff genommen wurden, scheiterten jedoch; auch wurde Histiaios vom Satrapen und jüngerer Bruder des Großkönigs Artaphernes hingerichtet. Der Aufstand wurde von einem Heer unter Harpagos niedergeschlagen und die kleinasiatischen Griechenstädte zurückerobert.
Auch in Ephesos entstand eine Tyrannis vor der persischen Okkupation. Um 600 wurden dort die Basiliden gestürzt. Zwar kehrten sie im 2. Viertel des 6. Jahrhunderts zurück, doch galt ihre Herrschaft nunmehr selbst als Tyrannis. Der Lyderkönig Krösus vertrieb die Basiliden, doch etablierte sich erneut eine Tyrannis.
Athen ragte lange weder politisch noch ökonomisch, weder ideologisch noch im Zusammenhang mit der Kolonisation unter den griechischen Poleis hervor. Im Gegenteil spitzten sich zu Anfang des 6. Jahrhunderts auch hier die gesellschaftlichen Konflikte und die ökonomische Spaltung sowie die Entrechtung und der gesellschaftliche Abstieg vieler Bürger derartig zu, dass der Weg in die Tyrannis gleichfalls eine zeitweilige Lösung für die Stadt am Rande des Bürgerkriegs hätte bieten können. Zwar schlug die Stadt diesen Weg am Ende tatsächlich ein, doch einer der bedeutendsten Reformatoren legte zuvor die Grundlagen für die spätere eigenwillige, als „demokratisch“ bezeichnete Entwicklung. Diese Reformen des Solon fanden ihre Fortsetzung in denen des Kleisthenes.
Als Reformer und Gesetzgeber gelang es Solon mit einer politischen und ökonomischen Neuordnung, den drohenden Bürgerkrieg in Athen abzuwenden.106 Zentrale Merkmale des von ihm vermittelten Politikverständnisses waren zum einen Verbot, Rückabwicklung und Ächtung der Schuldsklaverei, dann Mitverantwortung und Einsatz jedes einzelnen Bürgers für die gerechte Ordnung (Eunomie) sowie die dauerhafte Bindung der Gesamtbürgerschaft an die Herrschaft eines schriftlich fixierten Gesetzeswerks. Statt seine herausgehobene Stellung als Neuordner und Gesetzgeber der Athener mit dem Streben nach Tyrannis zu verbinden, wie es seine Mitbürger teils von ihm erwarteten, baute er auf Gesetzesherrschaft. Er verließ seine Heimatstadt nach Vollendung des Reformwerks für lange Zeit. Zwar, so räsonierte er, hätte ihm Alleinherrschaft unermesslichen Reichtum verschaffen können; dann aber hätte er sich und mit sich auch seine Ahnen und Nachfahren der Ächtung durch die Athener ausgesetzt.107
Zu dieser Zeit besaß Athen nur einen im Osten Attikas gelegenen, eher unbedeutenden Seehafen. Daher war die von Solon betriebene Besetzung der Insel Salamis, die die Megarer in ihrem Besitz hatten, von großer Bedeutung. Die Entscheidung zugunsten Athens fiel möglicherweise erst im zweiten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. unter erheblicher Mitwirkung von Solons entferntem Verwandten Peisistratos.108 Das von Herodot als noch zu seiner Zeit gültig bezeugte Gesetz gegen Untätigkeit und Müßiggang (Historien 2.177) erweist Solons Bestreben, die Bürgerschaft ökonomisch stärker zu aktivieren.109
Auf der ideologischen Ebene war ein weiterer Vorgang von größter Bedeutung: Die delphischen Priester hatten um Hilfe gegen die Kirrhäer ersucht, die den Zugang zum Heiligtum kontrollierten und von den Besuchern hohe Abgaben verlangten. Athen und andere dem Orakel nahestehende Poleis erklärten den Kirrhäern im Namen der Delphischen Amphytionie den „Heiligen Krieg“, an dessen Ende die Zerstörung Kirrhas stand.110 In Bezug auf Fragen der politischen Ordnung könnte Solon dabei die Rolle eines Vorreiters gespielt haben.111
Hinweise auf die Kernvorstellungen Solons ergeben sich aus den Fragmenten seiner Elegien.112 Sie wurden einer weitgehend mündlichen Face-to-Face-Gesellschaft öffentlich vorgetragen.113 Darin wurde erstmals das Bild eines durch Gesetze gerecht geordneten und von der Mitwirkung der Bürger getragenen Gemeinwesens entworfen. Die gemeinschaftsbildende Bezeichnung „unsere Polis“ ist zuerst bei ihm zu finden.114 Solon glaubte, einen gerechten Zustand in der Vergangenheit wiederherstellen zu können.
Die Ursachen einer Verschuldungskrise bei Teilen der Bürgerschaft wurden in einem unter herrschenden adligen Großgrundbesitzerkreisen verbreiteten, rücksichtslosen Gewinnstreben auf Kosten der Kleinbauernschaft gesehen. Dabei war es dem Reichen möglich, einen bei ihm verschuldeten, zahlungsunfähigen Mitbürger zu seinem Schuldsklaven zu machen und ihn sogar nach außerhalb Athens zu verkaufen. Dies löste Forderungen nach gleichem Landbesitz (Isomoria) für alle attischen Bürger aus. Das stellte aber seinerseits die Grundfesten der Sozialordnung in Frage, sodass Solons Berufung zum Schlichter auch von nicht wenigen in der traditionellen Führungsschicht unterstützt wurde.115 Die durch Solon angestrebte Eunomie lässt sich für Michael Stahl nicht als Zustandsbeschreibung begreifen, sondern als Verkörperung eines durch die Tätigkeit der Bürger gespeisten Prozesses mit dem Ziel, die Verhältnisse im eigenen Gemeinwesen in Ordnung zu bringen und bestmöglich zu entwickeln.116
Im Bereich der politischen Institutionen schuf er als Gegengewicht zur Adelsvertretung im Areopag einen Rat der 400. Die von ihm eingesetzten Volksgerichte brachten neue Beteiligungsmöglichkeiten und Mitverantwortlichkeiten für breitere Bürgerschichten. Mit der Einführung der Popularklage war jeder Bürger berechtigt und angehalten, Verstöße gegen die Polisordnung zur Anklage zu bringen. Den Einsatz aller Bürger für wichtige Belange des Gemeinwesens forderte auch das Stasisgesetz, das bei Aufruhr der Bürgerschaft jeden verpflichtete, für eine der Konfliktseiten Partei zu ergreifen. Der solonische Ursprung dieses Gesetzes wird in der neueren Forschung allerdings vorwiegend bezweifelt. Zu Solons Poliskonzept passt, was der Historiker Thukydides später seinen Zeitgenossen Perikles über Athen sagen lässt: „Bei uns nämlich heißt einer, der dem (Politischen) gänzlich fern steht, nicht ‚ungeschäftig’, sondern ‚unnütz’...“117
Mortimer Chambers führt eine Reihe von Gründen an, die dafür sprechen, Solons Reformwerk später als üblich zu datieren, darunter anarchische Zustände in Athen 590 und 586 sowie das „lange Archontat“ des Damasias 582–580 v. Chr. Er sieht darin Indizien einer Krise, die einer außerordentlichen Gesetzgebung vorangegangen sein könnten. Dabei habe auch Kleisthenes seine Reform lange nach dem eigenen Archontat auf den Weg gebracht. Chambers schlägt für die solonischen Reformen unter Heranziehung weiterer Gesichtspunkte den Zeitraum zwischen 575 und 570 v. Chr. vor.118
Dabei schwebte Solon keine materielle Gleichheit der Bürger vor. Während diejenigen Bürger, die sich keine Hoplitenrüstung leisten konnten, zur Klasse der Theten zählten, bildeten die in der Phalanx kämpfenden Hopliten die Klasse der Zeugiten (ab ca. 200 Scheffel Jahreseinkommen). Wer ein Pferd zu halten und für den Kampf zu rüsten in der Lage war, gehörte in die Klasse der Hippeis (ab ca. 300 Scheffel). Wem ein noch höheres Einkommen zur Verfügung stand, der genoss die Vorrechte der eigens so bezeichneten Fünfhundertscheffler (Pentakosiomedimnoi).119 Dabei konnten nur Fünfhundertscheffler Schatzmeister (Tamiai) werden (denn an ihrem Vermögen konnte sich die Polis schadlos halten); und auch andere wichtige Ämter wie das Archontat blieben den beiden oberen Vermögensklassen vorbehalten.120
Solons Reisen führten ihn auch nach Ägypten, wo er vielleicht nicht zum ersten Mal weilte, wie Herodot nahelegt. Er weist auf ein Gesetz des Pharaos Amasis hin, das Solon übernommen haben soll: „Amasis gab den Ägyptern auch folgendes Gesetz: Jeder Ägypter muß jedes Jahr dem Verwalter des Gaues angeben, wovon er lebt, und wer das nicht tut und keine rechtmäßigen Einkünfte nachweist, wird mit dem Tod bestraft. Solon aus Athen hat dieses Gesetz von den Ägyptern übernommen und in Athen eingeführt.“121 Nach Athen zurückgekehrt, suchte Solon vergeblich den wieder aufgebrochenen Auseinandersetzungen entgegenzuwirken und der sich anbahnenden Peisistratiden-Tyrannis Widerstand zu leisten. Solon starb 560 v. Chr. oder bald danach.
Großer Dank war ihm für sein Wirken in seinen Augen nicht beschieden:
„Hohles dachten sie sich damals, jetzt jedoch über mich erbittert / schauen sie mich alle schief an, wie man einen Feind anschaut. / Nicht zu Recht! Denn was ich gesagt, habe ich mit den Göttern vollendet, / weiteres aber tat ich nicht – es wäre aussichtslos gewesen – und es gefällt mir nicht mit der Alleinherrschaft / Machtgewalt etwas zu tun, auch nicht daß am fetten Lande, / dem Vaterland, mit den Schlechten die Edlen gleichen Anteil haben.122“
Auch Solon wurde unter die sieben Weisen Griechenlands gezählt, bei Platon galt er sogar als „Weisester der Sieben“.123
Karl-Wilhelm Welwei sieht in der Anhängerschaft des Peisistratos, der bis zu seinem Tod 528/27 v. Chr. Athen beherrschte, eher temporäre Interessengemeinschaften. Peisistratos habe bei der Sammlung seiner Anhängerschaft aber zumindest zeitweilig ein zahlenmäßiges Übergewicht erlangt.124 Auch Michael Stahl erkennt keine fest gefügten Anhängerblöcke bei den drei Kontrahenten, wie sie Herodot und noch Aristoteles suggerierten. Als verlässliche Basis eigener Machtambitionen in den Auseinandersetzungen zwischen Adligen sieht er allein den jeweiligen Oikos, also den unmittelbaren Besitz mit Familie und zugehörigem Bewirtschaftungspersonal. Geschlechterverbände oder Klientelverhältnisse wie bei der römischen Aristokratie entstanden im archaischen Griechenland nicht.125
Peisistratos konnte nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen in den Jahren ab etwa 560 v. Chr. die Rivalen Lykurg und Megakles staatsstreichartig, jedoch erst im dritten Anlauf und mit Unterstützung innerer und äußerer Helfer aus dem Felde schlagen und eine Tyrannis errichten. Dabei war Megakles zeitweise zum Verbündeten des Peisistratos geworden, dem er seine Tochter zur Ehe gab. Doch tat er sich bald wieder mit Lykurg zusammen und Peisistratos musste 555 v. Chr. erneut ins Exil nach Euböa gehen. Nach weiteren elf Jahren kehrte Peisistratos abermals zurück und konnte sich nun endgültig durchsetzen. Als Basis für die Anwerbung von Söldnern und für die Gewinnung außerathenischer Aristokraten für sein Rückkehr-Unternehmens diente ihm in annähernd zehnjährigem Exil die Ausbeutung von Gold- und Silberminen am Strymon im Pangaion-Gebirge.126
Die solonische Gesetzesordnung galt auch weiterhin. Auf die Besetzung der wichtigen Archonten-Ämter übten die Peisistratiden mit ihren Gefolgsleuten aber maßgeblichen Einfluss aus. Bezweifelt wird inzwischen die Stellung von Geiseln durch Adelsfamilien oder die Entwaffnung der gesamten Bürgerschaft. Nur in der Athenaion Politeia ist die Rede davon, dass Peisistratos Demenrichter eingesetzt habe und in Attika auf dem Lande dahin gewirkt habe, dass die Bürger ihre Rechtsstreitigkeiten dort beilegten, um sie von Athens Zentrum fernzuhalten.127 Als finanzpolitische Maßnahme ist von einer sonst im archaischen Griechenland unbekannten wohl zehnprozentigen Bodenertragssteuer die Rede und davon, dass der armen Bauernschaft zu ihrer Besänftigung großzügige Darlehen ausgereicht wurden.128
Der Anteil der Peisistratiden am Bau des später von den Persern zerstörten Athena-Tempels auf der Akropolis ist ebenso unklar, wie der an den auf der Agora errichteten Neubauten. Dazu gehörten neben einem größeren Gebäudekomplex, der als Wohn- und Regierungssitz des Peisistratos in Frage kommt, mehrere Bauten, die für Versammlungen, Gerichtsbarkeit und Verwaltung nutzbar waren, sowie ein Brunnenhaus oder der Zwölfgötter-Altar.130
Einen prestigeträchtigen Erfolg konnte Peisistratos mit der Rückgewinnung Sigeions im Kampf mit Mytilene erzielen. Damit war ein wichtiger Handelsstützpunkt für das Schwarzmeergebiet wieder in athenischer Hand.131
Nach dem Tod des Peisistratos setzten die Söhne Hippias und Hipparchos das Regime des Vaters fort. In der Besetzung des höchstrangigen Archontats folgte auf Hippias, der das Amt 526/25 persönlich bekleidete, der Alkmeonide und spätere Reformer Kleisthenes. Anscheinend bemühten sich die Nachfolger des Peisistratos um Kooperation mit prominenten attischen Adelshäusern. Die Alkmeoniden gingen jedoch bald nach Kleisthenes’ Archontat wieder ins Exil, wohl um sich gegen die Tyrannen – zunächst vergeblich – in Stellung zu bringen.132
In welchem Maße das Tyrannenregime bereits vor den Umsturzaktivitäten der Attentäter Harmodios und Aristogeiton Kritik und unterschwelligen Widerstand in Athen verursachte, ist nicht bezeugt. Allerdings rechneten die später als Tyrannenmörder Gefeierten bei ihrem Anschlag während der Großen Panathenäen 514 v. Chr. mit Unterstützung in der Bürgerschaft. Als ihr ursprüngliches Vorhaben, den auf der Akropolis den Panathenäen-Festzug erwartenden Hippias, den führenden Kopf des Tyrannengespanns, als Ersten umzubringen, scheiterte, töteten sie den mit der Ordnung der Prozession noch auf der Agora befassten Bruder Hipparchos. Während Harmodios sogleich umgebracht wurde, wurde Aristogeiton nach seiner Ergreifung gefoltert, um Mitwisser zu ermitteln. Der Athenaion Politeia zufolge hat Hippias ihn schließlich selbst niedergemacht.133
Danach verhärtete der nun gegenüber Vielen misstrauische Hippias sein tyrannisches Regime und stärkte damit die Widerstandspotentiale, ohne dass die von außerhalb auf den Regimesturz hinarbeitenden Alkmeoniden mit ihren Unterstützern sich aber allein hätten behaupten können. Erst die Hilfe des spartanischen Königs Kleomenes I., der dabei angeblich delphischen Orakelsprüchen folgte, führte zu wiederholten Belagerungen der Zufluchtsstätte des Hippias auf der Akropolis und schließlich 510 v. Chr. zu seinem Gang ins Exil.134
Ein bis zu dem tödlichen Anschlag auf Hipparchos vornehmlich positives Zeugnis stellen Thukydides und die Athenaion Politeia der Peisistratiden-Tyrannis aus, die Frieden hergestellt und erhalten habe, Impulse für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung gesetzt sowie relativ maßvoll-vernünftig und volksfreundlich agiert habe.135 Bei Herodot heißt es dagegen, dass das Regime unter Hippias nach dem Attentat nur noch drückender wurde, als es vordem schon war.136
Im Zusammenhang mit den Perserkriegen stiegen die Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton zu Freiheitsstiftern und Begründern der demokratischen Staatsform auf. Die ursprünglich aristokratische antityrannische Kampfparole und Forderung nach Isonomie sei auf diese Weise zur radikal demokratischen Gleichheitsidee geworden, die sich auf alle Bürger bezog: „In der Polis der Athener vereinigten sich beide Tendenzen, nämlich die Forderung nach Isonomie, die, aus der Abwehrhaltung gegen die Machtanmaßung einzelner geboren, der Geisteswelt des Adels entstammte, und die von der gesamten Bürgerschaft adaptierte Vorstellung der komplementären Begriffe Demokratie und Isonomie zum ideologischen Gehäuse der demokratischen Staatsform.“137
Indem die Tyrannis sich als allbekanntes negatives Gegenbild zur im 5. Jahrhundert v. Chr. positiv besetzten Volksherrschaft etablierte wurde sie als abwertender Begriff in verschiedenen Varianten Gemeingut. Thukydides gibt im Entstehungszusammenhang des Peloponnesischen Krieges den politisch einflussreichsten Athener Perikles in einer Ansprache an seine Mitbürger mit den Worten wieder:
„Und wenn unsere Stadt in Ehren steht wegen ihrer Herrschaft und ihr doch auch alle darauf stolz seid, so gebührt es sich jetzt, ihr zu Hilfe zu eilen und der Mühsal sich nicht zu entziehen … und glaubt nicht, es ginge bei diesem Kampf nur um das eine, nicht Knechte zu werden statt frei, sondern euch drohen auch der Verlust eures Reiches und die Gefahren des Hasses, der euch aus der Herrschaft erwuchs … denn die Herrschaft, die ihr übt, ist jetzt schon Tyrannis; sie aufzurichten mag ungerecht sein, sie aufzugeben, ist gefährlich.138“
In der Athenaion Politeia erhielt die Tyrannis schließlich Züge eines Goldenen Zeitalters; und im pseudoplatonischen Dialog „Hipparchos“ entstand ein literarisches Denkmal für den ermordeten Peisistratiden.139
Michael Stahl betrachtet die Entstehung der Tyrannis als folgerichtiges Ergebnis des Verlaufs der archaischen Geschichte mit ihren adligen Machtkämpfen. Die Tyrannis habe der Staatlichkeit im athenischen Gemeinwesen zur endgültigen Durchsetzung verholfen. Zwar habe die Tyrannis an den Grundgegebenheiten der Sozialstruktur nichts geändert, die Vorteile einer institutionellen Machtkonzentration aber allen Bürgern vor Augen geführt.140 Der Ausbau des Athena-Kults und der Panathenäen durch die Peisistratiden habe eine mythisch-kultische Repräsentation der staatlichen Identität Athens begründet, „die die Tyrannis auch in dieser Hinsicht mit der klassischen Demokratie verbindet.“141
Nach Karl-Wilhelm Welwei hingegen habe Peisistratos in eine funktionsfähige Ordnung eingegriffen und kein anderes Konzept besessen als „eine facettenreiche Politik der Machtsicherung“.142 Weder öffentliche Bauten noch die glanzvolle Gestaltung der Kultfeste hätten für breitere Schichten einen neuen Bezugspunkt politischer Bindungen an das Gemeinwesen geschaffen.143 Nicht eine einzige Maßnahme hätten die Peisistratiden in dreieinhalb Jahrzehnten ihrer Herrschaft getroffen, so Welwei, die als zukunftsweisende Reform anzusehen wäre.144 Erst die kleisthenischen Reformen haben demnach aus der innen- und außenpolitischen Sackgasse der Tyrannenzeit hinausgeführt: „Die Linie vom Eunomiagedanken Solons zum Demokratieverständnis der klassischen Zeit führte vorbei an der Tyrannis in Athen.“145. Grundsätzlicher sieht es Winfried Schmitz, der annimmt, die Etablierung staatlicher Organisation sei „gegen die Adeligen …, nicht mit ihnen als Trägern von Staatlichkeit“ durchgesetzt worden.145a
Diese Reformen des Kleisthenes ließen sich im politischen Klima nach dem Umsturz von 510 jedoch nicht sogleich in Angriff nehmen. Stattdessen kam es zu erneuerten Machtrivaliäten großer Geschlechterverbände. Es fehlte eine Reorganisation des Militärs und eine Neuregelung der Zugehörigkeiten zur Polis als Vollbürger, dazu eine Zerschlagung der Abhängigkeiten zahlreicher Bürger von den einflussreichsten Familienverbänden. Bei der Zugehörigkeit zur Polis hatten die Peisistratiden im eigenen Interesse Ausschlüsse und Eingliederungen vorgenommen, die nun einer Revision unterzogen wurden. Zudem wurde in Bezug auf attische Bürger ein ausdrückliches Verbot der Folter beschlossen.
Ein Grund für die Verfeindung der Reformanhänger um Kleisthenes einerseits und der Unterstützer des 509/508 v. Chr. amtierenden Archonten Isagoras andererseits könnte in den Auseinandersetzungen um Fragen des Bürgerrechts liegen.146 Bereits vor der Eskalation dieses Konflikts, der mit Hilfe Spartas zu einer erneuten Vertreibung des Kleisthenes und seiner Anhänger aus Athen führte, könnten dessen Reformpläne vorgelegen haben und diskutiert worden sein. Vor allem die Wehrordnung bedurfte dringend der Neuordnung, da die Tyrannen für eine wohl unvollständige Entwaffnung der Bürgerschaft gesorgt hatten. Demnach galt es nun, die Voraussetzungen für die Aufstellung einer schlagkräftigen Hoplitenphalanx zu schaffen.
Die Solonischen Gesetze und Institutionen waren während der Tyrannis-Ära zwar erhalten geblieben, daneben bestanden aber die gesellschaftlichen Organisationsformen fort, die bestimmten Adelshäuptern als Grundlage besonderer Machtentfaltung dienten. Die Staatlichkeit Athens blieb trotz der solonischen Reformen prekär.147 Nur die adligen Geschlechter besaßen eigene Kulte und übten darüber Einfluss aus. Die Verbände der Phratrien und Phylen bildeten aber nicht nur Kultgemeinschaften, sondern stellten auch gemeinsame Heeresaufgebote.
Kleisthenes war mit seinem tief in dieses traditionelle System eingreifenden Reformansatz bestrebt, diese Abhängigkeitsverhältnisse und Machtballungsverbände zugunsten eines Machtausgleichs innerhalb eines neuen Institutionengefüges zu schwächen oder zu ersetzen. Kernstück des Reformwerks war die Demen- und Phylenreform. Die Gliederung des Polisverbands in (weniger als) 139 Demen148 zu 30 Trittyen und 10 Phylen ergab eine grundlegend neue Partizipationsstruktur in Attika.
Als strukturelle und ideelle Basis der Reformen gilt die Reorganisation der Demen auf dezentraler Ebene. Ohne einen solchen Bezug zu den lokalen Basiskonstellationen wäre das Engagement des Volkes für den Reformentwurf, wie es sich 508 v. Chr. im Widerstand gegen Isagoras und sein spartanisches Hilfskorps zeigte, kaum erklärbar. Folglich dürfte zunächst die Konstituierung der Demen mit Einschreibung der Bürger in die Demenregister stattgefunden haben, was ohne territoriale Abgrenzungen und Vermessungen geschehen konnte, weil es sich dabei nicht um Gebietseinheiten handelte, sondern vielmehr um örtliche Personenverbände.149 In den Demen wurden alle über achtzehnjährigen Bürger fortan registriert. Sie bildeten anhand dieser Liste den jeweils kleinsten attischen Bürgerverband. Die von Adligen dominierten Phratrien übten nun nicht mehr die Kontrolle über den Bürgerstatus aus, die gentilizisch-lokalen Abhängigkeitsverhältnisse wurden zerstört. Die bis dahin relativ leichte Integration von Zuzüglern könnte erschwert und für fest ansässige Nichtbürger (Metöken) ein eigener Rechtsstatus geschaffen worden sein. Dieser sah keinerlei Partizipation vor.
Der ganzheitliche Ansatz des Reformkonzepts erschließt sich mit Blick auf die Phylenreform, der eine Aufteilung Attikas in drei Großregionen zugrunde lag. Diese waren Asty (der Stadtkern Athens samt einem Umkreis von etwa 10 km, inklusive Küstenanteil), dann Mesogeia (das Binnenland mit nördlicher Grenze zu Böotien) und schließlich Paralia (die küstennahen Regionen ohne das zu Asty gehörige Gebiet). Diese Großregionen wurden wiederum in jeweils zehn Einheiten untergliedert, aus denen sich insgesamt 30 Trittyes ergaben. Indem Kleisthenes anstelle der bis dahin bestehenden vier nun zehn Phylen einrichtete, kamen auf jede der neuen Phylen je drei Trittyes. Wichtigstes Strukturmerkmal der neuen Ordnung aber war, dass jeder Phyle aus jeder der drei Großregionen je eine Trittys zugeordnet wurde. Die Aufteilung der Demen auf die Trittyes und Phylen dürfte wiederum mit Rücksicht darauf erfolgt sein, dass sich die Anzahl der wehrfähigen Hopliten annähernd gleichmäßig verteilte.150
„Den Adligen blieb zwar ihr Sozialprestige, ihre wirtschaftliche Macht, ihr Vorsprung in der politischen und militärischen Ausbildung und in der Bildung überhaupt, ihre Tradition; sie blieben deshalb auch weiterhin selbstverständlich die Herrschenden in dem Sinn, daß bei ihnen allein alle Voraussetzungen politischen Handelns lagen, daß sie allein alle militärischen und politischen Führungsämter bekleideten. … Die Adligen verloren aber ihre festen Gefolgschaften, d. h. jeder Adlige mußte sich in Zukunft die Unterstützung für seine politischen Ziele je und je erwerben.“ (Jochen Martin)151
Das institutionelle Zentrum des Reformwerks war der Rat der 500, dessen Zusammensetzung und Funktion in engem Zusammenhang mit der geänderten Phylenordnung stand. Dabei handelte es sich um eine Weiterentwicklung des Solonischen Rates der 400: Jede der nunmehr 10 Phylen delegierte 50 Mitglieder in den Rat. Damit war nun eine möglichst gleichmäßige Repräsentation der Regionen Attikas verbunden, hinzu kam die Stärkung der Einheit von städtischer und ländlicher Bevölkerung. Karl-Wilhelm Welwei formulierte: „So wurde letztlich auch den Bürgern fernab vom Zentrum deutlich, daß die Einheit und Gemeinschaft des Gesamtverbandes der Polis eine höhere Ebene und Gemeinschaft darstellte als die lokalen oder regionalen Bereiche und daß jeder Bürger Teil einer Gesamtheit war, die in der Ekklesia letzte Entscheidungen zu treffen hatte.“152
Den vorbereitenden Beitrag des Kleisthenes zur späteren attischen Demokratie umreißt Kurt Raaflaub so: „Er hat ein System eingeführt, das die Integration aller Bürger und Interessen möglich machte und damit die Polis nach einer Zeit der Krise, der Konflikte und der Tyrannis stabilisierte. Seine Ordnung schuf die Voraussetzungen dafür, daß die Bürger in ihre politische Verantwortung hineinwuchsen, daß ein neuer und hochwertiger Bürgerbegriff entstand und daß die Athener in gegenseitiger Vertrautheit und Solidarität auch nach außen geschlossen auftreten und damit zur politisch und kulturell führenden Macht Griechenlands werden konnten.“153
Eine völlig andere Entwicklung nahm Sparta. Der erste messenische Krieg, den Sparta gegen das westlich gelegene Messenien führte, hatte um 700 v. Chr. noch mit Streifzügen von Gefolgschaften seinen Anfang genommen. In Lakonien waren zuvor Bewohner zu Heloten herabgedrückt worden, die waffenlos blieben und das Land bewirtschafteten. Mehr als andernorts konnten Männer sich die Hoplitenausrüstung leisten, was wiederum auf eine entsprechende Landverteilung verweisen könnte, die dies ermöglichte. Wohl im zweiten Messenischen Krieg gewannen sie dadurch die Oberhand. Die Zahl der Vollbürger dürfte um 600 v. Chr. bei etwa 5000 gelegen haben, während die Bewohner Messeniens zu Periöken wurden.
Argos, früher im Schatten von Mykene, war in der geometrischen Epoche die Vormacht in der Argolis geworden und damit die einzig verbliebene Macht auf dem Peloponnes neben Sparta. Ende des 8. Jahrhunderts zerstörten die Argiver Arsine auf Kap Kastraki. Mit Hilfe der Spartaner gründeten die Flüchtlinge am Golf von Messenien eine Stadt gleichen Namens. Vielleicht unterlag Sparta sogar 669/68 v. Chr. in einer Schlacht, wie Pausanias (2.24.7) berichtet. Inwiefern Argos am Zweiten Messenischen Krieg teilnahm, ist unklar. Auch gegen Tegea, so berichtet Herodot (1.63-66), musste Sparta nach diesem Krieg eine Niederlage einstecken. Um 550 v. Chr. schlossen Sparta und Tegea hingegen ein Bündnis, worin sich Tegea verpflichtete, Messenier aus seinem Gebiet zu vertreiben. Um 546/45 v. Chr. konnte Sparta die Argiver besiegen. Damit fielen die Kynuria und die Ostküste der Halbinsel Malea an Sparta, das zwei Fünftel des Peloponnes beherrschte, Argos aber nicht endgültig besiegen konnte.
In Sparta selbst gewann das Ephorat größere Bedeutung, wobei die Ephoren möglicherweise Helfer der beiden Könige waren. Im Zuge der griechischen Institutionenentwicklung spielte auch die Versammlung der vollberechtigten Spartiaten, des damos, die sich in der Apella versammelten, eine Rolle. Die Ephoren wurden zu ihren Sprechern, die auch einen König wie Anaxandridas II., der kinderlos war, drängen konnten, seine Frau zu verstoßen, um mit einer neuen Frau die Erbfolge zu sichern (Herodot 5.40).
Von der älteren Vorstellung von einer Unterdrückung des Künstlerischen zugunsten des Militärischen rückt man inzwischen ab. So entstand um 500 v. Chr. der Tempel der Athena Chalkioikos, der Stadtgöttin von Sparta. Auch brauchte man Votivgaben für die Tempel. Kratere wurden mitunter in gewaltigen Ausmaßen hergestellt, wie das über 200 kg schwere und 1,64 m hohe Exemplar der Keltenfürstin von Vix, entstanden um 530 v. Chr., das bei Châtillon-sur-Seine in Frankreich ausgegraben wurde,154 oder der von Herodot erwähnte Krater für den Lyderkönig.
