Die menschliche Geschichte des Raumes, den heute der Staat Syrien einnimmt, und dessen kulturelles Erbe er stellvertretend für die Menschheit verwaltet, setzt mit den ältesten Spuren von Homininen ein, die vor fast 1,8 Millionen Jahren in der Syrischen Wüste lebten. Eine kontinuierliche Besiedlung fand wahrscheinlich erst sehr viel später statt, spätestens jedoch vor mehr als 600.000 Jahren, als der afrikanische Homo erectus sich über die Alte Welt auszubreiten begann, und dessen ältestes Fossil in Syrien etwa 450.000 Jahre alt ist. Dieser entwickelte sich in Europa und Westasien zum Neandertaler, in Afrika vor mindestens 300.000 Jahren zum Homo sapiens. Beide trafen, wie jüngst israelische Funde nahelegen, vor 150.000 Jahren in der Levante aufeinander, wobei die Nachfahren dieser Jägergruppen bis heute geringe Mengen an Neandertaler-Erbgut in sich tragen. In der Höhle von Dederiyeh fanden sich die bedeutendsten Neandertalerüberreste des Landes. Die Zugewanderten brachten offenbar jeweils neue Geräte und neue Jagdtechniken mit. Eine Art Klebetechnik erlaubte zudem spätestens vor 70.000 Jahren den allgegenwärtigen Einsatz von Kompositwerkzeugen. Außerdem entwickelten sich regionale Kulturen. Das älteste Fossil unserer unmittelbaren Vorfahren ist über 40.000 Jahre alt.
Der Übergang vom Jagen, Sammeln und Fischen zur produzierenden Lebensweise war in der nördlichen Levante, im Gegensatz zum übrigen Mittelmeerraum, keinem Zuwanderungsprozess geschuldet, sondern einem lokalen Vorgang der indigenen Bevölkerungsgruppen, der sich über einen sehr viel längeren Zeitraum erstreckte. Eine frühestbäuerliche Kultur lässt sich bereits im 11. Jahrtausend v. Chr. fassen, wobei der dorthin führende, überaus komplexe Prozess mehrere Jahrtausende früher einsetzte. In diese Zeit, und zwar sowohl vor als auch nach der Entstehung erster bäuerlicher Kulturen, entstanden Monumentalwerke, darunter im 11. Jahrtausend eine erste Stadtbefestigung und mit ihr der älteste Turm der Welt.
Während man früher glaubte, zur bäuerlichen Kultur gehöre auch von Anfang an die Herstellung von Ton- oder Keramikgefäßen, so erwies sich, dass bereits zwischen 15.000 und 13.000 v. Chr. in Ostasien und in Afrika um 9000 v. Chr. Jäger und Sammler derlei Gefäße herstellten. In Westasien setzte diese jedoch erst nach 7000 v. Chr. ein, als die bäuerlichen Kulturen längst stadtartige Siedlungen hervorgebracht hatten. Schon die Hassuna-Kultur entwickelte Ansätze administrativer Tätigkeit. Die Zucht von Schweinen und Rindern, Schafen und Ziegen gesellte sich zunehmend zur pflanzlichen Kost, während die Jagd auf Gazellen, Onager, Wildschweine, aber auch Hasen an Bedeutung verlor. Die Siedlungen wurden deutlich größer, schließlich entstanden erste Stadtstaaten. Doch kam es Ende des 3. Jahrtausends zu einer Siedlungsunterbrechung, vermutlich durch Vieh-Nomaden, die sich bestimmten Naturräumen sehr viel besser anpassen konnten, als Bauern. Spätestens mit Ebla entstand um 2400 bis 2250 v. Chr. eine Stadt von 56 ha Fläche, die zu erheblichen Teilen vom Handel mit Schafwolle lebte, aber auch von anderen weiträumig gehandelten Produkten. Hauptkonkurrentin wurde Mari am Euphrat. Die mesopotamischen Großreiche Akkad und Alt-Assyrien, aber auch die Hethiter und das Neue Reich der Ägypter griffen immer wieder militärisch in Syrien ein, wo mit den Mittani ein eigenes Großreich entstand. In den weniger von den Nachbarreichen dominierten Phasen blühte eine Reihe von Stadtstaaten.
Die Eroberungen der Seevölker veränderten die regionalen Machtverhältnisse nach 1200 v. Chr. brachial, verstärkt durch die in der arabischen Wüste beginnende Völkerwanderung der Aramäer. Sie profitierten von der Domestizierung des Kamels ab etwa 1300 v. Chr., das auch dort als Reit- und Transporttier eingesetzt werden konnte, wo Pferde nicht leben konnten. Zugleich kam es zu einer Wiedergeburt der Stadtstaatenwelt. Erst mit dem Assyrerreich, das im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. nach Syrien expandierte, wurde die Region wieder Teil eines Großreiches. Trotz heftiger Gegenwehr unterwarf das Neubabylonische Reich die Region, dem das Perserreich folgte, dann, nach der Eroberung durch Alexander den Großen, die Seleukiden, schließlich die Römer.
Das Aramäische wurde zur lingua franca des Nahen Ostens, unter den Seleukiden erhielt das Griechische große Bedeutung, während das Lateinische sich nicht dauerhaft durchsetzen konnte. Umgekehrt kam es zu einer von Syrien ausgehenden „Orientalisierung“ des Römerreichs, die bis zum Versuch einer entsprechenden Staatsreligion reichte. In diesem verengten Sinne ist die Christianisierung des Reiches, das den gesamten Mittelmeerraum umfasste, Teil eines früher einsetzenden Prozesses, aus dem sich die neue Religion allerdings zu lösen verstand. Sie wurde Ende des 4. Jahrhunderts zur Staatsreligion. Doch kam es über theologische Fragen zu heftigen Auseinandersetzungen. Dabei wiederum spielte die Levante, die schon sehr früh christianisiert worden war, eine wichtige Rolle, denn die dort vorherrschenden Lehren standen im Widerstreit zu denen von den Kaisern bevorzugten und durch Kirchenkonzile gefestigten Beschlüssen.
Zugleich schlossen sich die arabischen Stämme, die mit Persien bzw. Ostrom noch im Bündnis gestanden hatten – vor allem während des Überlebenskampfes zwischen den beiden Großreichen zwischen 592 und 628 –, zu Verfechtern der Lehre Mohammeds, dessen Anhänger im Laufe der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts auch Syrien eroberten. Bald wurde Damaskus zum Sitz der Kalifen und zur Hauptstadt eines schnell expandierenden Reiches, doch stürzte diese Dynastie eine konservative Revolution unter Führung der Abbasiden. Infolgedessen büßte die Stadt ab 744 ihre zentrale Rolle im Riesenreich zwischen Atlantik und Indus zugunsten von Bagdad ein. Schon nach wenigen Jahrzehnten setzte sich die arabische Sprache durch, weite Teile der Bevölkerung wurden islamisiert, partiell durch erhebliche Zuwanderung.
Doch dieses Reich zerfiel im Laufe des 9. Jahrhunderts, zudem gelang es schiitischen Gruppen auch in Nordafrika, und von da in Ägypten und in der Levante Fuß zu fassen. Mit den Hamdaniden, die immer wieder versuchten, auch Bagdad zu dominieren, beherrschte nach langer Zeit wieder eine lokal gebundene Dynastie den Norden von Syrien und des Iraks. Doch bald geriet die Region in den Konflikt zwischen schiitischen Fatimiden und sunnitischen Seldschuken, sowie das orthodoxe Byzanz. Mit den Kreuzfahrern erreichte eine weitere religiöse Gruppe 1098 Syrien, die ihre anfänglichen militärischen Erfolge zu erheblichen Teilen der starken Machtzersplitterung zu verdanken hatte, die in der gesamten Levante bestand. So entstanden zeitweise vier Kreuzfahrerstaaten, allen voran das Königreich Jerusalem, sowie der schiitische Staat der Assassinen.
Es waren vor allem Abkömmlinge türkischer und kurdischer Gruppen, die als Militärsklaven in die arabischen Länder gelangten. Sie übernahmen später die Macht, und ihnen gelang es schließlich unter Saladin die Kreuzfahrerstaaten endgülitg zu schwächen, auch wenn erst mehr als ein Jahrhundert später die letzte Festung geräumt werden musste. Die türkischen Mamluken Ägyptens schlugen 1260 nicht nur die Mongolen zurück, sondern sie eroberten auch ganz Syrien. Damit setzte aber zum Schutz vor einer erneuten Invasion durch christliche Mächte eine städtefeindliche Politik ein, die unter den Hafenstädten fast nur noch Beirut begünstigte. Mit dem Vordringen der Portugiesen in den indischen Ozean verloren die Mamluken um 1507/09 ihr weitgehendes Handelsmonopol mit Indien, 1516 unterlagen sie den Osmanen, die das gesamte Reich 1516/17 eroberten. 1520/21 kam es zum Aufstand des Damaszener Statthalters Janbirdi al-Ghazali, doch scheiterte er an Aleppo und wurde schließlich bei Damaskus besiegt, das schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Während wenige Familien in den vier bedeutenden Provinzhauptstädten Syriens, also in Damaskus, Aleppo, Tripolis und Sidon zu enormen Vermögen gelangten, geriet das flache Land immer mehr ins Hintertreffen. Doch waren Eingriffe in die Sozialstruktur, in regionale Sitten und Gebräuche weder gewollt noch durchsetzbar. Zudem folgten die lokalen Gruppen einer anderen Rechtsschule, als der von Konstantinopel entsandte oberste Richter. Das osmanische Steuerpachtsystem sorgte für eine weitere Entfremdung zwischen Zentrale und Peripherie. Zudem suchten religiöse Minderheiten nach 1600 zunehmend Schutz im Ausland, wie etwa die Drusen beim Herzogtum Toskana.
Endgültig erschüttert wurde die osmanische Herrschaft durch die Rückgewinnung der Macht in Ägypten durch die Mamluken, eine Entwicklung, die durch den Versuch Napoleons im Jahr 1799 militärisch zu intervenieren, zunächst gebremst, dann aber durch die Herrschaft des Mamluken Muhammad Ali verstärkt wurde. Ohne Intervention der westeuropäischen Mächte in den Jahren 1839 bis 1841 wäre das Osmanenreich bereits zu diesem Zeitpunkt von dem albanischen Herrscher erobert worden.
Nun versuchte Konstantinopel im Wettlauf mit den entstehenden Industriemächten mitzuhalten, und so wurde Syrien vor allem zum Lieferanten von Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Der soziale Druck gerade im ländlichen Bereich, nunmehr aber auch in den wachsenden Städten des noch dünn besiedelten Gebietes führte zu Aufständen gegen die Grundbesitzer, die sich, wie etwa im Bürgerkrieg im Libanongebirge mit ethnisch-religiösen Auseinandersetzungen verbanden, was 1860 in Damaskus zu einem Massaker an den dortigen Christen führte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu Verwaltungsreformen, zur Militarisierung der Gesellschaft, zu großangelgeten Investitionen in den Grundbesitz und zur Entwicklung eines Bankensystems, aber auch zu einer Verschärfung des türkischen Nationalismus', der sich im Ersten Weltkrieg in Form von Völkermorden gegen Armenier, aber auch Assyrer und Aramäer richtete. Zugleich machten die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich den Arabern Zusagen für einen unabhängigen Staat, sagten aber zugleich einen solchen den jüdischen Siedlern zu. Am Ende des Krieges wurde Frankreich ein Mandat über Syrien durch Völkerbund zugesprochen.
Während dieser Zeit verstärkte sich die Zuordnung der Individuen zu etnisch-religiösen Gruppen, die Paris zudem als Grundmuster wahrnahm und dementsprechend alle Konflikte vor allem vor diesem Hintergrund deutete. So erhielten die Alawiten ein eigenes Gebiet, ebenso wie die Drusen, dann die Maroniten, wodurch die Abtrennung des Libanon als eigener Staat eine Begründung fand, und auch die Kurden verlangten ein eigenes Territorium.
Während des Zweiten Weltkriegs gelang es den Achsenmächten erst nach der Besetzung Frankreichs im Jahr 1940 verstärkt Einfluss zu nehmen. Das von Deutschland abhängige Vichy-Regime setzte sich zunächst in Syrien durch, doch Briten und Franzosen besetzten Syrien ab dem 8. Juni 1941. Damaskus fiel am 21. Juni fast kampflos, zumal dem Faschismus im Land beinahe jeder Rückhalt fehlte. Trotz Unabhängigkeitserklärung durch General Georges Catroux versuchte Paris das Mandat beizubehalten. Der Konflikt eskalierte gegen Kriegsende, so dass Damaskus bombardiert wurde. Erst die gemeinsame Intervention Großbritanniens und der USA zwang Paris, Syrien 1946 aufzugeben.
Die Staatsgründung Israels, gegen das Syrien an vier Kriegen teilnahm, und der Panarabismus unter Führung von Ägyptens Gamal Abdel Nasser, dazu eine laizistische Regierung, waren die dominierenden Themen der Nachkriegszeit vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Seit 1963 beherrscht die bis 2003 auch im Irak herrschende Baath-Partei das Land, die sich vielfach im Libanon einmischte, den sie als Teil Syriens betrachtet. Ab 1970 dominierte Hafiz al-Assad, der 1982 einen Islamistenaufstand niederschlug, und der sich an die Sowjetunion anlehnte, später Russland, seit 2000 sein Sohn Baschar al-Assad. Seit 2011 herrscht ein von zahlreichen Gruppen befeuerter Bürgerkrieg, in den sich schließlich auch Russland massiv einmischte, ebenso wie die USA und jüngst die Türkei.
Sowohl Neandertaler als auch anatomisch moderne Menschen (Homo sapiens) hatten, so die allgemein akzeptierte Vorstellung, im afrikanischen Homo erectus einen gemeinsamen Vorfahren. Einige Vertreter des Homo erectus verließen Afrika während einer ersten Ausbreitungswelle vor rund zwei Millionen Jahren Richtung Levante, Schwarzmeerraum und Georgien sowie möglicherweise über Nordwestafrika Richtung Südspanien,1 schließlich ostwärts bis nach Indien (Attirampakkam). Die frühe Besiedlung Georgiens ist durch die 1,8 Millionen Jahre alten Fossilien von Dmanissi belegt, die von Syrien durch die wenig jüngere Fundstätte Aïn al Fil (‚Elefantenbrunnen‘).
Vor rund 600.000 Jahren kam es wohl zu einer zweiten Ausbreitungswelle des afrikanischen Homo erectus,2 der sich in Europa über die Homo heidelbergensis genannte Zwischenstufe zum Neandertaler entwickelte, während in Afrika vor mindestens 300.000 Jahren aus Homo erectus der sogenannte frühe oder archaische anatomisch moderne Mensch und aus diesem der anatomisch moderne Mensch hervorging.
Die mitteleuropäischen Populationen von Homo erectus bzw. des Neandertalers und die in Afrika lebenden Vorfahren des anatomisch modernen Menschen lebten demzufolge bis zur Einwanderung des modernen Menschen vor rund 45.000 Jahren mehrere hunderttausend Jahre räumlich voneinander getrennt. Berührungen zwischen diesen Populationen fanden jedoch im Nahen Osten statt. Welchen Weg die jeweiligen Wanderungen nach dem Verlassen Afrikas einschlugen, ist noch weitgehend unklar, auch die des anatomisch modernen Menschen (Our Way to Europe). Es wurde vorgeschlagen, dass die Besiedlung vielleicht schon vor mehr als 60.000 Jahren stattfand, womöglich sogar schon vor mehr als 150.000 Jahren, zudem könnte es auch zu mehr als zwei Vorstößen gekommen sein, wohl auch zu Vermischungen mit Neandertalern, Denisova-Menschen und Homo erectus.
In der Fundstätte Aïn al Fil (‚Elefantenbrunnen‘) in der Syrischen Wüste fanden sich die ältesten Nachweise menschlicher Anwesenheit in der gesamten Levante, Artefakte, die auf 1,77 Millionen Jahre datiert wurden.3 Ähnliche, gleichfalls dem Oldowan nahestehende Funde wurden in Hummal gemacht, sie sind jedoch etwa eine halbe Million Jahre jünger. Da das Acheuléen als Epoche des Faustkeils gilt, diese Geräte jedoch in den älteren Fundschichten von Hummal ausgesprochen selten sind, spricht man vom Proto-Acheuléen. Zugleich erwies der ‚Elefantenbrunnen‘, dass sich die frühesten Bewohner auch durch extrem trockene Gebiete nicht abschrecken ließen. Dabei weisen die Steingeräte erhebliche Ähnlichkeit mit denen Ostafrikas auf.
Beim sogenannten Mittleren Acheuléen ändert sich die Situation insofern, als die besagten, eher seltenen Faustkeile nun vorherrschten. Etablieren könnte sich für die Levante der Ausdruck „Levantine Lower Acheulean“ für das Mittlere Acheuléen, also Leventinisches Alt- oder Frühacheuléen. Es umfasst sehr grob gesagt die Zeit vor einer Million bis vor 600.000 Jahren.4 Konsequenterweise wurde vorgeschlagen, die Bezeichnung „Klassisches Acheuléen“ oder „Acheuléen classique“ durch „Levantine Upper Acheulean“ zu ersetzen. Nadaouiyeh Aïn Askar bietet mit seinen ältesten Schichten einen zeitlichen Anhaltspunkt vor etwa 550.000 Jahren. Diese Schichten gehören bereits zum „Upper Acheulean“, dem Jungacheuléen.
Das Ende dieser Epoche wird mit dem Yabrudien gleichgesetzt, der Zeit vor 350.000 Jahren. Dabei ist der Übergang zum Yabrudien deutlich radikaler, als der innerhalb des Acheuléen.
Belegbar sind in Syrien nach traditioneller Terminologie sowohl das Früheste Paläolithikum – was terminologisch das dreiteilige Epochensystem schon um eine erweitert hat, also die vor 1,5 Millionen Jahren beginnende erste menschliche Besiedlungsphase –, als auch das Altpaläolithikum (800.000 bis 350.000 Jahre vor heute), sowie das Mittelpaläolithikum (350.000 bis 50.000 Jahre), also die Zeit der Besiedlung durch Neandertaler, und später durch den Homo sapiens, schließlich das Jungpaläolithikum.
Dem Acheuléen wurden in Syrien 238 Fundstätten (Stand: 2011) einschließlich einzelner Schichten in langlebigeren Fundstätten mit einer größeren Zahl von Schichten zugeordnet.5 Dies hängt ausschließlich damit zusammen, dass in den besagten Fundstätten mindestens ein Faustkeil nachgewiesen wurde. Allerdings barg mehr als die Hälfte von ihnen gerade einmal einen bis sechs Faustkeile und nur 34 Stätten bargen mehr als zwei Dutzend dieser Geräte. Von diesen sind wiederum 17 Stätten nur durch Lesefunde bekannt. Komplette Inventare lagen 2011 immerhin für 113 Fundstätten vor.6 Archaisch wirkende Faustkeile – die auch auf ungünstige Ausgangsmaterialien hinweisen können – fanden sich etwa in Cheikh Mohammed, Sitt Markho, Maharde 2, Fidio II oder Nahr El Kebir. Immerhin belegen die weit über 200 Fundstätten eine weiträumige Verbreitung der Homininen und eine hohe Anpassungsfähigkeit auch an schwierige Ökozonen.