Ihn konnten sie nicht mehr rechtzeitig gegen die Perser unterstützen, doch zeigt dies die Weite ihres politischen Aktionsraums an. Dies gilt auch für die Unterstützung der Adelsopposition gegen Polykrates von Samos, der sich jedoch erfolgreich gegen die Belagerung, an der sich auch die korinthische Flotte beteiligte, die ja den Transport der Spartaner erst ermöglicht hatte, beteiligte. Bei der Gelegenheit stürzten die Spartaner aber den Tyrannen Lygdamis von Naxos. 510 v. Chr. versuchten sie, den Tyrannen Hippias wieder in Athen zu installieren. Doch die symmachoi, die spartanischen Kampfgenossen, lehnten 507/6 einen solchen Versuch ab und konnten sich damit durchsetzen, weil die beiden Könige keine einheitliche Linie verfolgten.
Spätestens um diese Zeit entstand der Peloponnesische Bund, den die Spartaner selbst als Die Lakedaimonier und ihre Kampfgenossen bezeichneten. Es war also kein Bund, sondern jede einzelne Macht war nur mit Sparta im Bunde, nicht jedoch untereinander, und sie hatte die gleichen Freunde und Feinde zu haben, wie Sparta. Diese Freund-Feind-Formel war im 5. Jahrhundert Standard. Auf dem Peloponnes gehörten nur Achaia und Argos nicht zur Kampfgemeinschaft Spartas.
Wichtige Verbündete Spartas war Korinth, das um 480 v. Chr. 5000 Hopliten aufbieten konnte (Herodot 9.28.3). Vor allem aber verfügte die Stadt über eine schlagkräftige Flotte, an der es Sparta mangelte. Jede der acht Phylen stellte dort nach dem Ende der Tyrannis der Kypseliden (etwa 583/82) einen Vorsprecher und neun weitere Vertreter, so dass das Gremium 80 Mann umfasste. Von einer Wiederherstellung der vormaligen Adelsherrschaft kann dabei keine Rede sein.155 Pindar (Ol. 13,6-10) lobte um 460 v. Chr. Korinth wegen seiner Eunomia. Dabei orientierte er sich wahrscheinlich am solonischen Ideal mit seiner stabilen gesellschaftlichen Rangordnung, die die Bewahrung von Vorrechten der Oberschicht einschloss.
Die thessalische Oberschicht entstand wohl im Zuge der Zuwanderung nordwestgriechischer Gruppen.156 Möglicherweise stellten nicht näher zu bestimmende Bezirke jeweils 40 Reiter und 80 Hopliten, wenn es für notwendig gehalten wurde. Dies jedenfalls behauptet Aristoteles (Fr. 497 und 498 Rose). In jedem Falle waren die Thessalier in der Lage als Kollektiv zu agieren und sich so wahrzunehmen, worauf auch die Aufnahme in die pyläisch-delphische Amphiktyonie hinweist. Nach Herodot (5,63,3) fanden zwar auch in Thessalien Volksversammlungen statt, doch die Größe des Landes erlaubte es nur Angehörigen der Oberschichten, diese regelmäßig zu besuchen. Die in Larissa dominierenden Aleuaden hatten schon früh Kontakte nach Osten und versuchten auch zu den Persern des Xerxes eine Annäherung zu bewerkstelligen. Die Opponenten erhielten durch die 481 v. Chr. gegründete hellenische Schwurgemeinschaft zu wenig Unterstützung, und daher mussten auch sie an der Schlacht von Plataiai auf Seiten der Perser kämpfen.
Politische Organisationsformen und ethnisches Selbstverständnis verstärkten sich in Boiotien ebenso wie in Thessalien, wenn der Partikularismus in Boiotien auch stärker blieb. Führende Polis war hier Theben, das bereits um 525 v. Chr. in der Lage war, den Thessaliern bei Keressos eine schwere Niederlage beizubringen. Möglicherweise löste der Druck, den Theben auf Plataiai ausübte, um seinem Bund beizutreten, 519 v. Chr. einen Feldzug des spartanischen Königs Kleomenes I. aus (Herodot 6,108). Plataiai zog es offenbar vor, mit Athen ein Bündnis einzugehen. Diese Polis und Thespiai waren die einzigen boiotischen Poleis, die gegen die Perser kämpften. In den Perserkriegen stand Theben mit Orchomenos auf persischer Seite und erlitt mit diesen die Niederlage bei Plataiai 479 v. Chr., worauf die Führer der persischen Partei hingerichtet wurden.
Die Phoker beteiligten sich am Kampf gegen die Perser. Sie hatten sich um 500 v. Chr. am Engpass bei Hyampolis von den Thessaliern unabhängig gemacht.
Sparta galt bereits vor den Perserkriegen als bedeutendste Macht in Griechenland. Doch änderte die Expansion des Perserreiches bis an die Donau und den Strymon die politische Großwetterlage dramatisch. Eine derartige Bedrohung war zwar nicht neu, insofern als bereits Kimmerier um 640/30 die Kolonien im Schwarzmeerraum bedroht hatten. Das Lyderreich hatte bald den Druck verstärkt, wobei Milet 610 einen Vertrag aushandeln konnte. König Kroisos (560-46) war sogar die Besetzung von Ephesos und anderer ionischer Städte gelungen. Doch die Perser eroberten schließlich 546 das Lyderreich und beanspruchten die Städte an der Ägäis, die zum Lyderreich gehört hatten.
Mit Milet waren sie dabei verbündet und dementsprechend erhielt die Stadt günstige Bedingungen, was wiederum deren Tyrannen Histiaios dazu veranlasste, dem Großkönig den Rücken an der Donau zu stärken. Bereits 525 hatte sich auch die Kolonie Kyrene in Libyen unterworfen, ein Jahrzehnt später standen die Perser am Hellespont, auf Lemnos und Imbros. Doch Milet, das von der persischen Expansion profitiert haben dürfte, musste auch Rückschläge einstecken. So trauerte die Stadt um die Zerstörung von Sybaris auf Sizilien durch Kroton, womit sie einen überaus wichtigen Handelspartner im Westen verlor (Herodot 6.21.1).
Auch Sparta musste sich zunehmend positionieren. Hatte es sich im Bemühen um Neutralität noch um 516 v. Chr. geweigert, Maiandros von Samos zu unterstützen, der nach dem Tod des Polykrates eine Tyrannis errichtet hatte und bald von den Persern vertrieben wurde, so änderte sich diese Haltung mit dem Versuch, die Peisistratiden in Athen zu stürzen, denen man ein Bündnis mit dem Großkönig zutraute. Allerdings misslang die Installation eines Satellitenregimes unter Isagoras, obwohl ihm spartanische sowie Truppen aus Theben und Chalkis zur Verfügung standen. Vor Eleusis weigerten sich die Korinther 507/6, gegen Athen in den Krieg zu ziehen (Herodot 5,74-75) und der Spartanerkönig Damaratos zog ebenfalls ab.
Dieses Debakel hatte für die Doppelkönige zur Folge, dass sie nicht mehr gemeinsam militärische Operationen leiten durften. König Kleomenes wahrte allerdings seinen Einfluss und konnte verhindern, dass Aristagoras von Milet 499 v. Chr. sein Hilfeersuchen gegen die Perser vor der Volksversammlung in Sparta vortrug. Viel drängender schien ihm das Vorrücken von Argos zu sein, dem es gelungen war, die Thyreatis zu okkupieren. Dorieus, der jüngere Halbbruder Kleomenes', versuchte 515/14 v. Chr. gar, in Libyen eine Apoikia zu gründen, doch wurde er 512 von Karthagern und Berbern vertrieben. 510 versuchte er abermals eine Koloniegründung, diesmal am Eryx auf Sizilien, unterlag jedoch gegen Karthager und Segestaier. Vielleicht im Jahr 494 gelang es Kleomenes I. die Argiver zu besiegen und damit die Vormacht Spartas auf dem Peloponnes endgültig zu sichern - ohne jedoch Argos erobern zu können.
Der Ionische Aufstand (ca. 500–494 v. Chr.) markiert den Beginn der griechischen Klassik. Doch den Auslöser für die nachfolgenden Perserkriege lieferten nicht die ionischen Städte, sondern Athen. Als die Stadt nach dem Abzug der Spartaner von Eleusis einen neuen Angriff erwartete, schickte sie Gesandte an den Hof des persischen Satrapen in Sardes. Dieser stimmte einem Bündnis zu und verwandte sich bei Hof, unter der Bedingung, dass sich Athen zu einer förmlichen Unterwerfung bereitfand. Da sich bei der Rückkehr der Gesandten die politischen Spannungen vermindert hatten, lehnte Athen nun die Unterwerfung ab. Dies war für den Perserkönig Dārayavauš I., den Griechen besser bekannt als Dareios, ein Affront, den er nicht hinnehmen konnte, denn in seinen Augen war Athen nun eine seiner Städte und damit im Aufstand.
Doch den Anfang bildete keineswegs ein Abwehrkampf, sondern der Versuch des Tyrannen Aristagoras, den Satrapen Artaphernes und damit das persische Großreich, in seinem Interesse gegen Naxos und andere Inseln einzusetzen. Doch das Unternehmen scheiterte und Aristagoras fürchtete, vom Großkönig zur Rechenschaft gezogen zu werden. Herodot (5,37,2) berichtet, er habe zugesagt, in Milet eine Isonomie zu errichten und seine Herrschaft aufzugeben; andere Tyrannen zwang er, ihre Herrschaft gleichfalls aufzugeben. Damit erhielt die Opposition gegen die Tyrannen, die vielfach von den Persern unterstützt wurden, ein neues Ziel, zumal Abgaben und Heerfolge die Städte belasteten.
Die Unterstützung der übrigen Griechen im Aufstand gegen die Perser war schwach. Athen schickte nur 20 Fünfzigruderer, Eretria auf Euböa nur fünf. Dennoch schlossen sich viele Küstenpoleis dem Aufstand an, ebenso wie solche auf Zypern. Auch die Karer schlossen sich an und Sardes konnte erobert werden. Allerdings scheiterten die Griechen an der Akropolis. Schließlich wurden sie bei Ephesos von den Persern besiegt. Die Athener kehrten nach Hause zurück (Herodot 5,99-103). Zypern eroberten die Perser 497 zurück, doch erlitten sie einen Misserfolg in Karien. Aristagoras ging nach Thrakien, den Aufständischen fehlte eine Führung. 495 oder 494 unterlagen die griechischen Schiffe gegen die überwiegend von Phöniziern bemannte persische Flotte vor der Insel Lade vor Milet, 494 wurde Milet schließlich weitgehend zerstört, viele Einwohner deportiert. Auf dem Weg in die Ägäis hatten die Perser die Festung Lindos auf Rhodos erobert.
In Athen, wo Flüchtlinge aus dem thrakischen Chersones, wie Miltiades der Jüngere eintrafen, begann der Streit um Gegenmaßnahmen. Um 500 war dort das Amt des Strategen eingeführt worden, von denen jedes Jahr zehn eingesetzt wurden. Sie waren militärische Füher und zugleich Repräsentanten derjenigen Phyle, die sie gewählt hatten. Zugleich wurde mit ihrer Wahl die Volksversammlung, die Ekklesia, aufgewertet; mit dem Eid der Bouleuten verlagerte sich das Schwergewicht von einflussreichen Individuen weiter auf die Polis als Ganzes.
Der Überlieferung nach bereiteten sich beide Seiten nun auf eine Invasion Griechenlands vor. Den Persern unterwarf sich Alexander I. von Makedonien, doch ihre Flotte geriet in einen schweren Sturm und erlitt herbe Verluste. Athen soll Themistokles als Archon eponymos berufen und die Mauern um den Hafen Piräus ausgebaut haben. Anfang des Sommers 491 erfuhr man in Athen, dass in den Küstenstädten umfangreiche Rüstungsanstrengungen begonnen hatten, darauf sondierte eine athenische Gesandtschaft in Sparta. Da Athen fürchtete, Ägina könnte mit den Persern konspirieren, veranlassten sie die Spartaner die Insel zur Stelllung von Geiseln zu drängen, die auch im Herbst ausgeliefert wurden. Kleomenes hatte durch Einflussnahme auf die Pythia in Delphi erreicht, dass König Damaratos nicht mehr als Sohn seines Vaters Ariston anerkannt wurde. Er musste zurücktreten und ging ins Exil nach Persien. Doch auch Kleomenes, der die Pythia bestochen hatte, wurde gestürzt und beging Selbstmord (oder wurde ermordet). Ihm folgte, da er keine männlichen Nachkommen hinterließ, sein Bruder Leonidas, der Held der Schlacht bei den Thermopylen.
Im Sommer 490 standen vielleicht 15.000 persische, medische und sakische Fußkämpfer und einige hundert Reiter auf persischer Seite unter dem Kommando des Meders Datis und des Artaphernes, des Sohnes des gleichnamigen Satrapen von Sardes. Die ersten Angriffe richteten sich gegen Naxos, die Kykladen mussten, abgesehen von Delos, Truppen und Geiseln stellen. Karystos auf Euböa musste als erste Stadt belagert werden, die Eroberung gelang nach kurzer Zeit. Eretria musste nach sechs Tagen kapitulieren. Von dort aus landeten die Perser auf den Rat des Hippias in der Ebene von Marathon. Athen siegte bei Marathon 490 v. Chr. Eine begrenzte Anzahl von freigelassenen Sklaven unterstützte Athens Hopliten ebenso wie 600 bis 800 Hopliten aus Plataiai. Insgeamt standen Athen etwa 9 bis 10.000 Hopliten zur Verfügung. Die zugesagten 2000 spartanischen Hopliten trafen erst zwei Tage nach der Schlacht ein. Nach Herodot starben auf persischer Seite 6.400 Mann, für die 192 toten Athener wurden Stelen auf dem sogenannten Soros mit ihren Namen aufgestellt. Plataier und Sklaven wurden unter je eigenen Hügeln beigesetzt. „Marathon“ wurde schnell zu einem Symbol der Identität der Athener, die sich als Vorkämpfer des Hellenentums sahen. Kimon, der Sohn des Miltiades, ließ in der Bunten Halle auf der Agorá den Schlachtverlauf darstellen.
Miltiades, der bereits athenische Kolonisten in die nördliche Ägäis gebracht hatte, sah in den Kykladen nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein Aufmarschfeld für die Perser, die keineswegs besiegt waren. Er erhielt den Oberbefehl über 70 Schiffe. 480 traten die Inseln Keos, Kythnos, Seriphos, Syphnos und Melos dem Hellenenbund von 481 bei. Doch auf Paros scheiterte Miltiades, zog sich schwere Verletzungen zu und sollte sogar vor Gericht zum Tode verurteilt werden, weil er dem Demos einen einfachen Waffengang versprochen hatte. Er wurde zu 50 Talenten Geldbuße verurteilt, die Kimon beglich. Immerhin erwies sich damit, dass die Institutionen inzwischen auch Auseinandersetzungen auf der höchsten Ebene aushielten.
Nach der Niederlage von Paros verlangte Ägina die Rückgabe seiner Geiseln. Als Athen ablehnte, kaperten Äginaten wohl im Februar 488 bei Sunion das Festschiff zu Ehren des Poseidon. Als Athener zurückschlagen wollten, erlitten sie eine herbe Niederlage.
Um eine Okkupation der Macht in Athen zu verhindern, entwickelte man das Mittel des Scherbengerichts, des Ostrakismos. Dabei konnte jeder Bürger den Namen einer Person auf eine Scherbe schreiben, der seiner Ansicht nach aus der Stadt verbannt werden sollte. Dazu mussten mindestens 6000 Stimmen abgegeben werden. Wer die meisten Stimmen erhielt, musste für zehn Jahre in die Verbannung gehen, behielt aber seinen Besitz und konnte danach auch wieder jedes Amt bekleiden. Vor 488/87 wurde allerdings niemand ostrakisiert.157 Selbst Themistokles sollte ostrakisiert werden, doch erreichte er mit 2280 Scherben eine hohe, aber nicht die höchste Zahl an Stimmen. Bei diesen Abstimmungen standen Fragen der Tyrannis zunächst im Vordergrund, dann jedoch in den späten 480er Jahren wieder inneraristokratische Rivalitäten und die Frage des Hochverrats an die Perser.
Nach Herodot (7,144,1-2) soll Themistokles in der Volksversammlung des Jahres 483 v. Chr. beantragt haben, gegen Ägina 200 neue Schiffe zu bauen. Diese Schiffe mit ihren 170 Mann waren bedeutend leistungsfähiger als die bis dahin gebräuchlichen Fünfzigruderer. Die 35 bis 37 m lange Triere erreichte mit ihren Auslegern eine Geschwindigkeit von etwa 8 Seemeilen. Zu den 170 Mann kamen etwa 10 Hopliten, die Epibaten für das Entern, sowie Bogenschützen, dazu weitere Seeleute und die Schiffsführung. Es waren also etwa 200 Männer an Bord. Nur mit diesen Schiffen waren die Athener in der Lage, den technisch fortgeschrittenen phönizischen, kleinasiatisch-ionischen und ägyptischen Schiffen entgegenzutreten.
480 v. Chr. kam es zu einem erneuten Feldzug unter Dareios’ Sohn Xerxes I. Nach der Abwehrschlacht an den Thermopylen kam es bei Salamis zur Entscheidungsschlacht. Die Griechen vernichteten die zahlenmäßig überlegene persische Flotte, ein Jahr später auch das persische Landheer in der Schlacht von Plataiai. Nach Herodot (8,44,1) setzten die Athener bei Salamis 180 Triremen ein. Die Flotte war die bei weitem wichtigste athenische Waffengattung geworden. Athen gründete 478/477 v. Chr. den Attischen Seebund.
Sparta, das im Gegensatz dazu eine Landmacht blieb, ließ sein Heer weierhin von einem seiner Könige führen. Doch begleiteten ihn nun jeweils zwei Ephoren, die seine Entscheidungen zwar nicht aufheben, die aber bei der Rückkehr gegebenenfalls Anklage erheben konnten. Das Gericht bildete in einem solchen Fall die Gerousia, der zweite König und die fünf Ephoren. Zugleich nahm die Zahl der Heloten im Heer und in der Gesamtgesellschaft schneller zu, als die der Vollbürger. Herodot (9,29) berichtet, sicherlich übertreibend, dass Sparta bei Plataiai über 5.000 Spartiaten und 33.000 helotische Trossknechte verfügt habe.158 Erstmals bot Sparta periökische Hopliten auf, ein Indiz für die Brisanz vor dem Aufmarsch der Perser. Der Oberbefehl über alle Kämpfer wurde Sparta übertragen.
Doch das umfassende Bündnis wies Schwächen auf. Argos verlangte nicht nur einen dreißigjährigen Frieden von Sparta, sondern auch, dass die beiden Städte die Führung im Peloponnesischen Bund teilen sollten. Sparta lehnte dies ab. In Larissa boten die Aleuaden den Persern Unterstützung bei der Eroberung Griechenlands an, und auch in Böotien neigten führende Familien zum Medismos, der Zusammenarbeit mit den Persern. Selbst die Achaier auf dem Peloponnes waren zur Unterwerfung bereit. Auch blieben Gesandtschaften nach Kreta, Kerkyra und Syrakus ohne Erfolg, wobei Gelon von Syrakus mit den Karthagern beschäftigt war.
Das Orakel von Delphi wartete mit düsteren Vorhersagen auf, die Angst vor der Invasion vergrößerte die Armee der Perser ins Unermessliche. Herodot berichtet, Xerxes hätte 5.283.220 Mann zur Verfügung gehabt (7,87,1; 7,184-186), dazu 1.317 Trieren. Heute schätzt man die Zahl der Kombattanten auf etwa 100.000, dazu kam der Tross, und vielleicht 600 bis 700 kampffähige Trieren. Den Hellespont überquerten die Heereseinheiten auf Schiffsbrücken, während die Griechen sich erst aufgrund der Hilferufe thessalischer Gegner der Aleuaden am Isthnos von Korinth berieten, um die Abwehr zu koordinieren. Der Spartaner Leonidas sollte 10.000 Mann nach Norden führen, um den Pass am Olymp zu blockieren. Die Stellung im Tempetal musste Ende Juni 480 wieder geräumt werden. Die erste erkennbare Operation, die Flotte und Heer verband, war der Zug zu den Thermopylen unter Deckung der Küste beim Artemision im Norden Euböas. Die Flotte führte der Spartiat Eurybiades. Sie bestand aus 271 Trieren und 9 Pentekonteren, die durch 53 weitere Trieren ergänzt wurden - insgesamt vielleicht 60.000 Mann. Etwa 6000 Hopliten, dazu Leichtbewaffnete, sollten den Engpass verteidigen. Ihre völlige Niederlage wurde in einen moralischen Sieg verwandelt, indem der Opfermut der 300 Spartiaten, die dort ums Leben kamen, propagandistisch genutzt wurde. Die Heloten und die anderen Verbündeten, die ihr Los teilten, wurden weitgehend vergessen.
Die griechische Flotte hatte inzwischen Salamis angelaufen und Themistokles setzte durch, dass sie die Flotte der Perser in den engen und ihnen unbekannten Gewässern zwischen Salamis und dem Festland empfangen sollten. Der Flottenführer Eurybiades ließ sich von Themistokles überzeugen, dass ansonsten die Auflösung des Bundes drohte. Inzwischen wurde die Besatzung der Athener Akropolis überrumpelt. Doch auch die Perser standen vor einem gewaltigen Problem, denn das Riesenheer musste versorgt werden. So waren sie bereit, die Entscheidung zu erzwingen. Die griechische Flotte bestand aus 380 Kriegsschiffen, doch musste sie sich auf eine List verlegen. So lockte man die Perser in den Sund von Salamis. Am 26. oder 27. September erlitt die persische Flotte eine schwere, aber keineswegs vernichtende Niederlage. Die griechischen Schiffe verfolgten sie nur bis Andros. Themistokles konnte die Verfolgung bis zum Hellespont nicht durchsetzen. Die Griechen verlangten Bußzahlungen von den Perserfreunden, doch Andros weigerte sich und widerstand der Belagerung.
Xerxes ließ Mardonios als Oberbefehlshaber des Heeres zurück, das im nächsten Jahr von den Thermopylen südwärts nach Thessalien und Boiotien vorstieß. Auch versuchte er, die verbündeten Griechen zu spalten. In Athen lehnte man das Angebot ab, Themistokles wurde jedoch 479 nicht wieder zum Strategen gewählt. Für den Seekrieg standen in diesem Jahr nur 110 Trieren zur Verfügung. Als Mardonios mit 50.000 Fußsoldaten und 10.000 Reitern vorrückte, mussten Athen und Attika erneut evakuiert werden. Stark verspätet zog ihnen das Heer unter Pausanias entgegen, dem neben 8000 Schwerbewaffneten aus Athen 10.000 Hopliten - je zur Hälfte Spartiaten und Periöken - zur Verfügung standen. Hinzu kamen, so Herodot, 35.000 leichtbewaffnete Heloten. Nachdem sich Mardonios selbst in den Kampf bei Plataiai begeben hatte, in dem er umkam, verloren die Perser die Schlacht. 20 Tage nach der Schlacht musste auch Theben, das mit Mardonios verbündet gewesen war, kapitulieren.
Die Flotte unter Leotychidas verlegte ihren Stützpunkt nach Delos. Dies dürfte auf eine Gesandtschaft von Chios zurückgegangen sein, die um Hilfe für die kleinasiatischen Griechen ersucht hatte. Eine weitere Gesandtschaft von Samos erreichte ihn dort. Als sich griechische Trieren Samos näherten, hatte die phönikische Flotte ihren dortigen Stützpunkt verlassen. Zahlreiche Samier und Ionier liefen nun über. Neben der Dezimierung wurde nun die „ionische Frage“, der Schutz der dortigen Griechen, immer wichtiger. Die Bewohner der großen östlichen Inseln schlossen sich dem entstehenden Bündnissystem an, während Leotychidas weitere Operationen am Hellespont den Athenern überließ, nachdem sich die Belagerung von Sestos bis in den Herbst 479 hinzog. Der Athener Xanthippos konnte die Rückkehr auch der Ionier verhindern, indem er auf einen Beschluss der Volksversammlung verwies. Darin erwies sich, dass die Institutionen mittlerweile höchsten Respekt genossen, und damit eine regellose Heimkehr unmöglich geworden war.
Die griechischen Verbündeten versuchten nach der Abwehr der persichen Armeen und Flotten, einen Schutz aller griechischen Poleis zu erreichen. Daraus ging Athen als führende Macht hervor. Dies Unternehmen richtete sich zunächst gegen persische Stützpunkte auf Zypern und gegen die persische Besatzung in Byzantion.
Sparta stellte 20 Kampfschiffe, Athen 30 Trieren (Thukydides I,94). Aristeides, der Führer des athenischen Geschwaders am Hellespont, und seine Ionier erreichten, dass Pausanias, der Führer der Spartaner, wegen Medismos, also Kollaboration mit den Persern, nach Sparta abberufen und dort vor eine Art Gericht aus Gerousia und Ephoren gestellt wurde. Wegen eines Weihegeschenks für Apollon in Delphi, das ihn als Sieger über die Perser und Stifter des Beuteanteils stilisierte - die Inschrift wurde später beseitigt -, hatte er sich offenbar Feinde in Sparta gemacht, die auch nicht locker ließen, nachdem er von dem Vorwurf freigesprochen worden war. Für 477 erhielt er kein Kommando. Bald verzichtete Sparta überhaupt auf eine Teilnahme an den weiteren Kämpfen. Pausanias reiste auf eigene Faust nach Byzantion, wurde jedoch von Kimon nicht toleriert, so dass er in Kolonai in der Troas operierte. Seine Gegner streuten Gerüchte aus, er wolle einen Helotenaufstand inszenieren, erneut kollaboriere er mit den Persern. Pausanias floh in ein Tempelasyl, wo er verhungerte.
Tatsächlich versuchten die Tegeaten sich aus dem Spartanerbund zu lösen, die Argiver ihre verlorenen Gebiete zurückzugewinnen. Erst zwei Schlachten bei Tegea gegen die beiden Städte, dann bei Dipaia gegen alle Arkader außer den Mantineiern, stellten Spartas Vormacht wieder her (um 470 oder danach). Nach dem großen Erdbeben kam es zu einem Helotenaufstand, der sich möglicherweise schon in dieser Zeit abzeichnete. Insgesamt verfügte Sparta darüber hinaus nicht über eine geeignete Persönlichkeit, die das Vorpreschen Athens hätte verhindern können.
Auf Delos entstand nun der Verteidigungsbund, der alle Bundesgenossen schützen sollte, aber auch jeden verpflichtete, die gleichen Feinde und Freunde zu haben. Dies setzte den Bau und die Unterhaltung erheblicher Flottenverbände voraus, wozu hauptsächlich Athen in der Lage war. Eine zentrale Rolle spielte bei der Finanzierung das Silber der Minen von Laurion. Die für die Silbergewinnung benötigten Bergleute warb man von den schon länger betriebenen Silberminen in Nordgriechenland ab.159 Die Bundesgenossen mussten ihrerseits mit finanziellen Beiträgen oder durch die Stellung von Schiffen dem Bund ihren Beitrag entrichten und die Athener entlasten.
Die zeitgenössische Bezeichnung für dieses Bündnis lautete: „Die Athener und ihre Mitkämpfer“160. Vertragliche Bindungen bestanden wohl jeweils zwischen Athen und den einzelnen Poleis und wurden in Verbindung mit Schwurhandlungen unbefristet geschlossen. Symbolisch in die See versenkte Metallklumpen bürgten für die Nachhaltigkeit des Bundes: Solange sie nicht auftauchten, sollte er fortbestehen.161 Versammlungsort des Seebunds war für nahezu ein Vierteljahrhundert nicht Athen, sondern Delos, wo mindestens einmal jährlich die Bundesversammlung (Synhedrion) tagte. Im dortigen Apollon-Tempel wurden die gemeinsamen Finanzmittel des Bundes aufbewahrt. Der Gott, dem sich der Seebund unterstellte, war somit der delische Apollon. Jeder „Mitkämpfer“ verfügte über eine Stimme bei der Beschlussfassung. In der Kompetenz der Bundesversammlung dürfte sowohl die Sanktionsgewalt beim Abfall von Bundesgenossen gelegen haben als auch die Kontrollfunktion im Hinblick auf die rechtmäßige Beitragsveranlagung. Als Gesamtsumme der jährlichen Beiträge wurden ursprünglich 460 Talente festgesetzt (Thukydides 1, 96), also weniger als von den Griechenstädten Kleinasiens vormals an die Perser entrichtet worden war.162 Mit der Tributpflichtigkeit zu verrechnende eigene Schiffe stellten die Inseln Thasos, Naxos, Lesbos, Chios und Samos, dazu eine unbekannte Zahl weiterer Poleis. Alle anderen zahlten eine regelmäßige Summe (Phoros), die zunächst eine Ersatzleistung und keinen Tribut darstellte. Solche langfristig ausgerichtete Organisation stellte in Griechenland eine Neuerung dar; im Peloponnesischen Bund gab es nur anlassbezogene Zahlungen.163 Athen dominierte den Bund von Anfang an. Dies galt auch organisatorisch, denn alle zehn Verwalter (Hellenotamiai) des mit den finanziellen Beitragslasten (φόροι) der Mitglieder gebildeten Bundesschatzes kamen aus Attika, ohne dass dies erkennbar Anstoß erregt hätte. Diese Haltung bestand solange, wie die Perser eine Gefahr darstellten.
Zwischen 469 und 466 v. Chr. errang der Seebund am Eurymedon im Süden Kleinasiens entscheidende Siege über Flotte und Heer der Perser, wonach die Notwendigkeit des Bundes aus Sicht der Tributpflichtigen in Frage gestellt wurde. Der Abfall von Thasos, den die Athener 465 bis 463 v. Chr. mit der Belagerung der Insel beantworteten, förderte die Unbeliebtheit der Athener bei den Bundesgenossen und steigerte den Unmut über die Bindung an die Hegemonialmacht. Die Zahl der Bündnispartner, die über eigene Schiffe verfügten, ging weiter zurück, die Beitragsveranlagung in Münzform wurde fast zur Regel. Kam es wie in Naxos und Thasos zum Abfall einzelner Poleis vom Bund, so standen diese isoliert der schlagkräftigen athenischen Flotte gegenüber. Städte, die verdächtigt wurden, einen Abfall vom Seebund zu planen, wurden gezwungen, existierende Befestigungen einzureißen, Abtrünnige mussten ihre Flotte abtreten. Am Ende verfügten nur noch Lesbos und Chios über eine eigene Flotte. Samos, das eigenmächtig gegen das unter dem Schutz Athens stehende Milet vorgegangen war, wurde erobert, seine Flotte vernichtet, seine Hauptstadt zerstört und deren Bewohner in die Sklaverei verkauft. Auch in Friedenszeiten ließ Athen sechzig Schiffe auf monatelangen Übungs- und Überwachungsfahrten zwischen Festland und Inseln kreuzen. Hinzu kam ein Signal- und Nachrichtensystem. Athen beherrschte auf diese Weise die gesamte Ägäis.