Im Gegensatz zum israelischen Fundort Gesher Benot Ya’aqov im nördlichen Jordantal weisen die nordlevantinischen Fundstätten keinerlei afrikanischen Einfluss auf. Dort wurde vor allem auf Flintbasis gearbeitet, so dass die Herstellung großer Abschläge für Cleaver entfiel.7 Dabei sind sogenannte Tranchet blow cleavers nicht mit den afrikanischen Cleavern im engeren Sinne zu verwechseln. Sie entstanden nämlich durch eine weitere Modifikation aus echten Faustkeilen.8 Sicher können dem Lower Acheulean der Levante nur wenige Fundstätten in Syrien zugeordnet werden, nämlich Latamne, Meirah, Jabal Jibtaa, Berzine, Khellale 4 und Nad-X.
Im „Levantine Upper Acheulean“ verachtfacht sich die Zahl der Faustkeilstätten, wenn man mindestens ein Dutzend dieser „Leitfossile“ pro Fundstätte zugrundelegt. Eine Schlüsselstätte zum Verständnis der Regionaldifferenzierung, die sich nun fassen lässt, ist Nadaouiyeh. Die verschiedensten (scheinbaren) Entwicklungsgeschichten, wie die formale Standardisierung oder das Ignorieren derselben, Stil und Formenrepertoire, oder aber kleine, bifaziale Geräte, sie alle tauchen auf und verschwinden ohne jede erkennbare Systematik.9
Ausschließlich am Euphrat lässt sich das Früheste Paläolithikum in Syrien nachweisen, sieht man von Latamne am Orontes ab, das bis zu 1,2 Millionen Jahre alt ist. Bei den fünf entlang des Euphrats entdeckten Fundstätten, die zwischen Raqqa und Deir ez-Zor liegen, handelt es sich um Maadan 1 und 5, Aïn Abu Jemaa, Aïn Tabous und Hamadine.10 Das Frühe Acheuléen, wie die zugehörige archäologische Kultur bezeichnet wird, hat sich ausschließlich in steinernen Artefakten niedergeschlagen, deren Datierung seit etwa 2004 immer besser abgesichert werden konnte, als die Arbeiten am syrischen Euphrat zu denen am übrigen Flusslauf aufzuschließen begannen.
Am Orontes fanden sich – von Latamne abgesehen – ausschließlich Artefakte, die jünger als etwa 800.000 Jahre sind, wahrscheinlich sogar jünger als 700.000 Jahre. Sie stehen mit der Chattab-Formation in Verbindung, die üblicherweise MIS 18 bis MIS 16 zugeordnet wird.11 Nur die Funde von Rastan und Latamne gelten anerkanntermaßen als menschliche Werke, alle anderen als Geofakte oder Pseudoartefakte. Insgesamt sind aus der Epoche zwischen 800.000 und 350.000 vor heute über 50 Fundstellen bekannt, doch sind die meisten nicht ungestört und lassen dementsprechend kaum Aussagen über das menschliche Verhalten zu.12 Neben den beiden genannten Fundstellen am Orontes birgt auch die Fundstelle Halouanndji IV am Euphrat nahe der Grenze zur Türkei stratifiziertes Material. In Latamne ließ sich zeigen, dass Steppenmammut, -bison, und -nashorn, Pferd, Flusspferd und Riesenhirsch, aber auch Dromedar, Wolf und Tüpfelhyäne zum Jagdspektrum gehörten, ebenso wie eine Unterart des Damhirsches. Offenbar wurden die Kerne, aus denen Abschläge gewonnen werden sollten, bereits an der Herkunftsstelle oder an einer noch nicht ausgegrabenen Stelle partiell „geschält“, um dann im Lager endbearbeitet zu werden. Die Bearbeitungskette, die Chaîne opératoire, wurde also bei einigen ausgewählten Stücken unterbrochen, um die präparierten Kerne an einem anderen Ort weiterzubearbeiten. Das Ausgangsmaterial wurde von den Homininen aber auch aus dem Fluss gesammelt; es bestimmte über die Größe und Bearbeitung der Faustkeile, die in Latamne eher grob und wenig retuschiert waren. In Gharmachi 1 waren sie hingegen, bedingt durch die aus dem Fluss aufgelesenen kleineren Feuersteine, kleiner und vielfach mit einem weichen Hammer bearbeitet worden. Aus dieser Epoche existieren am Euphrat praktisch keine ungestörten Fundplätze, sieht man von Halouanndji IV am Sādschūr ab, einem Nebenfluss des Euphrats.
Auch in der Wüste im Osten des Landes entdeckte man an der Fundstätte Umm el Tlel Artefakte, die aus dem Altpaläolithikum stammen. Sie wurden vor etwa einer halben Million Jahren bearbeitet. Diese Fundstätte gehört zum Fundkomplex El Kowm, dessen Artefakte bis zu eine Million Jahre zurückreichen könnten. Über das Mittlere Acheuléen im Raum Syriens ist wenig bekannt. Eine der bedeutenderen Fundstätten ist im Küstenbereich Berzine im Westen des Landes, eine weitere ist das besagte Gharmachi 1 am Orontes.
Menschliche Überreste sind, im Gegensatz zu den zahlreichen Steingeräten, die weniger vergänglich sind, äußerst selten. Am 14. Oktober 1996 wurde im Rahmen einer Baseler Grabungskampagne ein auf 450.000 Jahre datiertes Schädelfragment von Homo erectus in Nadaouiyeh Aïn Askar entdeckt, einer Fundstätte, die gleichfalls zum Fundkomplex von El Kowm gehört.13
Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung des Yabrudien zum „Levantine Upper Acheulean“, doch ist der Bruch zur davorliegenden Epoche sehr deutlich. Dies mag seine Ursache in einer deutlichen Erwärmung an der Grenze zwischen MIS 10 und 9 haben, also vor etwa 340 bis 330.000 Jahren. Doch kann dies nicht die einzige Ursache gewesen sein, denn auch vorher kam es bereits häufiger zu drastischen Klimaveränderungen, die die Kultur nicht allzusehr verändert haben. Diskutiert werden innere Veränderungsprozesse, der Einfluss benachbarter oder die Zuwanderung anderer Gruppen. Das einzige, was das Yabrudien mit dem Acheuléen verbindet, ist der Faustkeil, der jedoch wesentlich seltener wurde. Deutlich markanter ist die Tatsache, dass die gewohnte Façonnage oder Reduktion zugunsten von Debitage und retuschierten Abschlägen aufgegeben wurde, eine völlig andere Bearbeitungsstrategie.
Ähnlich kompliziert ist die Lage beim Tayacien, eine Bezeichnung, die Dorothy Garrod in den 1930er Jahren bei ihrer Grabung in Tabun eingeführt hat. In Um Qatafa liegt das Tayacien zeitlich vor dem „Levantine Upper Acheulean“, auch fand man in Tabuns Schicht F Artefakte, die sich kaum von denen des Yabrudien unterscheiden. In der Bezez-Höhle liegt das Tayacien gleichfalls vor dem Yabrudien. Das Tayacien muss als Epochenbezeichnung wohl aufgegeben werden, zumal seine Leitfossilien in der Unklarheit verbleiben, und nur wenige Stätten dieser angeblichen Kultur zugeordnet wurden.14
Der Bruch scheint abrupt zu sein, die Unterschiede zwischen der Levante und Westeuropa wurden mit Blick auf das späte Acheuléen eingeebnet. Es gibt in jedem Falle kongruente Entwicklungen, die von einigen als Ausdruck beginnenden, weiträumigen kulturellen Austausches gedeutet werden (Yabrudien-Quina-Frage).
Der Übergang vom Alt- zum Mittelpaläolithikum ist durch eine Reihe von Verhaltensveränderungen der seinerzeitigen menschlichen Bewohner gekennzeichnet, die sich vor 350 bis 250.000 Jahren fassen lassen. Diese betreffen vor allem Jagdtechniken, den Gebrauch der Levalloistechnik – er beginnt schon früher, dominiert nun aber – und den Umgang mit der Landschaft (land use). Dabei mutmaßte man lange, diese Homininen hätten eher von Aas als von Jagdwild gelebt, sie seien weder zu längerfristiger Planung fähig gewesen, noch hätten sie technologische Innovationen ersonnen. Inzwischen ist klar, dass sie hervorragende Großwildjäger am Ende der Nahrungskette waren, die sich verschiedenster Techniken bedienten und im Raum äußerst flexibel waren.15
Für die frühe Phase des Mittelpaläolithikums bieten wiederum Orontes und Euphrat mehrere Freilandfundstätten, wie etwa Tahoun Semaan, etwa 2 km südlich des Dorfes Latamne, am Südufer des Orontes. 1977 wurden dort drei Fundstätten ausgemacht, die als Tahoun Semaan 1, 2 und 3 bezeichnet wurden. Dabei fand man in Tahoun Semaan 2 allein 395 Artefakte. Tahoun Semaan 3 lieferte erheblich weniger Artefakte, doch 5 m unterhalb der Fundstätte fand man eine weitere Flussterrasse mit Artefakten, wobei Tahoun Semaan 2 und 3 mit MIS 8 korreliert wurden. Damit liegt ihr Alter bei etwa 300.000 Jahren. Die Fundstätte ist zugleich die einzige, die abseits einer Rohstoffquelle lag, und von wo sich das Tal gut überblicken ließ. Als ähnlich bedeutend gilt die gleichfalls 1977 entdeckte Fundstätte Tulul Defaï mit ihren 766 Artefakten, etwa 8 km unterhalb von Hama. Eine genaue Datierung ist dort nicht möglich, doch gehört die dort aufscheinende Technologie dem frühen Mittelpaläolithikum an. Wie in Tahoun Semaan 2 und 3, so wurden auch hier die lokalen Ressourcen genutzt, aber auch Material von außerhalb eingetragen, insbesondere Levallois-Kerne und -Faustkeile. Die nicht dem Levallois angehörenden Geräte wurden jedoch von Anfang bis Ende aus der unmittelbaren Umgebung aufgelesen, bearbeitet und weggeworfen. Während die Handaxes am Ort angefertigt und bearbeitet wurden, dienten sie dem Gebrauch andernorts, während „verbrauchte“ Levallois-Stücke am Ort entsorgt wurden.16
Neben dem Orontes-Tal bietet auch wieder das Euphratgebiet Fundstätten, wie Chnine bei Raqqa, genauer gesagt am Westufer des Belich. Die beiden dortigen, seit 1969 bekannten Fundstätten wiesen 720 bzw. 392 Artefakte auf. Auch hier wurden lokale Ressourcen genutzt, doch wurde ein Teil des Rohmaterials oder von Geräten herbeigebracht. Vielfach wurden Bachkiesel genutzt, die nur eine kurzzeitige Nutzung und eine einmalige Bearbeitung gestatteten. Der Anteil des vor Ort gewonnenen Ausgangsmaterials war deutlich höher als am Orontes. Auch wurden im Westen die Kerne wohl häufiger mitgeführt. Hier erwies sich gleichfalls, dass man versuchte, aus dem Rohmaterial mögichst viel herauszuholen.17
Als bedeutendster Neandertalerfund gelten die menschlichen Überreste, die ab 1993 im Nordwesten Syriens, in der Höhle von Dederiyeh entdeckt wurden, wo sich zu dieser Zeit noch Wälder erstreckten. Bekannt wurde vor allem Dederiyeh 1, wie man das verhältnismäßig vollständige, 1993 entdeckte Skelett eines dort beigesetzten Kindes von etwa zwei Jahren bezeichnet, nach dessen Tod eine Art von Ritual abgehalten wurde, wie noch gut erkennbar ist. Einem zweiten, 1999 entdeckten Kind, Dederiyeh 2 genannt, wurde eine Reihe von Knochen beigegeben, dazu ein Schildpatt. Im Gegensatz zum sechs Jahre zuvor entdeckten Skelett war bei Dederiyeh 2 auch der Gesichtsbereich gut erhalten. Es gelang nicht nur, die Bewegungsabläufe der Kinder nachzuvollziehen, sondern auch nachzuweisen, dass bereits Neandertaler eine lange Kindheitsphase durchlebten, ähnlich wie heutige Menschen.
Die Anlage von Neandertalergräbern weist kaum Gemeinsamkeiten auf. Die Orientierung nach den Himmelsrichtungen wechselt ebenso, wie die Lage im Grab oder die Beigaben. Übereinstimmend wurden sie allerdings angehockt beigesetzt, jedoch mal in Rückenlage, mal in Seitenlage. Bevorzugt wurde eine grobe Ausrichtung auf der West-Ost-Linie, eine Ausrichtung auf der Nord-Süd-Linie ist bisher nicht dokumentiert. Beisetzungen fanden sich nur in Höhlen oder unter Abris, bisher nie in einer Freilandstation. Dabei ist der Anteil der Kinder mit 40 % deutlich höher als im Jungpaläolithikum, wo er etwa bei 27 % lag.18
Über 70 % der in der Höhle von Dederiyeh ausgegrabenen Tierknochen stammen von Ziegen und Schafen. Vertreten waren die Wildformen, also Wildziege und Argali, die in Schicht 11 sogar über 80 % der Knochen stellten. In Schicht 3 hingegen lag ihr Anteil etwa bei 50 %, während nun Rothirsch, Dama mesopotamica, Wildschwein und Auerochse stark vertreten waren. Diese Tierarten bevorzugten ein feuchteres und gemäßigtes Klima. Entsprechend diesem Klima standen in dem Tal Wälder, wozu der Nachweis von Zürgelbäumen und vielen Feuerstellen in Schicht 3 passt.19
Der Nachweis von Bitumen als Haft- oder Klebemittel gelang an der Fundstätte Umm el Tlel. Bitumen kommt etwa 40 km östlich von Umm el Tlel vor, nämlich im Bichri-Massiv. Dabei ließ sich für die Zeit vor 72 bis 71.000 Jahren nachweisen, dass dieses asphaltartige Material zur Herstellung von Kompositwerkzeugen benutzt wurde, um etwa Griffe und Halterungen zu befestigen. Am Fundort stellte sich heraus, dass etwa zwei Drittel der Levallois-Artefakte winzige, für das Auge nicht sichtbare Bitumenreste aufwiesen. Mit diesem Nachweis wurden zwar nicht die Belege für eine deutlich komplexere Technologie 30.000 Jahre vorverlegt, jedoch ihre durchgängige Verbreitung und ihr regelmäßiger Einsatz.20
Die europäischen Populationen von Homo erectus bzw. Neandertaler und die in Afrika lebenden Vorfahren des anatomisch modernen Menschen lebten bis zur Einwanderung des modernen Menschen nach Europa vor rund 45.000 Jahren mehrere hunderttausend Jahre räumlich voneinander getrennt. Berührungen zwischen diesen Populationen fanden jedoch im Nahen Osten statt. Es wurde vorgeschlagen, dass die Besiedlung vielleicht schon vor mehr als 60.000 Jahren stattfand.
Da es in Afrika keine Neandertaler gab, sehr wohl aber in Europa, West- und Zentralasien, stellte sich die Frage, woher diese Neandertalerpopulationen kamen. Nach Ofer Bar-Yosef und Bernard Vandermeersch müssen die Neandertaler aus Europa gekommen sein. Der Grund für die Wanderung könnte das glaziale Klima zwischen 115.000 und 65.000 v. Chr. gewesen sein, das europäische Neandertaler in den Nahen Osten vertrieb, wo sie auf den anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) stießen.
Unsere unmittelbaren Vorfahren müssen den Nahen Osten bei ihrer Wanderung nach Europa und Zentralasien durchquert haben.21 Da fast keine menschlichen Überreste des Homo sapiens auftauchten, diese aber von Afrika nach Europa gelangt sind, bleibt unklar, wann und auf welchen Wegen sie nach Syrien kamen, und wie dieser kulturelle Wechsel vonstatten ging. Genetisch war er jedenfalls lange nicht fassbar.22 Bedeutende Fundplätze sind Ksar Akil und die Jeita-Höhle, dann Yabrud, Umm el Tlel, schließlich die Üçağızlı-, wo neben zehn Zähnen des Homo sapiens Überreste von mindestens 40.000 Jahre altem Körperschmuck („Perlenketten“) entdeckt wurden,23 sowie die Kanal-Höhle, in der sich ein entsprechender Zahn fand. Mit dem Schädeldach aus der nordisraelischen Manot-Höhle, das etwa 55.000 Jahre alt ist, kann als nachgewiesen gelten, dass Neandertaler und Homo sapiens mehrere Jahrtausende nebeneinander gelebt haben, bevor ein Teil der letzteren nach Norden weiterzog.24
In der Übergangszeit fand ein deutlicher Wechsel zu sogenannten End-Scrapern statt, zu Sticheln und Klingenformen (einschließlich Projektilspitzen und „backed pieces“, also rückenmesserartige Stücke) und ein Ende der abschlagbasierten Spitzen und Seiten-Kratzer statt. Dorothy Garrod schlug 1955 vor, die erste Nach-Moustérien-Schicht der Emireh- und der el-Wad-Höhle (genauer deren Schicht E), als „Emiran“ zu bezeichnen. René Neuville hatte 1952 eher eine weniger radikale, sondern eine mehrstufige Übergangsphase postuliert. Für die früheste Phase schälten sich zwei Kulturprovinzen heraus. Dabei blieb das libanesische Ksar Akil (ein Abri) die wichtigste Fundstätte, mit 15 m dicken Schichten des späten Jung- und des Epi-Paläolithikums. Dort erkannte man eine Übergangsindustrie, denn die Geräte der Nach-Moustérien-Schicht wiesen Anzeichen der jungpaläolithischen Typologie in Verbindung mit solchen der mittelpaläolithischen auf. Eine solche Konstellation ergab sich auch für Boker Tachtit (Schicht 1-2) in der Negev. Diese Werkzeuge galten als Produkte des aus Nordafrika stammenden ‚Nubischen Konzepts‘ der Bearbeitung. Morphologisch dem Mittelpaläolithikum zuzuweisende Geräte, also solche des Levallois-Typs, wurden mit jungpaläolithischer, bi-direktionaler Klingentechnologie bearbeitet. Eine solche Kontinuität könnte auch eine biologische Kontinuität bedeuten.
In der nördlichen Levante, im libanesischen Ksar Akil (Schichten XXV–XXIV) und am Abri Antelias, ist diese Übergangsindustrie hingegen durch schräge Klingen und Abschläge auf Levalloiskernen gekennzeichnet, Geräte, die durch ein tranchenartiges Entfernen gekennzeichnet sind, das eine schräge Kante hervorbringt. Diese wiederum finden sich auch in Libyen (Haua Fteah) und im Niltal (Nag Hamadi).
Anzeichen einer Übergangsindustrie finden sich auch im syrischen Umm el Tlel (Schichten II Base und III 2A), doch liegen die Datierungen mit 36.000 und 34.000 vor heute vergleichsweise spät. Artefakte aus dem beginnenden Jungpaläolithikum fanden sich daneben in der bereits auf türkischem Gebiet liegenden Üçağızlı-Höhle (Schichten B, B1–B3, C),25 wo sich zehn Zähne fanden.26 Bemerkenswert sind die besagten Perlen aus Mollusken in der Üçağızlı-Höhle, die denen von Ksar Akil ähneln.27
Dort, in Ksar Akil, 10 km nordöstlich von Beirut, fand sich wiederum in Schicht XVII das älteste menschliche Begräbnis der Levante („Egbert“), das dem frühen Jungpaläolithikum zugeordnet wird. Dieses bereits 1938 geborgene, inzwischen verschollene Skelett eines sieben- bis neunjährigen Kindes wurde im Jahr 2013 auf 40.850 bis 39.200 Jahre vor heute (cal BP) bestimmt.28 Ein aus etwas tiefer liegenden Schichten geborgenes Oberkiefer-Fragment (Ksar Akil 2) wurde „Ethelruda“ genannt; gleichfalls zeitweilig verschollen, wurde es während einer Inventur im Depot des Nationalmuseums Beirut wiederentdeckt. Es wurde in die Zeit vor 42.400 bis 41.700 Jahren vor heute (cal BP) datiert.29
Das frühe Ahmarien (40.000 bis 23.000 v. Chr.) bestand bis zum Beginn des Levantinischen Aurignaciens um 35.000 bis 31.000 v. Chr. auch im mediterranen Bereich, während im wüstenhaften Hinterland an Fundstätten wie Boqer, Lagama, Qadesh Barnea, Ain Qadis, Abu Noshra, Wadi Hasa oder Nahal Nizzana eine weit längere Ahmarien-Phase bestand, die sich durch Herdstellen und größere Feuergruben auszeichnete.