Der Kampf gegen die Perser führte die Athener bis nach Ägypten, wo sie etwa sechs Jahre lang einen antipersischen Aufstand unterstützten. Doch 454 v. Chr. unterlagen sie einer persischen Streitmacht und verloren dabei neben 80 bis 100 Trieren mehrere tausend Mann.164 Dieser Schock hatte zur Folge, dass man die Seebundkasse wegen eines angeblich drohenden persischen Zugriffs von Delos nach Athen überführte, das nun auch in repräsentativer Hinsicht zum Zentrum des Seebunds wurde. 454 v. Chr. fand zugleich das im vierjährigen Turnus stattfindende Panathenäische Fest statt. Die Verbündeten brachten dabei Opfergaben wie eine Kuh oder eine Rüstung zum Fest mit. Dann durften sie an der großen Prozession zum Athena-Heiligtum auf der Akropolis teilnehmen. Dies galt von nun an für alle Bundesgenossen Athens.165 Die Rechtsaufsicht über das Tributwesen und die einzelfallbezogene Regelung der Tributpflicht lag fortan ebenfalls allein in Händen der Athener, die nun auch die Gliederung des Seebundgebietes in unterschiedliche Tributbezirke vornahmen. Die einstigen Bundesgenossen mussten nicht nur athenische Gewichte, Maße und Münzen übernehmen, sondern ihre lokalen Münzen wurden geschlossen. Die Athener verschärften die Bestimmung für die Eintreibung und Ablieferung der Tributzahlungen und setzten ihre Stadt als Gerichtsort fest. Athen wurde zum zentralen Absatzmarkt im Bereich des Seebunds für Schiffbauholz, Eisen, Kupfer, Flachs und Wachs; „es war der wichtigste und unentbehrlichste Umschlagplatz für die Güter der ganzen damaligen, z.T. sogar außergriechischen Welt, so daß die Städte gezwungen waren, ihren Handel immer mehr auf Athen auszurichten. Darüber hinaus gab es auch athenische Handelsniederlassungen, Emporia, im Seebundgebiet, auf die Athen ebenfalls den Handel zu lenken wußte.“166
Die Bundesversammlung als Beschlussorgan des Bundes entfiel nunmehr. An die Stelle des Synhedrions trat die Athener Volksversammlung, die Ekklesia, die nun auch über alle Bundesangelegenheiten entschied. Als Legitimationsgrundlage dafür diente der fingierte Koloniestatus sämtlicher Bündner. Man betonte nun die Verwandtschaft von Athenern und Ioniern und gab vor, dass die kleinasiatischen ionischen Städte durchweg von Athen gegründet worden seien. Der Status einer athenischen Apoikie wurde aber auch auf alle anderen Bundesgenossen ausgedehnt.167
Statt des panhellenischen Apollon wurde nun die Stadtgöttin der Führungsmacht, Athene, zum zentralen Kultobjekt. Der Tempelkasse der Athene kam ein Sechzigstel des jeweiligen Tributs zu, und bei diesem Teil, der Aparché, gab es keine Verhandlungen über irgendeinen Nachlass.168 Und die Anwesenheit aller Seebundmitglieder beim Panathenäen-Fest wurde zur Neuveranlagung der Pflichttribute für die nachfolgende Vierjahresperiode genutzt.169
Ein Abfall hatte nach Krieg und Versklavung zur Folge, dass Archonten als Beamte mit militärischer Herrschaftsfunktion zur Stabilisierung der Lage einrückten. Für die Kontrolle im Besatzungsfall waren Phrourarchen zuständig; und als vorübergehende Leiter des Gerichtswesens und der Verwaltung fungierten ebenfalls athenische Beamte, die Episkopoi.170
„Die Gründe zum Abfall waren mancherlei, hauptsächlich rückständige Beiträge und Schiffe, in manchen Fällen auch Verweigerung der Heeresfolge; denn die Athener trieben die Summen streng ein, und mit Härte brauchten sie jeden Zwang gegen die Städte, die nicht die Gewohnheit noch auch den Willen zum beschwerlichen Dienst hatten. Auch sonst waren wohl die Athener nicht mehr ebenso beliebt als Herrscher; sie waren nicht mehr Kriegsgefährten gleichen Ranges und hatten es leicht, die Abtrünnigen zurückzuholen - das war der Verbündeten eigne Schuld: denn in ihrem Widerwillen gegen den Felddienst hatten die meisten von ihnen, um nicht von daheim fern sein zu müssen, statt Schiffen sich das entsprechende Betreffnis in Geld auferlegen lassen, und so vergrößerten sie den Athenern die Flotte, indem sie die Kosten dafür zusammensteuerten, und sie selbst, sooft sie abfielen, begannen den Krieg ungerüstet und unerfahren (Thukydides 1, 99).171“
Als Mytilene (zusammen mit fast dem gesamten übrigen Lesbos) von Athen abfiel, begründeten dies die Gesandten vor den Spartanern wie folgt:
„Unser Bündnis mit Athen begann, als ihr euch aus dem Persischen Krieg zurückzoget und sie im Feld ausharrten, um zu tun, was noch zu tun übrig war. Doch schlossen wir dies Bündnis nicht zur Unterwerfung der Hellenen unter Athen, sondern zur Befreiung von den Persern für Hellas. Und solang sie unsere gleichgestellten Führer waren, folgten wir in guten Treuen; als wir sie aber den Kampf mit Persien aufgeben und dafür die Knechtung der Verbündeten betreiben sahen, begannen wir uns zu fürchten. Wehrlos in ihrer Vielspältigkeit, wurden nun einer um den andern die Verbündeten zu Untertanen Athens, außer uns und Chios: nur wir leisteten unsere Waffenhilfe völlig selbstständig und frei, dem Namen nach. (Thukydides 2, 10.)“
Athens Rolle als griechische Großmacht war mit dem politisch-gesellschaftlichen Wandel zur entwickelten attischen Demokratie gekoppelt. Die Reformen des Ephialtes von 461 v. Chr. ebneten der Demokratie den Weg und damit auch der politischen Mitwirkung einer besitzlosen Klasse, der Theten. Diese verdienten als Lohnarbeiter in Landwirtschaft und Gewerbe oder – seit Beginn der Flottenrüstung zunehmend – als Ruderer auf den Trieren ihren Lebensunterhalt. Infolgedessen war der Seebund für Attika nicht nur militärisch von Nutzen und auch nicht nur für Wirtschaft und Handel förderlich; er hatte in den Theten auch eine durch die demokratische Entwicklung zunehmend politisierte gesellschaftliche Basis, die seinen Ausbau zum Herrschaftsinstrument Athens vorantrieb.
Doch auch den Export ihrer Staatsform machte die Metropole zu einem Herrschaftsmittel. Die demokratische Verfassung wurde abgefallenen Bündnern – wie im Falle Kolophons – als politische Ordnung aufgezwungen. Den Boden dafür bereitete einerseits die drastische Strafmaßnahme einer selektiven Dezimierung der aufständischen Polisbürgerschaft, andererseits die Etablierung athenischer Beamter für eine Übergangszeit und die Ansiedlung attischer Theten, die das Athener Demokratiemodell dann in neuem Umfeld verankerten. Die Beseitigung von Oligarchien und die Errichtung von Demokratien diente der Schaffung gemeinsamer Interessen zwischen den breiten Volksschichten der Bündner-Poleis und der Athener Volksversammlung. Am Beispiel von Samos belegt Wolfgang Schuller (S. 92) den Zusammenhang von Verfassungstyp und Bündnistreue:
„Das demokratische Samos war in der schwierigen Zeit des Fehlschlagens der Ägyptischen Expedition ein treuer Bundesgenosse Athens; nach dem oligarchischen Umsturz 453 setzte es sich immer mehr in Gegensatz zu ihm, bis es abfiel. Selbstverständlich war dann Perikles’ sofortige Maßnahme nach der Wiedereroberung die Wiederherstellung der Demokratie … Nachdem dann, offenbar aufgrund der sizilischen Katastrophe, den oligarchischen Exilierten gegen 412 die erneute Machtübernahme gelang, glückte ein alsbald mit athenischer Hilfe gegen sie ins Werk gesetzter demokratischer Aufstand, aufgrund dessen das demokratische Samos sich in der Folgezeit als das treueste Bundesmitglied selbst in schwärzesten Tagen erwies und daher 405 mit der Verleihung des athenischen Bürgerrechts belohnt wurde.“
Führende Figur der frühen Seebundszeit war spätestens ab 477/76 Kimon, der Sohn des Siegers von Marathon. Zunächst gelang die Rückgewinnung von Eion aus den Händen der Perser. 475 wurden die Gebeine des Theseus, des Gründerkönigs von Athen, von Skyros nach Athen gebracht. Dann wurde Karysthos auf Euböa zum Beitritt in den Seebund gezwungen, Naxos wurde belagert, 466/65 Thasos. In all diesen Fällen spielte Kimon die führende Rolle. Thasos war insofern von weitreichender Folge auch für Athen, als die Spartaner der Insel Unterstützung zugesagt hatten. Sie waren zwar nicht zur Einlösung ihrer Zusage gekommen, da sie 464 v. Chr. ein schweres Erdbeben und danach Helotenaufstände zurückwarfen, doch wurde die heimliche Zusage später bekannt und entfachte Athens Misstrauen.
Die Errichtung einer Apoikia für etwa 10.000 Kolonisten aus dem Gebiet des Seebundes im Gebiet der thrakischen Edoner scheiterte jedoch 465/4 v. Chr. an deren Widerstand. Kimon wurde bei seiner Rückkehr vorgeworfen, er habe sich vom Makedonenkönig Alexander I. bestechen lassen. Kimons Gegenspieler Ephialtes bündelte die Vorwürfe. Kimon setzte durch, dass 4000 Hopliten die Spartaner gegen die Aufständischen unterstützen sollten, die er selbst führte. Als er dort ankam, erklärten die Spartiaten, die Hilfe Athens sei nicht nötig, doch gleichzeitig akzeptierten sie die Hilfe anderer Poleis. Dies stellte einen gewaltigen Affront dar. Athen kündigte das Waffenbündnis von 481 auf. Zugleich intervenierte Ephialtes gegen Kimon, wenn auch der Areopag keineswegs entmachtet wurde.172 Die letzte, mittlerweile unumstrittene Instanz, bildete die Volksversammlung. Doch die Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen um Kimon und Ephialtes eskalierten - ersterer wurde ostrakisiert und letzterer wurde 461 v. Chr. ermordet. Kimon versuchte die Veränderungen der Kompetenzen, die Ephialtes wohl durchgesetzt hatte, vergeblich wieder rückgängig zu machen.
Außenpolitisch unterstütze Athen nun Argos gegen Sparta und schloss sogar 461 ein Bündnis mit den Argivern und mit den Thessalern. Hinzu kam, dass Megara in den Seebund aufgenommen wurde, womit sich die Gegnerschaft zu Sparta, vor allem aber zu Korinth vertiefte. 460 landete ein athenischer Verband bei Halieis in der Argolis. Die Athener unterlagen jedoch gegen ein korinthisches Aufgebot, siegten wiederum in einem Seegefecht bei Kekryphaleia. Auch Ägina unterlag und Athen begann eine Belagerung. Nachdem ein korinthischer Vorstoß misslang, begann Sparta 459/58 seine Verbündeten zu unterstützen. Zu dieser Zeit hatten die geschlagenen Heloten, die sich nach Ithome zurückgezogen hatten, wohl schon kapituliert. Athen hatte sich jedoch in einen ägyptischen Feldzug ziehen lassen, so dass sich die Belagerung von Ägina mangels Schiffen und Hopliten bis 458/57 hinzog.
Inzwischen begann Athen mit der Errichtung der langen Mauern, um die Stadt mit seinem Hafen zu verbinden. Zugleich setzte Sparta, unter dem Vorwand, die Landschaft Doris, die als Urheimat der Dorer galt, gegen Angriffe der Phoker zu schützen, 1500 eigene Hopliten und 10.000 Mann der Verbündeten über den Golf von Korinth. Athen fürchtete einen Angriff aus Böotien. Athen versammelte 14.000 Mann, die bei Tanagra auf die Spartaner trafen. Zwar unterlagen die Athener, doch erlitten die Spartaner so schwere Verluste, dass sie Mühe hatten, die Überlebenden zurückzuholen. Nun siegte Athen bei Oinophyta gegen Böotier, wodurch es Böotien und Phokis unter seine Kontrolle bringen und Theben isolieren konnte. Bald beherrschte die Stadt das Gebiet von der Megaris bis zu den Thermopylen. 455 zerstörte ein Flottenverband die spartanische Werft von Gytheion, eroberte in Aitolien die korinthische Apoikia Chalkis und siegte bei Sikyon; vielleicht wurde auch Methone kurzzeitig von Tolmides besetzt. Athen siedelte die aus Ithome vertriebenen Messenier und Feinde Spartas in Naupaktos an. Doch nun verlor Athen in Ägypten 15 bis 20.000 Mann. Zugleich misslang ein Feldzug nach Thessalien.
Dennoch kam es an nur wenigen Orten des Seebundes zu Aufständen, wie etwa in Erythrai oder allem Anschein nach in Milet. Um zu beweisen, dass Athen trotz dieser Katastrophen weiterhin über militärische Schlagkraft verfügte, führte Perikles einen Vorstoß nach Sikyon und Richtung Oiniadai in Akarnanien. Er konnte das Bürgerrechtsgesetz beantragen und durchsetzen, dass es nur noch Männern erlaubte, Ämter zu führen, die väter- und mütterlicherseits aus athenischen Familien stammten.
Weder Persien noch Sparta war in dieser Zeit außenpolitisch besonders aktiv. Kimon, der 451 nach Athen zurückkehrte, erreichte einen fünfjährigen Waffenstillstand mit Sparta. 450 nutzte er diesen zu einem Angriff auf Zypern mit 250 Trieren. Doch im Laufe der Kämpfe vor Kition starb Kimon. Immerhin konnten die Schiffe auf der Rückfahrt kilikische, zyprische und phönizische Verbände besiegen. Umstritten ist, ob es zu einem Friedensvertrag zwischen Athen und den Persern kam, wie einige Autoren ab dem 4. Jahrhundert berichten (Kalliasfrieden von 449/48 v. Chr.). In jedem Falle endeten für längere Zeit die seit weit mehr als einem halben Jahrhundert fortdauernden Kämpfe.
Der Aufschwung von Syrakus brachte vor allem den großen Landbesitzern, den Gamoren, enorme Vermögen ein. Doch unterlag Syrakus im Kampf gegen den Tyrannen Hippokrates von Gela 492 v. Chr. In Syrakus vertrieb daraufhin der Demos zusammen mit den Unfreien die Gamoren. Diese richteten 485 v. Chr. ein Hilfegesuch an den Tyrannen Gelon von Gela, der die Gelegenheit für seine Zwecke nutzte. Seine Stadt Syrakus wurde mittels Zwangsumsiedlungen die größte Stadt Siziliens. Zudem gelang es ihm 480 v. Chr., die Karthager bei Himera zu besiegen. Gelon heiratete Damarate, die Tochter des zweiten Tyrannen der Insel, der seit 488 v. Chr. Akragas beherrschte. Neben Gelon beherrschte sein Bruder Hieron weite Teile Siziliens.
Im kalabrischen Rhegion hatte Anaxilaos die Herrschaft der „Reichen“ 494 v. Chr. beendet. Bald eroberte er Zankle, das er nach seiner Herkunft in Messana umbenannte, denn er stammte aus Messenien. Es kam zu Spannungen mit Gelon, so dass er sich mit Terillos von Himera verbündete. Nun riefen die Gegner Gelons die Karthager zu Hilfe. Just als die Perser gegen Athen marschierten, konnte Gelon auf das Hilfegesuch der Hellenen infolgedessen nicht reagieren, denn er bereitete sich auf die Konfrontation mit Karthago vor, die er 480 besiegen konnte. Gelon verlangte von den Karthagern, die wohl eine Invasion ihres afrikanischen Territoriums befürchteten, eine Kriegsentschädigung von 2000 Talenten.
Dieser Sieg trieb eine Entwicklung voran, in deren Verlauf sich die Kolonien in Süditalien gegen die etablierten Großmächte des zentralen Mittelmeers durchsetzten, nämlich die Karthager Nordafrikas und die Etrusker Mittelitaliens. Einen ähnlichen Sieg wie Gelon hatte dabei schon früher das kampanische Kyme 525/24 v. Chr. davongetragen. Es hatte über Etrusker, Umbrer und Daunier gesiegt. Einer ihrer Führer, Aristodemos von Kyme, unterstützte 505 v. Chr. die Latiner gegen Porsennas Etrusker, was für den Aufstieg Roms von großer Bedeutung war. Aristodemos wurde zu einer Art Tyrann, der allerdings 490 v. Chr. gestürzt wurde.
478 v. Chr. folgte auf Gelon sein Bruder Hieron. Dieser setzte gleichfalls Zwangsumsiedlungen und Söldner ein, diesmal, um Land von den Sikulern zu enteignen, einem der autochthonen Völker Italiens. Dieses Land brauchte er, um Siedler vom Peloponnes und aus Syrakus mit Land auszustatten. Inzwischen war Syrakus die Vormacht im Süden Italiens geworden. Als sich Kyme 474 v. Chr. einem Angriff der Etrusker ausgesetzt sah, besiegten die vereinten Flotten der beiden Griechenstädte die Angreifer in der Schlacht von Kyme. Damit endete die Südexpansion der Etrusker und die griechischen Städte Süditaliens beherrschten weitgehend das zentrale Mittelmeer. Der ökonomische Aufschwung der Tyrannenstädte, allen voran Akragas und Syrakus, bewirkte eine breite Bautätigkeit und eine kulturelle Bereicherung, auch aus Griechenland.
Doch die Spannungen innerhalb der Poleis wurden so stark, dass, trotz Gewaltmaßnahmen und eines Spitzelsystems, vielfach die Tyrannen gestürzt wurden, was Hieron gelegentlich sogar unterstützte, wenn es ihm vorteilhaft zu sein schien. Doch auch seine Familie, die Deinomeniden selbst, wurde bald gestürzt, wenn auch erst nach Hierons Tod. 467 v. Chr. folgte auf den verstorbenen Hieron nämlich zunächst sein Sohn, dann für kaum ein Jahr sein Bruder Thrasybulos. Die Altbürger der Stadt verlangten nach dem Sturz der Tyrannis 466 v. Chr., dass den zahlreichen Männern, denen die Tyrannen das Bürgerrecht verliehen hatten, dieses wieder entzogen und sie aus den öffentlichen Ämtern entfernt würden. Die Söldner sollten in Messana angesiedelt werden.
Den vertriebenen Sikulern unter Duketios gelang mit Unterstützung der Syrakusaner die Vertreibung der angesiedelten Söldner und die Rückgewinnung ihrer Stadt Katane. Nach diesem Erfolg expandierte unter seiner Führung der Bund der Sikuler, der das Aufgebot von Syrakus und Akragas sogar besiegen konnte. Doch 450 v. Chr. musste er aus Furcht vor Verrat nach Syrakus fliehen, wo er begnadigt wurde. Von dort ging er nach Korinth ins Exil. Syrakus nutzte später seine Fähigkeiten, um gegen Akragas vorzugehen, und erneut entstand ein Sikulerbund. Doch Duketios starb 440 v. Chr.
Ähnlich wie in Griechenland der Ostrakismos, so konnte in Syrakus der Petalismos zu einer hier allerdings nur fünfjährigen Verbannung allzu Mächtiger genutzt werden. Dabei wurde der Name auf ein Ölbaumblatt, ein petalon geschrieben. Doch diese Einrichtung wurde bald wieder abgeschafft. Zentrale Machtinstitutionen wurden nun die Volksversammlung, das Kollegium der Strategen und die leitenden Beamten, die Diodor als archontes bezeichnet (Diodor 11,92,2).
Syrakus war nach dem Tod des Duketios entschlossen, eine ähnliche Position zurückzugewinnen, wie zur Zeit der Tyrannen. Dazu rüstete die Stadt auf und baute etwa 100 Trieren. Es verdichteten sich die Kontakte nach Athen, unter dessen Leitung 444/43 Thurioi auf dem Gebiet von Sybaris vermutlich als panhellenische Unternehmung gegründet wurde. Sparta hatte hingegen eine Beteiligung rundheraus abgelehnt.
Auf Sizilien errichtete Syrakus eine hegemoniale Stellung unter Dionysios I. († 367 v. Chr.). Der von ihm geschaffene Staat, einer der ersten griechischen Territorialstaaten, war eine der stärksten Militärmächte. Dionysios machte Syrakus zur größten Stadt und gewaltigsten Festung der griechischen Welt. Zentrale Elemente der Außenpolitik des Tyrannen waren die vier Kriege gegen die Karthager, die Unterwerfung der Städte Siziliens und das militärische Ausgreifen nach Unteritalien und bis in die Adria, im Westen sogar bis Korsika. 384 oder 383 v. Chr. fand offenbar eine Seeschlacht zwischen Liburniern und Syrakusanern statt, wie aus einer Inschrift in Pharos hervorgeht, und wie auch Diodor berichtet. Trotz seines Erfolgs als Staatsgründer, mit dem er in mancher Hinsicht die Reichsbildungen hellenistischer Herrscher vorwegnahm, konnte er seinem Lebenswerk keine dauerhafte ideelle und institutionelle Basis verschaffen. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurde Syrakus von schweren Bürgerkriegen heimgesucht.
Zwischen dem Beginn der entwickelten attischen Demokratie 462/61 v. Chr. und ihrem Ende 322 v. Chr. hat diese Staatsform fast eineinhalb Jahrhunderte bestanden. Wegen der Beschränkung auf männliche Vollbürger schloss die Volkssouveränität vielleicht ein Fünftel bis ein Viertel der Bewohner Attikas ein. Es mochten an die 40 000 im 5. Jahrhundert sein, die das Recht besaßen, in der Volksversammlung mitzuwirken und die für Aufgaben in der Selbstverwaltung der Demen, in den Volksgerichten, im Rat der 500 und in den verschiedensten Ämtern in Frage kamen.
Perikles veranlasste 457, dass das politische Engagement der Bürger mit nur geringem Einkommen durch die Einführung von Diäten auf eine materielle Basis gestellt wurde. Für Mitglieder der Volksgerichte (Häliasten) gab es einen Richtersold, der bis 425 v. Chr. von einer über zwei auf drei Obolen für jeden Sitzungstag stieg. Mitglieder im Rat der 500 empfingen einen Sold in doppelter Höhe des Richtersolds. In Verbindung damit wurde nun auch den Theten der Zugang zum Rat eröffnet. Das Losverfahren entschied darüber, wer unter den Kandidaten für ein Jahr Mitglied des Rates wurde. Insgesamt war das aber nur zweimal im Leben – und nicht unmittelbar anschließend – zulässig.
Auf diese Weise ergab sich für Perikles in der Volksversammlung eine stabile politische Basis, mit deren Unterstützung er u. a. das gewaltige Bauprogramm auf der Akropolis umsetzen konnte, das den Vormachtanspruch Athens nach außen glanzvoll zur Geltung brachte. Vom aufwändigen Lebensstil der großen Adelsgeschlechter jedoch, zu denen er als Spross der Alkmeoniden gehörte, grenzte Perikles sich ab, indem er den Eindruck vermittelte, ganz in den Staatsgeschäften aufzugehen. Von 443 v. Chr. an wurde er Jahr für Jahr zu einem von zehn Strategen gewählt. Das ehedem besonders einflussreiche Amt des Archonten wurde gleichfalls nicht nur durch Los vergeben, sondern war seit 458 v. Chr. auch für Zeugiten zugänglich, so dass nur die Theten, die ihre Militärausrüstung nicht selbst finanzierten, dieses Amt nicht bekleiden konnten.
In den äußeren Beziehungen ging mit der Demokratisierung eine Verstärkung des attischen Vormachtstrebens einher. Von 446 v. Chr. an wurden Kapitalverbrechen im gesamten Hoheitsgebiet des Seebunds vor Athener Volksgerichten verhandelt; die Bündner wurden nicht mehr als Kampfgenossen (Symmachoi), sondern als Untertanen (Hypäkooi) behandelt.
Die Volksversammlung (Ekklesia) war die Kerninstitution der attischen Demokratie. Die Zugangsberechtigung zur Volksversammlung erlangten die Athener, sobald sie nach Ableistung des Militärdienstes als Epheben mit 20 Jahren in der Bürgerliste ihrer jeweiligen Demen eingeschrieben waren. In der Praxis ist dieses Mitwirkungsrecht jedoch hauptsächlich von denen ausgeübt worden, die im engeren Einzugsbereich des städtischen Siedlungskerns wohnten; andere ließen sich wohl nur gelegentlich und bei wichtigen Entscheidungen durch einen langen Hin- und Rückweg zur Pnyx nicht von der Teilnahme abhalten. So galten bereits 6000 Teilnehmer als „das Volk in Fülle“, das über alle Angelegenheiten Beschlüsse fassen konnte, meist in Form der Cheirotonie. Auch der Ostrakismos war an dieses Quorum gebunden, und es war zugleich die jährliche Anzahl an Bürgern, die den Volksgerichten als Geschworene dienten.
Jeder in der Volksversammlung Anwesende besaß Rederecht (Isegorie) – ein besonders herausgehobenes Merkmal seiner Freiheit in der Demokratie. Um einen geordneten Ablauf der maximal von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang tagenden Ekklesia zu gewährleisten, musste strikt zu der auf der Tagesordnung anstehenden Sache gesprochen werden. Außerdem durfte sich jeder Redewillige nur einmal zum jeweiligen Gegenstand äußern.
Wesentliche Befassungsgegenstände der Volksversammlung waren die Außen- und Sicherheitspolitik, Wahlen sowie die Bestätigung und Absetzung von Amtsinhabern, die Einleitung von Strafverfahren und Hochverratsprozessen, die Nahrungsmittelversorgung der Stadt wie auch Ehrungen und Bürgerrechtsverleihungen wegen besonderer Verdienste. Jeweils in der ersten Ekklesia des Jahres wurde routinemäßig die Frage behandelt, ob die bestehenden Gesetze änderungs- oder ergänzungsbedürftig seien.
Tagesordnung und Beschlussanträge für die Volksversammlung wurden im Rat der 500 festgelegt. Eine Abstimmung in der Volksversammlung war nur möglich, wenn ein Antrag des Rates (probuleuma) vorlag. Für die Volksversammlungen stellte der Rat auch die Versammlungsleiter (prohedroi), ursprünglich noch aus den Prytanen, später aus den Ratsmitgliedern, die keine Prytanen waren. Der Rat der 500 war das politische Organ, in dem alle attischen Demen im Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerungszahl permanent vertreten waren. Und er war mit seiner Aufsichtsfunktion über die Beamten, seinen aus Vorberatungen resultierenden Beschlussanträgen für die Volksversammlung und seiner Zuständigkeit für die laufenden innen- und außenpolitischen Angelegenheiten der beinahe täglich ansprechbare und tätige Dreh- und Angelpunkt dieses demokratischen Gemeinwesens.173 Auch die - wie alle Amtsinhaber - mindestens 30-jährigen Ratsmitglieder wurden unter freiwilligen Kandidaten der Demen erlost, ebenso der täglich wechselnde Vorsitzende (Epistates) der Prytanie, der den Rat und gegebenenfalls die Volksversammlung zu leiten hatte.
Die Klagegegenstände wurden unterschieden nach privaten, die der Geschädigte vorzubringen hatte, und öffentlichen, die ganze Polis betreffenden, für die im Sinne der Popularklage jeder Bürger Athens als Ankläger in Frage kam. Für die Klageannahme waren je nach Sachgebiet die verschiedenen Archonten zuständig, die im demokratischen Zeitalter aber nicht mehr zu urteilen hatten, sondern lediglich die formale Leitung des Verfahrens in den Prozessen der jeweiligen Geschworenengerichte ausübten. Diese Dikasterien waren je nach Art und Bedeutung des Verfahrens mit 201, 401 oder 501 Geschworenen ausgestattet, in wichtigen politischen- und Hochverratsverfahren auch mit einem Mehrfachen der 500, die für Fälle der Popularklage vorgeschrieben waren.
Die Richter wurden in einem komplizierten Verfahren aus 6.000 athenischen Männern ausgelost, die für das jeweilige Jahr den Heliasteneid geschworen hatten. Dieser Eid verpflichtete sie nach den geltenden Gesetzen abzustimmen, jedoch waren die Richter sonst in ihrer Entscheidung frei und mussten ihr Urteil auch nicht begründen. Im 5. Jahrhundert wurden je 600 Heliasten noch am Anfang des Jahres einem der Archonten fest zugeteilt. Um Bestechung zu unterbinden, entwickelte man aber im 4. Jahrhundert ein aufwändigeres Auslosungsverfahren. An einem Tag, an dem Gerichtssitzungen angesetzt waren, versammelten sich die 6.000 Richter und wurden, je nach Bedarf, in einem zweistufigen Verfahren, einem Spruchkörper und einem Archonten zugelost. Dabei bestand jeder Spruchkörper zu gleichen Teilen aus Angehörigen aller zehn Phylen.
Nur Privatklagen konnten seit 399/8 v. Chr. durch ein Schiedsverfahren (diaita) im Vorfeld ohne Prozess erledigt werden. Die dafür verantwortlichen Vermittler (diaitētēs), die sich für ihre Amtsführung auch zu rechtfertigen hatten (euthyna), waren alle mindestens 60 Jahre alt. Es scheint, dass dieses Schlichtungsverfahren gleichzeitig auch eine Art Vorverhandlung darstellte, in der die Prozessparteien alle ihre Argumente und Beweismittel darlegen mussten. Diese wurden, wenn das Verfahren erfolglos blieb, in Tongefäßen versiegelt, so dass es nicht möglich war, neue Beweise vor Gericht vorzubringen. Verfahren mit einem Streitwert unter 10 Drachmen wurden im 5. Jahrhundert durch die Demenrichter (dikastai kata dēmous), im 4. Jahrhundert durch „Die Vierzig“ entschieden.
Der Umfang der Einlassungen beider Parteien war durch den Einsatz von Wasseruhren auf die dem Prozessgegenstand angemessene Verhandlungsdauer begrenzt. Ohne Aussprache und gemeinsame rechtliche Bewertung urteilte sodann jeder Geschworene durch Einwurf des einen von zwei Stimmsteinen in eine Urne, ob die Klage in der vorgetragenen Form zu bestätigen oder abzuweisen war. Die einfache Mehrheit entschied; bei Stimmengleichheit unterlag der Kläger. Sofern das Strafmaß nicht bereits gesetzlich festlag, wurde nach entsprechendem Vorbringen beider Parteien in einem zweiten Abstimmungsgang darüber entschieden, ob die vom Kläger oder die vom Beklagten beantragte Strafe zu vollstrecken war.
Jeder Prozess musste innerhalb eines Tages abgeschlossen sein. Für Verhandlung und Urteil in der Popularklage standen generell 9 ½ Stunden zur Verfügung; in Privatklagen konnte das zuständige Gericht täglich bis zu vier Verfahren bearbeiten. Einer missbräuchlichen Ausweitung der ohnedies regen Inanspruchnahme dieser Volksgerichte wurde begegnet, indem mit hohen Geldstrafen und künftigem Klageverbot in gleichartiger Sache belegt wurde, wer nicht wenigstens ein Fünftel der Richterstimmen als Klagebestätigung erhielt. Die Todesstrafe konnte erleiden, wer die Geschworenen mit der Berufung auf ein gar nicht existierendes Gesetz zu täuschen versuchte. Ein eindrucksvolles Zeugnis davon, wie Rhetorik und juristische Argumente Hand in Hand gingen, findet sich in den Reden des Demosthenes (Dem 18) und des Aischines (Aisch 3) im Prozess „Über den Ehrenkranz“.
Neben ca. 600 Losämtern gab es ungefähr 100 Wahlämter, in die wegen ihrer Bedeutung für die Polis Unqualifizierte nicht gelangen sollten. Zu den gewählten Beamten zählten die Taxiarchen (Befehlshaber der Phylenregimenter), die Hellenotamiai (Verwalteter der Verbündeten-Tribute) und die Strategen. Das wegen seiner militärischen Bedeutung herausragende Wahlamt des Strategen versprach durch jährliche Wiederwahlmöglichkeit einerseits erheblichen politischen Einfluss, konnte aber bei Erfolglosigkeit im Krieg auch zu Verbannung oder Tod führen.
Das mit der Phylenordnung gekoppelte Kollegialitätsprinzip, das die gemeinsame Zuständigkeit von 10 oder 20 Amtskollegen für einen Zuständigkeitsbereich mit sich brachte, begünstigte die Aufgabenteilung. Persönlichem Karrierestreben konnte diese Art der Ämterorganisation - mit Zulosung, Annuität und Nichtwiederholbarkeit derselben Funktion – keinen Vorschub leisten. Umso bemerkenswerter ist es, dass zu keinem Zeitpunkt eine Situation entstand, in der das Ämterwesen mangels freiwilliger Kandidaten nicht funktionierte.
Mehr als jeder 20. Bürger bekleidete zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Amt oder hatte einen Ratssitz in der Boulé inne (vom Areopag ganz abgesehen); gut 20 % standen den Dikasterien ständig als Geschworene zur Verfügung. Annähernd ein Drittel mochte an besonders wichtigen Volksversammlungen teilnehmen. Nur während zweier relativ kurzer Episoden (411/410 unter dem Rat der Vierhundert und 404 v. Chr. unter der Herrschaft der Dreißig) haben sich oligarchische Regime ihr gegenüber durchsetzen können.
Der Peloponnesische Krieg zwischen Sparta und Athen um die Vorherrschaft in Griechenland endete nach wechselvollem Verlauf mit der Niederlage Athens 404 v. Chr. Sparta konnte aber seine Hegemonie in Griechenland nicht aufrechterhalten und unterlag 371 v. Chr. in der Schlacht von Leuktra vernichtend; es folgte die kurze Zeit der Hegemonie Thebens 371–362 v. Chr. Philipp II. von Makedonien machte ab 359 v. Chr. in langjährigen Kämpfen sein Land zur führenden Militärmacht in Griechenland.
In Athen dürften Mitte des 5. Jahrhunderts 40 bis 60.000 Männer das Bürgerrecht besessen haben, in der Volksversammlung fanden sich zu wichtigen Anlässen 5 bis 6.000 Männer ein.174 Dabei belief sich die Zahl der Theten auf etwa 20 bis 25.000 Athener Bürger. Bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges erhielten etwa 10.000 Bürger im Zuge der Gründung neuer Kolonien eigenes Land außerhalb Attikas (Kleruchen).
Spartas Bevölkerung war hingegen nach dem schweren Erdbeben von 464 v. Chr. spürbar zurückgegangen, denn es traf vorrangig die in der Stadt zu diesem Zeitpunkt verbliebenen Frauen. Obwohl die athenische Propaganda Sparta als eine Herrschaft der Wenigen, als Oligarchie zu diffamieren suchte (was Thukydides nie tat), um ähnlich scharfe Abgrenzungen zu schaffen, wie früher gegenüber dem Perserreich, so nahmen doch mehrere Tausend Vollbürger an den dortigen Volksversammlungen teil. Zugleich wurden die Ephoren zu einer Art Schaltzentrale im Rahmen der Interaktionen zwischen den politischen Organen. Nach der Darstellung des Thukydides (1,86-87) war es einer von ihnen, der die entscheidende Abstimmung beeinflusste, die Richtung Krieg wies.
Perikles versuchte mittels einer von ihm geplanten panhellenischen Tagung zu einem Frieden in Griechenland und zum Ausgleich mit Sparta zu gelangen. Doch Sparta verweigerte sich, eine Entscheidung, der sich seine Bundesgenossen anschlossen. Sparta begann bald den zweiten heiligen Krieg, um den mit Athen verbündeten Phokern das von ihnen besetzte Delphi wieder abzujagen. Doch Sparta war zu dieser Zeit nicht fähig, eine dauerhafte Besatzung in Mittelgriechenland zu installieren, so dass nach seinem Abzug athenische Truppen unter Perikles das Heiligtum besetzten (Thukydides 1,112,5).
Flüchtlinge aus einigen böotischen Poleis hatten sich im Winter 447 auf 446 in Orchomenos und Chaironeia gesammelt. Sie hatten nach der Schlacht bei Oinophyta im Jahr 457 v. Chr. ihre Führungspositionen verloren. Für eine Intervention erhielt der Stratege Tolmides 446 v. Chr., gegen den Willen Perikles', 1000 athenische Hopliten, dazu Truppen des Seebundes. Er versklavte die Bewohner von Chaironeia, musste aber dann abziehen und wurde sogar bei Koroneia vernichtend geschlagen. Er selbst starb, Viele gingen in Gefangenschaft (Thukydides 1,113). Athen musste, um die Gefangenen auszulösen, seine Hegemonie über Böotien aufgeben, wenn auch Plataiai, in gewohnter Opposition gegen Theben, als Verbündete bis zu ihrer Kapitulation 427 v. Chr. verblieb. Die aus dem Exil Zurückgekehrten errichteten mit dem Boiotischen Bund eine Machtstruktur unter Führung Thebens, was letztlich die Grundlagen für die Niederlage Athens bilden sollte. Den einzelnen Städten mit ihren Ratsgremien, in die nur Grundbesitzer unter Erfüllung des Hoplitenzensus' gewählt werden konnten, stand ein 660-köpfiger Rat vor, der die oberste Bundesgewalt innehatte.
Exulanten aus Euböa versuchten nun gleichfalls, große Teile der Insel aus der Abhängigkeit von Athen zu lösen, was Athen durch Ansiedlung von Kleruchen wohl selbst verursacht hatte. In Hestiaia wurde die Besatzung einer athenische Triere niedergemetzelt. Perikles zog mit einer Hoplitenarmee auf die Insel, doch wenig später fiel Megara von Athen ab, das bis dahin den Zugang für die Spartaner nach Mittelgriechenland verlegte. Tatsächlich drang eine spartanische Armee bis Eleusis vor. Perikles konnte nach ihrem überraschenden Abzug Euboia unterwerfen. Die Bewohner Hestiaias wurden vertrieben und durch etwa 1000 athenische Kleruchen ersetzt. Die großen Grundbesitzer von Chalkis mussten die Stadt verlassen, so dass Männer aus der Mittel- und Unterschicht zu stärkerem Einfluss kamen.
Die beiden Hauptkontrahenten Athen und Sparta einigten sich 446 auf einen dreißigjährigen Frieden und darin auf die Anerkennung ihrer gegenseitigen Einflusssphären. Doch ein kritischer Punkt bestand darin, dass Poleis, die keiner Symmachie der Großpoleis angehörten, Anschluss an eine der beiden Hauptmächte suchen konnten. Genau aus einer solchen Situation entstand der verheerende zweite peloponnesische Krieg.
Athen begann, befeuert durch Aufstände, seine Symmachoi stärker zu kontrollieren. 443 erfolgte eine Einteilung in Bezirke, nämlich den Ionischen, den Hellespontischen, den Thrakischen und den Karischen Bezirk sowie das Inselgebiet. 437 wurden der Karische und der Ionische Bezirk zusammengelegt. Von einer administrativen Durchdringung kann dabei keine Rede sein. Athen musste die lokalen Traditionen und Strukturen meist akzeptieren. Selbst nach Aufständen, wie auf Samos oder in Byzantion (Thukydides 1,116, 1 und 117) zwang Athen der unterlegenen Polis nicht die Demokratie auf, sondern wechselte meist nur die Führungsgruppe aus. 437 gründete Athen Amphipolis am Strymon, einige Kilometer von der Küste entfernt. Dieser Ort war von größter Bedeutung durch die Gold- und Silberminen im Pangaiongebirge, aber auch durch dessen Holzreichtum. Der Makedonenkönig Perdikkas II. verpflichtete sich zu Holzlieferungen, die vor allem der Athener Flotte dienten. Zugleich gewann das Schwarze Meer wachsende Bedeutung für die Getreideversorgung.
441/440 versuchte die Führungsgruppe in Sparta dessen Symmachoi zu einem Krieg, vielleicht einem Präventivkrieg, gegen Athen zu veranlassen, scheiterte jedoch am Einspruch von Korinth (Thukydides 1,140,5; 1,141,2). Perikles hielt angesichts des Verhaltens Spartas einen Krieg für unvermeidlich. Dazu trug wenig später bei, dass man Korinth verprellte, das den Krieg verhindert hatte: Athen unterstützte die Akarnanen gegen die korinthische Kolonie Ambrakia und verbündete sich mit ihnen.
Als bei einer Stasis (Bürgerkrieg) in Epidamnos (um 436 v. Chr.) die „demokratische“ Partei Korinth, die Adelspartei hingegen Korinths ehemalige Kolonie Kerkyra um Hilfe bat, entstand zwischen diesen beiden Poleis ein Konflikt um die Vorherrschaft im ionischen Meer. Nach Niederlagen gegen Kerkyra war Athen, wenn auch durchaus durch eine gespaltene Ekklesia, bereit, im Sommer 433 v. Chr. ein Defensivbündnis mit Kerkyra einzugehen, das über die zweitgrößte Flotte Griechenlands verfügte. Korinth sah damit jedoch eine Verletzung des Friedens von 446 v. Chr. gegeben, fühlte sich in seinen Interessen zutiefst geschädigt und wandte sich an Sparta. Damit wurde das in Gang gesetzt, was anscheinend alle längst erwartet hatten. Verträge Athens mit Zakynthos und bis nach Rhegion in Süditalien dienten augenscheinlich der Verbesserung der strategischen Ausgangslage Athens gegenüber den Korinthern und den Spartanern.
Infolge eines weiteren Konflikts verhängte Athen (wohl noch im Jahr 433 v. Chr.) per Volksbeschluss ein Handelsverbot gegen Megara, mit dem Athen seit dem Ende des ersten Peloponnesischen Krieges verfeindet war. Megara, ebenso wie Korinth Mitglied des Peloponnesischen Bundes, setzte nun alles daran, Sparta zum Handeln zu zwingen. Allgemein wird vor allem dieser Beschluss als letztendlich entscheidender Kriegsgrund angesehen, da Sparta unter Zugzwang geriet - oder sich dahinter verstecken konnte.
Ein dritter Konflikt entwickelte sich in der Stadt Potidaia auf der Chalkidike, einem Mitglied des Attischen Seebundes, das ebenfalls gute Beziehungen zur Mutterstadt Korinth pflegte. Als Athen von Potidaia verlangte, korinthische Beamte auszuweisen und die Seemauern niederzureißen, entrichtete es 432 zwecks Täuschung noch einmal die Phoroi an Athen, doch trat es bald aus dem Seebund aus, zumal Sparta weitreichende Zusagen gemacht hatte. Trotz der Unterstützung durch Korinth konnten die Athener Potidaia allerdings schnell einschließen. Der makedonische König seinerseits nahm Kontakt zu Sparta und Korinth auf, denn Athen hatte seine Gegner aus uns unbekanntem Grunde unterstützt.
Diese Konflikte waren jedoch nur Auslöser und nicht Ursache des Krieges – ein Unterschied, den bereits Thukydides betont. Den wahren Grund für den Krieg sah er in der Furcht der Spartaner vor der wachsenden Macht Athens (Thukydides 1,23,6). Auch nach seiner Meinung war der Konflikt unvermeidbar. Jede Hilfszusage Spartas machte wiederum Athen misstrauischer.
Im Sommer 432 v. Chr. forderten die unzufriedenen peloponnesischen Bundesgenossen Sparta auf, endlich einzugreifen. In Sparta war es vor allem König Archidamos II., der zur Vernunft riet. Zunächst wurde aber festgestellt, dass Athen den dreißigjährigen Frieden von 446 v. Chr. gebrochen hatte; dem folgte bald darauf die förmliche Kriegserklärung. In Athen war es Perikles, der es nun auf einen Krieg ankommen ließ, eine Auffassung, die von Thukydides bedingt geteilt wurde (Thukydides 1,127,3). Sicher ist, dass aufgrund einer Atmosphäre politischer Verunsicherung, aggressiver Machtpolitik und übersteigerten Prestigedenkens von allen Seiten eine mehr oder weniger große Bereitschaft zum Krieg vorhanden war. Thukydides brachte die Stimmung auf den Punkt:
„Kleinliche Pläne gab es weder hüben noch drüben, alle wollten für den Krieg ihr Bestes geben – begreiflich: Am Anfang packt jeder schärfer zu, und damals war viel Jugend im Peloponnes, viel in Athen, die nicht ungern, da sie ihn nicht kannte, den Krieg aufnahm. Das ganze übrige Hellas war in Spannung bei diesem Waffengang der ersten Städte; … Mit dem Herzen standen weitaus die meisten Menschen auf seiten der Spartaner, zumal sie auch auftraten als Befreier von Hellas. … Solchen Haß hatten die meisten auf Athen, die einen im Wunsch, das Joch abzuschütteln, die anderen in Furcht vor der Unterjochung.“
Die eigentlichen Kampfhandlungen begannen mit dem Überfall der mit Sparta verbündeten Thebaner auf Platää im Frühjahr des Jahres 431 v. Chr. Athen besaß verglichen mit Sparta ein schwaches Landheer, aber eine starke Flotte. Die von Perikles erdachte Strategie war demnach, einerseits sich nicht auf eine Auseinandersetzung zu Lande einzulassen und die Bevölkerung Attikas hinter den Langen Mauern zu schützen, andererseits aber mit der Flotte die Küstenstädte des Peloponnes anzugreifen und mit einer Blockierung der Seewege Sparta zu zermürben. Allerdings fanden auch Feldzüge in die Megaris statt, doch hatten diese letztendlich wenig Erfolg: Zwar fiel einer der beiden Häfen Megaras, Nisaia, 424 v. Chr. endlich den Athenern in die Hände, doch ging dieser in den letzten Kriegsjahren wieder verloren.
Sparta dagegen fiel mit seinem starken Landheer in Attika ein und verwüstete das Umland von Athen, mit der Absicht, die Athener so zu einer offenen Feldschlacht zu zwingen. Doch die ließen sich darauf nicht ein. Da es angesichts der starken Befestigung, des Stands der Belagerungstechnik und der Grenzen der Logistik unmöglich war, Athen einzunehmen, verfolgte auch Sparta eine Zermürbungsstrategie: Der sommerliche Einfall in Attika wiederholte sich, bis auf die Jahre 429 v. Chr. (aufgrund einer Seuche) und 426 v. Chr. (aufgrund eines Erdbebens), Jahr für Jahr. Die Spartaner, die nun ihrerseits ein Friedensangebot ablehnten, verwüsteten das Land und zogen nach einigen Wochen wieder ab. Athen hingegen kostete der Unterhalt der Flotte und die Belagerung Potideias so viel Geld, dass es zu schweren Vorwürfen gegen Perikles kam, der vorübergehend als Strategos wegen Täuschung des Demos' abgesetzt wurde (Thukydides 2,65,2-3). In Athen wütete von 430 bis 426 v. Chr. eine Seuche, der etwa ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fiel, darunter 429 auch Perikles.
Der Besitzer einer größeren Gerberei Kleon (der Führer der Radikaldemokraten und Befürworter einer aggressiveren Politik) und der Besitzer von Silberminen Nikias (der zu einem Ausgleich mit Sparta riet und die Interessen der Besitzenden vertrat) stammten nicht aus den alten Adelsgeschlechtern und nutzten als Forum noch stärker die Volksversammlung. Dass nun jedoch auch weitere Alimentierungsmaßnahmen von den Radikaldemokraten durchgesetzt wurden, war eine Folge des Umstands, dass der Großteil der Bevölkerung Attikas erstmals längere Zeit an einem Ort versammelt war, eben innerhalb der Befestigungsanlagen Athens. Allerdings sollten diese Versorgungszahlungen an die ärmeren Bevölkerungsschichten die finanziellen Ressourcen Athens in späterer Zeit stark belasten.
Den Athenern gelang es, den Golf von Korinth zu blockieren und somit große Teile der peloponnesischen Flotte lahmzulegen. 428 v. Chr. fiel Mytilene auf Lesbos vom Seebund ab, wurde jedoch bald darauf wieder in das Bündnis gezwungen. 427 v. Chr. kam es schließlich zur so genannten ersten sizilischen Expedition Athens unter Führung des Laches, die dem Schutz von Leontinoi gegen Syrakus dienen sollte, die jedoch für den Kriegsverlauf keine Bedeutung hatte. Die Flotte musste 424 abziehen.
Eine athenische Truppe unter dem Strategen Demosthenes landete 425 bei Pylos an der Westküste des Peloponnes. Eine spartanische Belagerung misslang, wobei im Verlauf der Schlacht von Sphakteria neben 120 Spartiaten weitere 172 Hopliten in Gefangenschaft gerieten (Thukydides 4,26-41). Der Ruhm fiel Kleon zu, der zu einer militärischen Entscheidung gegen die Spartaner bei Pylos gedrängt hatte, und der selbst mit einer Flotte 424 Kythera besetzen konnte. Sparta zeigte sich unter diesen Umständen friedensbereit. Doch Kleon stellte unannehmbare Gebietsforderungen, die Sparta ablehnte.
Thukydides, der die Brutalisierung des Krieges herausstreicht, konstatiert insgesamt einen Verfall der Sitten, was er exemplarisch am Beispiel Kerkyras im Jahr 427 festmacht, wo es bald zu einem blutigen Bürgerkrieg kam, aber auch bereits anhand des Mordes an den Mytilenern von 427 durch Athen belegt. Ähnlich verfuhren die Spartaner gegen die Bürger von Plataiai, von deren Kriegern sie 285 töten ließen. Im Sommer 413 v. Chr. überfielen thrakische Söldner im Dienste Athens das Dorf Mykalessos in Böotien und töteten alle, die sie finden konnten, wobei die Thraker auch in eine Schule eindrangen und alle dort versammelten Jungen ermordeten (Thukydides 7,29). Die Sophosyne, die mäßigende Zurückhaltung, galt inzwischen als kaschierte Feigheit.
424 v. Chr. setzte der spartanische General Brasidas in Thrakien auch Heloten ein, denen die Freiheit versprochen wurde. Er knüpfte Kontakte zu Perdikkas II., dem König von Makedonien, und schloss ein Bündnis mit ihm. Gespräche mit den Persern waren zuvor ohne Ergebnis verlaufen (Thuk. 4,50). Den Spartanern gelang die Einnahme des wichtigsten athenischen Stützpunktes in dieser Region, Amphipolis (Thuk. 4,102-116). Hinzu kam im selben Jahr eine schwere Niederlage der Athener beim Delion in Böotien, wo sie in offener Feldschlacht den Thebanern unterlagen. Im Frühjahr 423 kam es zu einem einjährigen Waffenstillstand, der aber 422 nicht erneuert wurde, weil Brasidas sich weigerte, den Ephoren Folge zu leisten. Kleon erlitt vor Amphipolis eine Niederlage und starb dort, Brasidas starb an seinen Verletzungen wenig später.
Mit dem Tod der beiden Kriegsbefürworter in der Schlacht von Amphipolis, wo die Spartaner zwar einen Sieg errangen, der aber durch den Verlust ihres besten Generals getrübt wurde, wurde der Weg für einen Friedensvertrag frei, den Nikias aushandelte und der auch seinen Namen trug: der Nikiasfrieden. Er wurde im Frühjahr 421 auf 50 Jahre abgeschlossen, doch weigerte sich der spartanische Feldherr, die thraktischen Poleis herauszugeben. Da die wichtigsten Verbündeten Spartas nicht zum Frieden bereit waren, schlossen Sparta und Athen ein Defensivbündnis. Daraufhin verbündeten sich Mantineia, Argos und Elis, denen sich Korinth und die Chalkider anschlossen. Im Herbst entstand ein Bund zwischen Sparta und Boiotien.
Niemand war zufrieden, aber die Gegner nutzten die Zeit. Sparta hatte die Hände gegenüber Argos frei, Athen in Thrakien, während Athen seine Herrschaft über den Seebund konsolidierte.
Alkibiades, der im Hause seines Onkels Perikles erzogen wurde, gewann in der Erholungszeit nach den Auseinandersetzungen mit Sparta immer mehr Einfluss auf die Volksversammlung. Er war entschlossen, einen Präventivkrieg gegen Sparta zu führen. Zunächst überredete er, ohne Erlaubnis der athenischen Ekklesia, Argos und seine Bundesgenossen, Athen ein Bündnis anzubieten. Als er zum Strategen gewählt worden war, schloss er ein entsprechendes 100-jähriges Bündnis. Argos konnte jedoch keinen Nutzen daraus ziehen, denn 418 v. Chr. unterlag es in der Schlacht von Mantineia.
Alkibiades begeisterte die Athener als nächstes für einen Sizilienfeldzug, den er zur Abwehr eines entsprechenden gegnerischen Bündnisses plante (Thuk. 6,16-18). Den Anlass bot ein Hilferuf aus Segesta, das sich so wie einige andere Poleis im Konflikt mit Selinunt und Syrakus befand, dem mächtigsten sizilischen Stadtstaat, welcher zugleich eine gemäßigte Demokratie war. Alkibiades setzte gegen die Empfehlungen des Nikias, der zur Vernunft riet und den ganzen Plan für zu gewagt hielt, die Expedition durch. Überschattet wurde das Unternehmen bereits vor dessen Beginn, da es in der Stadt zum so genannten Hermenfrevel kam: Unbekannte hatten die Hermen in der Stadt verstümmelt, was auch als ein Angriff auf die attische Demokratie gedeutet wurde. Alkibiades geriet in Verdacht, daran beteiligt gewesen zu sein.
Schließlich zog unter dem Kommando des Alkibiades, des Nikias und des Lamachos eine Flotte von 134 Trieren und etwa 5000 Hopliten 415 v. Chr. nach Sizilien. Die Gesamtstärke der Expedition betrug rund 32.000 Mann (6.400 Mann Landungstruppen und über 25.000 Ruderer). Allein das Athener Kontingent (100 Trieren, 1500 Hopliten) war die größte Expeditionsflotte, die je eine einzelne Polis ausgerüstet hatte. Alkibiades jedoch wurde noch vor Ankunft des Heeres auf Sizilien nach Athen zurückberufen, wo er sich einem Prozess stellen sollte: Angeklagt wurde er wegen des Hermenfrevels und wegen Verspottung der Mysterien von Eleusis. Er lief daraufhin zum Gegner Sparta über (Thuk. 6,53; 6,88,9-92) und soll dort von angeblichen Plänen Athens berichtet haben, Sizilien zu erobern, die Karthager und Sparta niederzuwerfen und die Herrschaft über alle Hellenen zu gewinnen.
Die Athener unter Nikias belagerten Syrakus. Von Seiten Spartas erhielt Syrakus nur geringe Unterstützung, doch entsandte es den Strategen Gylippos. Nikias musste einige Rückschläge einstecken, wagte aber aus Furcht vor dem Zorn der Volksversammlung nicht den Rückzug und erhielt Ende 414 v. Chr. noch einmal Verstärkung unter dem Kommando des Demosthenes, der sich bereits im archidamischen Krieg hervorgetan hatte. Schließlich drohten die Athener im Sommer 413 v. Chr. vollständig abgeschnitten zu werden. Sie waren nun auch ihrer Flotte beraubt, die im Hafen von Syrakus vernichtet worden war. Die Athener mussten den Rückzug antreten. Die verbliebenen 7.000 Mann gerieten im Hinterland in Gefangenschaft, die meisten von ihnen starben in den Steinbrüchen von Syrakus oder als Sklaven, während Nikias und Demosthenes hingerichtet wurden. Die sizilische Expedition endete in einer Katastrophe für Athen, das seine Kräfte überspannt hatte. In Athen reagierte man, indem man zehn probouloi (Vorberater) einsetzte, die zukünftig voreilige Beschlüsse der Ekklesia verhindern sollten. Statt der bisherigen phoroi verlegte sich Athen nun auf einen fünfprozentigen Ein- und Ausfuhrzoll.
Sparta erklärte aufgrund athenischer Übergriffe 414 v. Chr. den Nikiasfrieden für gebrochen. Es setzte sich 413 v. Chr., wie Alkibiades Jahre zuvor geraten hatte, im kleinen Ort Dekeleia in Attika fest, von wo aus seine Truppen Raubzüge in das attische Territorium unternahmen und den Bergbau von Laureion störten. Damit befand sich Athen im Zustand einer permanenten Belagerung: Mehrere tausend Sklaven liefen über. Viel gravierender war jedoch, dass die Versorgung Athens von Euböa aus, wo ein Großteil des athenischen Viehs stand, nur noch über den Seeweg möglich war. Zudem empfing Agis II. in Dekeleia Gesandte aus Euboia und Lesbos, die eine Erhebung planten; mit ähnlichen Anliegen gingen Gesandte aus Chios und Erythrai nach Sparta.
Zudem hatte Athen 414 v. Chr. in Kleinasien einen lokalen Rebellen unterstützt, so dass es sich auch mit dem Perserreich überwarf. Persien nahm nun Kontakt zu Sparta auf. In Verhandlungen mit dem persischen Satrapen in Sardes, Tissaphernes, wurden insgesamt drei Vertragsentwürfe ausgehandelt. 412 v. Chr. verpflichtete sich Sparta schließlich in drei Verträgen, Kleinasien an Persien abzutreten, wofür es im Gegenzug regelmäßige, aber keineswegs besonders umfangreiche Geldzahlungen zum Aufbau einer Flotte erhielt (Thuk.8,18; 8,37; 8,58).
Diese für Athen prekäre Situation nutzten mehrere Mitglieder des Seebundes und fielen ab 412 v. Chr. ab, während die spartanische Flotte, gebaut mit persischem Gold, recht erfolgreich in der Ägäis operierte, wobei es aber nicht gelang, die athenische Flotte zu schlagen. Allerdings betrieb Tissaphernes auch nach Abschluss des Vertrags mit Sparta eine wankelmütige Politik, um so den Zermürbungskrieg zwischen Athen und Sparta zum Vorteil Persiens in die Länge zu ziehen, wozu er angeblich von Alkibiades ermutigt worden war, der schon längst nicht mehr in der Gunst Spartas stand (angeblich hatte er die Frau von König Agis II. verführt). Zudem suggerierte er, er könne persische Subsidien erhalten, wenn in Athen ein oligarchischer Umsturz und eine Beendigung der Demokratie erfolge.
Athen war sogar an die letzten Geldreserven herangegangen, die man bei Kriegsausbruch zurückgelegt hatte. Diese Situation bereitete den Boden für den oligarchischen Verfassungsumsturz des Jahres 411 v. Chr.176 Bei der von Samos aus operierenden Flotte hatten sich mehrere oligarchisch gesinnte Kommandeure zusammengeschlossen. In ihren Bestrebungen wurden sie von Alkibiades ermutigt, der mit der spartanischen Flotte in der Ägäis operierte. Aufgrund seiner gefährdeten Position plante er wieder einen Seitenwechsel und machte die Verschwörer glauben, dass, wenn in Athen eine Oligarchie an der Macht wäre, auch das Perserreich zu einem Ausgleich bereit sei und er, Alkibiades, wieder nach Athen würde kommen können.
Die Verschwörer gingen systematisch vor und knüpften Kontakt zu den oligarchisch gesinnten Hetairien (lockeren Verbindungen von Adligen). Einer der Wortführer der Oligarchen, Peisandros, erklärte vor der Volksversammlung, dass die Verfassung, so wie sie nun bestehe, nicht den Erfordernissen des Krieges Rechnung trage. Unter diesen Umständen stimmte die Versammlung der Bildung eines 30-köpfigen Komitees zu, das eine neue Verfassung erarbeiten sollte.
So entmachteten die Oligarchen im Frühjahr 411 v. Chr. die Volksversammlung und erreichten schließlich die Einsetzung eines Rates der 400, der eine neue Verfassung vorbereiten sollte, wobei aber nur noch 5000 von den 400 bestimmte Hopliten in der Volksversammlung stimmberechtigt sein, die Zahlungen an Magistrate sollten ebenso wie die regelmäßigen Zahlungen an die freie Bevölkerung eingestellt werden. Die Versammlung der 5000 trat erst gar nicht zusammen, und der Rat der 400 übte alle Macht aus (Mai/Juni 411 v. Chr.).
Dank der weiterhin demokratisch gesinnten Flotte, bei deren Rudermannschaften die Oligarchen keine Unterstützung fanden, konnte der Umsturz bald wieder rückgängig gemacht werden, zumal bei den Oligarchen Männer wie Theramenes in eine eher gemäßigte Richtung tendierten. Bereits nach wenigen Monaten wurde der Rat der 400 entmachtet, und es trat eine Versammlung der 5000 zusammen, bevor Mitte 410 v. Chr. die Demokratie wieder eingerichtet wurde, samt den Maßnahmen zur Alimentierung der Bevölkerung. Alkibiades war schon vorher zu den Demokraten übergewechselt und hatte sich zum Führer der demokratischen Gegenbewegung auf Samos gemacht, nachdem die Oligarchen ihn aufgrund des nicht zustande gekommenen Ausgleichs mit Persien außen vor gelassen hatten.