Im mediterranen Bereich nahe der Küste entdeckte man früh-jungpaläolithische Artefakte unter dem Abris von Erq el-Ahmar, dann an den Fundstellen Kebara und Qafzeh, aber auch in Ksar Akil. Ocker war weit verbreitet, ebenso taucht in geringen Mengen Dentalium auf – eine etwa 300 Arten umfassende Gattung der Klasse der Kahnfüßer. Als besonders charakteristisch gelten die El-Wad-Spitzen (früher: Font-Yves points), die im sonstigen Aurignacien kaum bekannt sind, und die das frühere Ahmarien prägen. Möglicherweise adaptierten Vertreter des Aurignaciens diesen Werkzeugtyp. Dennoch beschloss man 1968 auf der Ksar-Akil-Konferenz, ein „Levantinisches Aurignacien“ zu postulieren. Dessen Existenz basiert auf wenigen Grabungsstätten im mediterranen Bereich, so dass man eine kurzzeitige Einwanderung von Homo sapiens aus dem anatolischen Bereich annahm, möglicherweise sogar aus Europa. Dabei wurden (wiederum womöglich) die Steinspitzen des Ahmarien durch solche aus Knochen und Geweih verdrängt. Auch fanden sich in Hayonim durchbohrte Anhänger aus Zähnen mittelgroßer Säugetiere. Im späteren Ahmarien ist die Quchtata-Spitze kennzeichnend, karinierte Stücke kommen hingegen nicht vor.30
Die urgeschichtliche Archäologie setzte zwar um 1900 mit gelegentlichen Oberflächenfunden ein, und auch schon in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten Reisende Faustkeile gefunden. Doch erst Anfang der 1930er Jahre setzten mit Alfred Rust systematische Grabungen ein, nämlich am Abris von Yabrud 80 km nordöstlich von Damaskus.31
Zwar zog das Forschungsfeld kontinuierlich Wissenschaftler an, doch ihre Zahl blieb gering. Zu nennen sind hier Willem J. Van Liere, Francis Hours, Lorraine Copeland, Jacques Besançon, Paul Sanlaville, Sultan Muhesen, Takeru Akazawa, Jean-Marie Le Tensorer und Eric Boëda. Nach dem Zweiten Weltkrieg intensivierte sich die Forschung, die sich vor allem um regionale typologische Sequenzen bemühte, weniger um fossiles directeurs. Doch führte dies nicht, im Gegensatz zu Europa und Afrika, zur Einführung von Klassifikationssystemen auf der Basis lokaler Funde, sondern zur Übertragung der dortigen Systeme. Demzufolge wurden in Afrika anerkannte Systematiken auf das syrische Altpaläolithikum übertragen, während für das Mittelpaläolithikum solche aus dem Südwesten Frankreichs zur Anwendung kamen. Während für die frühere Phase dementsprechend Fragen der Ökologie und Subsistenz dominierten, herrschten für das Mittelpaläolithikum solche der Typo-Technologie vor. Doch stand dabei die inzwischen längst anerkannte Migration aus Afrika (Out-of-Africa-Theorie) im Mittelpunkt der Forschung, sodass Syrien zur Etappe zwischen Afrika und Eurasien wurde. Dadurch bedingt wurde die lokale Ausprägung der Kulturen vernachlässigt – zugunsten eines globalen Ansatzes.
In einer vierten Phase standen ab den 1980er Jahren Fragen im Mittelpunkt, die sich um die Technologie drehten, die hinter den Artefakten zu entdecken war. Dies erwies sich insofern als fruchtbar, als hinter ein und derselben Ausprägung in den Artefakten eine gänzlich verschiedene technologische Entwicklung und entsprechend variable Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Subsistenz gesteckt haben können. Das technologische Handeln rückte in den Fokus, wobei nunmehr die Chaîne opératoire im Mittelpunkt stand. Im Gegensatz zu früheren Annahmen war die Werkzeugherstellung also keineswegs bloß opportunistisch, sondern entsprach erkennbaren Abläufen und daraus abzuleitenden Vorstellungen von Handlungsketten und -zielen. Hinzu kamen Verbesserungen in der Chronostratigraphie und in der Datierung, die erwiesen, dass Homininen bereits vor weit mehr als einer Million Jahren im heutigen Syrien lebten. Andererseits erwies sich, dass die Levallois-Technik, Indikator für die Neandertaler des Mittelpaläolithikums, keineswegs nur 100.000 Jahre zurückreicht, sondern wohl eher 200.000. Damit ergeben sich Überschneidungen mit der davor liegenden Epoche, die von Faustkeilen geprägt war. Dies wiederum löste grundsätzliche Überlegungen aus, ob die bisherigen Annahmen über die technologische Variabilität angemessen seien. Auch gewann die Frage nach dem Umgang mit den lokalen Ressourcen (‚landscape use‘) an Bedeutung.
Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges im Jahr 2011 sind die Forschungsbedingungen allerdings ungemein schwierig geworden. Eine weitere Folge der dünnen Personal- und Projektdecke ist die Tatsache, dass nur an vergleichsweise wenigen Stellen gegraben wurde, nämich in den Tälern von Orontes und Euphrat, dann des Nahr el-Kebir, des „großen Flusses“ an der libanesischen Grenze, sowie im Becken des El Kowm in Zentralsyrien und schließlich in der Yabrud-Nebek-Region nördlich von Damaskus. Andererseits sammelten sich zahlreiche Artefakte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den großen Museen der Region, allen voran in Damaskus, Beirut und Jerusalem, die näherer Analysen harrten, und der Anwendung ständig weiterentwickelter technischer Möglichkeiten. Dabei ist von größter Bedeutung, dass sich menschliches Verhalten an die kleinräumige Umgebung anpasst, und dass das Verhältnis zu dieser Umgebung zentral für die regionalen Entwicklungen ist.
Obwohl die Forschungsgeschichte des Paläolithikums in Syrien erheblich weiter zurückreicht, setzt dort erst um 1900 die Arbeit am Altpaläolithikum ein. Zudem wurde sie erst in den 1930er Jahren wiederaufgenommen. Ein erneuter Durchbruch – nach den Grabungen von Alfred Rust in Yabrud – gelang van Liere 1960, als er die Latamne-Stätten entdeckte, dann abermals mit den Grabungen des Centre national de la recherche scientifique, dem es gelang unter Leitung von Francis Hours, Sultan Muhesen, Lorraine Copeland, Paul Sanlaville oder Jacques Besançon die noch heute gültigen Fundamente zu legen. Dabei wurden die Fundstätten Nahr el-Kebir, das mittlere Orontestal, das Gebiet um Raqqa und um Menbij am Euphrat, aber auch das Wüstengebiet um El Kowm von zentraler Bedeutung; schließlich kam das Gebiet um Tartus und an der Mittelmeerküste hinzu. Stätten des Acheuléen wurden unter den Namen Gharmachi Ib, Nadaouiyeh Aïn Askar, El Meirah, Juwal Aïn Zarqa oder Qdeïr Aïn Ojbeh fachintern bekannt. Einen Rückschlag erlitt die Forschung mit dem Tod von Francis Hours 1987, der eine der treibenden Kräfte hinter den Forschungsgruppen war.32
Während die Forscher der 1970er und 80er Jahre weitgehend der „kurzen Chronologie“ anhingen, die das Ende des Acheuléen gegen Ende der Riß-Kaltzeit sahen (MIS 6), also vor etwa 150.000 Jahren, sehen die derzeitigen Annahmen diesen Übergang bereits vor 350.000 Jahren. Auch musste die Vorstellung, man könne vom Primitiven zum Fortgeschrittenen eine chronologische Ordnung gewinnen, partiell aufgegeben werden.33 Mit den Grabungen in Nadaouiyeh Aïn Askar wurden diese Grundsätze in Frage gestellt. Es erwiesen sich sieben Acheuléen-Fazies in festgelegter Abfolge, wobei sich die elaboriertesten Faustkeile ausgerechnet in der ältesten Schicht fanden. Zudem blieben die Faustkeile als Kennzeichen des Acheuléen seit mindestens 1,6 Millionen Jahren relativ selten, so dass dieses Konzept wohl verschiedene Entstehungsorte und -anlässe hatte, und nicht einfach evolutionären „Verbesserungsbedürfnissen“ folgte.
Auch das Konzept eines Altpaläolithikums speist sich aus europäischen Wurzeln. Oftmals werden dabei biologische und kulturelle Entwicklung gleichgesetzt, wie etwa beim Konzept von Mode 1 und Mode 2, Werkzeugtypen, die eine Art Fortschrittsgeschichte über extrem lange Zeiten und in einem überaus weiten Raum zu vereinheitlichen suchen, wo es nach aller Erfahrung mit anderen Epochen und Räumen eher kleinräumige, von lokalen Bedingungen abhängige, und auch technologisch nicht vom Fortschrittsgedanken getriebene Entwicklungen gab.
Während der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Lebensweise in weiten Teilen Europas als kultureller Bruch konstatiert wurde, ist der Übergang zwischen diesen beiden Lebens- und Wirtschaftsweisen in der Levante, und insbesondere auf dem Gebiet Syriens und der angrenzenden Gebiete, ein überaus langgestreckter, enorm komplexer Prozess, der zudem deutlich früher einsetzte. Eine derartige Langzeitentwicklung ohne eigentliche Brüche galt schon für den Übergang zwischen dem Mittel- und dem Jungpaläolithikum der Levante, aber auch Nordafrikas, während in Europa der Neandertaler mitsamt seinen Kulturen verschwand und Zuwanderer, unsere unmittelbaren Vorfahren, als einzige Menschen mit einer erheblich veränderten Kultur dort fortbestanden. In Europa war der Überlebensstress mit dem Verschwinden der großen Herden am Ende der Kaltzeit enorm, die Kleintiere, die nunmehr bevorzugt wurden, mussten in ihren Habitaten aufgesucht werden, während man zuvor nur den Herden auflauern musste. So entstanden neue, jahreszeitliche Wanderzyklen zwischen Fisch- und Jagdgebieten, wohl auch rituell bedeutenden Orten. Ähnliches galt für die nördliche Levante, wo gleichfalls eine zunehmende Jagd auf territorial gebundene Tiere festzustellen ist, jedoch in einer ökologisch vollkommen anderen Situation. Die Landschaftsnutzung änderte sich drastisch, die neuen Pflanzenarten, oder das größere Angebot an neuen Arten, bot gänzlich neue Möglichkeiten, so dass auf diesen Grundlagen die Neolithisierung in der Levante keineswegs als Ausweichen vor einer Notsituation zu deuten ist.
Die Aneignung dieser neuen Möglichkeiten erstreckte sich über einen langen Zeitraum, die Veränderung ist archäologisch als veränderte Kultur erkennbar. Das Kebarien, eine nach der Kebara-Höhle südlich von Haifa benannte archäologische Kultur, benennt in ihrem materiellen Erscheinungsbild ähnliche Gruppen von hochgradig mobilen Jägern und Sammlern. Diese stellten über lange Zeit nicht-geometrische, in der Endphase jedoch geometrische mikrolithische Werkzeuge her. Sie sammelten wildes Getreide und entwickelten Mahlwerkzeuge, mit denen sie die Körner für den Verzehr auch in größeren Mengen verarbeiten konnten. Wahrscheinlich zogen die Gruppen im Sommer in höher gelegene Gebiete und verbrachten den regenreicheren Winter in Höhlen und unter Felsüberhängen. Das Sammeln von Wildgetreide kann als Vorstufe zur Domestikation angesehen werden und leitet zum Anbau von Getreide über.34
Das Kebarien wird daher nicht mehr als letzte jungpaläolithische Kultur der Levante betrachtet, sondern als unmittelbare Vorgängerkultur des epipaläolithischen Natufien. Somit wird es bereits zu den epipaläolithischen Kulturen gerechnet und zwischen 18.000 und 12.000 v. Chr. datiert, gelegentlich auch früher.
Funde von Siedlungsstellen sind selten und eher klein. Sie umfassen meist Flächen von 100 bis 150 m²; zugleich ließen sich flüchtige Schutzstrukturen belegen. Immerhin fanden sich an der ostjordanischen Fundstelle Kharaneh IV 20.000 Jahre alte Siedlungsreste, die denen des Natufiens kaum nachstehen. Es handelte sich um zumindest zeitweise dauerhaft genutzte Lager mit festen Hütten.35
Dabei lässt sich anhand der Werkzeuge eine starke Regionalisierung feststellen,36 zugleich finden sich bis etwa 13.000 v. Chr. nicht-geometrische, ab diesem Einschnitt geometrische Mikrolithen, also trapezförmige und dreieckige Werkzeugteile. Besonders hoch entwickelt waren neben den Kompositwerkzeugen mit Mikrolithen, die Sicheln als Schneiden dienten, auch Knochenwerkzeuge, wie sie in der Kebaran-Höhle gefunden wurden.37
Trotz geringer paläobotanischer Spuren scheint der Anteil pflanzlicher Nahrung zugenommen zu haben. An der Fundstätte Ohalo nahe dem See Genezareth fand man Überreste von 40 Pflanzenarten, vor allem von Getreide und essbaren Früchten. Wilde Gerste wurde gemahlen und gebacken, vielleicht auch wilder Weizen. Zur Tiernahrung gehörte Damwild in der nördlichen Levante, in der südlichen eher Gazellen. Die Dorkasgazelle und der Steinbock wurden in den trockeneren Gebieten gejagt, Kropfgazelle und Asiatischer Esel, eine Pferdeart, in den östlichen Steppen. Weniger häufig waren Auerochse, Wildschwein und Kuhantilope. Hinzu kamen Schildkröten, Vögel, Reptilien, Feldhasen und Füchse. In günstigeren Gebieten mit einem reichen Nahrungsangebot scheint die Mobilität geringer, die Wege zu den Ressourcen kürzer, die Bevölkerungsdichte größer gewesen zu sein. Die epipaläolithischen Kulturtechniken gestatteten es, im Gegensatz zum Paläolithikum, zunehmend auch trockenere Gebiete zu bewohnen.38
Die Versorgung mit tierischer Nahrung basierte zu etwa 90 % auf besagter Pferdeart, Gazellen, Ziegenartigen bei den größeren Tieren, und auf Hasen und Schildkröten bei den kleineren.39 Insgesamt erwies sich eine mehrere Jahrzehntausende umfassende Kontinuität in der Zusammensetzung der tierischen Ernährung, was für ein hohes Maß an opportunistischer Nutzung der kleinräumigen Landschaften spricht. Nur Baaz zeigt einen starken Anstieg der Kleintierüberreste vor dem Natufien, insbesondere bei Hasen. Dies korrespondiert mit ähnlichen Beobachtungen in Europa und in der südlichen Levante („broad spectrum revolution“), doch sind diese sehr viel weniger stark. Neue Jagdwaffen, wie Pfeil und Bogen, bieten hier keine hinreichende Erklärung, denn diese Entwicklung wird im Präkeramischen Neolithikum B wieder umgekehrt. Möglicherweise entstanden jedoch durch die starke Wiederausbreitung von Wildgräsern, die so in Europa nicht stattfand, günstige Voraussetzungen für ein Ansteigen der Populationen von Lepus europaeus.
Die 1999 begonnenen Ausgrabungen legten im Ergebnis nahe, dass nicht nur Ressourenverknappung als Erklärungsmöglichkeit für die radikale Veränderung des Wirtschaftens, sondern dass auch die voranschreitende Landschaftsentwicklung für die zu beobachtenden, veränderten Subsistenzmuster verantwortlich gewesen sein kann.40
Anhand von Muschelperlen von den Fundstätten Baaz-Abri41 und der Höhlen von Kaus Kozah42 und Ain Dabbour43 sowie Wadi Mushkuna44 bei Damaskus ließ sich belegen, dass bestimmte Arten der sozialen Differenzierung dienten, möglicherweise den Status der Träger anzeigten. Bei diesen Muschelarten handelte es sich vor allem um Columbella rustica, Theodoxus cf. jordani und um Tritia gibbosula.45 Die Nutzung von Muscheln zu symbolischen Zwecken reicht dabei weit zurück, wie etwa im israelischen Skhul oder im algerischen Oued Djebbana, wo ein Alter von 100 bis 135.000 Jahren angenommen wird.46
Die frühestbäuerlichen Bevölkerungen des Natufien gingen genetisch – zumindest ließ sich dies für die südliche Levante und das iranische Zagrosgebirge nachweisen47 – aus lokalen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften hervor. Dies steht in völligem Gegensatz zur Entwicklung in Europa, insbesondere in Mitteleuropa, wo zuwandernde Gruppen die dortigen Jäger, Fischer und Sammler genetisch fast vollständig verdrängten. Zugleich unterschieden sich die westiranischen und die südlevantinischen Gruppen genetisch sehr stark voneinander.48
Im Vorfeld des Neolithikums, während des Übergangs zur produzierenden Lebensweise also, kam es zu einer Konzentration der Siedlungen am mittleren Euphrat, aber auch in der Jordansenke und auf den Höhen des damals noch bewaldeten Negev.49 Ofer Bar-Yosef postulierte 1970 eine Aufteilung der Siedlungen in Basislager, wie Aïn Mallaha im Norden Israels, und periphere, kurzfristiger genutzte Siedlungsplätze. Andererseits könnten die Basislager auch ausschließlich im Winter genutzt worden sein, und es fanden im Sommer mehr oder minder ausgedehnte Jagdausflüge statt.50
Die Häuser bestanden aus halbrunden Steinsetzungen mit Aufbauten aus Stampflehm. In Aïn Mallaha fanden sich in der ältesten Siedlungsphase eingetiefte, halbkreisförmige Häuser aus Kalkstein-Trockenmauern, selten Mauern, die mit Hilfe eines rötlichen Kalksteinmörtels aufgeführt waren. Die Fußböden sind flach oder leicht konkav (Haus 131) und bestehen aus verdichtetem Erdreich. Die Häuser besitzen zentrale Herdstellen, die Dächer wurden durch Pfosten abgestützt.