Nach der Rückkehr des Alkibiades folgte eine Reihe athenischer Siege, so bei Kyzikos 410 v. Chr., wonach Sparta noch einmal zum Frieden bereit war, was in Athen aber von den radikalen Demokraten unter Führung des Kleophon abgewiesen wurde. Alkibiades konnte mehrere abgefallene Städte zurück in den Seebund zwingen, so das strategisch wichtige Byzantion, und mit dem Satrapen von Phrygien, Pharnabazos (einem Konkurrenten des Tissaphernes), sogar einen Waffenstillstand abschließen. Alkibiades hielt daraufhin im Sommer 408 oder 407 einen triumphalen Einzug in Athen und wurde zum Strategos gewählt. Obendrein erhielt er den uneingeschränkten Oberbefehl über die Land- und Seestreitkräfte. Sparta bot erneut Frieden an, doch war die Ekklesia nicht bereit, seinen Besitzstand anzuerkennen.
407 v. Chr. war der spartanische Heerführer Lysander nach Kleinasien gegangen und hatte dort Kontakt zum persischen Prinzen Kyros dem Jüngeren aufgenommen, der nun in Kleinasien als eine Art Oberkommandeur fungierte. Kyros zeigte sich von Lysander tief beeindruckt. Persien beendete seine Schaukelpolitik endgültig, und Sparta erhielt nun wesentlich mehr Unterstützung. In dieser letzten Phase des Dekeleisch-Ionischen Kriegs verlor Athen zunächst gegen die Spartaner unter Lysander die Schlacht von Notion 407 v. Chr., was schließlich zur Abberufung des Alkibiades führte, obwohl dieser selbst nicht anwesend gewesen war, doch traute man ihm offensichtlich nicht mehr.
Lysander musste sein Kommando allerdings bald schon abgeben, und der neue Flottenkommandeur Kallikratidas verstand sich weit weniger gut mit Kyros, dem Lysander sogar eigenmächtig die nicht verbrauchten Subsidien zurückerstattet hatte. Dennoch gelang es den Spartanern, die athenische Flotte bei Lesbos einzukesseln. Athen bot noch einmal alle Kräfte auf und entsandte eine Entsatzflotte, die die Spartaner bei den Arginusen (einer Inselgruppe östlich von Lesbos) im Jahre 406 v. Chr. zur Schlacht zwang. Es war die größte Seeschlacht, die sich die Griechen jemals gegeneinander geliefert hatten, und sie endete mit einem überwältigenden Sieg für Athen und dem Tod des Kallikratidas. Allerdings kam es aufgrund der unterlassenen Rettung von athenischen Seeleuten zum berüchtigten Arginusenprozess, der mit der Hinrichtung mehrerer athenischer Strategen endete.
Die Niederlage bei Aigospotamoi (in der die Spartaner wieder von Lysander kommandiert wurden) im Jahre 405 – eigentlich mehr ein Handstreich als eine Schlacht – besiegelte schließlich das Schicksal Athens, das nun über keine intakte Flotte mehr verfügte, während die Spartaner unter Lysander mit 200 Trieren das Meer beherrschten. Lysander ließ die 3.000 Gefangenen hinrichten (Diodor, 13,105-106,7). In Athen breitete sich Panik aus. Nur Samos hielt noch zu den Athenern. Lysander beorderte Einheiten nach Samos (deren Bürger nun das attische Bürgerrecht erhielten und so den Bürgern Athens gleichgestellt wurden, eine zuvor undenkbare Maßnahme), der Rest der Flotte setzte Kurs auf Piräus, während zwei spartanische Heere sich vor Athen vereinigten. Die Stadt, die durch den Zustrom an Flüchtlingen überquoll, wurde eingekesselt und musste schließlich ausgehungert im Frühjahr 404 v. Chr. kapitulieren.
„Nach der Annahme der Friedensbedingungen fuhr Lysander in den Peiraios ein, die Verbannten kehrten zurück, und man begann mit Freude, die Mauern unter der Begleitmusik von Flötenspielerinnen einzureißen, da man glaubte, dass mit jenem Tag der Anfang der Freiheit für Hellas begonnen habe.“
Die Langen Mauern wurden niedergerissen, der Seebund aufgelöst, die Flotte musste bis auf zwölf Schiffe ausgeliefert werden. Mit der Herrschaft der Dreißig wurde eine pro-spartanische Oligarchie in Athen an die Macht gebracht, die jedoch 403 v. Chr. beseitigt wurde. In der Ägäis wurden pro-spartanische Regime, so genannte Dekarchien (da es sich um Zehnerkommissionen handelte) installiert und spartanische Garnisonen eingerichtet. Ein bis dahin in Griechenland unerhörter Vorgang, wobei viele Bürger sie für eine Form der Tyrannei hielten, die vor 397, vielleicht sogar 400 wieder abgeschafft wurde.
Nach der Niederlage Athens riss Kritias, ein Freund des Alkibiades, zusammen mit 29 weiteren Oligarchen (Rat der Dreißig) und mit Hilfe der spartanischen Besatzer die Staatsgewalt an sich und begann, nachdem er seinen Widersacher Theramenes hatte hinrichten lassen, mit der Ermordung seiner Gegner und der Verfolgung reicher Metöken, um deren Vermögen an sich zu bringen. Prominente Beispiele für die Verfolgung sind der Redenschreiber Lysias und sein Bruder Polemarchos. Auch der Athlet Autolykos, den Xenophon in seinem Gastmahl beschreibt, wurde umgebracht. Im Winter 404 auf 403 besetzten etwa 70 Gegner des Terrorregimes von Theben aus auf dem Parnes einen Platz, eine Truppe der Dreißig scheiterte im Schneesturm. Im Gegenzug gelang den Aufständischen ein Zug nach Piräus und sie befestigten den Munychia-Hügel. Die Dreißig ließen in Eleusis und auf Salamis alle Kriegspflichtigen verhaften und hinrichten. In nur acht Monaten verloren 1.500 Athener gewaltsam ihr Leben. Erst der von Thrasybulos geführte Aufstand beendete die Herrschaft der Dreißig, die nach Eleusis flohen. Kritias selbst starb bei den Kämpfen im Gebiet des Munychia. Lysander stand bereit einzugreifen, doch der spartanische König Pausanias konnte der Machtanhäufung Lysanders nicht länger zusehen. Seine Kooperation mit Agis II. ermöglichte die Wiederherstellung der athenischen Demokratie. Eine 15-köpfige Kommission erreichte im Sommer 403 eine Einigung. Der Sonderstaat in Eleusis war weitgehend isoliert, viele Athener kehrten in ihre Heimatstadt zurück, so dass die geschwächten Oligarchen Söldner anwerben mussten, um diese Verluste auszugleichen. Sparta, das den persischen Prinzen Kyros gegen den Großkönig Artaxerxes II. unterstützte, steckte in außenpolitischen Schwierigkeiten und war dementsprechend nicht in der Lage einzugreifen. Das Athener Bürgerheer war entschlossen, Eleusis zurückzuerobern. Als die eleusinischen Heerführer zu Verhandlungen ins athenische Lager kamen, wurden sie allesamt ermordet. Eleusis wurde angeschlossen, eine Amnestie sollte die tiefen Wunden heilen.
Athen war immerhin nach der gewaltigen Niederlage nicht zerstört worden, wie von Korinth und Theben gewünscht. Sparta wollte kein Machtvakuum entstehen lassen, zumal es selbst große Schwierigkeiten hatte: Man war mit dem Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung gegen Athen zu Felde gezogen, hatte geradezu einen Systemstreit inszentiert, der zur Wahl zwischen Oligarchie und Demokratie zwang. Persien war dabei für dessen Hilfe die Abtretung der kleinasiatischen Küste zugesichert worden, also von hellenischen Poleis. Dieser Gegensatz zwang nun Sparta gegen das Perserreich Krieg zu führen. Das Perserreich seinerseits hatte durch die Schwächung der beiden stärksten Poleis am meisten vom Krieg profitiert. Außerdem hatten Korinth und Theben nicht die gleichen Ordnungsvorstellungen, wie man sie in Spartas Führungsgruppe hegte.
Sparta konnte nach dem Sieg von 404 v. Chr. trotz einiger Anstrengungen die Führungsrolle Athens nicht übernehmen; dafür fehlten ihm sowohl die Ressourcen als auch der institutionelle Rahmen. Zudem kam es 400 bis 394 zwischen Sparta und Persien zum Krieg um Kleinasien, da Sparta sich weigerte, die dortigen griechischen Städte den Persern auszuliefern, wie es der Vertrag von 412 v. Chr. vorgesehen hatte. Mit Hilfe des Athener Strategen Konon begann Persien eine Flottenaufrüstung und gewann Rhodos. Derkylidas musste 397 einen Friedensvertrag bei Magnesia mit den dortigen Satrapen schließen, der Spartas Abzug gegen Autonomie der griechischen Städte Kleinasiens vorsah. Der Großkönig akzeptierte diesen Vertrag jedoch nicht. Agesilaos II. übernahm 396 das Kommando, doch musste Sparta 394 eine Niederlage seiner Flotte bei Knidos hinnehmen. Wie umstritten die Hegemonie Spartas schon 396 war, erwies das Verhalten des Böotischen Bundes. Dessen Beauftragte hinderten Agesilaos II. in Aulis in beleidigender Weise, durch Kulthandlungen in Erinnerung an Agamemnons Aufbruch nach Osten, den Perserkrieg zu eröffnen. Athen, Theben und Korinth weigerten sich, den Feldzug zu unterstützen; im Herbst 396 erhielten sie ein persisches Subsidienangebot. Korinth, Athen, Böotien und Argos verbanden sich 395 zu einer Symmachie, im selben Jahr als Lysander starb. Lysander hatte, als sich Sparta die Gelegenheit bot, seine Gegner niederzuwerfen, den Fehler begangen, Orchomenos zum Abfall vom Boiotischen Bund zu zwingen. Damit lieferte er Theben einen Kriegsgrund. Athen neigte zu Theben. Lysander ließ sich, ohne auf die Hilfe König Pausanias' zu warten, auf ein Gefecht bei Haliartos ein und kam ums Leben. Pausanias, einen Tag später eingetroffen, schloss einen Waffenstillstand, wofür er in Sparta zum Tode verurteilt wurde. Er floh nach Tegea.
In Athen kam es 399 v. Chr. zum Prozess gegen Sokrates, dem der Ankläger Anytos vorhielt, der Lehrer sowohl des Kritias als auch des Alkibiades gewesen zu sein, die als die schlimmsten Vertreter der Oligarchen und der Demokraten galten. Nun hatte er die Auslosung der Polisbeamten verspottet, was in einer Phase nach einer extremen Instabilität mit zahllosen Opfern als Affront gegen die wiederhergestellte Demokratie aufgefasst werden konnte. Er wurde verurteilt, nicht an die Götter sondern an neue göttliche Wesen (daimonia) zu glauben und die Jugend zu verführen. Mitläufertum und Sophismus konnten ihm kaum vorgeworfen werden. Solcherlei Anklagen waren ein probates Mittel, politisch Lästige loszuwerden.
Athen suchte nach Möglichkeiten, seine Demokratie möglichst breit zu lagern und zugleich die Vertreter der Institutionen zu kontrollieren. Die routinemäßige Rotation der Funktionsträger bestand ebenso fort, sieht man von militärischen Posten und solchen in der Finanzverwaltung ab. Alljährlich mussten etwa 40 Tagungen der Ekklesia stattfinden. Ein kompliziertes Verfahren sollte irgendwann ab 403/2 und 379/8 verhindern, dass die Prytanen über den Vorsitz zu viel Einfluss auf die Entscheidungen dieses Zentralorgans nahmen. Auch für die Gesetzgebung und Dekrete, gegen die Klagen auf Gesetzwidrigkeit möglich waren, wurden Reformen durchgesetzt. Um Bestechungen der Richter zu verhindern, griff man auch hier zu einem Losverfahren unter den 6000 Laienrichtern. Nach 340 wurden auch die Vorsitzenden der Gerichtshöfe erst an den betreffenden Gerichtstagen ausgelost.
Im Korinthischen Krieg (395–387 v. Chr.) kämpften Argos, Athen, Korinth und Theben gegen die Spartaner. König Agesilaos konnte - die Niederlage gegen die Perser bei Knidos verschwieg er - sich in der Schlacht bei Koroneia den Weg Richtung Peloponnes freikämpfen. Dennoch verlor Sparta alle kleinasiatischen Positionen bis auf den Hellespont. 393 stießen die persischen Schiffe unter Konon und Pharnabazos in die Ägäis vor, kontrollierten bald die Kykladen und besetzten Kythera. Die beiden Männer nahmen an einer Tagung des Korinithischen Bundes teil. Die persischen Subsidien gestatteten Athen den Wiederaufbau der Mauern und die Anwerbung von Truppen, von Peltasten, leicht bewaffneten Fußtruppen. Konon wurde im Sommer 393 in Athen triumphal als Befreier Griechenlands empfangen. 392 unterstanden Lemnos, Imbros und Skyros wieder Athen, wo man eine Wiedererrichtung des alten Seebundes erhoffte. Um die Koalition zu sprengen machte Sparta weitgehende Zugeständnisse. Allerdings beharrten die Spartaner gegenüber Theben auf der Autonomie von Orchomenos, von den Korinthern verlangten sie Verzicht auf die Bindung an Argos. Nach einigen spartanischen Erfolgen unterlag jedoch 390 eine Hoplitentruppe von 600 Mann gegen Athener unter Iphikrates, wobei 250 Hopliten umkamen. Da hier Peltasten über Hopliten gesiegt hatten, war der Nimbus der Hopliten zerstört. Iphikrates besiegte zudem am Hellespont eine spartanische Streitmacht. 392/91 hatte der Perserkönig mit der Abberufung des Satrapen Tribazios das Ende der politischen Annäherung an Sparta signalisiert. Spartanische Truppen unterlagen im Kampf gegen die Reiterei des Struthas, doch fürchtete man am Königshof ein Erstarken Athens mehr. So wurde Struthas wieder abberufen und wieder durch Tribazios ersetzt, denn Persien kämpfte mit einem Aufstand auf Zypern, das sich zudem mit Ägypten verbündet hatte. 387/386 v. Chr. kam es schließlich durch Antalkidas zum Königsfrieden, der den Krieg im griechischen Mutterland zu einem vorläufigen Ende brachte.
Persien sicherte sich Kleinasien und Zypern, während Athen nur einige seiner alten Kleruchien behalten durfte. Alle anderen Poleis sollten autonom sein. Auf dem Prinzip von Autonomie und Gleichberechtigung basierte auch die Idee der Koine Eirene, des Allgemeinen Friedens, die in den Folgejahren politische Wirkung entfaltete und neben dem Panhellenismus der prägende politische Gedanke dieser Zeit war. Am Ende scheiterte aber auch diese Friedensidee immer wieder an der Unmöglichkeit, sie ohne die Garantie einer starken Hegemonialmacht durchzusetzen. Zunächst jedoch schien die spartanische Hegemonie wiederhergestellt zu sein, denn Korinth und Argos fielen zurück, die Poleis in Böotien wurden autonom, was Theben schwächte. Doch das Machtvakuum in der Ägäis nutzte Athen, während die kleinasiatischen Städte wieder einen ähnlichen Status hatten, wie vor dem Aufstand von 500/499 v. Chr. Der athenische Redner Isokrates entwickelte den kühnen Plan, Persien zu erobern.
Als es 379 v. Chr. thebanischen Demokraten gelang, die spartanische Besatzung abzuschütteln und in der Folge für die staatliche Einigung ganz Böotiens zu sorgen, bot sich auch für Athen die Gelegenheit, sich zu befreien und 378/377 v. Chr. den Zweiten Attischen Seebund zu gründen. Maßgebliche Triebkraft war diesmal allerdings die Beseitigung der spartanischen Vormachtstellung, während man in Bezug auf das Perserreich auf Interessenausgleich setzte. Größeren Zulauf zu dem neuen Seebund kam erst zustande, nachdem Athen – in dem von Aristoteles verfassten Aufruf – neben der antispartanischen Propaganda auch Garantien für Freiheit und Autonomie der Verbündeten vorgesehen hatte. Der Bund zählte bis zu etwa 70 Mitglieder und das in Athen tagende Synhedrion sah für die Bundesgenossen wieder je eine Stimme vor. Ein Beschluss dieser Vertretung bedurfte aber zu seiner Gültigkeit der Zustimmung der athenischen Volksversammlung.177
Die Phoroi hießen nun Syntáxeis und waren durchgängig als Geldzahlungen zu leisten. Beitragssenkungen für die einzelnen Bundesgenossen konnte die athenische Volksversammlung ohne Beteiligung des Synhedrions beschließen, weil die Beitragsausfälle nur den Athenern zur Last fielen und die übrigen Bündner nicht berührten. Beitragsfrei gestellt war lediglich das Gründungsmitglied Theben wegen seines Einsatzes im Landkrieg gegen die Spartaner.178 Der Beitrittsaufruf der athenischen Volksversammlung von 377 versprach den Bundesgenossen volle Autonomie, freie Wahl der Verfassung sowie Freiheit von Besatzung und Aufsichtsbeamten. Bodenbesitz von Athenern auf dem Territorium der Bündner sollte es nicht mehr geben.179 Die Bündner-Poleis waren nicht gehindert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Flotten zu unterhalten, verpflichteten sich aber zu keinerlei Hilfen bei den militärischen Operationen, die die Athener in Angelegenheiten des Bundes durchführten. Die Überstellung der Beiträge für den Bund nach Athen oblag den Bundesgenossen selbst, doch bei Zahlungsrückständen dürfte Athen Geldeinzieher ausgesandt haben.
Dass die militärischen Operationen ohne jede Beteiligung von Schiffen der Bundesgenossen durchgeführt wurden, hatte für Athens Strategen den Vorteil der vereinfachten Organisation und des einheitlichen Kommandos. Dafür verblieben aber auch alle Risiken militärischer und finanzieller Art allein bei Athen. Die auf den vermögenden Bürgern lastenden Verpflichtungen, für Bau und Einsatzkosten der Trieren aufzukommen (die mit der Trierarchie verbundenen Leiturgien), konnten in diesem Organisationsrahmen vor allem dann drückend werden, wenn die Kriegskosten in Zeiten erhöhter Spannungen oder offener Konfrontation anstiegen.
Mit einem Sieg über die peloponnesische Flotte im Sund zwischen Paros und Naxos gelang Athen 375 noch einmal die Erringung der Seeherrschaft, nachdem es 376 zu Kämpfen mit spartanischen Flotten gekommen war. 375 fand in Sparta ein Friedenskongress statt, auf dem ein panhellenischer Frieden geschlossen wurde. Spartas Ressourcen waren weitgehend erschöpft. Nach zwischenzeitlichen Spannungen 371 v. Chr. noch einmal erneuert, war er aber wegen der Konfrontation Thebens unter Epameinondas mit Sparta rasch hinfällig. Schon 375 hatten die Thebaner bei Tegyra einen Sperrriegel der Spartaner durchbrochen. Doch ihrem Feldherrn Pelopidas gelang es nicht, Orchomenos einzunehmen. Ein Friedensangebot Athens nahmen die Spartaner sogleich an, das als Seemacht aufgab. Athen unterstützte jedoch antispartanische Gruppen auf Zakynthos, woraufhin Sparta auf Kerkyra intervenierte. Es scheiterte jedoch an der Polis, und Athen schickte 374 nur eine kleine Peltastentruppe.
373 zerstörten die Thebaner Plataiai; es folgten Thespiai und Tanagra. Den Spartanern gelang es, Theben von einem allgemeinen Frieden auszuschließen. In der Schlacht bei Leuktra erlitt das spartanische Heer jedoch hohe Verluste, die Spartas Ende als Großmacht herbeiführten und Theben für das Folgejahrzehnt die Vormachtstellung verschafften.180 Die Schlacht ist die erste Schlacht, für die der Gebrauch der Schiefen Schlachtordnung nachgewiesen ist.
Doch Samos, das 387 v. Chr. an Persien gefallen war, wurde 365 v. Chr. unter dem Strategen Timotheos in einer Weise zurückgewonnen, die an frühere Praktiken erinnerte. Nicht nur die persische Besatzung, sondern auch die Samier selbst wurden vertrieben und an ihrer Stelle nach und nach mehrere tausend attische Kleruchen angesiedelt.181
Unter dem Eindruck der wechselseitigen Schwächung Spartas und Thebens mochte Athen mit dem Seebund neuerlich Großmachtambitionen hegen. Diesem Ziel stellte sich aber seit 359 der Aufstieg Makedoniens unter Philipp II. entgegen, und auch Persien mischte sich ein. Die dadurch geschwächte Stellung Athens in der Ägäis ermutigte einige Mitglieder zur Lösung vom Attischen Seebund: Chios, Rhodos, Byzantion und Kos schlossen sich zu einer eigenen Konföderation gegen Athen zusammen. Athen musste gleich zu Anfang eine Niederlage seiner Flotte hinnehmen, schließlich besetzte Philipp Amphipolis und eroberte mit Pydna eine mit Athen verbündete Stadt. So misslang es Athen im Bundesgenossenkrieg, die Abspaltung rückgängig zu machen. Es musste mit dem Friedensschluss von 355 v. Chr. eine erhebliche Machteinbuße hinnehmen. Philipp stürmte 354 v. Chr. zudem die letzte mit Athen verbündete Stadt Methone in Makedonien. Seine Expansion richtete sich zudem nach Süden, nach Thessalien, und nach Osten, auch wenn sie zunächst in Thrakien scheiterte.
Diese Expansion Makedonens hatte zur Voraussetzung, dass Makedonien den Rücken frei hatte, woran Philipps Vorgänger gescheitert war. Im Nordwesten kämpften die Makedonen nämlich immer wieder mit Illyrern und mit den Molossern in Epiros. Bardylis182, der König der vor allem im heutigen Kosovo lebenden Dardaner, begründete wohl eine Dynastie und dehnte die Macht der Illyrer am weitesten aus.183 Nicht nur die Makedonen, sondern auch die Epiroten mussten ihm Tribute zahlen. Als der Makedonenkönig Perdikkas III. 360/359 v. Chr. versuchte, deren Oberhoheit abzuschütteln, wurde er in einer Schlacht von Bardylis besiegt und starb zusammen mit 4.000 Makedonen.184
Sein Nachfolger Philipp II. war erfolgreicher. Er heiratete Bardylis’ Enkelin oder Tochter, um an der Nordgrenze Frieden zu erlangen. Doch bereits 358 zog er mit 10.000 Infanteristen und 6.000 Kavalleristen gegen die Illyrer. Wohl in der Lynkestis kam es zur Schlacht, in der 7.000 Illyrer einschließlich ihres hochbetagten Königs Bardylis starben. Die Territorien östlich des Ohridsees bis zur Lynkestis kamen an Makedonien. Damit endete die Expansion der Illyrer nach Süden.185
Die Aleuaden von Larissa riefen 353 Philipp II. zu Hilfe, nachdem sich die Phoker auf Seiten ihrer Gegner aus Pherai engagierten. Thessalien war zu dieser Zeit Nebenschauplatz des Dritten Heiligen Krieges. Die Phoker besetzten Delphi und beanspruchten die Einnahmen des berühmten Orakels für sich, woraufhin die delphische Amphiktyonie – das für Delphi zuständige Kultbündnis – Philipp um Hilfe bat. Dieser erhoffte sich davon nicht zuletzt einen propagandistischen Nutzen: Schon 356 v. Chr. hatte er den Sieg seines Pferdewagens bei den Olympischen Spielen auszunutzen verstanden; nun spielte er wieder die „panhellenische Karte“. Nach der Schlacht auf dem Krokusfeld westlich des Golfs von Pagasai im Jahr 352 v. Chr. wurde Philipp für sein Engagement im Krieg gegen die Phoker von den Thessalern als Archon ihres Bundes anerkannt. Ein Vorstoß der Makedonen nach Zentralgriechenland wurde jedoch von den Athenern aufgehalten, die die Thermopylen sperrten. Obwohl auch Lesbos und Kerkyra deren Seebund verließen, und unter dem Einfluss der makedonischen Machtexpansion weitere Mitglieder verlorengingen, blieb die auf den Bund gegründete Seemacht Athens noch 340 v. Chr. auch für Philipp eine bedeutende Einflussgröße.
349 v. Chr. fiel Stageira, die Heimatstadt des Aristoteles, und 348 eroberten die Makedonen Olynth auf der Chalkidike. Die Stadt wurde zerstört, zwei dorthin geflohene Halbbrüder Philipps, die Thronansprüche hätten geltend machen können, wurden ermordet. Im Frieden des Philokrates musste Athen 346 die makedonische Hegemonie anerkennen.
Im mittelgriechischen Phokis fasste im selben Jahr Makedonien gleichfalls Fuß. Philipp baute diese Position weiter aus, indem er sich Sitz und Einfluss in der delphischen Amphiktyonie verschaffte. 343 v. Chr. schloss er mit dem persischen Großkönig Artaxerxes III. einen Nichtangriffspakt. In Athen war man wegen der makedonischen Expansion alarmiert, während Philipp sich um Verständigung bemühte und Nachbesserungen zum Philokratesfrieden anbot. Als dies zurückgewiesen wurde, erklärte Philipp 341 v. Chr. den Athenern, er werde ihre Einmischungen nicht länger hinnehmen. Bis 340 v. Chr. war Thrakien vollständig in makedonischer Hand; es wurde einem makedonischen Strategos unterstellt. Währenddessen belagerte Philipp vergeblich Byzantion und kaperte eine athenische Getreideflotte.
Daraufhin erklärten die Athener unter dem Einfluss des Redners und Politikers Demosthenes, der mehrere eindringliche Reden gegen die Politik Philipps gehalten hatte (Philippiken), Makedonien den Krieg. Die neu geschaffene, noch schwache makedonische Flotte musste sich in das Schwarze Meer zurückziehen, während Philipp einen Feldzug an der Donau führte. 339 drang das makedonische Heer überraschend schnell nach Zentralgriechenland vor, woraufhin sich auch Theben dem von Athen geschaffenen Bündnis anschloss.
Anfang August 338 v. Chr. vernichtete Philipp mit einem Heer von 30.000 Makedonen und Thessalern in der Schlacht von Chaironeia das etwa gleich starke alliierte Heer Thebens, Athens und anderer Stadtstaaten durch einen massiven Kavallerieeinsatz, der von seinem Sohn Alexander geführt wurde. Während Theben eine makedonische Besatzung erhielt, behandelte Philipp Athen, wo es durchaus auch Vertreter einer pro-makedonischen Politik gab, vergleichsweise milde. Während nämlich Demosthenes in den 40er Jahren den Widerstand gegen Philipp propagiert hatte, hatte es bereits mit Isokrates einen Gegenspieler gegeben, der die Griechen hinter dem Makedonenkönig im Sinne einer antipersischen Koalition zu einen suchte.186
Philipp begründete 337 v. Chr. den Korinthischen Bund, dem alle griechischen Stadtstaaten außer Sparta angehörten. Er wurde dessen Hegemon und bevollmächtigter Strategos. Er rief auch einen Allgemeinen Frieden aus und erreichte die Zustimmung des Bundes zu einem Feldzug gegen das Perserreich, unter dem Vorwand, Rache für die Zerstörungen während des Feldzugs des Xerxes 140 Jahre zuvor zu nehmen. Damit schuf der König für die zahlreichen jungen Männer, die während der Kriege nichts anderes als Kriegführen gelernt hatten, ein externes Ventil, so dass sich diese Kräfte nicht länger gegen Makedonien richteten. Gleichzeitig versprach der Feldzug Beute und eine gewaltige Ausdehnung des makedonischen Einflusses.187
Bevor Philipp zum Feldzug gegen Persien aufbrechen konnte (eine Heeresabteilung unter dem Befehl Parmenions stand bereits in Kleinasien), wurde er während der Hochzeit seiner Tochter Kleopatra mit dem Molosserfürsten Alexander von Epeiros, einem Bruder der Olympias, den er um 350 v. Chr. als König in Epeiros eingesetzt hatte, von seinem Leibwächter Pausanias 336 v. Chr. ermordet.
1977 wurde bei Vergina ein Hügelgrab mit drei Kammern entdeckt, das auch Überreste Philipps enthielt, wie sich 2014 bestätigte. Zudem fanden sich Knochenreste des Sohnes Philipps von einer Nebenfrau, also die Überreste des Philipp III. Arrhidaios, aber wohl auch Knochen von Philipp selbst, sowie von einer Frau, die zu dieser Zeit 30 bis 34 Jahre alt war, und der skythische Objekte beigegeben worden waren.188
Einen scharfen Einschnitt stellte die Expansion Makedoniens dar, die sein König Alexander der Große in wenig mehr als einem Jahrzehnt bis nach Ägypten und Indien vorantrieb. Schon sein Vater Philipp II. hatte zunehmend Griechenland beherrscht und damit die Voraussetzungen für eine gleichzeitig einsetzende und sich verstärkende kulturelle Ausdehnung gelegt. Dabei war Makedonien ein Land, das im Norden des antiken Griechenlands lag, und das von vielen Griechen als „barbarisch“ angesehen wurde, obwohl das Königsgeschlecht als griechisch anerkannt war. Im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. wurden erstmals Makedonen zu den Olympischen Spielen zugelassen, nachdem König Alexander I. eine Abstammung aus Argos in Anspruch genommen hatte (Herodot, Historien 5,22). Alexanders Vater holte den griechischen Philosophen Aristoteles in seine Hauptstadt Pella und beauftragte ihn, seinen Sohn in Philosophie, Kunst und Mathematik zu unterrichten.
Alexander befürchtete nach einem Streit, von der Thronfolge ausgeschlossen zu werden. Daher floh er mit seiner Mutter über Epiros nach Illyrien. Nach einem halben Jahr kehrte er nach Pella zurück. 336 v. Chr. folgte der zwanzigjährige Alexander seinem ermordeten Vater auf den Thron, Widerstand dagegen ließ der Feldherr Antipater unterdrücken. Alexander der Große, wie er später genannt wurde, ließ sich noch im selben Jahr in Korinth die Gefolgschaft der griechischen Städte versichern.