Unter Leitung des Biologen Gordon Hillman wurden 27 Jahre lang Nahrungsreste aus Abu Hureyra untersucht, eines Siedlungshügels am rechten Ufer des Euphrats. Dabei handelte es sich mit einer Fläche von 11,5 ha um die größte Siedlung dieser Epoche in Syrien. Er stellte 2001 fest, dass dort bereits um 11.000 v. Chr. Wildgerste angepflanzt und mit Silex-Sicheln geerntet, aber noch nicht domestiziert wurde. Zu den ersten systematisch kultivierten Getreidearten zählte dort Roggen.51
Ein anderes Forscherteam konnte 2018 am Fundplatz Shubayqa 1 im Nordosten Jordaniens nachweisen, dass die dortigen Jäger und Sammler bereits um 12.400 v. Chr. brotähnliche Nahrungsmittel aus Wild-Einkorn und Triticum boeoticum (wilder Weizen) sowie Bolboschoenus glaucus, zu deutsch Blaugraue Strandsimse, hergestellt hatten. Bekannt war bis dahin, dass schon vor 23.000 Jahren Jäger und Sammler Getreide gemahlen haben. Allerdings war der Anteil des Getreides an der Ernährung äußerst gering, so dass es nur unter besonderen Umständen, vielleicht einer Fastenzeit, oder aus Prestigegründen, zur Aufwertung des Gastgebers, verkonsumiert wurde.51s
Im nordwestsyrischen Tell Qaramel entdeckten polnische Archäologen ab 1999 bauliche Strukturen, die sich als Türme erwiesen. Dabei waren derartige, 5 m Durchmesser aufweisende Türme nacheinander errichtet worden. Der unterste Turm wurde auf 10.650 v. Chr. datiert, andere Untersuchungen kamen auf ein etwas geringeres Alter. Auch mit dieser jüngeren Datierung bleibt er weit älter, als der Turm von Jericho, der zwischen 8300 und 7800 v. Chr. entstand, und der bis dahin als ältester Überrest einer solchen Verteidigungsanlage galt. Die Mauern waren in Qaramel einen Meter, beim älteren Turm einen halben Meter dick. In der Südostecke des Turms befand sich eine halbmondförmige Bank, davor eine feste Feuerstelle. Eine zwei bis drei Zentimeter dicke Aschenschicht belegt, dass der Turm niedergebrannt wurde. Neben Verteidigungszwecken scheint das Bauwerk rituellen Zwecken gedient zu haben.52
Als weiterer bedeutender Platz des Natufiens und damit des frühesten Getreidebaus erwies sich Jerf el Ahmar, gleichfalls am Euphrat, etwa 2 km von der Tischrin-Talsperre entfernt gelegen.53 Dort wurden Gerste und Linsen angebaut. Auch konnte der Übergang von runden zu rechteckigen Häusern en détail anhand von elf aufeinanderfolgenden Dörfern und 65 Häusern nachverfolgt werden, die zwischen 9200 und 8500 v. Chr. bestanden. Während die ersten Dörfer noch familienweise ihre kleinen Äcker bearbeiteten, ging die Organisation am Ende der Epoche von größeren Gemeinschaftsbauwerken aus, um die das Gemeindeleben nunmehr organisiert war. In einem Falle bestand diese Kernorganisation aus elf Gebäuden. Diese späteren Gemeinschaftsbauwerke, tief in den Boden eingegraben und selbst wiederum in Kompartimente unterteilt, dienten sowohl Versammlungen und Ritualen, als auch der Bevorratung, und sie waren von den Wohngebäuden des Dorfes unmittelbar umstanden. Die frühesten Gemeinschaftsbauten wiesen hingegen keine Binnenaufteilung auf, und sie waren zudem rund. Im rituellen Leben spielte der Auerochse eine erhebliche Rolle. Auch tauchten um 9000 v. Chr. erstmals bemalte Wände auf, wie sich im Tell Dschaʿdat al-Mughara am Euphrat, in Nordsyrien nachweisen ließ.54
Als Nahrungsquellen dienten den Bewohnern von Jerf el Ahmar neben Gerste und Linsen auch Skorpione, Schlangen, Wildkatzen und Greifvögel. Im Vergleich zu der vorhergehenden Epoche nahm der Anteil von Kleintieren im Natufien, wie etwa von Schildkröten, Hasen und verschiedene Vogelarten, vor allem von Rebhühnern, deutlich zu. Ihr Anteil betrug an manchen Fundstellen über 50 %. Falken wurden hauptsächlich ihrer Federn wegen erbeutet.
Unweit des Tell Abu Hureyra befand sich eine Fundstätte aus derselben Epoche am rechten, gegenüberliegenden Ufer des Euphrats. Mureybet, ein 8,5 ha umfassender Hügel, zwischen 1964 und 1974 im Rahmen mehrerer Notgrabungen untersucht, wurde für die archäologische Kultur des Präkeramischen Neolithikums A namensgebend, das Mureybetien. Die Fundstätte ist jedoch seit 1976 vom Euphrat-Stausee überflutet. Die Siedlung war zwischen etwa 10.200 und 8000 v. Chr. bewohnt, was Phase Ia (bis 9700 v. Chr.), dann Phasen Ib - IIb (bis 9300) und Phase III (bis 8600) entspricht. Die Phase IV gehört bereits dem Präkeramischen Neolithikum A an und reicht bis etwa 8000 v. Chr. In Phase III fanden sich in zwei Häusern Überreste von Wandbemalungen, die als die ältesten im Nahen Osten galten.55 Auch fanden sich in Mureybet feine, geometrisch gearbeitete Mikrolithen, die mit Knochen und Holz verbunden waren. Auch verweist ein dort entdeckter, sehr früher Stierschädel auf die zwischen Anatolien und der Levante verbreiteten religiösen Praktiken, die sich in zahlreichen, jedoch jüngeren Funden dieser Art niederschlagen.
Das Neolithikum konnte ausgerechnet in einer der fruchtbarsten Regionen Syriens, dem Orontestal, kaum nachgewiesen werden. Dies änderte sich mit den Surveys, die das Deutsche Archäologische Institut und die syrische Antikenverwaltung ab 2003 gemeinsam durchführten. Bis 2011 wurden so 175 Fundstätten kartiert, von denen ein erheblicher Teil dem Neolithikum angehört. Die Surveys konzentrierten sich auf ein 600 km² großes Gebiet zwischen der Kleinstadt ar-Rastan und der Burg Schaizar.56
Das Ende der Natufien-Ökonomie wird meist auf einen drastischen Klimawandel zurückgeführt, nämlich die Kälte- und vor allem Trockenphase des Jüngeren Dryas. Dabei wird angenommen, dass die jährliche Regenmenge zwischen 10.000 und 8.000 v. Chr. etwa 200 mm höher lag als heute. Das nachfolgende Absinken der Regenmengen geschah aber in deutlich geringerem Ausmaß, als in anderen Gebieten, so dass die ökologischen Auswirkungen nicht überschätzt werden sollten. Doch dürfte die bis dahin vorherrschende Gräserlandschaft tatsächlich durch die vordringende Verbuschung und schließlich Wälder erheblich reduziert worden sein – insbesondere in den günstigen Siedlungskammern dieser Epoche. Die Zahl der Feldhasen ging dabei mit dem besagten Rückgang der Wildgräser drastisch zurück, ein Rückgang, der den großen Siedlungen die Existenzgrundlage entzog. Ein Teil der „Natufier“ dürfte den Habitaten der Wildgräser hinterhergewandert sein, und nur in denjenigen Regionen, in denen die ökologischen Bedingungen lange genug stabil blieben, gelang die Domestizierung der Wildgräser durch mehr oder weniger unbewusste Zuchtwahl, also im nördlichen Fruchtbaren Halbmond. Von dort kehrte die produzierende Lebensweise erst deutlich später wieder in die Levante zurück. Und im nördlichen Fruchtbaren Halbmond wurden auch die ersten domestizierten Tiere gehalten, nämlich Schafe; dazu kamen im Zagros Ziegen. Beide Arten wichen in ihrem Körperbau (und wohl auch in ihrem Verhalten) in zunehmendem Maße von den Wildformen ab.
Mureybet (9700–9300 v. Chr.), am rechten Euphratufer gelegen, wurde zur Typusstätte des Khiamien (Phase Ib)57, einer Kultur, die als zentral für die Entwicklung der produzierenden Lebensweise gilt. Damit liegt sie im zeitlichen Vorfeld des Neolithikums. Dem Khiamien folgten das Sultanien in der südlichen und das Mureybetien in der nördlichen Levante sowie das Aswadien um Damaskus, dessen Name vom Tell Aswad abgeleitet wurde. Seine Überreste reichen nicht, wie zunächst angenommen, ins Präkeramische Neolithikum A zurück, sondern nur bis ins frühe Präkeramische Neolithikum B. Die von Danielle Stordeur und George Willcox ausgegrabene Siedlung bestand also gleichzeitig mit Mureybet IV und stellt im Damaszenischen die älteste neolithische Siedlung dar.58
Die Chronologie des französischen Maison de l’Orient ordnet die Fundgruppe des Khiamien einem Zeitraum von 10.000–9.500 v. Chr. (kalibriert) zu.59 Andere Angaben engen das eigentliche Khiamien auf einen Horizont von ca. 12.200–11.800 kalibriert BP60 ein. Dies entspricht damit dem ersten Kulturraum nach dem Ende der Jüngeren Dryaszeit, die ab 10.730 v. Chr. in der Levante ein kühles und trockenes Klima hervorbrachte. Als Folge verschoben sich die Waldgrenzen und über weite Teile des Fruchtbaren Halbmonds breitete sich Dürre aus. Die damit einhergehenden Veränderungen innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt zwangen die Bewohner der Gebiete zur Anpassung, was einige Forscher als Auslöser der Neolithischen Revolution betrachten. Zur Zeit des Khiamien eröffnete sich in der Levante wieder ein feucht-warmes Klima mit reicheren Waldbeständen.
Während Khiamien-Stätten in der südlichen Levante relativ häufig sind, repräsentieren in der nördlichen Levante nur die Grabungsstätten Nachcharini-Höhle im Antilibanon in mehr als 2000 m Höhe (Schicht 4d),61 Wadi Tumbaq 1 in den Bal'as-Bergen Zentralsyriens, 100 km nordwestlich von Palmyra,62 Mureybet63 und Tell Qaramel64 sowie Wadi al-Hajana 165 diese Periode.
Die runden, zum Teil eingetieften Wohnhäuser weisen einen Durchmesser von weniger als 6 Metern auf. Zur materiellen Kultur gehörten Knochennadeln, Hülsen, gezähnte Knochen, Kalksteinbehälter, die zum Teil dekoriert sind, sowie Figurinen. Bei der Steintechnologie zeigt sich die langsame Ersetzung von Mikrolithen durch Projektilspitzen, die als El-Khiam-Spitzen bezeichnet werden. Bohrer und Mikrobohrer sind überaus häufig. Sie erreichen regelmäßig einen Anteil von 20 % der retuschierten Geräte, gelegentlich sogar 40 %. Einige Endschaber, Stichel, Querbeile tauchen vor allem im Norden auf. Dabei ist die Funktion vieler Geräte noch unklar.
Die Gazellenjagd war verbreitet, ebenso die Jagd auf Entenvögel sowie Fischfang. Wildpflanzen wurden in großem Umfang gesammelt, zum Teil wohl auch angepflanzt, insbesondere Roggen, Gerste, Hülsenfrüchte und Pistazien.
Die Khiamien-Schicht von Mureybet am Euphrat (IB–II) wurde auf etwa 9600 v. Chr. datiert. Haus 37 zählt dort zu den ältesten Bauwerken, wobei in Mureybet die Abfolge von Natufien, Khiamien und Präkeramischem Neolithikum A als gesichert gilt. Am Ende des Khiamien wurden dort die El-Khiam-Spitzen nach und nach durch Helwan-Spitzen ersetzt. Auch hier ist der Anteil der Bohrer und Mikrobohrer sehr hoch (36 und 26 %). Hinzu kamen 230 Perlen, die mittels dieser Bohrer hergestellt wurden, indem man Steine, Knochen oder Muscheln durchbohrte und polierte.
Wadi Tumbaq 1 barg mehrere Rundhäuser mit steinernen Wänden, die sich auf vier Khiamien-Schichten verteilen. Kennzeichnend ist die dortige Flintbearbeitung. Lunaten, halbmondförmige Artefakte also, und andere Mikrolithen sind sehr zahlreich, Mikrobohrer machen hier etwa 29 % der Assemblage aus, Bohrer insgesamt 32 %.
Jerf el Ahmar zeigt typische Merkmale der Mureybet-Kultur, die dem Präkeramischen Neolithikum A angehört, häufig PPNA abgekürzt, was für Pre-Pottery Neolithic A steht. Das ältere PPNA umfasste etwa die Zeit von 9500 bis 8600 v. Chr. Es war vor allem an der Levanteküste und ihrem Hinterland verbreitet, lässt sich aber auch in Südostanatolien und in Obermesopotamien an den Oberläufen von Euphrat und Tigris fassen. Regionale Varianten sind das Sultanien in der südlichen und das Mureybetien in der nördlichen Levante sowie das Aswadien im Raum Damaskus, schließlich die obermesopotamischen Fundplätze, allen voran Göbekli Tepe. Die Siedlungen des PPNA waren deutlich größer als die des vorangehenden Natufiens. Sie bestanden überwiegend aus vergleichsweise kleinen Rundhäusern aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Sie besaßen ein Steinfundament, zum ersten Mal regelrechte Fußböden – in Einzelfällen Terrazzo – und gelegentlich waren sie in den Untergrund eingetieft. Die Häuser besaßen Vorratsbehälter, die aus Steinplatten oder Lehmziegeln bestanden. Um 9500 v. Chr. wurden freistehende Vorratsgebäude errichtet, nunmehr mit hängenden Böden ausgestattet, was für eine bessere Durchlüftung der pflanzlichen Vorräte sorgte, sie aber auch vor Schädlingsbefall schützte. Die Speicher wurden noch nicht in die Häuser verlagert. Man nimmt daher an, dass die Vorräte gemeinsames Eigentum des Dorfes waren, noch nicht Familieneigentum.
Die Wirtschaftsweise war noch gemischt, d.h. Jäger, Sammler und Fischer trugen ebenso zum Überleben bei, wie die Domestizierung von Wildgetreide in Form von Einkorn, Gerste und Emmer. Haustiere gab es, sieht man von Hunden ab, noch nicht, so dass der überwiegende Teil des Eiweißes weiterhin durch Jagd und Fischfang geliefert wurde.
Das Neolithikum, die Epoche der Entstehung frühbäuerlicher und viehhaltender Kulturen, entstand in Syrien nicht durch Zuwanderung, sondern es scheint sich um eine lang andauernde autochthone Entwicklung zu handeln, die im Raum Syrien, Israel und Jordanien ihre Verbreitung fand. Während das Natufien auch als Protoneolithikum bezeichnet wird, gilt das Khiamien bereits als frühestes präkeramisches Neolithikum.
Dabei werden früheren Kulturen unterschieden, die zwar bereits als neolithisch gelten, die jedoch noch keine Keramikgefäße herstellten. Diese werden einem Vorkeramischen Neolithikum zugewiesen, in der Forschung als PPN abgekürzt, was für Pre-Pottery Neolithic steht. Dies bedeutet, dass zwar Ton verarbeitet wurde, etwa in Form von Figurinen oder Ziegeln, jedoch nicht für Gefäße. Stattdessen wurden Gefäße aus Stein, Holz, Tierhaut, Gips (white ware), Straußeneiern oder als Körbe hergestellt. Regelmäßig hergestellt wurde Keramik wohl erst ab etwa 7000 v. Chr. Dennoch fanden sich auch an PPN-Fundstätten kleine Tongefäße, wie etwa in Mureybet IIIA, doch hatten sie wohl eher rituelle Funktionen. Auch bestanden mitunter große, wannenartige Vertiefungen in den Böden der Häuser, häufig bins genannt.66 Eine Reihe der frühesten Keramikscherben fand sich allerdings in Schichten, die dem PPNB zugeordnet werden, das heißt, der auf PPNA folgenden, späteren Phase des Vorkeramischen Neolithikums.
Die genannten wannenartigen Vertiefungen, die offenbar der Vorratshaltung dienten, weisen darauf hin, dass die ersten Keramikgefäße vermutlich nicht die gleiche Funktion hatten. Daher ist die Annahme verbreitet, die neue Technologie habe eher Gefäße bereitgestellt, die der Verarbeitung von Nahrungsmitteln dienten, also dem Kochen oder dem Fermentieren von Wein oder Bier, aber auch der Weiterverarbeitung von Milch oder dem Auskochen von Knochenmark. Aber auch die Funktion als rituelle Gefäße wurde diskutiert. Einige der ältesten Keramikscherben fanden sich im syrischen Tell el-Kerkh (Kerkh-Ware genannt), ebenso wie an Fundstätten am oberen Euphrat und Tigris, sowie im iranischen Zagros, aber auch in Çatalhöyük.
Bereits zwischen 15.000 und 13.000 v. Chr. setzte in Ostasien die Herstellung von Keramik ein, in Afrika um 9000 v. Chr., in Westasien hingegen erst um 7000 v. Chr.67 Während also in einigen Regionen der Welt Keramik durch Jäger und Sammler entwickelt wurde, fand dies in Westasien weder zu dieser Zeit oder im Zusammehang mit der Neolithisierung statt, sondern erst, als die bäuerlichen Kulturen schon weit fortgeschritten waren. Dabei bieten Tell el-Kerkh und Ras Shamra in der nördlichen Levante umfangreiche Schichten, in denen sich die Entwicklung der Keramik über lange Zeit verfolgen lässt. Die früheste Keramik war dort sehr porös und brüchig. Dies gilt für die meisten Fundstätten, jedoch ist die Keramik in der Dschazira (Jezirah) und im Gebiet zwischen nördlicher Levante und Südostanatolien keineswegs so grob, sondern zeugt von einer frühen Hochentwicklung dieser Early Dark Ware oder Early Mineral Ware, die zudem große Kontinuität aufweist. Im Gegensatz zu den frühen technologischen Versuchen anderer Gebiete wurde diese Ware offenbar nie aufgegeben, sondern weiterentwickelt. Die Oberflächen waren von Anfang an gleichmäßig und poliert. Ihr Kennzeichen war die Mineralien-Magerung, daher wird sie auch als early mineral-tempered ware bezeichnet. Häufig vorkommende Henkel erweisen den Gebrauch als Kochgefäße.
An der Fundstätte Tell Sabi Abyad in Obermesopotamien lässt sich das Vordringen der Keramik Schicht für Schicht bei großer Siedlungskontinuität belegen. Die früheste Phase des PPNB lässt sich dabei nur auf die Zeit zwischen 7000 und 6700 v. Chr. eingrenzen.68 Selbst diese frühesten Keramikfragmente waren überraschenderweise verziert und wirkten keineswegs „primitiv“. Da diese Verzierungen denen anderer, nordsyrischer und auch anatolischer Fundstätten ähneln, könnte es sich um das Ergebnis von Tauschnetzwerken handeln. Offenbar gab es eine lokale Produktion, ähnlich wie man in Gruben Kalkputz herstellte, der meist 3 bis 4 cm dick war. Im Tell Seker al-Aheimar fand sich Proto-Hassuna-Keramik, die lange als die älteste in Obermesopotamien galt (seinerzeit in den Anfang 7. Jahrtausends v. Chr. datiert, heute eher der Mitte und dem Ende des 7. Jahrtausends zugewiesen).
Ihr Name leitet sich von der Hassuna-Kultur ab, die wiederum nach einem Fundort im Nordirak benannt wurde, genauer gesagt einem Siedlungshügel, dem Tell Hassuna. Dementsprechend wurde die noch ältere Keramik von Tell Seker al-Aheimar als „Pre Proto Hassuna“ bezeichnet. Dieser Siedlungshügel besetzt eine Fläche von 300 mal 180 m und erhebt sich 11 m aus dem Umland; die Siedlung selbst war 4,5 ha groß, womit sie eine der größten Siedlungen im Chabur-Gebiet und weiter östlich aus dem Neolithikum darstellt.69 Unbekannt ist bisher, wie weit das Gebiet dieser Kultur in den Osten reichte, aber im Chabur-Becken und den Nachbargebieten war diese früheste Keramik verbreitet. Die Ausgrabungen wurden ab 2000 von der Universität Tokyo durchgeführt. Es erwies sich, dass die zeitliche Grenze zwischen PPNB und Pre-Proto-Hassuna bei 6800 bis 6700 v. Chr. liegt.70 Außerdem wurde in der Siedlung der älteste Brunnen Syriens entdeckt, sowie eine weibliche Figurine von 14,2 cm Höhe. Die sitzende, zweifarbige Frau wurde unter dem Boden eines Hauses entdeckt.71
Zwar ist die Keramik für die Forschung von größter Bedeutung, doch für die kulturelle Entwicklung stehen andere Prozesse im Vordergrund. Der Pflanzenanbau entwickelte sich im PPNB deutlich fort. Zuchtformen von Gerste, Emmer und Einkorn, aber auch Hartweizen und Flachs lassen sich nachweisen, ebenso wie Hülsenfrüchte wie Bohnen und Saubohnen, Kichererbsen und Linsen. Die letzteren Früchte konnten einen erheblichen Anteil tierischen Eiweißes ersetzen. Der deutlichste Unterschied zum vorangehenden PPNA ist aber das Auftreten von Haustieren, vor allem von Ziege und Schaf, später auch Rind. Mit diesen Entwicklungen wurde weltweit erstmals die Jagd zu einer Art Nebenbeschäftigung, die für das Überleben immer weniger notwendig war. Die Gesellschaften, die diese Wirtschaftsweise übernahmen, veränderten sich radikal.
Die Kulturen unmittelbar nach der Sesshaftwerdung und der frühesten Produktion von Keramik sind vergleichsweise wenig erforscht. Syrien weist, wie der gesamte Nahe Osten, eine deutliche Verspätung bei der Herstellung von Keramik auf. Diese setzte Anfang des 7. Jahrtausends v. Chr. ein.
Dies erwies sich am 2005 entdeckten Siedlungsplatz Shir, in der Gunstzone des mittleren Orontes gelegen. Er wurde von 2006 bis 2010 von der Außenstelle Damaskus der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts und der Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie untersucht. Es handelt sich um eine der wenigen frühneolithischen Fundstätten in diesem Gebiet. Die etwa 4 ha große, offenbar stark geplante Siedlung bestand ab etwa 7000 v. Chr. über mehr als 800 Jahre. Die Gebäude weisen in der Regel Fundamentmauern aus dem in der Region anstehenden Kalkstein auf, während das aufgehende Mauerwerk aus Lehmziegeln oder Pisé gefertigt wurde, der schnell erodiert. Auffallendstes Merkmal in den Wohnbauten bilden aufwändige Fußböden aus Kalkmörtel. Die Siedler nutzten mindestens zwei ertragreiche Habitate, nämlich den umgebenden, offenen Eichenwald und den dichten Auenwald des Sarut sowie des Orontes, der etwa 4 km westlich an der Siedlung vorbeifließt. Die Wasserversorgung war durch den ganzjährig Wasser führenden Sarut gesichert. Die fruchtbaren Terra-Rossa-Böden erlaubten ertragreichen Anbau von Gerste, Emmer/Einkornweizen, Nacktweizen, Linsen, Platt- und Kichererbsen sowie Linsenwicke. Unter den Wildpflanzen sind Pistazie, Feige und Mandel hervorzuheben. Neben den domestizierten Arten Schaf, Ziege und Rind fanden sich auch Überreste von Jagdtieren wie Gazelle und Hirsch.
Im Südareal fand man überwiegend Gräber von Kindern und Säuglingen unter Mauern und Kalkmörtelestrichen. Bestattungen von Erwachsenen sind seltener und liegen in Form von Einzelgräbern eher außerhalb der Häuser. Alle Gräber sind beigabenarm, besondere Objekte sind Türkisperlen, die jedoch nur bei Säuglingsbestattungen vorkommen. Shir weist bereits in der ältesten Schicht, also um 7000 v. Chr., Keramikfunde auf.72 Diese Keramik gehört damit zu den frühesten Funden im Vorderen Orient. Aus gebranntem Ton hergestellte Behälter stellen eine der wichtigsten Innovationen um 7000 v. Chr. dar. Ab etwa 6500 v. Chr. wurde Keramik in größeren Mengen, jedoch in geringerer Qualität hergestellt (‚Coarse Ware‘). Sie ist überwiegend vegetabil gemagert und weist selten Verzierungen auf. Als Innovation in der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends v. Chr. gilt die Herstellung von Großgefäßen mit Höhen zwischen 80 und 100 cm, die wohl Vorratsgefäße für die Aufbewahrung pflanzlicher Lebensmittel darstellen. Shir war Bestandteil des neolithischen Austausch- und Kommunikationsnetzes zwischen Anatolien und dem Roten Meer, weist aber eine ungewöhnlich starke regionale Komponente auf.
Daneben stellte erst die Proto-Hassuna-Kultur im Norden des Iraks und Syriens Keramik her, wie sich in den Fundstätten Kashkashok II und Khazna II im Nordosten Syriens zeigte, ebenso wie an Fundstätten im nördlichen Irak. Jarmo, ein über mehrere Jahrhunderte bestehendes Dorf aus etwa 25 Häusern und ca. 150 Einwohnern im Zagros, und Umm-Dabaghiyah im Nordirak entstanden in der 1. Hälfte des 7. Jahrtausends. Die Häuser aus Lehm ruhten auf Steinfundamenten, eine bis heute gebräuchliche Bauweise. In Jarmo fanden sich Obsidianwerkzeuge vom Van-See, aber auch Muschelschalen vom Persischen Golf. Zentralorte des PPNB wurden aufgegeben, anscheinend verlagerte sich zudem der Besiedlungsschwerpunkt von den Hügelgebieten an die Flüsse, hier an Tigris und Euphrat. Die Keramik war einfach geformt und dickwandig, dabei unverziert und pflanzlich gemagert. Während Jarmo inmitten von Eichen- und Pistazienwäldern lag, entstand Umm-Dabaghiyah in einer sehr trockenen Umgebung. Möglicherweise handelte es sich um eine Siedlung einer auf Onager spezialisierten Jagdgruppe, denn die Knochenfunde stammen vor allem von dieser Wildeselart, und auch die Wandmalereien stellen zumeist dieses Jagdtier dar.73
Die frühe Hassuna-Kultur im Nordosten Syriens und im Norden des Iraks produzierte grobe, handgemachte Keramik, die bei niedriger Temperatur gebrannt wurde, und die Verwandtschaft mit der Keramik von Umm-Dabaghiyah aufweist. Typisch für die entwickelte Hassuna-Kultur sind jedoch kegelförmige Gefäße mit niedrigem Hals, hergestellt aus hellem Ton. An zahlreichen Plätzen fanden sich diese Gefäße mit Ritzverzierungen und Bemalungen. Rauten und Dreiecke bildeten die Basis der Ornamentierung, hinzu kamen kleine Gesichter und Gittermuster. An figürlichen Werken fanden sich ausschließlich stehende weibliche Tonfigurinen. Als älteste Flöte des Nahen Ostens - diese sind bereits im Jungpaläolithikum nachgewiesen, jedoch nur in Mitteleuropa – gilt ein solches Instrument aus Yarim Tepe I im Sindschar. Von dort stammt auch ein Rinder-Schulterblatt mit Ritzungen, die womöglich eine Rechenoperation wiedergeben. Auch sonst gibt es Hinweise darauf, dass sich eine Art administrative Struktur zu entwickeln begann, wie etwa die Stempelsiegel aus dem Tell Sabi Abyad, dem „Hügel des weißen Jungen“. Mit ihnen siegelte man Keramikgefäße, aber auch Säcke und Körbe mit Nahrungsmitteln, die vor unbefugtem Zugriff geschützt und anscheinend schon als individuelles Eigentum markiert wurden. Dahinter stehen veränderte Rechtsnormen und Eigentumsverhältnisse.74
Im frühen Hassuna dominierten Rundbauten von 3 bis 5 m Durchmesser, in denen Kleinfamilien lebten; bei den größeren fanden sich dünne Trennwände. Hinzu kamen deutlich komplexere Rechteckbauten, die quadratische Räume aufwiesen, und die wahrscheinlich der gemeinsamen Vorratshaltung der Siedlungen dienten, aber auch dem Trocknen von Getreide. In der jüngeren Hassuna-Kultur nahm die Zahl der rechteckigen Gebäude drastisch zu, und sie wurden komplexer. Die häufig mit Anbauten versehenen Gebäude waren hauptsächlich über die Dächer zu erreichen, die wiederum gemeinsamen Tätigkeiten dienten, doch weisen Türangeln und Schwellen darauf hin, dass sie auch unmittelbar untereinander in Verbindung standen, also ebenerdig.
Öfen, Tonbänke und erhöhte Plattformen gehörten meist zur Inneneinrchtung; es fanden sich häufig Geräte aus Silex und Obsidian – letztere wurden als Fertigprodukte aus Ostanatolien herbeigeführt –, Nadeln und weitere Werkzeuge aus Knochen, Perlen, aber auch Reibsteine und Tongefäße. Spinnwirtel belegen die Verarbeitung von Wolle zu Textilien. Ein Bleiarmring aus Yarim Tepe I war Ausgangspunkt für Fragen der Metallverarbeitung.
Der Ernährung diente weiterhin die Zucht von Schweinen, Schafen, Ziegen und Rindern, gejagt wurden Gazellen, Onager, Wildschweine, aber auch Hasen. Gerste und Weizen, Linsen und Erbsen bildeten überwiegend die pflanzliche Kost.
Die Beisetzung der erwachsenen Toten fand wohl außerhalb der Siedlungen statt, während Kinder oftmals in Tongefäßen unter dem Fußboden, der Türschwelle oder in den Wänden beerdigt wurden. Erwachsene fand man nur vereinzelt.
Insgesamt begann eine Entwicklung, in der sich der Norden und der Süden Palästinas spätestens ab Mitte des 6. Jahrtausends kulturell zunehmend voneinander entfernten.75
Während die frühestbäuerlichen Bevölkerungen des Natufiens genetisch – zumindest ließ sich dies für die südliche Levante und das iranische Zagrosgebirge nachweisen – aus lokalen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften hervorgingen, und sich zugleich stark voneinander unterschieden, sind die Populationen dieses Großraums in der Bronzezeit von starker genetischer Homogenität geprägt. Dabei lässt sich eine starke Vermischung sowohl der beiden Ausgangsbevölkerungen im Westiran und in der südlichen Levante, als auch mit bäuerlichen Gruppen aus Anatolien und Europa nachweisen.76
Im Tell Ramad, im Südwesten Syriens gelegen, genauer am Fuß des Hermon 15 bis 20 km südwestlich von Damaskus, wurde der älteste Anhänger aus Kupfer entdeckt, ein Metall, das ab dem 7. Jahrtausend v. Chr. in Syrien verarbeitet wurde.77 Die größere Bedeutung des Tells, der etwa zwischen 7230 und 6400/6300 v. Chr. besiedelt war und der eine Fläche von 2 ha umfasste, liegt jedoch darin, dass dort Überreste von domestiziertem Emmer und Einkorn, von Hartweizen, Roggen, Erbsen und Flachs entdeckt wurden. Benachbarte Hügel wiesen diese Art der Kultivierung sogar noch ein wenig früher auf, doch erweisen sie insgesamt, dass diese Wirtschaftsweise erst verhältnismäßig spät in diesem Gebiet vorherrschte, und auch, dass sie am Ende der Besiedlungsphase durch Nomaden wieder verdrängt wurde. Zu den domestizierten Arten kamen im Tell Ramad Wildpflanzen, wie Pistazien, Feigen, Mandeln und Birnen. Die Bewohner lebten in einem im 8. und 7. Jahrtausend noch dicht bewaldeten Gebiet, in dem sich bisher wenig erforschte, kleinere Dörfer finden. Sie betrieben Ackerbau in kleinen Lichtungen, die sie in den Wald geschlagen hatten. Schafe und Ziegen wurden bereits in der frühesten Zeit domestiziert, dabei stellten Schafe drei Viertel der Tiere, Ziegen nur ein Viertel.78 Ansonsten wurden auch Rinder und Schweine gehalten. Die Jagd war inzwischen recht unbedeutend und beschränkte sich weitgehend auf Gazellen. Drei fragmentierte Tonfigurinen dienten möglicherweise für die dort ebenfalls entdeckten Schädel als eine Art Sockel, womöglich wurden Schädel und Figurinen rituell gemeinsam beigesetzt.79 In Schicht I enthielt eine Grube sechs Schädel, in Schicht II fanden sich zwei Gruben mit drei bzw. zwölf Schädeln.80 Die sorgsam abgetrennten Schädel waren konserviert worden; es fanden sich rote Farbreste. Diese Art der Konservierung erscheint ansonsten in weiten Teilen der südlichen Levante.
Die bereits Kupfer verarbeitende Halaf-Kultur, die aus der Hassuna-Kultur hervorging, entstand im Norden Mesopotamiens um 6000 v. Chr. und breitete sich über ein verhältnismäßig großes Gebiet aus. Ihr Kernraum befand sich im Gebiet der Oberläufe von Euphrat und Tigris.81 In Nordsyrien gehören neben dem namensgebenden Tell Halaf die Fundorte Shams ed-Din, Tell Sabi Abyad, Umm Qseir, Tell Aqab und Chagar Bazar zur Halafkultur. Erstmals wurden ausgedehnte Bewässerungssysteme entwickelt. Aus den anwachsenden Erträgen konnten Vorräte gebildet werden, die sich jedoch zunehmend ein kleiner Teil der Gesellschaft aneignete, so dass eine Hierarchisierung erkennbar wird. Stempelsiegel dienten in wachsendem Maße der Kennzeichnung von Eigentum, wie es schon früher in Mesopotamien üblich geworden war.
Als neuen Bautyp entwickelte die Halaf-Kultur Tholos-Bauten mit gekragter Wölbung. Die Kleinkunst wurde von figürlichen Darstellungen von Frauen und Tieren dominiert. Die Halaf-Ware stellte eine handgeformte Keramik dar, die abstrakte Motive bot, wie etwa Stiere, Sternenkompositionen und geometrische Muster.
Die bunt bemalte Keramik der nördlicheren Halaf-Kultur weist Verbindungen zur Hassuna- und zur Samarra-Kultur auf. Allerdings verdrängten nun feine geometrische die zuvor dominierenden figürlichen Darstellungen. Die Bauweise, und auch die Struktur der Siedlungen, änderte sich nur geringfügig, doch einige Siedlungen wurden nun deutlich größer. Wahrscheinlich entstanden erstmals, neben Hunderten von Dörfern in der bereits gewohnten Größe, Großsiedlungen mit einer Fläche von mehr als 10 ha. Siegel tauchen an manchen Fundorten wie Arpachiyeh (bei Mossul) gehäuft auf und an anderen fast gar nicht. Sie gelten als Indiz für Verwaltungstätigkeit.
Die Ghassulien-Kultur, benannt nach dem jordanischen Teleilat Ghassul nordöstlich vom Toten Meer, brachte die Megalithanlagen auf dem Golan hervor. Die auf Viehzucht basierende Kultur – Ziegen, Schafe, Schweine und vereinzelt Rinder, letztere auch als Lasttiere – verschwand um 3000 v. Chr., ohne dass sich Anzeichen von Gewalt gefunden hätten. Neben der Viehhaltung wurde Gerste und Weizen angebaut. Typisch sind einfache, wenig bemalte, längliche Tongefäße, die am oberen Rand Ösen aufweisen. Sie stellen eine Art Tonkopie eines Ledergefäßes dar. Auch entstanden anthropomorphe Elfenbeinarbeiten, in Teleilat Ghassul auch reiche Wandmalereien. Vor allem im Raum Tel Aviv fanden sich Höhlen, die als Bestattungsorte dienten.
Habuba Kabira, am Euphrat im Bereich der Tabqa-Talsperre gelegen, wurde in der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. gegründet und nach ein bis zwei Jahrhunderten wieder aufgegeben (vielleicht bis 3300 v. Chr.). Die Stadt maß etwa 18 ha, wovon 10 ha von einer 3 m starken Stadtmauer umgeben waren, der mindestens ein weiterer Wall vorgelagert war. Offenbar handelte es sich um eine geplante Stadt, denn die mit Schotter und Kies ausgelegten Straßen verliefen ausschließlich nord-süd- oder ost-westwärts. Dabei war die große Stadt mit Südmesopotamien, genauer mit Uruk, aufs engste verbunden. So fanden sich die typischen Glockentöpfe, als Massenware produzierte Keramik, Tontafeln mit numerischen Symbolen, Tonbullen und Rollsiegel. Die Darstellungen auf den Rollsiegeln entsprechen südmesopotamischen Motiven. Diese und weitere Funde erweisen die sogenannte Uruk-Expansion. Dabei wird angenommen, dass Uruk eine Art Koloniensystem erzwang und steuerte. Einen solchen Status hatten demnach Städte wie Tell el-Hajj, Mureybet, Hadidi und Scheikh-Hassan.
Wenig abhängig vom sumerischen Süden war hingegen Tell Brak, das allerdings dessen Impulse souverän verarbeitete. Mitte des 4. Jahrtausends war Tell Brak eine der wichtigsten Städte in Nordmesopotamien. Es kontrollierte den Handelsweg vom Tigris nach Anatolien. Zu dieser Zeit herrschte vermutlich eine Dynastie, die mit dem 400 Kilometer westlich gelegenen Ebla in dynastischer Ehe verbunden war.82 Texte aus Ebla geben Auskunft über Tagri-Damu, eine Prinzessin aus Ebla, deren Heirat mit dem Kronprinzen von Nagar, Ultum-huhu, vom letzten König von Ebla, Ijar-Damu, arrangiert wurde.
In Tell Brak fand man bisher keine Keilschrifttafeln, aber etwa 40 km westlich am Tell Beydar wurden 1993 Tafeln und auch Siegel entdeckt. Tell Beydar, das antike Nabada scheint um 2300 v. Chr. unter der Vorherrschaft von Tell Brak gestanden zu haben. Dort wurde ein frühbronzezeitlicher Palast mit mehreren Heiligtümern auf der Akropolis freigelegt. Die über 1400 Siegelabrollungen und Tonplomben weisen auf intensiven Handel mit dem regionalen Zentrum Tell Brak hin. Während aber Beydar/Nabada in der Akkader-Zeit in die Bedeutungslosigkeit herabsank, behielt Tell Brak/Nagar seine regionale Bedeutung auch unter Sargon von Akkad und seinen Nachfolgern bei. So errichtete Naram-Sin von Akkad, wie Namensstempel in Lehmziegeln belegen, einen befestigten Palast, der auch große Magazine barg.
Durch Vergleiche mit anderen ostsyrischen Siedlungshügeln wie Tell Beydar, Tell Chuera und Tell Bi'a ließ sich eine einheitliche, für den Bereich des Chabur und oberen Euphrat typische Stadtanlage belegen. Nach einem einheitlichen Schema befand sich auf der Akropolis inmitten der Stadt ein Palast und mehrere Tempel. In Tell Beydar lagen unterhalb des Palastes mehrere Katakomben mit Gräbern, in denen die herrschende Dynastie von Nadar vermutet wird. Das sonst im frühbronzezeitlichen Syrien weit verbreitete Schema des Antentempels war dagegen unbekannt.