Doch Illyrer und Thraker nutzten den Thronwechsel, um sich unabhängig zu machen. Alexander zog im Frühjahr 335 v. Chr. mit 15.000 Mann nach Norden, überquerte die Donau und unterdrückte die thrakische Revolte, um sich zugleich gegen die Geten zu wenden. Nach deren Flucht und einem Abkommen wandte er sich gegen die illyrischen Stämme der Dardaner und Taulantier im nordwestgriechisch-albanischen Raum. Die auf Seiten Alexanders verbliebenen Agrianes besiegten die gleichfalls aufständischen Autariaten, Alexanders Armee die übrigen Aufständischen.
Noch im Feldlager vor dem zerstörten Pelion hatte Alexander von dem Abfall Thebens vom Hellenenbund erfahren, der von dem athenischen Politiker Demosthenes gefördert wurde. Dieser hatte behauptet, Alexander sei im Kampf gegen die Triballer gefallen.189 Doch Alexander marschierte innerhalb von zwölf Tagen mit seinem Heer nach Böotien, wo sich die Thebaner zum Kampf stellten. Die Makedonen unter Alexanders General Perdikkas eroberten die Stadt, wo Alexander zur Bestrafung sämtliche Gebäude mit Ausnahme der Tempel und des Wohnhauses des Dichters Pindar zerstören ließ. 6.000 Einwohner wurden getötet, die übrigen 30.000 in die Sklaverei verkauft. Die Stadt Theben existierte nicht mehr. Sie sollte erst zwanzig Jahre später wieder aufgebaut werden. Von den Korinthern ließ sich Alexander von neuem die Gefolgschaft zusichern. Er verschonte sie, da er sie als Verbündete in dem von ihm geplanten Persienfeldzug brauchte.
Als Alexander diesen Perserfeldzug begann,190 herrschte dort als Großkönig Dareios III., den die Perser Dārayavahusch nannten. Alexander überschritt den Hellespont im Mai 334 mit einer Armee aus etwa 35.000 Makedonen und Griechen, während 12.000 Makedonen unter Antipater Makedonien und Griechenland sichern sollten. Der für die Perser kämpfende Grieche Memnon von Rhodos führte 20.000 griechische Söldner, doch Alexander errang einen deutlichen Sieg. Dadurch wurde die Befreiung der Städte Ioniens möglich, die Alexander als Motiv für seinen Feldzug genannt hatte. Nach dem Sieg ernannte Alexander eigene Statthalter für die Satrapien und übernahm damit die politischen Strukturen der persischen Verwaltung.
In Ephesos war kurz zuvor Memnon mit den Resten der Söldner vom Granikos hindurchgezogen und hatte Unruhen unter den städtischen Parteien entfacht. Alexander ließ die alten Institutionen wiederherstellen und regelte die Befugnisse des Tempels der Artemis. Danach brach der König mit dem Gros des Heeres nach Milet auf, der größten Stadt an der Westküste Kleinasiens. Der dortige Satrap widerstand als Einziger, da ihm die Ankunft einer persischen Hilfsflotte von 400 Schiffen zugesagt worden war. Da auch Alexander von dieser Flotte gehört hatte, ließ er mit 160 Schiffen die Einfahrt zur Bucht von Milet sperren. Nach der Eroberung retteten sich 300 milesische Söldner auf eine kleine Hafeninsel und verteidigten sich dort. Von ihrem Mut beeindruckt, soll Alexander sie in sein Heer aufgenommen haben, während er nur wenige Wochen zuvor am Granikos noch tausende gefangene griechische Söldner hatte hinrichten lassen. Nun ergab sich eine Stadt nach der anderen kampflos, dann belagerte er Memnon in Halikarnassos, der Hauptstadt Kariens. Memnon, der entkommen konnte, starb im nächsten Jahr an einer Krankheit. In diesem Jahr 333 v. Chr. siegte Alexander bei Issos über eine persische Armee und setzte die Eroberung des Perserreiches fort.
In Griechenland, das Alexanders Statthalter Antipater bis auf den Peleponnes fest im Griff hatte, rührte sich kein Widerstand. Lediglich der Spartanerkönig Agis III. setzte noch auf die persische Karte und hatte Kreta durch seinen Bruder und Mitregenten Agesilaos besetzen lassen. Noch während seines Aufenthalts in Gordion 333 v. Chr. beauftragte Alexander eine neue griechische Flotte. Diese stand im Frühjahr 332 bereit. Nun konnten die makedonischen Nauarchen Hegelochos und Amphoteros die Inseln besetzen – von Tenedos und Chios (wo der persische Admiral Pharnabazos mit der Besatzung von 15 Trieren in Gefangenschaft geriet) – bis nach Kos und schließlich Lesbos. Dort handelte der athenische Söldnerführer Chares mit 2.000 Mann freien Abzug aus und begab sich nach Tainaron, dem Hafen und Söldnermarkt südlich von Sparta. Amphoteros unterwarf zudem die kretischen Stützpunkte, während Hegelochos weiterhin in Ägypten blieb, wo sich Alexander bereits aufhielt.
Alexander eroberte das Perserreich und schickte 324 v. Chr. 11.500 griechische Soldaten nach Hause. Im nächsten Jahr starb er, den Seneca als wahnsinnigen Burschen, zum Bersten aufgeblasenes Tier, Räuber und Plage der Völker bezeichnete, wohingegen Plutarch glaubte, seine Eroberungen hätten barbarischen Völkern Recht und Frieden gebracht und die Unterworfenen humanisiert. Ökonomisch gesehen ergibt sich ein anderes Bild: „Alexander der Große hatte den persischen königlichen Schatz ausmünzen lassen und damit das Vermögen der Achämeniden in das Austauschsystem des Nahen Ostens geworfen, womit ein steiler Anstieg im Volumen der Markttransaktionen im Mittelmeeergebeit finanziert wurde. Daß der attische Münzfuß nunmehr bis auf das ptolemäischen Ägypten, allgemein in der hellenistischen Welt galt, erleichterte den internationalen Handel und die Schifffahrt.“191
Bereits vor dem Tod Alexanders hatten sich seine makedonischen Offiziere für den Kampf um die Nachfolge zu positionieren begonnen. Entsprechend der Babylonischen Reichsordnung ging dabei Kleinphrygien – das „hellespontische Phrygien“ – an Leonnatos, Großphrygien hingegen, gemeinsam mit Lykien, Pamphylien und Pisidien, ging an Antigonos „den Einäugigen“. Dieser wurde 321 v. Chr. zum Heerführer in Asien ernannt und damit beauftragt, Eumenes zu beseitigen, der zusammen mit Perdikkas die Rechte der Königsfamilie gegen die Machtansprüche der Offiziere verteidigte. Auf Antigonos gingen später die Antigoniden zurück, die bis zur römischen Zeit die Könige Makedoniens stellten.
Nach dem Tod des Perdikkas (320 v. Chr.) und der Ermordung der meisten Mitglieder der Königsfamilie bis 316 v. Chr. trugen die Prätendenten ihre Kämpfe offen aus. 311 v. Chr. einigte man sich auf den sogenannten Diadochenfrieden, der das Reich Alexanders faktisch aufteilte. Um 310 wurden Alexanders gleichnamiger Sohn und seine Mutter Roxane ermordet. 301 v. Chr. wurde Antigonos als letzter, der das Gesamtreich beanspruchte, besiegt. Seine Erhebung zum König hatte den Weg zur Bildung einer eigenen Königsdynastie auch für die anderen Diadochen freigemacht, die insgesamt sechs Dynastien gründeten.
Nach der Schlacht bei Ipsos fiel ab 301 v. Chr. Kleinasien an Lysimachos, der in Thrakien residierte. Während Demetrios I. Poliorketes, Sohn „des Einäugigen“ und Akteur auf allen Kriegsschauplätzen, mit Sparta im Krieg lag, nahm Lysimachos Ephesos. Allerdings verlor er in dieser Zeit auch Gebiete in Asien, nachdem sich dort die Fürsten von Bithynien und Pontos selbstständig gemacht hatten.
294 war Lysimachos genötigt, Demetrios Poliorketes als König Makedoniens anzuerkennen, gegen den Protest seines Schwiegersohnes Antipater, der an seinen Hof geflohen war. Lysimachos geriet nach einer verlorenen Schlacht in die Gefangenschaft der Geten, was Demetrios trotz des bestehenden Friedens zu einem Einfall in Thrakien ausnutzte. Mit den Geten konnte Lysimachos jedoch einen dauerhaften Frieden erreichen, indem er ihre Unabhängigkeit mit der Donau als gemeinsame Grenze anerkannte. Im Bündnis mit dem aufstrebenden Glücksritter Pyrrhos, dem König der Molosser und Hegemon der Epiroten, verdrängte Lysimachos 287 v. Chr. Demetrios wieder und teilte sich mit Pyrrhos die Herrschaft in Makedonien; als sein Schwiegersohn, der ja selbst aus Makedonien hatte fliehen müssen, erneut dagegen protestierte, ließ er ihn kurzerhand töten und die eigene Tochter in ein Gefängnis sperren.
Als Demetrios 287 v. Chr. nach Asien übersetzte, sandte Lysimachos ihm seinen Sohn Agathokles mit einem Heer entgegen, der ihn bis nach Kilikien abdrängte. Lysimachos selbst wandte sich nun gegen seinen ehemaligen Verbündeten Pyrrhos; nachdem er 285 v. Chr. eine Schlacht gegen ihn und Antigonos Gonatas, einem Sohn des Demetrios, gewonnen hatte, konnte er sich zum alleinigen König von Makedonien erheben lassen. Er herrschte nun über ein Gebiet, das sich von Mittelgriechenland im Westen und der Donau im Norden bis zum Taurusgebirge an der Grenze nach Syrien erstreckte. 281 v. Chr. standen sich mit Lysimachos und Seleukos die beiden letzten noch lebenden Teilnehmer des Alexanderzuges in der Schlacht bei Kurupedion gegenüber. Der Tod des Lysimachos beendete die Diadochenkriege, wie man später die Kriege der Heerführer Alexanders des Großen nannte.
Kleinasien fiel nach dem Tod des Lysimachos an die Seleukiden, Thrakien und Makedonien übernahm Ptolemaios Keraunos, der älteste Sohn des Ptolemäus, der aber 279 v. Chr. dem Ansturm der Kelten erlag, die in Thrakien eigene Fürstentümer gründeten. In Makedonien wurde Lysimachos 281 dementsprechend nur kurzzeitig von besagtem Ptolemaios Keraunos abgelöst. Nach diesem regierte nur zwei Monate Meleagros, ein Bruder des Ptolemaios Keraunos, nach ihm Antipater II. der bereits nach eineinhalb Monaten von Sosthenes ermordet wurde (279-277 v. Chr.).
Der Kampf um Makedonien und Griechenland war bei den Kämpfen zwischen den Generälen immer noch von zentraler Bedeutung. 309 v. Chr. musste Antigonos hinnehmen, dass sein Neffe, der Antigonide Ptolemaios von ihm abgefallen und sich mit dem gleichnamigen Herrscher von Ägypten verbündet hatte. Der Neffe hatte einst für Antigonos den größten Teil Griechenlands von Kassander erobert und sich Hoffnungen auf ein eigenes Herrschaftsgebiet gemacht. Weil er diese aber nicht erfüllt sah, wechselte er die Seite. Dem Verlust Griechenlands begegnete Antigonos mit der Ernennung seines Sohnes Demetrios zum Strategen von Griechenland und rüstete ihn mit einer Flotte von 250 Schiffen und 5000 Talenten Silber aus. In Rückgriff auf die Proklamation zur Befreiung Griechenlands ließ er Demetrios im Frühjahr 307 v. Chr. von Ephesos aus in See stechen, mit Athen als der wichtigsten Stütze Kassanders in Griechenland als Ziel (Diodor, Bibliotheke 20.45 f.). Damit wurde der vierte Diadochenkrieg eröffnet. Am 10. Juni 307 v. Chr. ankerte Demetrios vor der Einfahrt des Hafens von Piräus. Die Hafenbesatzung hielt seine Schiffe für eine ägyptische Flotte des Ptolemaios, des Verbündeten Kassanders, und ließ ihn daher einfahren. Nachdem er der überraschten Abordnung der attischen Bürgerschaft seine Absichten kundgetan hatte, nahm Demetrios die Belagerung des Munychia auf, auf den sich die Garnison Kassanders zurückgezogen hatte. Während sich die Belagerung von Megara hinzog, soll er sich selbst in Gefahr gebracht haben, als er beim Versuch, sich mit der schönen Fürstin Kratesipolis in Patras zu treffen, beinahe in eine Falle geriet. Nur mit einem Mantel auf das Nötigste bekleidet, gelang ihm die Flucht vor seinen Feinden (Plutarch, Demetrios 9). Nach der Eroberung Megaras verzichtete Demetrios auf eine Zerstörung der Stadt und gab sich mit der Vertreibung der Garnison zufrieden. Zwei Monate nach seiner Landung konnte er in Athen einziehen.
Demetrios beseitigte umgehend das von Kassander gestützte oligarchische Regime des Demetrios von Phaleron und setzte seinerseits eine demokratische Obrigkeit ein, die erstmals seit fünfzehn Jahren wieder an die Regierung kam. Er begnadigte den abgesetzten Statthalter Kassanders aufgrund seiner Verdienste um die Stadt, obwohl das neue demokratische Regime über ihn das Todesurteil verhängt hatte. Ebenso sprach er den Komödiendichter Menander und den Redner Deinarchos frei. Die Gunst der Bevölkerung Athens gewann Demetrios mit der kostenlosen Bereitstellung von Holz aus Asien, das für den Bau von hundert Schiffen ausreichen sollte. Außerdem gab er den Athenern Imbros und vermutlich auch Lemnos zurück, womit der Verlust der seebeherrschenden Stellung Athens in den vorangegangenen Jahren gemildert werden sollte (Diodor, Bibliotheke 20,46,4).
Als verlässlichste Stütze für Demetrios' Herrschaft in Athen erwies sich der Orator und Makedonenfeind Stratokles. Auf sein Betreiben überhäufte die Ekklesia der Stadt Demetrios und seinen Vater mit Ehrerbietungen. Beide wurden unter die Väter der Stadt eingereiht, indem zwei neue goldene Phylen (Demetrias und Antigonis) den bestehenden zehn hinzugefügt wurden. Ebenso wurden ihre Abbilder in den heiligen Mantel der Athene eingewoben. Weiterhin wurden sie unter die „rettenden Götter“ (Soter) aufgenommen, für die nun jährlich ein Priester ernannt werden sollte. Demetrios selbst wurde mit einem eigenen Altar geehrt (Plutarch, Demetrios 10). Seine Bindung an Athen versuchte er durch die Ehe mit der Stadtbürgerin Eurydike zu stärken, der Witwe des ptolemäischen Feldherren Ophellas, die angeblich eine Nachkommin des attischen Feldherrn Miltiades des Jüngeren war. An seiner ersten, noch immer bestehenden und rechtmäßigen Ehe mit Phila hielt er fest, wodurch er der erste hellenistische Herrscher wurde, der polygam lebte.
Obwohl Demetrios 306 v. Chr. noch mit dem Kampf in Griechenland beschäftigt war, wurde er von seinem Vater angehalten, mit der Flotte gegen Ptolemaios zu ziehen. Dieser hatte in den vergangenen Jahren eine beherrschende Position im östlichen Mittelmeer errichtet und drohte damit Antigonos von Griechenland abzuschneiden. Mit 200 Schiffen und 15.000 Mann segelte er nach Zypern. Ptolemaios erreichte mit etwa 150 Kriegs- und 200 Transportschiffen die Insel und bot Demetrios freien Abzug an. Demetrios konterte mit einem Gegenangebot Ptolemaios seinerseits ungeschoren ziehen zu lassen, wenn dieser ihm die griechischen Städte Korinth und Sikyon aushändige (Plutarch, Demetrios 15). Nachdem Ptolemaios das Angebot ausgeschlagen hatte, segelte Demetrios ihm mit seiner Flotte entgegen. Einige seiner Schiffe waren Siebenruderer, die meisten aber nur mit fünf Ruderreihen versehen. Neben zahlreichen Schiffen erbeutete Demetrios den Kriegsschatz des Ptolemaios und nahm dessen gesamtes engeres Gefolge gefangen, darunter auch dessen Sohn Leontiskos und die Flötenspielerin Lamia. Sie wurde seine Geliebte (Plutarch, Demetrios 19 und 27).
Nach der öffentlichen Verkündigung des Sieges rief die Heeresversammlung Antigonos zum neuen König (Basileus) aus. Auf seinen Befehl wurde ein Diadem auch an Demetrios gesandt, den er in einem Begleitbrief sogleich mit „König“ anredete (Plutarch, Demetrios 16 bis 18). Im nächsten Jahr segelte Demetrios mit seiner Flotte gegen die ägyptische Küste, während gleichzeitig sein Vater mit ca. 80.000 Mann und 83 Elefanten auf dem Landweg heranzog. Die Landung der Truppen des Demetrios wurde allerdings von den Ptolemäern abgewehrt und nachdem ein Sturm einen beträchtlichen Teil der Flotte zerstört hatte, entschied sich Antigonos zum Abbruch des Angriffs.
Als Reaktion auf die Königserhebung des Antigonos und Demetrios nahmen 305 v. Chr. auch Ptolemaios, Kassander, Seleukos und Lysimachos den Königstitel an. Damit wiesen sie zum einen den Alleinherrschaftsanspruch der Antigoniden im Alexanderreich zurück, zum anderen aber stellten sie die Reichseinheit überhaupt in Frage, da sie selbst keine persönlichen Ansprüche auf das Gesamtreich stellten, sondern ihre Königtümer auf die von ihnen beherrschten Gebiete beschränkten: Ptolemaios in Ägypten, Kassander in Makedonien, Seleukos in Mesopotamien und Lysimachos in Thrakien. Demetrios und sein Vater verweigerten ihnen folglich die Anerkennung als Könige. Später beanspruchte Demetrios anlässlich der Neugründung des korinthischen Bundes (302 v. Chr.), der „einzige König“ zu sein.
Auf der Rückreise von Ägypten entschloss sich Demetrios zu einem Angriff auf das unabhängige Rhodos. Die Insel begünstigte mit ihrer starken Flotte häufig Ptolemaios gegen die Einheitsbestrebungen des Antigonos. Zum Angriff zog Demetrios 200 Kriegs- und 170 Transportschiffe sowie an die 1.000 Piratenschiffe und 40.000 Mann zusammen. Erst im Frühjahr 304 v. Chr. waren die Bauarbeiten und auch die Einebnung des Feldes vor der Stadt für die Maschinen beendet. Demetrios wollte den Kampf gegen alle Widerstände fortsetzen, bis Abgesandte seines Vaters, aber auch des Aitolischen Bundes und von Athen erschienen. Sie teilten ihm mit, dass Kassander in Griechenland auf dem Vormarsch sei und bereits Athen belagere. Demetrios schloss mit Rhodos Frieden und versprach die Unabhängigkeit der Insel zu respektieren. Im Gegenzug stellten die Rhodier 100 Geiseln und gelobten in Zukunft den Befehlen des Antigonos zu gehorchen. Andererseits verliehen sie Ptolemaios, der sie unterstützt hatte, für seine Unterstützung den Ehrentitel eines „Retters“. Das sichtbarste Zeichen ihres Sieges aber war die von ihnen errichtete Monumentalstatue zu Ehren des Sonnengottes Helios, die sie aus dem Material der von Demetrios zurückgelassenen Belagerungsmaschinen in der Einfahrt ihres Hafens errichteten: der Koloss von Rhodos.
Demetrios landete im Spätherbst 304 v. Chr. mit 330 Schiffen in der Nähe von Aulis. Kassander musste die Belagerung Athens abbrechen. Mit dem Aitolischen und Böotischen Bund schloss Demetrios ein Bündnis. Nach seinem triumphalen Einzug in Athen nahm er im Parthenon der Akropolis seine Residenz. Stratokles brachte in der Volksversammlung den Beschluss durch, wonach alle Befehle des Demetrios als heilig gegenüber den Göttern und den Menschen angesehen werden sollten (Plutarch, Demetrios 24).
Im folgenden Jahr fielen Argos und Korinth sowie große Teile von Achaia und Arkadien. Sikyon wurde zerstört und seine Bevölkerung etwas oberhalb des alten Ortes neu angesiedelt. Anlässlich einer Herafeier in Argos nahm er Deidameia, die Schwester des Pyrrhos, zur dritten Frau. Er eroberte Skyros und Aigion, andere Städte unterwarfen sich. Danach lud er ein Synhedrion nach Korinth, wo er den Korinthischen Bund erneuern und sich von ihm zum Hegemon von Hellas ernennen ließ. Dann ließ er sich in Athen in die Mysterien von Eleusis einweihen. Er wurde von den Bürgern als Sohn des Poseidon und der Aphrodite besungen und mit der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter zusammengeführt.192
Inzwischen schlossen sich Kassander und Lysimachos militärisch enger zusammen. Nach Ptolemaios' Beitritt zur Allianz entschlossen sie sich, in die Offensive zu gehen. Ein Feldherr des Lysimachos eroberte die antigonidische Stadt Ephesos, deren Demokratie abgeschafft und die Flotte verbrannt wurde. Die Lage verschärfte sich zusätzlich für die Antigoniden, als der Satrap Phoinix zu Lysimachos überlief und Phrygien mitnahm. Zur selben Zeit kehrte Seleukos von seinem Indienfeldzug zurück und nahm Bündnisverhandlungen mit Lysimachos auf.
Mit seiner Flotte eroberte Demetrios Ephesos zurück und riegelte den Hellespont ab. Ein Heer des Kassander, kommandiert von dessen Bruder Pleistarchos, musste auf dem Weg nach Asien deshalb einen Umweg über Odessos und das Schwarze Meer nehmen. Daraufhin schlug Demetrios ein Heer des Lysimachos bei Lampsakos. Kurz danach traf der von Kassander aus seinem Königreich vertriebene Epirotenkönig Pyrrhos in Demetrios' Feldlager ein. Nachdem sich die Ankunft des Seleukos in Kleinasien herumgesprochen hatte, zog auch Demetrios in der ersten Jahreshälfte 301 v. Chr. mit seinem Heer in den Osten, um sich mit seinem Vater zu vereinen.
In der Nähe von Ipsos traf das Heer der Antigoniden mit dem ihrer vereinten Gegner aufeinander. Antigonos und Demetrios geboten zusammen über etwa 70.000 Mann Fußvolk, 10.000 Reiter, 120 Sichelwagen und 75 Elefanten, während ihre Gegner etwa 64.000 Infanteristen, 10.500 Kavalleristen und über 400 Elefanten, die Seleukos aus Indien mitgebracht hatte, aufbieten konnten. Der 81-jährige Antigonos übernahm das Kommando über die Infanterie, die in drei Phalanxen (Makedonen, hellenische Bundestruppen und Söldner) aufgeteilt war, während Demetrios die Kavallerie führte. Demetrios ließ sich im Verlauf des Kampfes von seinem Gegner, angeführt von Antiochos, vom Schlachtfeld weglocken. Das nutzte Seleukos aus, indem er seine Elefantenphalanx wie eine Mauer zwischen Antigonos und Demetrios schob. Damit stand Antigonos allein und die Söldner des Antigonos liefen über. Antigonos starb (Plutarch, Demetrios 28 f.).
Der asiatische Herrschaftsraum der Antigoniden wurde unter den Siegern aufgeteilt. Lysimachos erhielt das westliche Kleinasien, Seleukos Syrien und Zentralanatolien, Pleistarchos erhielt Kilikien. Mit der Schlacht von Ipsos fand aber vor allem der Gedanke an die Einheit des Alexanderreichs sein endgültiges Ende. Demetrios vertrat zwar weiterhin den Anspruch seines Vaters, hatte aber zu seiner Umsetzung keine Gelegenheit mehr.
Demetrios selbst konnte mit etwa 5000 Mann und 4000 Reitern entkommen. Er wandte sich nach Ephesos, wo seine aus etwa 300 Schiffen bestehende Flotte wartete. Als Demetrios dann nach Athen segeln wollte, wurde er von einer attischen Gesandtschaft abgewiesen, die ihm den Zutritt zur Stadt verwehrte. Athen und weite Teile Griechenlands näherten sich wieder Kassander an. Nur Megara und Korinth und damit der Isthmos blieben unter seiner Kontrolle.
Demetrios' wichtigste Machtstütze wurde nun seine Flotte. Neben den Ägäisinseln des Nesiotenbunds, die ihr Zentrum wiederum auf Delos hatten, konnte er noch die Herrschaft über einige Hafenstädte, wie Ephesos, aber auch Tyros und Sidon sowie auf Zypern behaupten. Seine in Griechenland verbliebenen Truppen unterstellte er 300 v. Chr. seinem Freund Pyrrhos und griff Lysimachos auf Gallipoli an.
Dabei verbesserte sich seine Position, da der gegen seinen Vater begründete Bund der vier Könige unmittelbar nach der Schlacht von Ipsos zerbrach. Seleukos überwarf sich wegen Koilesyrien mit Ptolemaios, der 299 v. Chr. ein Bündnis mit Lysimachos einging. Im Gegenzug einigten sich Seleukos und Demetrios auf einen Frieden und Demetrios konnte Pleistarchos in Kilikien vertreiben und dessen Schatz rauben. Anschließend traf er sich 298 v. Chr. im syrischen Rhossos mit Seleukos, den er auf einem dreizehnreihigen Prunkschiff bewirtete. Durch die Verheiratung seiner einzigen Tochter Stratonike mit Seleukos sicherte Demetrios das Bündnis dynastisch ab. Noch im selben Jahr, vermutlich nach der Besetzung Samarias und Gazas durch Demetrios, war Ptolemaios zum Einlenken gezwungen und schloss auf Vermittlung des Seleukos mit Demetrios Frieden. Dazu heiratete Demetrios die Tochter des Königs von Ägypten, Ptolemais, und sandte Pyrrhos als Geisel nach Alexandria.
Als 297 v. Chr. Kassander starb, segelte Demetrios Richtung Athen. Dort hatte sich inzwischen eine Tyrannis unter Lachares etabliert, die sich an Kassander angelehnt hatte. Demetrios eroberte zunächst Messene und weitere Städte. Danach wandte er sich gegen Athen, das seinerseits ein Verteidigungsbündnis mit König Philipp IV. von Makedonien schloss. Doch dieser starb auf dem Weg nach Athen. Demetrios eroberte nun Aigina, brachte Attika unter seine Kontrolle, schickte Gesandte nach Piräus, die dort mit der demokratischen Opposition Kontakt aufnahmen. Lachares floh aus der Stadt (Plutarch, Demetrios 33), Demetrios zog ein. Er stellte die Demokratie wieder her, verzieh den Bürgern ihren Abfall sieben Jahre zuvor und schenkte ihnen 100.000 Scheffel Getreide. Er ließ zugleich das Museion mit einer eigenen Garnison besetzen (Plutarch, Demetrios 34).
Gefährlicher war die Rückkehr des Pyrrhos nach Epiros im Jahr 296 v. Chr. mit der Unterstützung des Ptolemaios. Der ehemalige Freund wurde für Demetrios nun der schärfste Rivale in Europa, der sich zudem noch mit Lysimachos verbündete (Plutarch, Pyrrhos 5). Ptolemaios hatte auch zu Sparta Kontakt aufgenommen und dessen König Archidamos IV. zu einem Feldzug gegen Demetrios bewogen, der jedoch im Tal des Eurotas scheiterte. Doch bevor Demetrios auf Sparta marschieren konnte, verlor er Ephesos durch Lysimachos und die phönikischen Städte durch Seleukos. Schließlich ging auch Zypern an Ptolemaios endgültig verloren. Weiterhin ging Pyrrhos offensiv in Makedonien vor, wo er die westlichen Landschaften besetzte. Demetrios zog sich mit seinem Heer eilig aus Lakonien zurück, verlor aber dabei seinen Tross an die Spartaner.
Der Böotische Bund unterwarf sich Demetrios, der, obwohl Theben weiterhin Widerstand leistete, nach Makedonien zog. Er war von König Alexander V. selbst zu Hilfe gerufen worden, aber als Demetrios sich mit seinem Heer aufmachte, hatte sich der König bereits wieder auf dem Thron gegen seinen Bruder behaupten können. Da der junge König glaubte, Demetrios würde ihm den Thron streitig machen, beschloss er, ihn während eines Banketts umzubringen, doch dieser ließ stattdessen den König ermorden. Demetrios wurde von den Kriegern zum neuen König Makedoniens proklamiert. Er erhielt schnell eine vertragliche Anerkennung durch seinen Rivalen Lysimachos, da dieser seine Kräfte für den Kampf gegen die Geten benötigte. Demetrios wandte sich gegen Theben, das sich mit Sparta verbündet hatte. Nachdem eine Verschwörung oppositioneller Kräfte in Athen aufgedeckt worden war, ließ Demetrios das Museion befestigen und legte eine zusätzliche makedonische Garnison in die Stadt.
Ungeachtet eines Friedensschlusses fiel Demetrios 293 v. Chr. in dessen thrakisches Königreich ein, nachdem Lysimachos in die Gefangenschaft der Geten geraten war. Darauf verbündete sich Pyrrhos mit den Böotiern und drang mit einem Heer in Thessalien bis zu den Thermophylen vor. Als die Geten ihrerseits Lysimachos freigelassen hatten, gab Demetrios seinen Feldzug in Thrakien auf, um sich gegen Pyrrhos zu wenden. Er vertrieb ihn und marschierte in Böotien ein. Anschließend wandte er sich wieder Theben zu, das 290 v. Chr. fiel. Auf Fürsprache seines Sohnes Antigonos ging Demetrios mit den Verteidigern milde um. Obwohl er auch Theben eine demokratische Verfassung gab, ließ er die Kadmeia mit einer Besatzung versehen (Plutarch, Demetrios 39).
In Griechenland waren nur Sparta, Aitolien und Lokris noch nicht unterworfen. Als die Lokrier aufgrund ihrer Feindschaft zu Demetrios allen Hellenen die Teilnahme an den Pythischen Spielen von Delphi verweigerten, befahl Demetrios, den Kult der Pythien nach Athen zu verlegen (Plutarch, Demetrios 40). Im Winter 290 v. Chr. verlegte Demetrios seinen Hof wieder nach Makedonien, wo er eine Gesandtschaft des Tyrannen Agathokles von Syrakus empfing. Zum Zwecke eines gemeinsamen Bündnisses gegen Pyrrhos heiratete Demetrios dessen Tochter Lanassa, die ihm die Insel Korkyra als Mitgift in die Ehe brachte. Vermutlich strebte Demetrios durch dieses Bündnis eine Vereinigung der sizilischen Griechen mit seinem Königreich an, weshalb er wohl auch eine Durchstechung des Isthmus von Korinth geplant und diplomatische Kontakte zu Rom aufgenommen hatte (Strabo I, p. 54 und Strabo V, p. 232). 289 v. Chr. eröffnete Demetrios eine Offensive gegen Pyrrhos und unterwarf die mit ihm verbündeten Aitoler. Unter Zurücklassung seines Feldherrn Pantauchos marschierte er dann durch Epiros und setzte nach Korkyra über, wo er die Ehe mit Lanassa vollzog. Dies nutzte Pyrrhos für einen Gegenangriff auf Aitolien, das er wieder unter seine Kontrolle brachte (Plutarch, Pyrrhos 7). Demetrios zog nun mit seinem Heer eilends nach Makedonien zurück.