Um 2200 oder um 2000 v. Chr. kam es zu einer Siedlungsunterbrechung. Die akkadische Periode endete, möglicherweise verursacht durch die Ankunft der anfangs nomadischen Amurriter. Daneben wird ein Klimawandel angenommen, der zu einer Dürreperiode führte. Fast alle der bisher in der Chabur-Region ausgegrabenen Tells wurden verlassen.83
Bis in die 1960er Jahre glaubte man, Syrien sei weit entfernt davon gewesen, ein ähnliches kulturelles und gesellschaftliches Niveau gehabt zu haben, wie das frühbronzezeitliche Zweistromland.85 Doch dem italienischen Archäologen Paolo Matthiae gelang es ab 1964 am Tell Mardikh, einem Siedlungshügel etwa 60 km südwestlich von Aleppo, nachzuweisen, dass es dort gleichfalls zu einer enormen Stadtentwicklung und zur Entstehung eines Flächenstaates gekommen war, der unter dem Namen Ebla bekannt ist.86
Mit einer Fläche von 56 ha stellte Ebla – „weißer Felsen“ – um 2400–2250 v. Chr. die größte Stadt der Region mit vielleicht 5 bis 12.000 Einwohnern dar. Die Geschichte ihrer mindestens 27 Könige umfassenden Dynastie und der von ihr beherrschten Stadt reicht allerdings bis ins 27. Jahrhundert zurück.87 Der heutige Tell Mardikh (daher die Bezeichnung Phase Mardikh IIB1 (= Frühbronzezeit IV)), lag zum einen in einer fruchtbaren Ackerbauregion, in der auch Viehzucht von großer Bedeutung war; überregional nachgefragt waren die dort produzierte Wolle und Tuche. Zum anderen lag sie an den Haupthandelswegen zwischen Amanus und Taurus sowie dem Nordlibanon. Ebla baute nach und nach Handelsbeziehungen zum Euphrat- und Belichgebiet, in den Süden Syriens und bis zur Küste, nach Anatolien und Palästina, zu Byblos – Gubla genannt – und von dort zu Ägypten auf. Das Land am Nil war auch Hauptabnehmer des aus Afghanistan stammenden Lapislazuli. Auch Richtung Mesopotamien entstand ein weit gespanntes Handelsnetz bis nach Mari, Kiš und Assur, darüber hinaus bis zum Persischen Golf und zu Hamazi im westlichen Iran.88 Neben Möbeln spielten vor allem Tuche eine zentrale Rolle, die aus der regionalen Schafwolle hergestellt wurden. Einer der Könige soll 80.000 Schafe besessen haben. Die kulturelle Selbstständigkeit Syriens gegenüber Mesopotamien erwies die Ausgrabung von Ebla gleichfalls, wie sie etwa an einem eigenen Bautyp ablesbar ist, dem Bit Hilani. Wie Rudolf Naumann erläuterte, handelte es sich um „Gebäude welche eine Vorhalle mit ein bis drei Stützen an der Front aufweisen und hinter dieser einen querliegenden Hauptraum mit Herdplatz besitzen, um den sich kleinere Räume gruppieren.“89 Tempel und Palast führen den Haustypus monumentalisiert fort. Auch in der ideologischen Sphäre unterschied sich Ebla deutlich von den Nachbargebieten. Einer Art „Staatsgöttern“ wurden Opfer gebracht, so etwa Idakul und Kura, dem Wettergott Adad oder dem Sonnengott Šamaš, aber auch westsemitischen Gottheiten wie Ba’al, der Göttin des Krieges und des Begehrens Ištar, dem Getreidegott Dagān oder dem Himmelsgott El. Hinzu kamen Lokalgottheiten, wie der Flussgott des Balich.
Dabei nahm die Akropolis mit 170 m Durchmesser etwa die Mitte des Hügels ein, auf dem der Palast G stand, die Unterstadt lag am Fuß der Akropolis. Um 2250 v. Chr. zerstörte ein Feuer große Teile der Akropolis, darunter den Palast. Sargon von Akkad und sein Enkel Naram-Sin behaupteten beide, Ebla zerstört zu haben. Die später wieder aufgebaute Stadt Mardikh IIB2 (um 2250–2000 v. Chr.) ist noch nicht ergraben, sie stand unter der Kontrolle der nahe gelegenen Stadt Urschu (Urfa). Im zerstörten Palast von Ebla überdauerte eine Art „Staatsarchiv“ mit über 20.000 Tontafeln, die für die Geschichte ganz Nordsyriens von großer Bedeutung sind. Unter Leitung Paolo Matthiaes wurde das Archiv 1974 bis 1976 ausgegraben. Neben Hymnen und Beschwörungen bieten die Tafeln vor allem Einblicke in wirtschaftliche und administrative Vorgänge und Zustände. Zugleich sind sie die ältesten Dokumente einer semitischen Sprache, des Eblaitischen. Neben den Tafeln fanden sich über 100 Siegelabrollungen, teils auf Gefäßverschlüssen, sowie auf Körben und Kisten. Hinzu kamen eingeführte Waren, wie Edelsteine, aber auch Objekte aus Elfenbein und Metall. Eine zweite Blüte erlebte Ebla von etwa 1850 bis 1600 v. Chr., doch wurde die Stadt durch den hethitischen König Muršili I. oder Ḫattušili I. zerstört.
Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und dem syrischen Raum lassen sich durch eine Schale aus Ebla, das vielleicht die Handelsdrehscheibe zwischen Ägypten und Mesopotamien darstellte, und einen Siegelzylinder aus Byblos belegen, die beide den Namenszug des Chephren tragen. Unter Userkaf wurden bereits Expeditionen zum Libanon durchgeführt. Unterstrichen werden diese Beziehungen auch durch ein Relief im Totentempel der Sahure-Pyramide, auf dem Schiffe abgebildet sind, deren Besatzungen aus Syrern bestehen. Unter Sesostris II. zeigen sogenannte Genut, eine Art Tage-Buch, unter ihnen das bedeutendste, in Memphis entdeckte, dass es häufig Konflikte und Vertragsabschlüsse mit „Asiaten“ (Aamu) gab, wie später auch Herodot (Historien 2.106) bemerkte. Byblos und das nordsyrische Tunip erscheinen als Handelspartner, andere Städte als Kriegsgegner. Die sonst nicht belegten Orte Jasy und Juai wurden nach dem Annalenstein Amenemhets II. vom Anfang des 2. Jahrtausends zerstört. Dabei wurden angeblich 1.554 Gefangene fortgeführt. Diese hohen Zahlen könnten erklären, warum in späterer Zeit so viele asiatische Sklaven in ägyptischen Häusern lebten. Ebla selbst (Mardikh IIB2) wurde nach der vollständigen Zerstörung durch die Akkader zwar nicht wieder aufgebaut, doch entstand im Norden des Siedlungshügels eine neue Stadt. Eine neue Dynastie residierte nun im sogenannten Archaischen Palast, möglicherweise als Unterkönige des Imperiums von Ur III, das die Akkader abgelöst hatte. Gegen Ende der Vorherrschaft von Ur III wurde auch dieses Ebla um 2000 v. Chr. zerstört.
Die große Rivalin von Ebla war das weiter euphratabwärts gelegene Mari, das bereits um 2900 v. Chr. gezielt errichtet worden war, um die Flussschifffahrt und damit den Handelsweg von der Levante nach Mesopotamien zu kontrollieren. Etwa 15 Jahre lang beherrschte die Stadt sogar Ebla, das tributpflichtig war. Um die Stadt vor Überflutungen zu schützen, erbauten die Gründer Mari mehr als einen Kilometer vom Fluss entfernt und verbanden die Stadt über einen Kanal mit dem Euphrat. Auch Mari wurde von den Akkadern zerstört, doch gelang der Stadt der Wiederaufstieg unter einer Stadthalterdynastie (Schakkanakku). Obwohl Mari mit dem Ende der Akkaderherrschaft unabhängig wurde und erneut florierte, sank es gegen Ende des Jahrtausends in die Bedeutungslosigkeit ab.
Doch im 19. und 18. Jahrhundert v. Chr. war Mari wieder eine bedeutende Macht am Euphrat. König Jaḫdun-Lim (1810–1794 v. Chr. nach der Mittleren Chronologie) führte sogar eine Expedition weit in den Westen, um aus dem Libanon Holz der dortigen Zedern zu erlangen. Doch erwiesen sich die Herren von Jamchad, die gleichfalls Amurriter waren, als heftige Rivalen. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts waren sie die bedeutendste politische Macht im Norden Syriens. Unter neun Königen, die zwischen etwa 1800 und 1600 herrschten, wurde die Stadt neben Aleppo zur bedeutendsten Stadt des Großraums. Jaḫdun-Lim und der in Aleppo residierende König Sumu-epuh vermieden eine Auseinandersetzung und schlossen ein Bündnis, das durch die Ehe des Königs von Mari mit einer Prinzessin aus Aleppo besiegelt wurde. Schwierig wurden die Beziehungen erst durch die Yaminiten oder Benjaminiten. Theoretisch Mari untertan, plünderten diese Nomaden immer wieder Städte, und, wie Jaḫdun-Lim glaubte, rebellierten drei ihrer Häuptlinge mit Unterstützung des Königs von Aleppo gegen ihn. Mari besiegte die Nomaden, doch nun standen sich die beiden Stadtstaaten gegenüber. Dies hing nun wiederum mit der bitteren Rivalität zwischen Aleppo und Qatna zusammen, das 18 km nördlich von Homs lag. Zumindest die Nachfolger Jaḫdun-Lims verbündeten sich mit Qatna, und daher könnte es sich erklären, warum wiederum Aleppo die Rebellion gegen Mari unterstützte. Doch zum offenen Konflikt kam es wohl nicht mehr, denn eine neue Großmacht trat auf den Plan.
Neben diesen städtischen Herrschaftszentren bildeten nämlich die genannten, nicht sesshaften Amurriter, deren Namen auch schon im Archiv von Ebla auftauchen, und die eine semitische Sprachgruppe darstellen, ein wesentliches politisches und kulturelles Element. Möglicherweise auf der Suche nach Weideland für ihre Herden gerieten sie mit den Sumerern in Konflikt, die sie als MAR.TU bezeichneten, als die, die aus dem Westen kamen – ohne städtische Kultur, nicht sesshaft, rohes Fleisch konsumierend, kurz: zu verachten. Naram-Sin, der Akkaderkönig, besiegte sie im Zusammenhang mit einem allgemeinen Aufstand, am „Berg der Martu“ (Dschebel Bischri). Vergebens suchte Ur III sich ihres Vordringens mit Hilfe von Festungsketten zu erwehren, die eine Art Mauer von 280 km Länge darstellten – das größte bis dahin errichtete militärische Bauwerk überhaupt. Um 2004 v. Chr. zerstörten schließlich Elamiter aus dem Iran die Hauptstadt. Die Amurriter ihrerseits stießen in das entstandene Machtvakuum vor und übernahmen nun in zahlreichen Städten selbst die Macht. Sie akkulturierten sich allerdings an das urbane Leben binnen weniger Generationen, nachdem es die Akkader gewesen waren, die durch die Zerstörung der ostsyrischen Metropolen Mari und Ebla ihre Handelsgrundlagen zerstört hatten. Nun folgte eine Phase ungewöhnlicher kultureller Homogenität im syrischen Raum.
Unter Šamši-Adad I. errichteten sie um 1800 v. Chr. das Altassyrische Reich. Der König übernahm Sargons Titel eines Šar kiššatim, eines ‚Königs der Gesamtheit‘. In Syrien eroberte seine Armee Mari, wo der König seinen Sohn als Vizekönig einsetzte. Nur das weiter westlich gelegene Qatna, mit dem er zunächst ein Bündnis eingegangen war, konnte er nicht besiegen. Sein Kampf gegen Jamchad mit seiner Hauptstadt Aleppo, den er gemeinsam mit Qatna führte, blieb erfolglos. Wenige Jahre nach dem Tod des Reichsgründers, der sich über die Eitelkeit und Unreife seines Sohnes in Mari beklagte, zerfiel das Großreich.
Zimri-Lim, ein Angehöriger der Dynastie, gelangte auf den Thron. Seine 13 Herrschaftsjahre sind die bestdokumentierten in der Geschichte von Neu-Mari. Im Archiv von Mari wurden ab den 1930er Jahren mehr als 22.000 Tontafeln entdeckt, die ungewöhnliche Einblicke in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Region gestatten. Zimri-Lim schloss Frieden mit Jamchad; auch mit Qatna bestand Frieden. Zudem war er mit Hammurabi von Babylon verbündet. Mari war wirtschaftlich und politisch so erfolgreich, dass ein nie gesehener Palastkomplex in der Stadt entstehen konnte,90 der sich über eine Fläche von 200 mal 120 m erstreckte und 300 Räume, Gänge und Höfe umfasste. Dennoch waren die politischen und sozialen Verhältnisse der Region äußerst instabil, die Städte- und Nomadenbündnisse waren wechselhaft. Daher musste Zimri-Lim seine Strategie ändern, um das Städtebündnis Ida-Maras besser kontrollieren zu können.91 Daher ließ er Naḫur besetzen und eine Garnison in die Stadt legen. Aus unbekannten Gründen kam es jedoch zum Kampf zwischen Babylon und Mari, wobei Mari 1762 v. Chr. völlig zerstört wurde. Nur in einem einzigen Brief des Königs von Mari wird deutlich, dass seine Frau ein Orakel befragt hatte, ob der Babylonier Mari zerstören würde. Das Archiv ließen die Eroberer inventarisieren und daraufhin einen erheblichen Teil der Tafeln nach Babylon bringen. Erst im Ninive des 7. Jahrhunderts v. Chr. sollte wieder ein ähnlich umfangreiches Archiv entstehen.
Profiteure dieses Vorgangs waren für einige Zeit Jamchad mit der Hauptstadt Aleppo und Qatna, die weiterhin Frieden hielten. Auch das bestehende Bündnis mit den Babyloniern behielten sie bei. Die Dominanz dieser beiden Staaten blieb dennoch von begrenzter Dauer, reichte im Kern von 1800 bis 1600 v. Chr., da aus Anatolien eine neue Großmacht in den syrischen Raum vordrang, nämlich die Hethiter.
Die Stadt Alalach, die um 1750 Teil des Reiches von Jamchad war, gehörte zeitweise zum Machtbereich von Mari, wo die Stadt Alachtum genannt wurde. In Alalach regierte nunmehr eine Seitenlinie der Könige von Jamchad. Die in Alalach entdeckten etwa 200 Tontafeln stellen die wichtigste Quelle vor allem für das Reich von Jamchad dar, da dessen Archiv in Aleppo bisher nicht auffindbar ist. Der erste lokale Fürst war Jarim-Lim; er war vielleicht der Erbauer des Palastes von Schicht VII, der etwa 100 x 30 m maß und im ersten Stock eine Audienzhalle aufwies. Eingesetzt wurde er von König Abba-El von Jamchad, seinem Bruder. In der Phase nach Jamchad erlebte Alalach einen Aufstieg zur Regionalmacht. Der Palast des Niqmepa entstand Mitte des 14. Jahrhunderts; einer Inschrift zufolge war sein Vater Idrimi nach der Flucht vor einem Umsturz nach Tripoli mit einer Streitmacht zurückgekehrt, um die Stadt nach sieben Jahren zurückzuerobern. Das wahrscheinlich dreigeschossige Bauwerk seines Sohnes repräsentiert einen Bautypus, der bis in das 8. und 7. Jahrhundert nachwirkte. Idrimi war die Rückeroberung wohl erst gelungen, nachdem er die Oberherrschaft einer neuen indoeuropäischen Großmacht anerkannt hatte, der Mittani oder Hurri, wie sie in den Quellen gleichberechtigt genannt werden.
Wahrscheinlich war auch Ebla, das wieder aus der Asche auferstanden war, und dessen wirtschaftliche Bedeutung sich in einem erheblichen Wachstum niederschlug, einer von Jamchads Vasallenstaaten. Alalach beherrschte die Orontes-Ebene östlich von Antakya, die Mukisch hieß.
Deutlich greifbar ist der minoische Kultureinfluss, während ansonsten eher der ägyptische vorherrschte, der bis nach Qatna reichte. Die Handelsbeziehungen reichten jedoch erheblich weiter, etwa bis nach Afghanistan im Osten. Nordischer („baltischer“) Bernstein tauchte ab etwa 1650 v. Chr. im Mittelmeerraum auf. In Qatna fand man diesen Bernstein mit Glasperlen in einer spätestens 1340 v. Chr. entstandenen Königsgruft.92
Kurz nach 1625 v. Chr. wurde Alalach (bei Antakya) als erste Stadt vom hethitischen Großkönig Hattušili I. angegriffen, wie die dortigen Tafeln erweisen, und zerstört. Diesen Feldzug erwähnt auch eine Inschrift des Großkönigs. Mit der Zerstörung Alalachs versiegen die Quellen über diese Periode Nordsyriens weitgehend. Zugleich eroberten die Hethiter die wichtigsten verbündeten Städte von Jamchad, wie Karkemisch, Urschu, Ugarit und Hassu, Emar, Eblar und Tunip. Sicherlich deutlich mehr als die sechs bekannten Kriegskampagnen führten den Großkönig in die Region. Möglicherweise kam er bei einer vergeblichen Belagerung von Aleppo ums Leben.93 Auf dem Sterbebett zog er seinem Sohn als Nachfolger seinen Enkel vor, nämlich Muršili, den er zudem als Sohn annahm. Ihm gelang die Eroberung von „Halpa“, wie die Hethiter Halab-Aleppo nannten, so dass er „Rache für das Blut seines Vaters“ nehmen konnte. Daraufhin marschierte er gegen Babylon, das er um 1595 v. Chr. gleichfalls eroberte – und ließ unterwegs wahrscheinlich Ebla zerstören.
Zunächst aber kehrten die Hethiter, die nach dem Mord an dem Großkönig in eine lange Phase innerer Instabilität gerieten, für geraume Zeit nicht wieder zurück.94 Stattdessen gelang es einem Staatenbund von Hurritern, alten Feinden der Hethiter, das Machtvakuum nach dem Sturz Aleppos für sich zu nutzen und ein Großreich zu etablieren.
Doch diesmal sahen sich die syrischen Staaten einer neuen Invasion gegenüber, denn die Ägypter, die die asiatischen Hyksos vertrieben hatten, marschierten nun ihrerseits unter Pharao Thutmosis I. bis nach Nordsyrien. Der Pharao errichete am Euphrat eine Siegesstele. Doch seine Nachfolger waren nicht an Eroberungen interessiert, und Hatschepsut ließ die verbliebenen Truppen abziehen. Dies gab dem Mittani-König Parrattarna Gelegenheit, westwärts zu marschieren, zumal dort das zerstörte Aleppo wieder begann, ein neues Herrschaftssystem aufzubauen.
Die erste Phase der Spätbronzezeit wurde auch als Periode der Vorherrschaft von Mittani und Ägypten bekannt. Diese Periode dauerte von etwa 1550 bis 1350 v. Chr. (nach der Mittleren Chronologie), bzw. ab 1600 v. Chr. (nach der Langen Chronologie).95 Dabei standen sich die Mittani, mit ihrem Zentrum im Chabur-Gebiet, und Ägypten als politische Gegner gegenüber. Wann deren Reich entstand, ist unklar. Entweder entstand Mittani nach der Mittleren Chronologie um 1700/1650–1500 v. Chr., oder erst nach dem Fall von Yamchad. Dann müsste man von einer 50 bis 100 Jahre andauernden Phase politischer Fragmentierung nach dem Abzug Murschilis I. ausgehen, womit Mittani erst 1600/1550–1500 v. Chr. entstand.96
Mittani, auch Ḫanilgabat, war Oberherr von Halab, also Aleppo, von Mukisch und Kizzuwatna (Kilikien). Ägypten versuchte, vor allem unter Thutmosis III., die Mittani aus Syrien zu verdrängen. Den Ägyptern gelang es, eine Koalition von syrischen und palästinischen Königen unter der Führung von Kadesch in der Schlacht von Megiddo 1457 v. Chr. zu besiegen. Ihnen gelang es sogar, den Euphrat zu überschreiten und dort eine Siegesstele zu hinterlassen.97 Dennoch konnte Ägypten keine direkte Herrschaft errichten, sondern nur eine Art vergleichsweise friedlicher Suprematie. Durch einen Vertrag zwischen dem Mittani-König Artatama I. und Thutmosis IV. sowie mittels einer dynastischen Ehe wurde eine längere Phase friedlicher Beziehungen eröffnet.98
Eine gewisse Bedeutung scheint die Elefantenjagd um Niya erreicht zu haben, wo sich große Elfenbeindepositen fanden, und wo Thutmosis III. 120 Tiere getötet haben soll.99 Niya wiederum sah sich selbst in gleichem Rang wie Qatna, denn deren Könige schrieben sich mit „Bruder“ an. Qatnas Königspalast – mit einer Grundfläche von 16.000 m² der größte seiner Epoche100, während Ugarits Königspalast nur 6500 m² bedeckte101 – diente vier Jahrhunderte als Residenz, bevor er um 1340 v. Chr. von den Hethitern zerstört wurde. Nördlich von Qatna lag das große Königreich von Nukasche, das sich ostwärts vom Orontes erstreckte, und zu dem enge Beziehungen bestanden – so waren die beiden Königreiche unter Adad-nirari I. zeitweise vereinigt. Weitere Machtzentren bildeten Alalach und Jamchad/Halab, sowie Städte im heutigen Libanon. In Aleppo ist der einzige Überrest aus dieser Zeit der Tempel des Sturmgottes. Den Osten Syriens, das Gebiet am Euphrat, dominierten hingegen Karkemisch und Aschtata. Karkemisch profitierte von den Eroberungen der Hethiter, da die Stadt zur Residenz des hethitischen Kronprinzen wurde; ein anderer Sohn residierte in Halab. Aschtata im Süden bildete zeitweise einen Puffer zwischen Hethitern und Mittani, wobei es sich eher um ein Bündnis mehrerer Städte handelte, von denen jede einen Ältestenrat aufwies. Wichtigste Stadt des Reiches war Emar. Ähnlich bedeutend war Ekalte (Mumbaqat). Ob Basiru (Tell Bazi) weiter im Norden zu Aschtata oder Karkemisch gehörte, ist unklar, jedoch unterstand die Stadt zeitweise den Mittani.
Die Periode von etwa 1350 bis 1200 v. Chr. war wiederum von der Dominanz des Hethiterreichs gekennzeichnet, das sich in langwierige Auseinandersetzungen mit Ägypten verwickelt sah. Den Auftakt bildete die militärische Expansion unter Šuppiluliuma I. (ca. 1355–1320 v. Chr.). Nach der Niederlage der Mittani eroberten die Hethiter das Gebiet zwischen Alalach und Ugarit im Norden und Qatna im Süden. Während Ugarit unter hethitischer Oberherrschaft prosperierte, wurde Qatna zerstört. Der ägyptische Einfluss reichte nur noch bis in die Gegend südlich von Kadesch. In der Schlacht von Kadesch kulminierte 1275 v. Chr. der Konflikt zwischen den beiden Großmächten. Da die Schlacht keine Entscheidung lieferte, einigte man sich vertraglich 1259 v. Chr. darauf, Syrien in zwei Interessensphären aufzuteilen. Die Einigung brachte dem Land wiederum mehr als ein halbes Jahrhundert relativen Friedens.
Insgesamt gilt die späte Bronzezeit als „Internationales Zeitalter“, durch intensiven Fernhandel und den Austausch von Ideen und Konzepten gekennzeichnet. Die syrischen Städte, allen voran Ugarit, verfügten über ausgedehnte Handelshäfen. Mahadu (Minet el-Beidh), Ugarits Hafen, lässt wegen der Präsenz militärische Anlagen keine Grabungen zu, ähnlich wie die Häfen von Byblos und auf der Insel Arwad, die überbaut sind. Entgegen früherer Annahmen bestand keine reine Palastökonomie, sondern eine Mischung aus Reziprozität und Redistribution bis hin zu freiem Handel. Der Tausch von Gütern zwischen den führenden Gruppen entwickelte sich schon seit langem zu einem bedeutenden ökonomischen Faktor. Andererseits verbanden inzwischen nachweisbare freie Händler ihre Tätigkeit häufig mit staatlichem Handel. Vorratshaltung und Redistribution konnten wiederum Freiräume für eigenständiges individuelles Tun liefern, aber auch von ganzen Dörfern. Wie das Schiff von Uluburun, das levantinische Waren an Bord trug, erweist, veranlassten eigenständige Händler den Fernhandel. Dabei legten Güter wie Bernstein (Löwenkopf von Qatna) oder Lapislazuli die größten Distanzen zurück. Von großer Bedeutung war der Handel mit Zypern und der Ägäis, von wo große Mengen an Keramik in den syrischen und libanesischen Metropolen entdeckt wurden. In den gegenseitigen Handel gingen wohl auch Künstler und Handwerker ein, wie die Handwerker aus der Ägäis, die offenbar am Tempel von Qatna beteiligt waren. Trotzdem bewahrte Ägypten seine traditionell große Bedeutung für den Handel.
Die nachfolgende Periode wurde von den Seevölkern beherrscht (um 1200 bis 1160 v. Chr.). Nach ägyptischen Quellen zerstörten sie nicht nur das Hethiterreich sondern auch Amurru, einen syrischen Staat zwischen Mittelmeer und Orontes.103 Von dort begannen sie einen Angriff auf Ägypten, wo sie allerdings zurückgeschlagen wurden. Von wo diese Seevölker kamen, ist seit langem umstritten. 2017 teilte die Stiftung Luwian Studies mit, dass eine luwische Hieroglypheninschrift übersetzt worden sei, die Hinweise auf die Herkunft der besagten Seevölker gebe. Die Inschrift stammt demnach aus dem Nachlass von James Mellaart. Der Archäologe George Perrot soll sie 1878 in Beyköy im Landkreis İhsaniye kopiert haben, wobei die dortigen Steinblöcke später in das Fundament einer Moschee eingemauert worden sein sollen. In der fast 30 m langen Inschrift werden Kriegszüge des Königreichs Mira geschildert, darunter ein Unternehmen von vier luwischen Herrschern mit 500 Schiffen und 10.000 Kriegern gegen Zypern, Karkemisch und Syrien, das bis an die Grenzen Ägyptens reichte.104 Möglicherweise handelt es sich bei der Inschrift jedoch nicht um eine Abschrift, sondern um eine Fälschung.
Archäologisch sind die Spuren der Seevölker an vielen Stellen zu fassen. Städte wie Ugarit (Ras Schamra), das bis dahin die bedeutendste Metropole am syrischen Küstensaum darstellte, wurden jedenfalls um 1192 v. Chr. zerstört. Ebenso erging es Emar, Alalach, Ras Ibn Hani oder Ras el Bassit, aber auch Hazor, Megiddo, Ta’anach, Gezer, Lachisch, Aschdod, Beit Mirsim und Bet Sche’an weiter im Süden.105 Das System der syrischen Stadtstaaten brach zusammen.
Parallel zu dieser Völkerbewegung kam es in der arabischen Wüste zu einer eigenen Völkerwanderung, nämlich der der Aramäer. Es handelte sich dabei um Viehnomaden und Wanderbauern, die keine zentrale Organisation akzeptierten, sondern auf der Ebene von Clans und Stämmen organisiert waren. Von dieser Bewegung wurde zunächst das Assyrerreich getroffen, das unter Tukulti-apil-Ešarra I., bekannt auch als Tiglatpilesar, die Züge der Seevölker zu seinen Gunsten hatte nutzen können. Der König zog bis in den Libanon, eroberte große Teile Syriens und errichtete für einige Zeit ein Großreich. Doch am Ende seiner Regierungszeit berichten Inschriften von Hungersnöten und unausgesetzten Kämpfen mit den besagten Aramäern. Letztere eroberten schließlich Mesopotamien, das Gebiet um Damaskus, Israel und Nordjordanien. Dabei profitierten sie von der Domestizierung des Kamels ab etwa 1300 v. Chr., das als Reit- und Lasttier dem Handel durch die Wüsten einen enormen Auftrieb gab. Zugleich gelang es, Tiefenbrunnen von großer Dauerhaftigkeit zu errichten, wozu Mörtel aus gelöschtem Kalk eingesetzt wurde. Die dritte bedeutende Innovation war die Verfügbarkeit über das Eisen, das die Philister monopolisierten. Zwar kannten schon die Hethiter das härtere Metall, doch erst die Philister schufen daraus überlegene Waffen.
Mit der aramäischen Völkerwanderung entstand die syrische Stadtstaatenvielfalt neu. Im 12. und 11. Jahrhundert wurden sogenannte ‚späthethitische Kleinkönigreiche‘ um Zentren wie Karkemisch, Ain Dara, Guzana (Tell Halaf) oder Schamal (Zincirli). Die Namen ihrer Könige, wie etwa Sapalulmi oder Mutalli verweisen auf die hethitischen Vorbilder, nämlich Schuppiluliuma und Muwatalli. Doch brachten die Aramäer keine Palastarchive hervor, so dass wir ungemein schlecht über die gesellschaftlichen Verhältnisse informiert sind. Erkennbar ist, dass die Aramäer kulturell sowohl assyrische, als auch hethitische Formen fortführten. Der Bautypus des Bit Hilani etwa fand Nachfolger in Guzana auf dem Tell Halaf, aber auch in Ain Dara. In auffälligem Gegensatz dazu dominierte das Aramäische für mehr als ein halbes Jahrtausend die sprachliche Entwicklung, ja, sie wurde sogar später zur Kanzleisprache des Perserreiches. Da das Aramäische das phönizische Alphabet adaptierte, kam es zur weiträumigen Durchsetzung dieser Umwälzung, die globale Konsequenzen bis in die Gegenwart zeitigt.
Im 10. Jahrhundert kam es zu einer Neugründung des Assyrischen Reiches. Zunächst wurde es zur Vormacht im mesopotamischen Tiefland, dann brachte Assur-nasirpal (883–859 v. Chr.) die Routen zum Mittelmeer, die bereits unter Tiglat-pileser I. kurzfristig kontrolliert worden waren, unter seine Herrschaft. Er legte Garnisonen an und unterdrückte eine Reihe von Aufständen. Sein Sohn und Nachfolger Salmanassar III. (859–824 v. Chr.) schob die Grenzen des Reiches weiter in das südliche Syrien und Südpalästina vor.
Dagegen schlossen sich mehrere Fürsten zu einer Allianz zusammen, der neben Israel auch der König von Damaskus Ben-Hadad II. angehörte. In der Schlacht von Qarqar konnte diese Koalition ansonsten rivalisierender Herrscher 853 v. Chr. den assyrischen Vormarsch zumindest stoppen – beide Seiten schrieben sich am Ende den Sieg zu. Im Norden leistete Urartu den Assyrern ebenfalls erfolgreich Widerstand. Die Kämpfe wurden offenbar mit großer Grausamkeit geführt, immer wieder kam es zu Strafexpeditionen und Massendeportationen.
Kulturell hielten die Stadtstaaten zäh an älteren hethitisch-aramäischen Formen fest. In Guzana, wo ab 808 v. Chr. ein assyrischer Gouverneur residierte, machte sich als erstes der assyrische Einfluss am Ost-Palast geltend. Die Residenz von Chadatu (Arslan Taş) aus dem 8. Jahrhundert gilt bereits als Nachahmung des königlichen Palastes von Nimrud.
Erst Tiglat-pileser III. (745–726 v. Chr.) begnügte sich nicht mehr mit Steuern und indirekten Einnahmen oder Tributen, sondern versuchte die unmittelbare politische Kontrolle durchzusetzen. 733 v. Chr. stießen die Assyrer gegen Damaskus vor, über dessen König der Assyrer triumphierte: „Jener floh allein, um sein Leben zu retten, und ging durch das Tor seiner Stadt wie eine Gans. … 45 Tage lang lagerte ich um seine Stadt und hielt ihn gefangen wie einen Vogel im Käfig.“ Wohl im folgenden Jahr wurde die Stadt erobert. Als Karkemisch 717 v. Chr. fiel, gehörte der gesamte syrische Raum zum Großreich der Assyrer. Dabei wurde auch eine Reihe kleinerer Städte zerstört, aber auch Arpad im Norden (Tall Rifaat), dessen Unterstadt eine Fläche von 120 ha aufwies, wie Satellitenbilder zeigten. Damit zählte die Stadt zu den größten der Levante.106 Die Assyrer standen schließlich an der ägyptischen Grenze. 667 v. Chr. eroberten sie unter Assurbanipal sogar Waset, das die Griechen Theben nannten.
Die Infanterie bestand aus gepanzerten Lanzenträgern, Speerwerfern, gepanzerten Bogenschützen und Schleuderern. Bei Belagerungen wurden für einfache Arbeiten, wie den Bau von Rampen, einheimische Zwangsarbeiter eingesetzt. In günstigem Terrain konnte die Armee täglich 20–25 km zurücklegen.107 Zur Kavallerie gehörten zweirädrige Streitwagen. Assyrische Reiter sind seit Adad-nirari II. (911–891) nachgewiesen, sie werden im Einsatz gegen die Aramäer beschrieben.108 Eine eigene Flotte gab es nicht. Man zog stattdessen Seeleute aus den phönizischen und später zypriotischen Hafenstädten heran. Um größere Wasserläufe zu überqueren, wurden aufgeblasene Ziegenhäute eingesetzt.109
Erst ein Aufstand im späten 7. Jahrhundert machte dem überaus aggressiven Großreich der Assyrer, das vor Massendeportationen und öffentlichen Grausamkeiten in bis dahin ungekanntem Ausmaß nicht zurückchreckte, und dessen militärische Expansion als Vorbedingung für seine Existenz gilt, ein Ende. Ein babylonisches Heer unter König Nabopolassar (Nabû-apla-uṣur) zog nach Assyrien, 614 v. Chr. fiel die Stadt Aššur und 612 v. Chr. nach langem Kampf auch Ninive. Bis 605 v. Chr. gelang es den Babyloniern, sich als neues Großreich auch gegen Ägypten durchzusetzen. Im Gegenzug unterstützte Ägypten das 13 Jahre lang belagerte Tyrus mit seiner Flotte.
In Syrien kam es zu keinerlei Aufständen mehr, wozu die überaus brutale Herrschaft der Assyrer ihren Beitrag geleistet haben dürfte. In dieser von den Babyloniern fortgesetzten Zeit externer Großmächte wandelte sich die religiöse Welt insofern, als die Astrologie einen hohen Stellenwert erlangte, und damit die Vorhersage der Zukunft. Unter dem astrologischen Blick der Chaldäer verloren die Götter ihre Wirkmacht, wurden Teil eines himmlischen Prinzips.
Die Dominanz der Babylonier, der Chaldäer, brachen erst Meder und Perser. Die Provinzen wurden von Satrapen regiert, die einem Großreich angehörten, das von Ägypten bis nach Indien reichte. Nach Herodot bildete Syrien, das bis an die ägyptische Grenze, Kilikien und den Euphrat reichte, den fünften Steuerbezirk der insgesamt 23 Satrapien des Perserreiches. Jährlich mussten 350 Talente Silber an den Königshof nach Pasargadai abgeliefert werden.
Das Aramäische wurde zur lingua franca des Nahen Ostens, ja, großer Teile des Perserreiches. Die Könige Xerxes I. und Artaxerxes I. unterhielten eine königliche Residenz in Damaskus. Dabei wurde Syrien-Palästina über Jahrzehnte zum Grenzland des Perserreiches, denn Ägypten machte sich 404 v. Chr. von den Persern unabhängig. Als sich 385 bis 383 v. Chr. die phönizischen Städte gleichfalls gegen die Perser erhoben, drohte von der Ägäis und von Ägypten-Syrien her eine Ausweitung der territorialen Verluste.
Pharao Amyrtaios regierte zwar zunächst nur in Unterägypten, doch vier Jahre später wurde er auch in Oberägypten anerkannt. Nepherites I. kam durch die Hinrichtung des Amyrtaios an die Macht. König Hakor (393–380 v. Chr.) verbündete sich mit den Griechen gegen die Perser, die erneut versuchten, nach Ägypten vorzudringen. Nektanebos I. (380-362 v. Chr.) riss schließlich die Macht an sich; während seiner Regierungszeit erfolgte eine Aufrüstung des Heeres, um gegen Persien gewappnet zu sein. Sein zum Mitregenten erhobener Sohn Tachos (Teos) zog nach dem Tod seines Vaters 359 v. Chr. nach Phönizien, um in einem Bündnis mit den Griechen König Artaxerxes II. anzugreifen. Der Spartanerkönig Agesilaos II. führte die griechischen Söldner, der Athener Chabrias die Flotte. Das Oberkommando übernahm Teos. Sein Bruder, den er als Statthalter in Ägypten eingesetzt hatte, nutzte jedoch die Zeit der Abwesenheit und usurpierte für seinen Sohn Nektanebos II. mit Unterstützung der Priesterschaft den Thron. Der Spartaner entschied sich angesichts der veränderten Situation nach einem Schreiben aus seiner Heimat, mit den Söldnern die Fronten zu wechseln, obwohl der Athener noch versucht hatte, ihn auf der Seite des bisherigen Pharaos zu halten, wie Plutarch (Leben des Agesilaos, 36–39) berichtet.
Artaxerxes III. unternahm nicht weniger als drei Versuche, das Land zu erobern, denn es spielte eine für Persien gefährliche Rolle in den Aufständen im Reich und im Kampf mit den Griechen. 361/360 standen 10.000 Söldner auf ägyptischer Seite, und als Artaxerxes 343/342 das Land erfolgreich angriff, standen Nektanebos 20.000 Mann zur Verfügung. Der Versuch des Großkönigs von 351/350 v. Chr. Ägypten zu unterwerfen war noch gescheitert, was die Phönizier unter Sidons Führung erneut zu einem Aufstandsversuch veranlasst hatte. Doch die Wiederaufrichtung der persischen Herrschaft am Nil überdauerte kaum ein Jahrzehnt. König Dareios III. musste sich 333 v. Chr. in der Schlacht bei Issos dem anrückenden makedonischen Heer unter Alexander dem Großen geschlagen geben.
Nachdem Alexander der Große den persischen König Dareios III. besiegt hatte, wandte er sich nach Süden. Er belagerte Tyros, eroberte nach zweimonatiger Belagerung Gaza und zog dann nach Ägypten weiter. Sein General Parmenion zog nach Damaskus, wo ihm die persische Kriegskasse in die Hände fiel. Die überrumpelte persische Garrison übergab ihm fast 55 t Gold, große Mengen Silber, 329 Musikerinnen, 306 Köche sowie weitere Hofangehörige, dazu alle Frauen des Hofes. Parmenion brauchte für den Abtransport dieser gewaltigen Beute 7.000 Packtiere. Im Sommer 331 v. Chr. kehrte Alexander mit seiner Armee nach Syrien zurück, um nach Osten aufzubrechen. Das Angebot des Perserkönigs, ihm alle Gebiete westlich des Euphrats zu überlassen, hatte der Makedone abgelehnt.