Die makedonische Heeresversammlung, die es gewohnt war, am politischen Entscheidungsprozess mitzuwirken, ignorierte er, folgt man der späteren Überlieferung, und entfremdete sich von den Kriegern durch seinen verschwenderischen Lebenswandel, ähnlich wie Alexander. Seinen Untergebenen legte er ein devotes Hofzeremoniell auf und ließ, wie es heißt, Bittsteller nur noch selten zu. Als er schließlich durch eine Krankheit ans Bett gefesselt wurde, fiel Pyrrhos von Epiros in Makedonien ein und drang bis nach Edessa vor. Demetrios schloss mit dem König von Epiros einen Frieden, in dem er den Westen Makedoniens an ihn abtrat. Auch verzichtete er nach dem Tod des Agathokles von Syrakus auf eine Expansion in den Westen, den er Pyrrhos überließ, der deshalb später zu einem Feldzug nach Italien aufbrach.
Rüstungen ab Winter 289/88 v. Chr. dienten der Wiederherstellung des Alexanderreiches. Mehr als 98.000 Mann Fußvolk und fast 12.000 Reiter zog Demetrios zu diesem Zweck zusammen. Er ließ mit 500 Schiffen die größte Flotte bauen, die je auf dem Mittelmeer gesegelt war. Darunter befanden sich, mit bis zu sechzehn Ruderbänken und gigantischen Aufbauten versehen, die größten seetüchtigen Kriegsschiffe der Antike.
Als Demetrios' Kriegsvorbereitungen bekannt geworden waren, fanden sich Lysimachos, Seleukos und Ptolemaios noch einmal, wie schon gegen seinen Vater, zu einem Bündnis zusammen (Plutarch, Demetrios 44). Auch Pyrrhos trat diesem wenig später bei. Ptolemaios entsandte eine Flotte in die Ägäis und rief alle griechischen Städte zum Abfall von Demetrios auf, während zugleich Lysimachos in das obere Makedonien vormarschierte. Demetrios übertrug seinem Sohn, Antigonos Gonatas, die Strategie über Griechenland und zog selbst gegen Lysimachos. Währenddessen eroberte Pyrrhos Beroia, drang bis zur ägäischen Küste vor und bedrohte Pella. Demetrios eilte daraufhin zurück und schlug bei Beroia sein Lager gegenüber dem Heer des Pyrrhos auf. Dort liefen seine Krieger zu Pyrrhos über, so dass Demetrios floh, um mit seiner Flotte in See zu stechen. Phila, seine erste Ehefrau, tötete sich durch Gift (Plutarch, Demetrios 45).
Demetrios konnte Korinth und Theben halten, doch Athen erhob sich unter der Führung des Olympiodoros. Pyrrhos und Demetrios schlossen am Ende einen Frieden, in dem letzterer wohl alle Verluste akzeptierte. Er stach 287 v. Chr. mit seiner Flotte in See. Seinen Sohn ließ er in Europa zurück, der dort fortan die Sache der Antigoniden vertrat. Bevor es zu einer Schlacht kam, konnte Seleukos die Truppen des Demetrios zum Überlaufen bewegen, nur die wenigsten Getreuen begleiteten Demetrios auf der Flucht, doch musste er sich bald ergeben (Plutarch, Demetrios 49).
Für Seleukos wurde Demetrios nun zu einem Faustpfand. Lysimachos hatte sich mehrerer griechischer Städte bemächtigt, was die mittlerweile verbündeten Antigonos Gonatas und Pyrrhos nicht verhindern konnten. Antigonos bot für die Freilassung seines Vaters alles was er noch besaß und sich selbst als Geisel an, und sogar Ptolemaios und Pyrrhos setzten sich für ihren alten Gegner ein. Lysimachos hingegen bot Seleukos 2000 Talente für eine Beseitigung des Demetrios, was von Seleukos aber abgelehnt wurde, da Demetrios einstmals sein eigener und nunmehr der Schwiegervater seines Sohnes war. Demetrios sandte sein Diadem an seinen Sohn und trug ihm auf, seinen Vater als tot zu betrachten. Auf keinen Fall solle er die wenigen Positionen, über die Antigonos verfügte, für ihn preisgeben (Plutarch, Demetrios 51). Er starb 283 v. Chr., seine Asche wurde in einer goldenen Urne zu seinem Sohn nach Griechenland gebracht. Im thessalischen Demetrias wurde sie bestattet. Sechs Jahre nach Demetrios' Tod eroberte Antigonos Gonatas das makedonische Königreich und sicherte dessen Thron endgültig für die Dynastie der Antigoniden.
Seleukos I. beherrschte kurzfristig das Alexanderreich, sieht man von Ägypten ab. Nachdem er jedoch den Hellespont überquert hatte, um seine Herrschaft auch in Makedonien durchzusetzen, wurde er 281 v. Chr. ermordet. Damit starb der letzte Offizier Alexanders, die nächste Generation der Epigonen teilte sich das Reich. In Kleinasien erkämpften sich die kleineren hellenistischen Königreiche, wie Pergamon, Bithynien oder Pontos ihre Autonomie, während sich die Ptolemäer Ägyptens in den meisten Küstengebieten festsetzen konnten, zunächst in Phaselis und Xanthos. Zudem konnte Ägypten den ägäischen Nesiotenbund dominieren.
Als neuer Unruhefaktor kamen die Kelten hinzu,193 die sich kurz zuvor bei Byzantion niedergelassen hatten. Die Kelten wurden vom bithynischen Herrscher Nikomedes I. 278 v. Chr. gegen seinen Bruder zu Hilfe gerufen. Nach dem Sieg stießen die drei Stämme der Tolistobogier, Trokmer und Tektosagen weiter in das Innere Kleinasiens vor, wo sie sich, von Antiochos I. in der Elefantenschlacht (268 v. Chr.) besiegt,194 niederließen und das Königreich Galatien gründeten. Die Erpressung der westlichen Küstenstädte führte zur Einführung der sogenannten „Galatersteuer“, mit der Antiochos II. die Tribute belegte „und so an ihren Erpressungen mitverdiente“.195
Antigonos setzte 277 v. Chr. mit einem Heer über den Hellespont und schlug die Kelten in der Nähe von Lysimacheia.196 Dadurch wurde für ihn der Weg nach Makedonien frei, wo seit dem Tod des Regenten Sosthenes der Thron verwaist war. Aufgrund seines Prestiges nach seinem Keltensieg wurde Antigonos umgehend als neuer König anerkannt. Er befriedete das Land, indem er die Kelten in seinen Sold nahm oder sie zu seinem Verbündeten Nikomedes nach Asien schickte. Thrakien hingegen musste er aufgeben, da sich dort das keltische Königreich von Tylis etablierte. Antigonos unterstützte ihm getreue Tyrannen und verbündete sich mit dem aitolischen Bund.
Pyrrhos, der 274 aus Italien zurückkehrte, schlug Antigonos in zwei Schlachten. Als sich Pyrrhos gegen den Peloponnes wandte, verfolgte ihn Antigonos mit seiner Flotte. Nachdem Pyrrhos bei einem Angriff auf Sparta gescheitert war, stellte Antigonos ihn 272 v. Chr. vor den Mauern von Argos. Pyrrhos entschloss sich daher, die Stadt anzugreifen, wo er jedoch im Kampf getötet wurde.
Ptolemaios II. sah in den Antigoniden einen Rivalen um die Vorherrschaft in der Ägäis. Athen und Sparta verbündeten sich 267 v. Chr. unter Vermittlung des Atheners Chremonides. Antigonos nahm seinerseits die Belagerung von Athen auf. Ptolemaios entsandte eine Flotte, während zugleich Alexander II. von Epirus Thessalien besetzte und so Antigonos von Griechenland abschnitt. Dieser musste den Verlust Korinths durch Verrat hinnehmen und zugleich im Norden einen erneuten Einfall der Kelten abwehren.
265 v. Chr. ging der Antigonide in die Offensive, siegte bei Kos über eine überlegene ptolemäische Flotte und landete mit einem Heer auf dem Isthmos, wo er die heranziehenden Spartiaten besiegte und dabei deren König Areus I. tötete. Nur Korinth konnte sich ihm widersetzen, dafür siegte 263 v. Chr. sein Halbbruder Demetrios der Schöne bei Derdia über Alexander II. von Epirus. 262 v. Chr. ergab sich ihm Athen. Die langen Mauern wurden abermals zerstört und Athen hörte endgültig auf als selbstständige politische Macht zu existieren.
Seleukiden und Antigoniden verbanden sich nun gegen Ägypten. Seitdem sich 261 v. Chr. mit Pergamon eine mit Ägypten sympathisierende unabhängige Macht an der kleinasiatischen Küste etabliert hatte, drohte Makedonien von den Seleukiden abgeschnitten zu werden. Antigonos und Antiochos II. koalierten mit Rhodos, mit dem Ziel die Vormachtstellung Ägyptens im östlichen Mittelmeerraum zu brechen. Ein erneuter Einfall des ptolemäischen Verbündeten Alexander von Epirus konnte 255 v. Chr. abgewehrt werden. 253 v. Chr. unterstützte er seinen Halbbruder Demetrios den Schönen bei der Machtübernahme in Kyrene, wodurch er nun Ägypten von Westen bedrohte. Im Gegenzug brachte Ptolemaios die Aitolier gegen Antigonos auf, die die Thermophylen besetzten. Noch schwerer wog der Abfall des Statthalters Alexander von Korinth, wodurch die makedonische Herrschaft auf dem Peloponnes zusammenbrach. 249 v. Chr. ging durch den Mord an Demetrios dem Schönen auch Kyrene wieder verloren.
Im dritten syrischen Krieg vernichtete Ptolemaios III. nahezu das gesamte Seleukidenreich. Antigonos' bei Kos gewonnene Vormachtstellung in der Ägäis geriet in Gefahr, als die Küstenstädte Thrakiens durch Ptolemaios besetzt wurden. Bei dem Versuch einer Gegenoffensive musste Antigonos zudem 245 v. Chr. eine vernichtende Niederlage in der Seeschlacht von Andros hinnehmen.
Dieser Rückschlag begünstigte den jungen achaiischen Bund, der sich nun unter seinem Strategen Aratos auf dem Peloponnes ungehindert ausbreiten konnte. Erfolgreich verlief für Antigonos hingegen die Rückeroberung von Korinth. Er verheiratete die Witwe des vielleicht vergifteten Alexander mit seinem Sohn, wobei die Burg Akrokorinth wieder mit einer makedonischen Besatzung versehen wurde. Aber schon im Jahr 243 verlor Antigonos erneut mit Korinth sowie Megara die zwei wichtigsten Stützen der Antigoniden an den Bund. So konnten sich in der Folge auch die Arkadier von der makedonischen Oberhoheit lösen und einen eigenen Bund gründen. Um seinen Einfluss auf dem Peloponnes zu erhalten verbündete sich Antigonos mit den Aitoliern, die 241 v. Chr. noch einmal bis nach Pellene nahe dem Golf von Korinth an der Grenze zur Argolis vorstießen, dort aber von den Achaiern geschlagen wurden. Zur selben Zeit gelangte mit dem Sturz König Agis IV. in Sparta eine makedonisch gesinnte Regierung an die Macht, die das Bündnis Spartas mit den Achaiern beendete. 241 v. Chr. konnte ein allgemeiner Frieden ausgehandelt werden, der den Achaiern alle Eroberungen zuerkannte und Makedoniens Einfluss auf dem Peloponnes, besonders in Argos, wahrte.
Als Demetrios II. König von Makedonien wurde, fiel der Aitolische Bund von Makedonien ab und verbündete sich mit seinem vormaligen Feind, dem Achaiischen Bund. Um dieser Bedrohung zu begegnen verbündete sich Demetrios mit Königin Olympias von Epirus und heiratete deren Tochter. Sein Plan einer Vereinigung der beiden Länder wurde durch epirotische Revolution um 231 v. Chr. zunichtegemacht, die die Monarchie durch eine Republik ersetzte. Demetrios waren zudem die Hände durch die Dardaner im Norden Makedoniens gebunden.
Achaier und Aitolier scheiterten an den Mauern von Argos und 234 v. Chr. auch in Thessalien. Demetrios zog darauf gegen die Aitolier, gewann die Böotier und Lokrier als Verbündete und vernichtete das aitolische Pleuron. 232 ging Demetrios ein Bündnis mit dem illyrischen König Agron gegen Aitolier und Achaier ein. Die Aktivitäten der Illyrer führten noch zu seinen Lebzeiten zur ersten Besetzung durch Römer auf hellenischen Boden, die nach ihrem Krieg gegen die Illyrerkönigin Teuta die Insel Korkyra sowie die Städte Apollonia und Dyrrhachion eroberten. Die peloponnesischen Tyrannen stellten sich auf seine Seite, die Stadt Mantineia unterstellte sich der makedonischen Oberhoheit. Allerdings trat Megalopolis dem achaiischen Bund bei.
Demetrios starb 229 v. Chr. während eines erneuten Feldzuges gegen die Dardaner. Aus seiner Ehe mit Phthia/Chryeis hinterließ er den unmündigen Sohn Philipp V., für den sein Vetter, Antigonos III. Doson, die Regierung übernahm. Er besiegte zunächst die Dardaner an der Nordgrenze und verhinderte dann einen Versuch der Thessalier, die sich mit den Aitoliern verbündet hatten, sich von Makedonien zu lösen. Die Unabhängigkeit Athens, das sich von Makedonien beim Tod Demetrios’ II. losgesagt hatte, erkannte Antigonos hingegen an, es blieb allerdings politisch unbedeutend. Aufgrund dieser Erfolge rief ihn das makedonische Heer 227 v. Chr. unter der Bedingung zum König aus, dass er Demetrios’ Witwe heiratet und Philipp durch Adoption als Nachfolger anerkennt.
Im Bunde mit dem Seleukiden Antiochos Hierax landete Antigonos 227 v. Chr. mit einem Heer an der Küste Kleinasiens und eroberte das zu Ägypten gehörende Karien. Damit brach er die Vorherrschaft der Ptolemäer in der Ägäis. Auch auf dem Peloponnes brachte Antigonos nun seinen Einfluss zur Geltung, indem er den von Sparta bedrohten und bis dahin mit Makedonien verfeindeten achaiischen Bund unter Aratos zu einem Bündnis mit Makedonien bewegen konnte. Diesem hellenischen Bündnis traten auch die Phoker, Boioter, Euboier und Lokrer bei und Antigonos wurde 224 v. Chr. in Aigion zu seinem Hegemon ernannt.
Im Kleomenischen Krieg führte Antigonos das Bündnis gegen König Kleomenes III. von Sparta. 224 v. Chr. unterstellte er Akrokorinth einer makedonischen Besatzung und eroberte Korinth und Argos. Im folgenden Jahr eroberte er Tegea und anschließend Mantineia, das zerstört wurde. Ein Gegenangriff Kleomenes’ führte zur Zerstörung von Megalopolis. Antigonos konnte Kleomenes in der entscheidenden Schlacht von Sellasia 222 v. Chr. besiegen und besetzte Sparta, dessen Königtum beendet und dem hellenischen Bund eingegliedert wurde.
In Antigonos’ kurzer Regierungszeit wurden die Grundlagen für die expansive Politik Philipps V. gelegt. Zugleich spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen Karthago und Rom erneut zu. Die Verflechtung dieser beiden Entwicklungen beendete schließlich die Unabhängigkeit Griechenlands, damit aber auch eine endlose Kette von Kriegen.
Im Bundesgenossenkrieg von 220 bis 217 v. Chr. konnte Philipp die Vorherrschaft Makedoniens verteidigen. Im Zweiten Punischen Krieg schloss Philipp 215 v. Chr. offenbar ein Bündnis mit Hannibal von Karthago ab, in der Hoffnung, größere Landgewinne in Illyrien erzielen und vor allem Rom, das zuvor in das makedonische Interessengebiet vorgestoßen war, wieder von dort verdrängen zu können. Philipp konnte sich tatsächlich 213 der illyrischen Stadt Lissos bemächtigen und damit einen festen Platz an der Adriaküste erringen, während Rom gegen Hannibal immer wieder unterlag. Doch dies änderte sich bald. Sie schlossen 212 einen Vertrag mit Philipps Gegnern, den Aitoliern, dem sich die übrigen Gegner bald anschlossen. Dies war für Philipp umso gefährlicher, als er beim Vorstoß nach Thrakien König Attalos I. von Pergamon beunruhigt hatte. Eine große römische Flotte, die zu Philipps Erstaunen von Brundisium ausgefahren war, machte die Hoffnung, eine neue Seemacht aufzubauen, zunichte. Zudem hatte Philipp damit den ersten makedonisch-römischen Krieg ausgelöst. Ein Einfall der Dardaner 209 setzte ihn zudem unter Druck, doch schaffte ihm ein Bündnis mit Bithynien wenigstens seinen Gegner Attalos vom Hals. Nach Erfolgen über die Aitoler schlossen diese 206 einen Vorfrieden mit Philipp. 205 v. Chr. wurde schließlich der allgemeine Friede von Phoinike geschlossen, in dem der jeweilige Status quo anerkannt wurde. Philipp behielt also seine hegemoniale Stellung in Griechenland und durfte zusätzlich Lissos an der Adria behalten. Rom hatte sich in dieser Zeit, im Gegensatz zu seinem Verbündeten seit 212 v. Chr., dem Ätolischen Bund, nur wenig an den Kämpfen beteiligte.
Philipp versuchte nach der gescheiterten Expansion im Westen seine Herrschaft in der Ägäis auf Kosten des zu dieser Zeit schwachen Ptolemäerreiches auszubauen. Philipp geriet dabei in einen Konflikt mit der Handelsmacht Rhodos und dem Königreich Pergamon, die ihre wirtschaftlichen und territorialen Interessen durch ein mächtiges Makedonien bedroht sahen und darum die Römer um Hilfe baten. Diese wollten Philipp ohnehin dafür bestrafen, dass er sie inmitten des Zweiten Punischen Krieges angegriffen hatte. Im zweiten makedonisch-römischen Krieg (200–197 v. Chr.) verlor Philipp die entscheidende Schlacht 197 v. Chr. beim thessalischen Kynoskephalai gegen die Römer unter der Führung von Titus Quinctius Flamininus. Philipp musste seine Flotte und wichtige Stützpunkte sowie die Hegemonie über Griechenland aufgeben. Durch die Freiheitserklärung des Flamininus im Jahr 196 v. Chr. musste Philipp außerdem auf jede weitere Expansion in Griechenland verzichten.
Philipp wurde nun Roms Verbündeter im Krieg gegen den Ätolischen Bund und den Seleukiden Antiochos III. Er konnte danach seine Stellung im Balkanraum wieder konsolidieren, was zwar nicht gegen den Vertrag von 196 verstieß, aber Roms Misstrauen weckte. Nach seinem Tod versuchte sein Sohn Perseus die Macht Makedoniens wieder zu vergrößern. Rom unterband den Versuch des Seleukidenkönigs Antiochos III. gewaltsam, die Nachfolge Philipps als Vormacht in Griechenland anzutreten. 190 v. Chr. konnte Rom den Krieg gegen den Seleukiden zu seinen Gunsten abschließen, und 188 v. Chr. wurde die Aufteilung des Seleukidenreichs durch den Frieden von Apameia vollendet.
Hauptgewinner war Eumenes II., dessen Herrschaftsgebiet sich vervierfachte. Städte, die den Seleukiden Tribut entrichtet, aber Rom im Krieg unterstützt hatten, blieben frei von Tributforderungen, alle Städte aber, die dem Pergamener Attalos Tribut gezahlt hatten, entrichteten nun die gleiche Summe an Eumenes. Schließlich mussten die Städte, die zu Antiochos übergelaufen waren und ihm Tribut entrichtet hatten, diese Summen an Eumenes zahlen. Ohne Tributpflicht blieben alte Verbündete.197 Pergamon umfasste nun Lykaonien, die beiden Phrygien, Mysien, Lydien und Ionien. 133 v. Chr. vererbte der letzte König Attalos III. sein Reich an Rom, wenn auch Aristonikos, ein illegitimer Sohn Attalos’ II., noch vier Jahre lang Widerstand leistete.
Seinen Sohn Demetrios hatte Philipp V. wegen dessen Sympathien für Rom als Verräter hinrichten lassen, was die Römer ihm und Perseus nicht verziehen. Auch hatte er angeblich den achaiischen Strategen Aratos vergiftet und hatte dessen Schwiegertochter geheiratet. Perseus wurde schließlich unter fadenscheinigen Vorwürfen von Rom angegriffen und unterlag 168 v. Chr. im dritten Makedonischen Krieg in der Schlacht von Pydna den Truppen unter Lucius Aemilius Paullus Macedonicus.
Makedonien wurde römische Provinz. 146 v. Chr. erfolgte die Eingliederung der restlichen Teile Griechenlands in das Römische Reich als Provinz Achaea, Korinth wurde genauso zerstört, wie im selben Jahr Karthago. 133 v. Chr. fiel auch Westkleinasien an Rom (Provinz Asia), 64 v. Chr. machten die Römer den Rest des Seleukidenreiches zur Provinz Syria, und 30 v. Chr. wurde schließlich auch die letzte größere hellenistische Macht, das Ägypten der Ptolemäer, von Rom annektiert.
Bis 60 v. Chr. kamen die Küstenregionen Kleinasiens durch Pompeius zum Römischen Reich, auch wenn König Mithridates VI. Eupator von Pontus (121–63 v. Chr.) in drei Kriegen versucht hatte, Kleinasien zum Aufstand gegen die Römer zu bewegen. Nun entstanden die Provinzen Bithynia et Pontus im Norden, Asia im Westen, Lycia et Pamphylia im Südwesten. Paphlagonien wurde mit Teilen Bithyniens 64 v. Chr. zur Provinz Bithynia et Pontus vereinigt.
Das Königtum der hellenistischen Herrscher stand auf zwei Säulen: der Alexandernachfolge (διαδοχή, diadochē) und der Akklamation durch die Heere. Die Staaten existierten dabei nicht unabhängig von ihrer Regierungsform, die Könige waren beispielsweise nicht Könige von Syrien, sondern Könige in Syrien. In den Diadochenreichen gab es keine Trennung zwischen Souverän und Person. Das Königtum war kein staatliches Amt, sondern eine persönliche Würde, der Monarch sah den begrifflich davon nicht abgegrenzten Staat als seine Angelegenheit.198 Theoretisch war das ganze eroberte Land im Besitz des Königs, weshalb dieser es auch testamentarisch an eine fremde Macht wie die Römer übereignen konnte (so geschehen 133 v. Chr. in Pergamon).
Der Personenkult, der sich um Alexander entwickelt hatte, wurde von den Diadochen gefördert, um so ihre eigene Machtstellung zu legitimieren. Die kultische Verehrung der hellenistischen Herrscher wurde aber zumindest anfangs nicht von ihnen selbst gefordert, sondern von außen durch die „freien“ Poleis Griechenlands an sie herangetragen. Anders als in Makedonien und in den einstigen Gebieten des Perserreiches wurde die Monarchie in Griechenland grundsätzlich abgelehnt, was Könige wie Untertanen dazu zwang, diplomatisch geschickt vorzugehen. Ein Weg, um die faktische Übermacht in eine akzeptable Form zu gießen, war der Herrscherkult, durch den die Poleis die Könige als Herren anerkennen konnten, ohne sie de iure als Monarchen anzunehmen. Die Herrscher wurden dabei vorerst nur „gottgleich“ genannt. Doch schon im Jahr 304 v. Chr. bezeichneten die Rhodier Ptolemaios I. als Gott und nannten ihn σωτήρ (Sōtēr, „Retter“). Die Diadochen nahmen solche auf sie selbst bezogenen Kulthandlungen offenbar eher zögerlich an, während die nachfolgenden hellenistischen Könige den Herrscherkult bewusst forcierten. Der typisch hellenistische Herrscherkult setzte, nach Vorläufern unter den ersten beiden Antigoniden, unter ihren Nachfolgern auf breiter Front ein.199 Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem zentral verordneten Dynastiekult der Ptolemäer und der kultischen Verehrung, die viele Könige in den griechischen Poleis genossen, denen sie im Gegenzug als Euergeten gegenübertraten.
Vor allem Hans-Joachim Gehrke hat die hellenistische Monarchie unter Rückgriff auf die Soziologie Max Webers als eine stark charismatisch geprägte Herrschaftsform gedeutet, in der Sieghaftigkeit und persönlicher Erfolg entscheidend für die Legitimität des Königs gewesen seien.200 In jüngerer Zeit wurde darauf hingewiesen, dass es im späten Hellenismus immer schwieriger wurde, diesem Anspruch gerecht zu werden.201
Die Diadochen und ihre Nachfolger regierten mit Hilfe schriftlicher Erlasse, die als Briefe (ἐπιστολή, epistolē) oder Verordnungen (πρόσταγμα, prostagma) formuliert wurden. Der für diese Erlasse zuständige Beamte hieß epistoliagraphos. Beraten wurde der Herrscher von einem Gremium aus Freunden (φίλοι, philoi) und Verwandten (συγγενεῖς, syngeneis). Verschiedene Hofämter insbesondere im fiskalischen Bereich wurden von Eunuchen ausgeübt. Das wohl wichtigste Amt war das des Hausverwalters (διοικητής, dioikētēs), der für Verwaltung, Wirtschaft und Finanzen zuständig war. Erheblichen Einfluss gewann die Herrschaftsform der hellenistischen Reiche auf die jüngere griechische Tyrannis, die Karthager und das römische Kaisertum.
Die Territorialstruktur der Diadochenreiche geht noch auf Alexander den Großen selbst zurück, der im Wesentlichen die Verwaltungsgliederung des Perserreiches beibehalten hatte. Das von Strategen und Satrapen verwaltete Königsland umfasste dabei den größten Teil des Alexanderreiches. Alexander hatte die militärischen Befugnisse der einheimischen Satrapen makedonischen Strategen übergeben, die nach seinem Tod nach und nach die gesamte Verwaltungsarbeit ihrer Gaue (νόμοι, nomoi) übernahmen. Die Strategen waren nun auch für das Siedlungswesen und die Justiz zuständig und wurden dabei von einem königlichen Schreiber (βασιλικὸς γραμματεύς, basilikos grammateus) unterstützt.
Besonders gut ist man dabei über die Verhältnisse im Ptolemäerreich, das aber teils einen Sonderfall darstellte, informiert. Der König konnte hier Teile des in Bezirke (τόποι, topoi) und Dörfer (κώμαι, kōmai) untergliederten Königslandes oder die Einkünfte daraus an seine Untergebenen vergeben. Ihre endgültige Form fand die Gauverwaltung im 3. Jahrhundert v. Chr. unter Ptolemaios III. (246–221). Die Außenbesitzungen gehörten nicht zum Königsland mit seiner Gaustruktur. Sie bildeten einen eigenen Territorialtypus, unterstanden aber ebenfalls Strategen.
Im Seleukidenreich waren die Außenbesitzungen etwas anders organisiert. Sie wurden je nach Größe und politischem System als Völker (ἔθνη, ethnē), Städte (πόλεις, poleis) oder Königreiche (δυναστεία, dynasteia) bezeichnet. Diese Enklaven, die nicht unter direkter Verwaltung des Herrschers standen, blieben in dieser Form bis zum Ende des Hellenismus bestehen. Einige davon machten sich jedoch im Laufe der Zeit selbstständig, insbesondere an der Peripherie des Seleukidenreiches. Im dritten großen hellenistischen Reich, Makedonien, knüpften die Antigoniden stärker als die anderen Monarchen an ältere Traditionen an.
Mehr als ihre Struktur hat die Verwaltung der Diadochenreiche die Nachwelt beeinflusst. Sie war in der Regel zentralistisch und wurde von Berufsbeamten organisiert. Dieser Beamtenapparat war keine Erfindung der griechischen Poliskultur, sondern stand in der Tradition des achaimenidischen und des pharaonischen Reiches. Im antiken Griechenland gab es Vergleichbares nur in der privatwirtschaftlichen Gutsverwaltung. Wie die Angestellten eines Gutes von dessen Besitzer, so waren die Beamten der hellenistischen Herrscher von ihrem König abhängig, der sie einsetzte, bezahlte, beförderte und entließ. Die Verwaltung der Diadochen legte den Grundstein für die personalintensive Bürokratie der hellenistischen Zeit, wobei einheimische Beamte kaum zu höheren Ämtern zugelassen waren. Diese wurden in der Regel von Makedonen oder Griechen besetzt.
Mit den spätgriechischen Bundesrepubliken (κοινά, koina) entwickelte sich vor allem in Griechenland aus älteren Kult- und Kampfbünden noch eine weitere Regierungsform neben den hellenistischen Königreichen. Ihre wichtigsten Vertreter waren der Aitolische Bund in Nordwestgriechenland und der Achaiische Bund auf der Peloponnes. Die Bundesrepubliken bildeten sich in wirtschaftlich und kulturell unterentwickelten Gebieten, die nicht von einer mächtigen Polis wie Athen oder Theben dominiert wurden. Der Arkadische Bund, der im 3. Jahrhundert im Achaiischen Bund aufging, gründete sogar eine eigene Bundeshauptstadt, Megalopolis, um nicht unter die Vorherrschaft eines Mitglieds zu geraten. Andere Bundesrepubliken wählten alte Kultstätten als Versammlungsplätze ihrer Gremien, der Aitolische Bund zum Beispiel das Apollonheiligtum in Thermos, was auch ein Mittel war, den Zusammenhalt des Bundes zu festigen.
Die griechischen Bundesstaaten bestanden aus mehreren ursprünglich unabhängigen Poleis, die ihre außenpolitischen und militärischen Befugnisse an übergeordnete Instanzen abgegeben hatten. Die innere Autonomie der einzelnen Städte blieb allerdings erhalten, solange sie nicht gegen die Bündnistreue verstießen oder unter die Herrschaft von Tyrannen gerieten. Einige Tyrannen traten deshalb freiwillig zurück und strebten eine Karriere auf Bundesebene an. Der ehemalige Tyrann Aratos von Sikyon war sogar achtmal Stratege des Achaiischen Bundes. Ansonsten mischte sich der Bund in der Regel nicht in die inneren Angelegenheiten der Städte ein, er wandte sich allerdings gegen radikale Sozialreformen und griff bei Konflikten zwischen seinen Mitgliedern ausgleichend ein. Typisches Kennzeichen der sympolitischen Koina war ein gemeinsames Bundes- bzw. Bürgerrecht, das jedoch nicht das Polisbürgerrecht ersetzte. Als übergeordnete politische Instanz fungierte eine Bundesversammlung, deren Kompetenzen von Bund zu Bund variierten und die auch in der Regel jährlich wechselnde Bundesbeamte wählte, denen die Vertretung des Bundes nach außen oblag.
Im 2. Jahrhundert v. Chr. gerieten die griechischen Bundesstaaten nach und nach unter römische Kontrolle. Einige bestanden allerdings noch nach dem Ende der hellenistischen Zeit, etwa der Lykische Bund in Kleinasien, der noch unter römischer Oberherrschaft für Riten verantwortlich war und den lykischen Poleis als Sprachorgan gegenüber römischen Instanzen diente.202 Der Geschichtsschreiber Polybios, dessen Vater Lykortas zu den führenden Politikern des Achaiischen Bundes gehört hatte, sah in diesem die Vollendung der Demokratie.203
Die neuzeitliche Staatstheorie beurteilte die spätgriechischen Koina ähnlich positiv. So nannte Montesquieu den Lykischen Bund eine ideale Bundesrepublik204 und der Althistoriker Karl Julius Beloch die spätgriechischen Bundesrepubliken „die vollendetste Schöpfung auf politischem Gebiet, die den Hellenen und dem Altertum überhaupt gelungen ist“.205 Auch die Väter der amerikanischen Verfassung orientierten sich bei deren Entwurf an den Berichten Polybios’ und Strabons über sie. In den Federalist Papers schrieben James Madison und Alexander Hamilton im Jahr 1787: Der Achaiische Bund gibt uns wertvolle Hinweise.206 Washington wurde wie das achaiische Megalopolis eigens zu diesem Zweck neu gegründet, nachdem der Kongress zuvor abwechselnd in verschiedenen Städten getagt hatte.
Das Heer lässt sich in drei große Gruppen einteilen: die makedonische Garde (ἄγημα, agēma), die aus Hopliten und Reitern bestand, die griechisch-makedonische Phalanx aus Schwerbewaffneten und eine wachsende Anzahl von auswärtigen Söldnern.
Von der makedonischen Heeresversammlung (ἐκκλησία πάνδημος, ekklēsia pandēmos) hatten die hellenistischen Heere neben der Landesverteidigung vier zentrale Aufgaben übernommen: die Ausrufung oder Bestätigung eines Königs (Akklamation), die Einsetzung von Vormündern für unmündige Könige, die Anerkennung königlicher Testamente und die Verurteilung politischer Gegner des Herrschers. In der Diadochenzeit ließ unter anderem Ptolemaios den Eumenes, Kassandros die Olympias und schließlich Antigonos den Kassandros vom Heer verurteilen. Der zu dieser Zeit noch sehr große Einfluss des Heeres ging jedoch immer mehr zurück, später konnten nur noch die Garnisonen der Hauptstädte der politischen Führung ihren Willen aufzwingen. Dennoch blieb der militärische Oberbefehlshaber (χιλίαρχος, chiliarchos) der zweite Mann im Staat neben dem dioikētēs.
Eine Einschätzung der Größe dieser Heere ermöglicht Appian, der berichtet, das Ptolemäerreich habe über 200.000 Fußsoldaten, 40.000 Reiter, 300 Kriegselefanten, 2.000 Streitwagen, 1.500 große und 2.000 kleine Kriegsschiffe verfügt.207 Allerdings sind die genauen Zahlen kaum zu ermitteln, da antike Historiker in dieser Hinsicht oft übertrieben. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass die hellenistischen Heere, verglichen mit den Armeen der klassischen Zeit, gewaltig waren.208 Die Zahlenangaben für die Schlachten von Ipsos (301 v. Chr.), Raphia (217 v. Chr.) und Magnesia (190 v. Chr.), die bei gut 70.000 Soldaten auf jeder Seite liegen, können aber durchaus realistisch sein.
Der Einsatz von Kriegselefanten geht auf Seleukos zurück, der in Apameia 500 indische Elefanten hielt, die er von dem Mauryakönig Chandragupta erhalten hatte. Außerdem wurden Kamele, gepanzerte Reiter (κατάφρακτοι, kataphraktoi) und erstmals im großen Stil Belagerungsmaschinen eingesetzt, wobei die Belagerungstechnik gewaltige Fortschritte machte.
Demetrios Poliorketesder ließ riesige Kriegsschiffe mit bis zu sechzehn Reihen von Ruderern bauen. Die Größe der Kriegsschiffe wuchs in der Diadochenzeit enorml. Die größten Schiffe der Euphratflotte Alexanders des Großen besaßen lediglich fünf Reihen, doch bereits zur Zeit der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. ließ Demetrios dreizehnreihige Schiffe bauen. Die sechzehnreihige Hekkaidekere (ἑκκαιδεκήρης) markierte den Höhepunkt der Schiffsentwicklung und nautischen Kunst. Die später von den Ptolemäern gebauten zwanzig-, dreißig- und vierzigreihigen Schiffe waren dagegen wohl Schaustücke, die nur in sehr kleinen Stückzahlen gebaut wurden.
Bereits die Diadochen verfügten über ein stehendes Heer. In Kriegszeiten wurde es durch eine große Anzahl von Militärsiedlern (κάτοικοι κληροῦχοι, katoikoi klērouchoi) ergänzt, die von Seleukos in Städten, von Ptolemaios in Dörfern angesiedelt wurden. Mit dem System der Militärsiedler erreichten die Herrscher gleichzeitig zwei Ziele: Zum einen konnte der Sold ganz oder teilweise mit den Erträgen des von den Soldaten im Frieden bebauten Landes abgegolten werden, zum anderen waren sie in dieser Zeit Landarbeiter und damit Steuerzahler, die die stark ausgebaute Verwaltung und die ständigen Kriege mitfinanzierten. Die Militärsiedler errichteten die für sie neu gegründeten Städte selbst. Allerdings wurden durchaus auch Söldner angeworben und – zunächst nur vereinzelt, in späterer Zeit regulär – einheimische Truppen in die Phalanx integriert.
Die Diadochenreiche betrieben eine partiell planmäßige Wirtschaftspolitik, deren Grundlage eine durchorganisierte Landwirtschaft bildete. Im seleukidischen Babylonien machten die Makedonen den Weinbau heimisch, Ägypten entwickelte sich mit Hilfe moderner Anbaumethoden zum wichtigsten Getreideexporteur im östlichen Mittelmeerraum. Für das Ptolemäerreich, dessen Herrscher etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Erträge erhielt, lassen Papyrusfunde auf eine echte Planwirtschaft schließen. Das Prinzip dieses noch auf die Pharaonen zurückgehenden Wirtschaftssystems bringt ein Papyrus aus Tebtunis auf den Punkt:
Durch die Bekämpfung der Korruption, wirtschaftlichem Leerlauf und oftmals chaotischen Privatinitiativen wurde Ägypten zum wohlhabendsten Land und der Ptolemäerkönig zum reichsten Mann der antiken Welt. Er profitierte dabei nicht zuletzt von der Einbeziehung der reichen Tempelbezirke, die vorher eine Art Staat im Staate bildeten. Seine Hauptstadt Alexandria blieb bis in die Zeit des römischen Kaisers Augustus der größte Handelsplatz der damals bekannten Welt.
Auch die Münzprägung stand unter der Kontrolle des Königs. Zunächst war der attische Münzfuß die Basis des Geldwesens, später stellte das Ptolemäerreich, dessen zweitwichtigster Hafen die phönikische Stadt Tyros war, auf den phönikischen Münzfüß um. Im Umlauf waren Münzen aus Gold für außenpolitische Zwecke, aus Silber für die griechischstämmigen Untertanen und aus Bronze für den Gebrauch der Einheimischen. Der Geldwechsel war wie das Bankwesen insgesamt in den Händen des Staates.
In Ägypten wickelte die königliche Staatsbank (βασιλικὴ τράπεζα, basilikē trapeza) auswärtige Geldgeschäfte über ihre Hauptstelle in Alexandria und den inländischen Zahlungsverkehr über zahlreiche Zweigstellen im ganzen Reich ab. Von internationaler Bedeutung war außerdem die Bank auf der Insel Delos. Alle Bankgeschäfte wurden mit Hilfe der in Athen entwickelten Buchführung schriftlich niedergelegt.
Eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben spielten zudem die königlichen Lagerhäuser (θησαυροί, thēsauroi). Neben dem Handel mit Naturalien wie Getreide boten sie auch zahlreiche pekuniäre Dienstleistungen an. Die Einnahmen der Lagerhäuser bildeten gemeinsam mit den Erträgen der Krongüter, die von einem idiologos (ἰδιολόγος) geleitet wurden, den Zöllen und den von Steuerpächtern (τελώναι, telōnai) eingetriebenen Steuern die Grundlage der Staatseinnahmen und -ausgaben. Dieser umfasste als wichtigste Posten die Hofhaltung, die Bezahlung der Soldaten und Beamten sowie außenpolitische Ausgaben wie Tribute. Steuerhinterziehung wurde mit Gefängnis oder dem Verkauf in die Sklaverei bestraft.
Im Bereich des Gewerbes blieb privaten Unternehmern mehr Spielraum. Dieser wurde jedoch durch umfangreiche Monopolbestimmungen begrenzt. Sache des Staates waren Grundnahrungsmittel wie Öl, Salz, Fisch, Bier, Honig und Datteln, die Herstellung von Papyrus, Textilien, Glas und Luxusartikeln und das Transportwesen, aber auch der Außenhandel. Die hellenistischen Staaten schützten die eigene Wirtschaft durch Zölle von bis zu 50 % und erreichten nicht zuletzt durch eine Erweiterung des Osthandels beträchtliche Außenhandelsüberschüsse.
Die Diadochenreiche hatten für antike Verhältnisse eine recht große Bevölkerung: Die Einwohnerzahl des Seleukidenreiches wird auf 30, die des Ptolemäerreiches auf etwa 8 Millionen geschätzt.210 Dabei waren die Staaten durch zwei große Gegensätze geprägt: die Aufteilung in Nationalitäten und die Trennung in soziale Schichten.
Der bedeutendere Gegensatz war der zwischen Griechen und Autochthonen. Philon von Alexandria bezeugt die Existenz einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Ägypter wurden mit der Peitsche, Griechen lediglich mit dem Stock gezüchtigt.211 Die Diadochen gaben die von Alexander geförderte Gleichberechtigung der beiden Gruppen weitgehend auf und führten bald eine Trennung zwischen einheimischen und griechischen Funktionsträgern durch. Seleukos entzog den einheimischen Satrapen den militärischen Oberbefehl zugunsten griechischer Strategen, Ptolemaios verzichtete beim Aufbau seines Verwaltungsapparates ganz auf Einheimische, die nur noch auf der Ebene der Dorfschulzen Verantwortung tragen durften. In dieses Bild einer Apartheidgesellschaft passt, dass Mischehen untersagt waren und jede Bevölkerungsgruppe einem eigenen Recht unterlag. Prozesse zwischen Menschen verschiedener ethnischer Gruppen wurden vor besonderen Gerichten verhandelt. Der ethnische Gegensatz zwischen Einwanderern und Autochthonen war also größer und bedeutender als der zwischen Sklaven und Freien. Dabei war aber nicht mehr als ein Prozent der Bevölkerung griechischer Herkunft.
Die Diadochen und ihre Nachfolger wollten das griechische Element in ihren Staaten stärken und begünstigten deshalb die Einwanderer, von denen im Laufe der Zeit Hunderttausende kamen. Griechen traten als Soldaten oder Beamte in den Königsdienst und ließen sich in den griechischen Städten des Ostens, in denen sie auch als Privatleute sofort das Bürgerrecht erhielten, als Händler, Gewerbetreibende oder Bauern nieder. Niedergelassene Einwanderer waren vom Militärdienst befreit. Allerdings spielte bei der Zuwanderungspolitik die Befähigung eine größere Rolle als die Herkunft. Auch Galater und Juden wurden ins Heer aufgenommen, die Städte nahmen auch Juden und Phöniker auf. Bei den eingewanderten Griechen nivellierten sich schon bald die Unterschiede. Die lokalen Traditionen traten zurück, eine gesamtgriechische Verkehrssprache (κοινή, koinē) entstand. Die Bedeutung der koinē zeigt sich darin, dass das Alte Testament in diese Sprache übersetzt und das Neue sogar in ihr abgefasst wurde. Die Entwicklung einer griechischen Hochsprache in der Zeit des Hellenismus bildete geradezu eine Voraussetzung für die spätere Verbreitung des Christentums.
Die Makedonen blieben am längsten kulturell eigenständig. Die Bezeichnung „Makedone“ wurde jedoch schon bald zum Standesbegriff und wurde später auch von Juden geführt. Die Zugehörigkeit zur griechischen Kultur galt als erstrebenswert. So bezeichnete Manetho, der die Liste der Pharaonen aufstellte, die Stammväter von Griechen und Ägyptern als Brüder, König Pyrrhos von Epirus führte seine Herrschaft auf Achilleus zurück. Selbst die Römer beriefen sich vor Seleukos auf eine angebliche Blutsverwandtschaft über ihre sagenhaften trojanischen Ahnen. Dabei galt allgemein das Wort des Philosophen Isokrates. Dieser hatte erklärt:
Langfristig wurde dadurch trotz der rigiden Trennung der ethnischen Gruppen letztlich eine Vermischung von Griechen und Autochthonen erleichtert. Im Niltal wurden die Griechen ägyptisiert und die Ägypter hellenisiert. Besonders entgegenkommend zeigte sich Ptolemaios gegenüber den Fellachen, wohl vor allem, um mögliche Aufstände zu verhindern. Jedenfalls nahm der Wohlstand der ägyptischen Bauern in der Diadochenzeit so weit zu, dass ein Fellache mehr verdiente als ein griechischer Arbeiter auf Delos.
Eine wesentlich geringere Rolle als der Gegensatz zwischen den verschiedenen Nationalitäten spielte die soziale Schichtung. Einen Adel in eigentlichen Sinne gab es zunächst nicht. Die Griechen waren gerade erst eingewandert und konnten so kaum mit der Leistung ihrer Vorfahren prunken, die Bedeutung des vor allem in Persien zunächst noch vorhandenen einheimischen Adels nahm schnell ab. Dies lag auch im Interesse der hellenistischen Herrscher, deren Beamtenapparat darauf angewiesen war, dass Ämter nach Tüchtigkeit und nicht nach Geburt vergeben wurden. Deshalb waren vom König verliehene Ränge zunächst nicht erblich.
Auch die Sklaven waren weniger zahlreich und auch weniger bedeutend als in anderen antiken Staatswesen. Für Ägypten kann mit einiger Sicherheit von einer geringen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Sklaverei ausgegangen werden, die Anzahl der Sklaven im Seleukidenreich lässt sich nur schwer ermitteln. Die Landarbeit wurde von Fellachen betrieben, die rein rechtlich nicht als Sklaven galten. Ehen zwischen Freien und Unfreien waren relativ häufig. Von den Tempelsklaven (ἱεροδοῦλοι, Hierodulen) abgesehen, gab es vor allem in den Privathaushalten reicher Griechen Sklaven, diese waren also kaum in der Produktion tätig. Sie galten als Luxusgut und unterlagen deshalb einer besonderen Steuer. Der Freikauf von Sklaven wurde erst um 200 v. Chr. üblich. Kriegsgefangene im Sklavenstatus kamen dagegen schon unter den Diadochen vor. Diese arbeiteten vor allem in königlichen Steinbrüchen und Bergwerken.
Die Stellung der Frauen war im Vergleich zur klassischen Zeit relativ gut. Sie gewannen das Recht, selbstständig Unternehmen zu führen und vor Gericht im eigenen Namen auszusagen. Auch waren ihnen alle Stufen der Schulbildung zugänglich. Frauen besuchten das Gymnasion, betätigten sich als Dichterinnen oder Philosophinnen und organisierten sich in eigenen Vereinen. Wie Inschriften aus Kleinasien, Sparta und Kyrene zeigen, machten sich Frauen durch Stiftungen einen Namen und übernahmen politische Ämter. In Delphi und Priene amtierten Frauen sogar als Archonten. Zudem erhielten bedeutende Frauen das Bürgerrecht auswärtiger Städte. Frauen aus dem Königshaus wie Arsinoë II., die Tochter des Ptolemaios, und später Kleopatra, griffen aktiv in die Politik ein. Allerdings wurden noch immer neugeborene Mädchen weit häufiger ausgesetzt als Jungen.
Die Diadochen gestatteten ihren Untertanen die Verehrung einheimischer Götter. Während aber Seleukos deren Kultstätten einen eigenen rechtlichen Status zubilligte und ihnen eine durch Tempelversammlung (ἐκκλησία, ekklēsia) und Kultvereine organisierte Selbstverwaltung gestattete, versuchte Ptolemaios, die reichen Heiligtümer Ägyptens in seinen Verwaltungsapparat zu integrieren. Die Ptolemäer ließen sich als σύνναοι θεοί (synnaoi theoi) in den Tempeln mitverehren und ernannten die Priester selbst. Griechische Kontrollbeamte übernahmen die Aufsicht über die Tempelwirtschaft, selbst griechische Priester kamen vor. Die Erträge der Tempel wurden besteuert und ihr Asylrecht eingeschränkt, der Kult selbst blieb jedoch weitgehend in seiner vorhellenistischen Form erhalten.
Nicht nur in Ägypten genossen auch die Diadochen selbst göttliche Ehren. Ein anlässlich seiner Rückkehr in das von ihm besetzte Athen etwa 291 verfasster Hymnus an Demetrios, den Sohn des Antigonos, gibt einen seltenen Einblick in die begleitende Rhetorik:
Neben solche Ehrungen seitens der Städte trat bei den Ptolemäern, den Seleukiden und später den Attaliden der reichsweit verordnete dynastische Kult. Bereits Alexander forderte 324 die Griechenstädte auf, ihn als Sohn des Zeus zu verehren. Schon seine Rückkehr aus Indien hatte Alexander in Anlehnung an den Dionysos-Mythos mit einem rauschendem Fest gefeiert (komos). Dionysos selbst sollte auch in der Folgezeit im Rahmen des hellenistischen Herrscherkults eine wichtige Rolle spielen. Die Diadochen setzten den Alexanderkult fort, dessen Zentrum im ptolemäischen Ägypten Alexanders Grab (σῆμα, sēma) in Alexandria bildete. Zudem förderten sie Legenden über ihre eigene göttliche Abstammung. Bald schon fand allgemeine Verbreitung, dass Herakles der Ahnherr der Ptolemäer und Apollon der Stammvater der Seleukiden sei. Während in Makedonien eine kultische Verehrung des Herrschers nicht stattfand, wurde sie in den anderen beiden Reichen bald in großem Stil praktiziert. Bei den Ptolemäern gab es bereits sehr früh (unter Ptolemaios II.) einen dynastischen Kult, während im Seleukidenreich wohl erst unter Antiochos III. entsprechende Schritte eingeleitet wurden. In diesem Zuge entstand auch die von den Ptolemäern bald übernommene Institution des Oberpriesters (ἀρχιερεύς, archiereus), in dessen Zuständigkeitsbereich auch der Herrscherkult fiel. Zu Ehren der hellenistischen Herrscher wurden regelmäßig Festspiele nach dem Vorbild der Olympischen Spiele abgehalten, die Gäste aus aller Welt anzogen.
In hellenistischer Zeit trafen griechisch-makedonische Vorstellungen von der Götterwelt auf lokale orientalische Kulte, woraus sich jeweils spezifische wechselseitige Beeinflussungen ergaben. Die polytheistische Grundhaltung der Monarchen ermöglichte die Koexistenz.
In Alexandria bildete sich die größte jüdische Gemeinschaft außerhalb Jerusalems. Nach allerdings unsicheren (da jüdisch-apologetischen) Nachrichten bildeten die Juden in Alexandria ein eigenes politeuma mit gewissen Privilegien. Ebenfalls in hellenistischer Zeit begann die Arbeit an der Septuaginta, der griechischen Fassung des Alten Testaments. Der älteste außerbiblische Bericht über den Auszug aus Ägypten stammt aus der Aegyptiaca des Hekataios von Abdera (um 300 v. Chr.). In seinem am Hof des Ptolemaios verfassten Werk berichtet er, dass die Juden während einer Pest aus Ägypten vertrieben und von ihrem weisen Gesetzgeber (dem biblischen Mose?) nach Judäa geführt wurden. Die Schriften des Hekataios beeinflussten offenbar auch Manetho, der in ähnlicher Weise über die Herkunft der Juden schrieb. Insgesamt waren die Juden einem Hellenisierungsprozess unterworfen, der auch dank der Unterstützung durch Seleukos und die ersten Seleukiden zu einer weitgehenden Gleichberechtigung mit den Griechen führte. Das hellenistische Judentum entstand.
Neue orientalische Erlösungsreligionen wurden immer wichtiger. Die olympischen Götter der Griechen verloren an Bedeutung. Religion wurde Privatsache, lediglich der Herrscherkult blieb als verbindendes Element erhalten. Die daneben wohl folgenreichste religionspolitische Neuerung war die Einführung des synkretistischen Sarapiskults durch Ptolemaios. Sarapis war eine Verschmelzung aus den ägyptischen Göttern Osiris und Apis und dem griechischen Göttervater Zeus. Zudem wurden nach der Interpretatio Graeca vermehrt griechische und orientalische Götter gleichgesetzt, beispielsweise die Erntegöttin Demeter mit Isis, der Gattin des Osiris.
Die Diadochenzeit leitete den Aufschwung in Wissenschaft und Technik der hellenistischen Zeit ein. Bereits der Alexanderzug wurde von Vermessern begleitet, deren Aufzeichnungen für die Geographie von großer Bedeutung waren. Im Hellenismus bildeten sich einige der bedeutendsten philosophischen Strömungen heraus (beispielsweise Stoa, Epikureismus und Peripatos), wobei sich aber auch die Mathematik, Kunst und Medizin in dieser produktiven Zeit weiter entfalten konnten.
Zum Mittelpunkt der griechischen Gelehrsamkeit wurde seit der Zeit der Diadochen Alexandria mit seinem Museion und der zugehörigen Bibliothek, wobei die Patronagepolitik der Ptolemäer eine große Rolle spielte.214 Mit seinem Vortragsraum, der zu philosophischen Gesprächen einladenden Wandelhalle und dem gemeinsamen Speisesaal der örtlichen Philologen bildete es ein Wissenschafts- und Kulturzentrum. Unter der Leitung eines Oberpriesters wurde neben Philosophie auch Naturwissenschaften und Medizin gelehrt. Hier gelangte die geographische Mathematik zur vollen Entfaltung, ebenso entstanden bedeutende Beiträge zur Philosophie und Astronomie. Die Ärzte Alexandrias, namentlich Herophilos und Erasistratos, wagten sich als erste an eine umfassende Erforschung der menschlichen Anatomie und sezierten dafür Hingerichtete. Auch Eratosthenes wirkte hier. Ihm kam wie auch den anderen Wissenschaftlern, Literaten und Künstlern jener Zeit zugute, dass er seine Wirkungsstätte frei wählen konnte. So entstand eine internationale Schicht von Gelehrten.
Die an das Museion angeschlossene Bibliothek umfasste bis zu 700.000 Rollen. Vor allem Ptolemaios II., der Sohn und Nachfolger des Ptolemaios, machte sich um sie verdient. Er ließ die Schriften der Griechen, Chaldäer, Ägypter, Römer und Juden sammeln, erwarb die Bibliothek des zu Beginn der Diadochenkriege verstorbenen Philosophen Aristoteles und kaufte vor allem in Athen und Rhodos weitere Bücher zu. Kallimachos verfasste den ersten Bibliothekskatalog, der erste Bibliotheksvorsteher war Zenodotos von Ephesos. Die große Bibliothek weckte den Ehrgeiz der Herrscher des sich gerade vom Seleukidenreich lösenden Pergamon. Auch sie begannen Bücher zu sammeln und kopieren zu lassen. Das von Ptolemaios II. verhängte Ausfuhrverbot für Papyrus (chartae) umgingen sie durch die Verwendung des neuartigen Pergaments. Marcus Antonius schenkte später Kleopatra VII., der letzten Ptolemäerin, 200.000 Rollen der pergamenischen Bibliothek, die so schließlich wieder nach Alexandria kamen.
Auch wenn die Hauptstadt der Ptolemäer von diesen planmäßig zum kulturellen Mittelpunkt der hellenistischen Welt ausgebaut wurde, so kamen doch die anderen Städte nicht zu kurz. Besonders das griechische Mutterland wurde immer wieder von den Diadochen mit Spenden bedacht. Seleukos gab die vom persischen Großkönig Xerxes I. 200 Jahre zuvor aus Athen entführte Bibliothek des Peisistratos wieder zurück. Um die griechische Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu beeinflussen, unterstützten die Diadochen die Poleis durch Stiftung und durch Bauten wie das Olympieion in Athen. Dieser vordergründigen Unterstützung des kulturellen Lebens und der materiellen Lage der Städte stand deren weitreichende politische Entmachtung gegenüber. Die Selbstverwaltung blieb nur im Inneren erhalten, Außenpolitik, Militär und Steuern waren hingegen Sache der Diadochenherrscher, die die Städte aber trotz allem relativ behutsam behandelten. So konnten sich in ihnen in der hellenistischen Zeit Kultur und Wissenschaften in einer Weise entfalten.
Die astronomischen Arbeiten des Eudoxos von Knidos († 352 v. Chr.) wurden im 3. Jahrhundert fortgeführt von Aristarch († 230 v. Chr.), der das heliozentrische Weltbild begründete und die Drehung der Erde erkannte, und von Eratosthenes († 202 v. Chr.), der ihren Umfang berechnete und das System der Längengrade schuf. Schon zur Zeit Alexanders befuhr Pytheas die Nordsee und entdeckte Britannien. Ptolemaios II. schickte Gesandte nach Indien und ließ das Innere Afrikas erforschen. Auch im Bereich der Technik wurden viele Fortschritte gemacht, die einige Jahrzehnte später Archimedes und Heron von Alexandria ihre bedeutenden Erfindungen ermöglichten. Demetrios Poliorketes ließ eine als Helepolis bekannte Belagerungsmaschine konstruieren, mit der er Rhodos angriff.
Die Literatur des Hellenismus hat einige bemerkenswerte Werke hervorgebracht. Dabei sind vor allem die Schriften des Kallimachos, des bedeutendsten alexandrinischen Dichters, und seiner Schüler zu nennen, unter ihnen auch Apollonios von Rhodos, der sein Werk zur Argonautensage verfasste (Ἀργοναυτικά, Argonautika). In hellenistischer Zeit entstand auch der romantisch verklärte Alexanderroman, der sich bis in die Neuzeit größter Beliebtheit erfreuen konnte. Im Mittelalter war er sogar nach der Bibel das am weitesten verbreitete Buch und wurde von Europa bis Südostasien gelesen. Ebenso erfreuten sich die Werke der Alexanderhistoriker großer Beliebtheit.
Generell kann konstatiert werden, dass sich die hellenistische Literatur zwar im Rahmen bereits bekannter Gattungen bewegte (Drama, Elegie, Epigramm, Epos, Hymnus, Lyrik etc.), diese aber weiterentwickelte und umgestaltete. Auf dem Gebiet der Komödie war vor allem Menander bedeutend, der gemeinsam mit dem Philosophen Epikur in Athen als Ephebe diente. Nur der Roman (Abenteuer-, Liebes-, Reiseroman) gilt als eine originäre Entwicklung der hellenistischen Zeit. Im Gegensatz zu den älteren Gattungen ist er in Prosa gehalten, was auf Leserezeption statt öffentlicher Aufführung und damit die Ausbreitung einer privaten Buchkultur in den Städten hinweist.
Der Umgestaltungsprozess in der Literatur wurde durch eine neue Form der öffentlichen Bildung gefördert, wie öffentliche Schulen und vor allem das umfangreiche Bibliothekswesen der hellenistischen Zeit. Die oben erwähnten Bibliotheken ermöglichten den Wissenschaftlern und Schriftstellern zum ersten Mal auf breiter Basis, sich auf bereits analysiertes Material zu stützen und sich damit auseinanderzusetzen.
Der Hellenismus veränderte auch die Rahmenbedingungen für Kunst und Architektur der Griechen. Alexander der Große und nach ihm die hellenistischen Herrscher gründeten eine Vielzahl von Städten, die Tempel, Gymnasien, Theater und Plätze benötigten und somit reiche Entfaltungsmöglichkeiten für Architekten und Kunsthandwerker boten. Ihre Residenzen wurden zu Zentren einer höfischen Kunst, in deren Mittelpunkt der Herrscher selbst stand. Pergamon ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine solche Residenzstadt. Aber auch die städtischen Oberschichten waren vermehrt um ihren Nachruhm besorgt und ließen ihr Wirken durch Ehrenstatuen dokumentieren.
Die Kunst der hellenistischen Zeit unterschied sich von ihren Vorläufern vor allem durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Orient und den Barbaren. Es entwickelten sich Mischformen zwischen griechischer und orientalischer Kunst, beispielsweise im Osten Irans. Gleichzeitig war vor allem die Bildhauerei durch ein verstärktes Streben nach Realismus geprägt, das auch die Darstellung der in der klassischen Zeit wenig beachteten unteren Schichten mit einschloss und teilweise ins Groteske überging. Wichtige Merkmale der hellenistischen Kunst sind expressionistische Stilelemente und pathetische Motive (Beispiele: Die trunkene Alte und Barberinischer Faun, beide in der Glyptothek) sowie ein Ausgreifen der Figuren in den Raum. Daneben war die Unterstützung der herrscherlichen Selbstdarstellung eine wichtige Funktion der hellenistischen Kunst. Durch die Verwendung göttlicher Attribute wurde die herausgehobene Stellung und die Sieghaftigkeit der Monarchen betont.
An herausragenden Werken der hellenistischen Kunst können vor allem genannt werden: die Gallieranatheme Attalos’ I. (überliefert in römischen Kopien, bekannt sind vor allem der Sterbende Gallier und der Gallier, der seine Frau tötet), der Pergamonaltar in Berlin, die Nike von Samothrake, die Aphrodite von Melos (auch Venus von Milo, beide im Louvre) und, als einer der letzten großen Kunstschöpfungen des Hellenismus, die Laokoon-Gruppe in Rom. Jacob Burckhardt prägte für den bewegten, emotionalen Stil dieser Skulpturen den Begriff Pergamenischer Barock.
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