Alexander, der am 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon starb, hatte vor seinem Tod seinen Siegelring an Perdikkas übergeben und ihm damit „gewisse ordnende Funktionen“ „in der Zeit unmittelbar nach dem Tod des Königs“ übertragen.110 Einige, wie Perdikkas, sprachen sich für ein Gesamtreich unter einem Statthalter als Vormund für die Erben aus, andere, wie Ptolemaios, dafür, die führenden Mitstreiter des Verstorbenen in ein Gremium zu berufen, in dem alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden sollten.111 Die Entscheidung darüber, welcher General die Kontrolle über welche Satrapie erhalten sollte, konnte Perdikkas nicht treffen. Er musste sich mit den makedonischen Vornehmen beraten. In der „Reichsordnung von Babylon“ wurden 323 die Satrapien den einzelnen Generälen übertragen.112 Philippos Arrhidaios, der spätere König Philipp III. von Makedonien und Halbbruder Alexanders, und der erwartete Sohn der schwangeren baktrischen Frau Alexanders, Roxane, wurden zu Königen gewählt. Perdikkas erhielt für sie das Sorgerecht. Doch alle drei wurden später ermordet.
Perdikkas rückte mit einer großen Streitmacht 321 v. Chr. nach Ägypten vor. Ptolemaios konnte ihn jedoch bei Memphis zurückschlagen. Auf der Konferenz von Triparadeisos wurde das Reich drei Jahre nach Alexanders Tod aufgeteilt.
Die Satrapie Babylon wurde an den späteren Seleukos Nikator übertragen, der ein hoher Offizier während des Alexanderzuges gewesen war. Nach einem Angriff von Antigonos I. Monophthalmos, ‚des Einäugigen‘, des mächtigsten Diadochen und Befürworters der Reichseinheit, musste Seleukos 315 an den Hof Ptolemaios’ nach Ägypten fliehen, kehrte aber 312 nach Babylon zurück. Dieses Datum wurde von den Seleukiden als Beginn ihrer Herrschaft angesehen. 305 v. Chr. nahm Seleukos, wie die übrigen Diadochen, den Königstitel an und gründete 305 v. Chr. Seleukeia am Tigris als neue Residenzstadt.
Mit seinen beiden Verbündeten Lysimachos und Kassander zog Ptolemaios seinerseits gegen Antigonos Monophthalmos, den Nachfolger des ermordeten Perdikkas, in den Krieg. Er konnte bei Gaza 312 v. Chr. das Heer des Sohnes des Antigonos besiegen und er wurde in einem Friedensvertrag als ägyptischer Satrap bestätigt. Nach dem Sieg von 306 über den zweiten, der versuchte Ägypten zu erobern, über Antigonos Monophthalmos selbst, der noch immer die Sache des Einheitsreiches verfocht, und der 301 in der Schlacht von Ipsos ums Leben kam, etablierten sich die Reiche der Diadochen.
Seleukos, einer der Sieger, nahm daraufhin Syrien als zweites Zentrum neben Babylon in Besitz, musste allerdings auf Koilesyrien verzichten, das von den Ptolemaiern besetzt wurde. Er gründete mehrere griechische Städte in Syrien, von denen das 300 v. Chr. begonnene Antiocheia am Orontes, benannt nach dem Vater des Seleukos, als zweite Residenz fungierte.
Antigonos’ Sohn Demetrios I. Poliorketes zog 285 v. Chr. mit seinem Heer nach Syrien, wurde jedoch von Seleukos geschlagen und gefangengenommen. 281 griff Seleukos seinen Rivalen Lysimachos unter dem Vorwand an, für die Rechte von dessen vertriebener Schwiegertochter einzutreten.113 In der Schlacht bei Kurupedion siegte Seleukos 281 und brachte Kleinasien an sich, so dass er zum mächtigsten Diadochen wurde. Nachdem er jedoch den Hellespont überquert hatte, um seine Herrschaft auch in Makedonien durchzusetzen, wurde er von Ptolemaios Keraunos ermordet. In Kleinasien erkämpften sich die Königreiche Pergamon, Bithynien, Pontos und Kappadokien ihre Selbstständigkeit. In den Diadochenkriegen fiel Palästina an Ptolemaios I.. Judäa blieb von 301 bis 198 v. Chr. unter den Ptolemäern eine relativ autonome Provinz. Dabei verlagerte sich der Seehandel von den bisher vorherrschenden Hafenstädten Sidon und Tyros südwärts nach Akko.
Insgesamt kam es zu fünf Kriegen zwischen Ptolemäern und Seleukiden. Im Dritten Syrischen Krieg (246–241 v. Chr.) eroberten die ptolemaiischen Truppen Syrien kurzzeitig und drangen bis nach Mesopotamien vor, als ein Aufstand in Ägypten ihre Rückkehr erzwang. Im Vierten Syrischen Krieg konnte Antiochos III. „der Große“ zunächst einen Großteil Koilesyriens erobern, bis er 217 in der Schlacht bei Raphia dem ägyptischen Heer unterlag.
Im Fünften Syrischen Krieg (202–195 v. Chr.) eroberte Antiochos III. 198 v. Chr. Koilesyrien, nachdem er zwei Jahre zuvor die Ptolemäer bei Panion besiegt hatte. Doch geriet er bald mit einer neuen Großmacht in Konflikt, nämlich mit Rom, ein Kampf, der als Römisch-Syrischer Krieg bekannt ist, und der von 192 bis 188 v. Chr. dauerte. Antiochos verbündete sich mit dem Aitolischen Bund und landete 192 auf dessen Einladung in Griechenland, wodurch er den Krieg mit Rom auslöste. Er unterlag zunächst in der Schlacht an den Thermopylen. Nach einer weiteren Niederlage musste Antiochos im Frieden von Apameia 188 alle seleukidischen Gebiete in Thrakien und Kleinasien, außer Kilikien, an Roms Alliierte, vor allem Rhodos und Pergamon, abtreten. Der Tod des Königs hatte zur Folge, dass sich das Seleukidenreich bald auf Syrien, Palästina, Kilikien, das Zweistromland und den westlichen Iran beschränkte. Im Osten nahm der Druck des Partherreiches zu, im Westen war immer stärker mit römischen Interventionen zu rechnen. Dies erwies sich als entscheidend, denn am Tag von Eleusis zwang Rom 168 v. Chr. die Seleukiden durch eine bloße Gesandtschaft, die mit Krieg drohte, das praktisch bereits eroberte Ägypten kampflos wieder aufzugeben. Innere Machtkämpfe schwächten die Seleukiden weiter.
Spätestens nach 141/140 v. Chr.114 nutzten die Parther unter ihrem König Mithridates I., der den altpersischen Königstitel annahm, den in Syrien herrschenden Bürgerkrieg aus. Seine Armee überrannte die östlichen Gebiete der Seleukiden, allen voran Babylonien, Medien, Persis, so dass das Herrschaftsgebiet des Königs Demetrios II. im Osten am Oberlauf von Euphrat und Tigris endete. Im Vorfeld der entscheidenden Niederlage des großen, angeblich 100.000 Mann starken Heeres unter Antiochos VII. Sidetes gegen die Parther im Jahr 129 v. Chr. hatte sich bereits um 133 v. Chr. Ostsyrien unter dem Namen Osrhoene selbstständig gemacht. Dieses Königreich basierte auf eingesickerten arabischen Stämmen unter Führung der Abgariden. Im Gebiet der Bekaa-Ebene machten sich die Ituräer unabhängig. Zudem drangen die Nabatäer, die seit etwa 400 v. Chr. die nördliche Weihrauchstraße kontrollierten, um 130 v. Chr. mit Handelsstützpunkten und Tempelbauten nordwärts. Demetrios II. wurde zwar nach zehnjähriger parthischer Gefangenschaft freigelassen und er bestieg ein zweites Mal den syrischen Thron, doch als er 129/128 in die ägyptische Politik einzugreifen versuchte, baute Ptolemaios VIII. einen angeblichen Nachkommen Alexanders I. Balas, Alexander II. Zabinas (129/128–123), als Gegenkönig auf, der sich in einem Teil Syriens durchsetzen konnte, vor allem um Antiocheia und Apameia. 125 v. Chr. besiegte er bei Damaskos Demetrios II.
Obwohl das Seleukidenreich nur noch eine Regionalmacht darstellte, tobten die dynastischen Kämpfe weiter. Kleopatra Thea (125–121), die nacheinander die Frau von Alexander Balas, Demetrios II., Antiochos VII. und danach wieder von Demetrios II. gewesen war, ließ ihren Mann ermorden und übernahm selbst die Regierung über den ihr verbliebenen Teil Syriens. Ihren ältesten Sohn von Demetrios, Seleukos V. (125), ließ sie gleichfalls ermorden, da dieser die Alleinherrschaft forderte. Zur Legitimation ihrer Herrschaft teilte sich Kleopatra den Thron mit ihrem jüngeren Sohn Antiochos VIII. Grypos (125–96). Dieser besiegte 123 v. Chr. Alexander Zabinas und ließ 121 seinerseits seine Mutter Kleopatra Thea ermorden, wodurch er vorübergehend zum alleinigen Herrscher Syriens wurde.
115 v. Chr. kehrte sein Halbbruder Antiochos IX. Kyzikenos (115–96), der aus der Ehe zwischen Antiochos VII. und Kleopatra Thea hervorgegangen war, aus dem Exil zurück. Er setzte sich mit ptolemaiischer Unterstützung im südlichen Syrien durch. Fast zwanzig Jahre lang kämpften beide um die Herrschaft, wobei sie wechselseitig durch verschiedene ptolemaiische Fraktionen unterstützt wurden. Während dieser Zeit gewannen die syrischen Städte an Einfluss, während sich die Römer in Kilikien und die Makkabäer in Koilesyrien festsetzten. 96 wurde auch Antiochos VIII. ermordet, doch besiegte und tötete sein ältester Sohn Seleukos VI. Epiphanes (96–95) seinen Onkel Antiochos IX. Kyzikenos. Dessen Sohn Antiochos X. Eusebes (95–83) schlug wiederum seinen Cousin und kämpfte anschließend gegen dessen Brüder Antiochos XI. Epiphanes (95–92), Demetrios III. Eukairos (95–87), Philipp I. Philadelphos (92–83) und Antiochos XII. Dionysos (87–84), die sich auch untereinander bekriegten.
Die Bevölkerung war den ständigen Kriegen weitgehend schutzlos ausgesetzt. 84 v. Chr. suchten die Bewohner von Damaskus Schutz bei den Nabatäern gegen die räuberischen Ituräer. Bis 72 v. Chr. blieb die Stadt in der Hand der Nabatäer. Fast zur gleichen Zeit, im Jahr 83 v. Chr., nutzte der armenische König Tigranes II. das dynastische Chaos aus und besetzte das, was vom einstigen Großreich übriggeblieben war, nämlich Syrien. Als Verbündeter und Schwiegersohn von Mithridates VI. von Pontos, der Rom herausforderte, geriet Tigranes jedoch mit der Großmacht Rom in Konflikt und wurde 69 vom Feldherrn Lucullus besiegt. Daraufhin wurde durch Rom mit Antiochos XIII. Asiatikos (69–64), dem Sohn Antiochos’ X., die seleukidische Herrschaft in Syrien wiederhergestellt. Nach einem gescheiterten Feldzug gegen die Araber wurde jedoch Philipp II. Philorhomaios (65–63), der Sohn Philipps I., zum Gegenkönig erhoben. Schließlich, als die Nachkommen des Generals Seleukos begannen, erneut in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, entschied der römische Feldherr Pompeius im Jahr 63 v. Chr. der seleukidischen Herrschaft ein Ende zu setzen, indem er das Gebiet zur römischen Provinz Syria machte.
Die größten Bevölkerungsgruppen im Seleukidenreich stellten Griechen bzw. Makedonen, Iraner und Babylonier dar. Anstelle der iranischen Eliten stützte sich das Reich nun mehrheitlich, wenn auch nicht ausschließlich, auf die griechisch-makedonische Bevölkerung. Die Annahme einer ethnischen Grenzlinie zur Macht gilt als überholt.115 Besonders die frühen Seleukidenkönige gründeten über einhundert neue Poleis in Syrien, Mesopotamien, Babylonien, dem Iran und Baktrien, um stabile Stützpfeiler ihrer Dynastie zu errichten. Nur im Westen des Reiches, vor allem in Kleinasien und Syrien, wurde eine dauerhafte Hellenisierung in Gang gesetzt. Unter Antiochos IV. war diese Entwicklung ein Grund für den Aufstand der Makkabäer.
Die Seleukiden kannten zwei unterschiedliche Arten von Städten: relativ autonome Bürgerstädte (Poleis) und Militärkolonien. Erstere waren zum Beispiel die Griechenstädte in Ionien, denen gegenüber sich die Seleukidenkönige möglichst tolerant verhielten; teils auch wegen der Konkurrenz der Ptolemäer und Attaliden, die dort ebenfalls Einfluss ausübten. Auch wenn diese Städte zum Reich gehörten, behielten sie daher formal ihre Autonomie und wurden in der Ausübung der lokalen Gesetzgebung wenig gestört, solange nur regelmäßig Tribute entrichtet wurden. Um diese Königsherrschaft in eine für die Griechenstädte akzeptable Form zu bringen, gewährten die Seleukiden ihnen oft formal die „Freiheit“; dafür ließen sie sich dann von den Bürgern als Euergeten verehren und mit „Geschenken“ statt Steuern bedenken. Auch der Herrscherkult gehört in diesen Zusammenhang und ging äußerlich von den Poleis aus; erst unter den späteren Königen (seit Antiochos III.) wurde ein Dynastiekult eingefordert. Die makedonischen Militärkolonien unterstanden im Gegensatz dazu vollständig dem Willen des Königs. Ihre griechisch-makedonischen Bewohner dienten den Seleukiden als Reservoir für die Phalanx, das Herzstück des Heeres.
Die nicht-griechische Bevölkerung wurde in geringerem Ausmaß an der Reichsregierung beteiligt. Die Mitglieder der zentralen und regionalen Verwaltung rekrutierten sich aus den Freunden des Königs, so dass sie im Regelfall griechischer Abstammung waren – später zumindest griechische Namen trugen. Die einzelnen Nationalitäten wurden allerdings auf lokaler Ebene von ihren eigenen Eliten regiert. Die Seleukidenkönige bemühten sich aber von den einzelnen Völkern nicht als Fremde wahrgenommen zu werden. Schon Seleukos I. konnte sich in Babylonien nur gegen Antigonos durchsetzen, weil er die Zustimmung der Bevölkerung genoss.
Wie bei fast allen Reichen im Altertum und bis weit in die jüngere Geschichte war auch im Seleukidenreich die Bodenbearbeitung Grundlage des wirtschaftlichen Systems.116 Der überwiegende Teil der Bevölkerung bestand aus weitgehend rechtlosen Bauern, die als „Leibeigene“ an den Boden gebunden waren. Der Grundbesitz befand sich entweder in den Händen des Königs, der regionalen Adligen, der Städte oder der Tempel.
Die Bauern in den Dörfern und den königlichen Ländereien trugen zu einem großen Teil zu den Einnahmen des Reiches bei. Zusätzlich vergaben die Könige Land an verdiente Privatpersonen aus dem Verwaltungs- oder Militärstab. Diese „Lehen“ waren allerdings nicht erblich und fielen nach dem Tod der Lehnsmänner an den König zurück, der sie neu verleihen konnte. Von besonderer Bedeutung waren die Militärkolonien (Kleruchien), in denen die griechisch-makedonischen Veteranen angesiedelt wurden, und die dem König unterstellt waren.
Der Nahhandel bestand in erster Linie aus dem Transport von Getreide aus den Dörfern in die Städte. Der Fernhandel trug durch Reisezölle zur Finanzierung des königlichen Haushaltes bei. Die Seleukiden profitierten anfangs von ihrer günstigen Lage an der Seidenstraße und bauten die Transportwege und -häfen beständig aus. Wichtigstes Exportgut des Seleukidenreiches waren Sklaven. Da im eigenen Land aufgrund der Leibeigenschaft nur wenig Bedarf für Sklaverei bestand, wurden Gefangene aus eroberten Städten nach Griechenland und Italien verkauft.
Die Städte Syriens waren auf Metallschmuck (Gold, Silber, Bronze) sowie Keramik spezialisiert und exportierten ihre Erzeugnisse in den Iran oder nach Griechenland. Des Weiteren wurden syrische Maurer und Mosaikleger angeheuert. Außerdem taten sich die syrischen wie auch phönizischen Handwerker in der Glasgießerei und dem Schiffbau hervor. Die Städte Mesopotamiens und Babyloniens waren weiterhin in der Tuchproduktion vorherrschend. Asphalt zum Straßenbau wurde am Toten Meer gewonnen.
Syrien setzte unter königlicher Ägide die Kolonisierungspolitik der Griechen fort, indem vor allem dort neue Städte gegründet oder umgebaut wurden. Zugleich wurde Syrien zwar zu einem „verpflanzten Makedonien“ im Zuge der Hellenisierung, doch bestanden ältere Traditionen fort, die sich auch in der Verwaltung (Satrapien), in Kult- und Gottesvorstellungen, bis hin zur „asiatischen Wirtschaftsdespotie“ niederschlugen. Alles gehörte prinzipiell dem König, eine abstrakte Staatsvorstellung spielte kaum eine Rolle. Die Poleis verloren, wenn sie diese in Syrien überhaupt jemals aufgewiesen haben, ihre Freiheiten. Der König konnte prinzipiell auf jeden Untertanen zugreifen. Nur Tempelland war davon ausgenommen.
Als Amtssprache des Seleukidenreiches fungierte auf der höchsten Verwaltungsebene Griechisch, darunter aber vor allem das von den Achaimeniden übernommene Aramäisch.117 Im Osten wurden zusätzlich königliche Dekrete in den iranischen Sprachen verfasst. Die übrigen Sprachgruppen nahmen während der Seleukidenherrschaft zahlreiche griechische Begriffe in ihren Wortschatz auf.
Der dynastische Kult war ursprünglich für die verstorbenen Herrscher gedacht, wurde jedoch im 2. Jahrhundert v. Chr. auch auf die lebenden Könige und ihre Familie ausgedehnt. Der Herrscherkult war in erster Linie politischer und nicht religiöser Natur. Er sollte die Seleukidenherrschaft im gesamten Reich sakral überhöhen und bot zudem den Mitgliedern der Dynastie leichten Zugang zu Priesterämtern für ihre verstorbenen Vorfahren. Da der griechische Gott Apollon als Stammvater der Dynastie galt, wurden dessen Heiligtümer in Delphi, Delos und vor allem Didyma finanziell gefördert.
Im Gegensatz zum ptolemaiischen Alexandria und dem attalidischen Pergamon existierte im Seleukidenreich kein geistiges Zentrum. Dies hing damit zusammen, dass der König und sein Hofstaat nirgendwo dauerhaft residierten, sondern wanderten. Dennoch hielten sich am Hof bedeutende Dichter und Denker der hellenistischen Epoche auf. Die Könige stellten darüber hinaus führende Mediziner wie Erasistratos und dessen Schüler als Leibärzte an. Der Priester und Philosoph Berossos verfasste im Auftrag Antiochos’ I. eine Geschichte Babylons. Antiochos III. förderte den Dichter Euphorion und einige Historiker. Des Weiteren unternahmen seleukidische Forscher mehrere Entdeckungsreisen zum Kaspischen Meer, zum Persischen Golf oder zum Ganges.
Dabei vollzog sich eine Verbindung von Astrologie, Mysterienkulten und Neuplatonismus, es entstanden zahlreiche neue Heiligtümer und Tempel, die Bürgerschaft beteiligte sich an Prozessionen von großer Prachtentfaltung. Die Vielfalt nebeneinander existierender Religionen, dazu die Suche nach Eudaimonie, war kennzeichnend für einen Jahrhunderte währenden Weg, den Syrien noch stärker betonte als andere hellenisierte Gebiete. Der griechische Heroenkult bot die Basis für den Herrscherkult, den die orientalischen Kulte, sieht man von Ägypten ab, nicht kannten. Selbst der durch seine Machtfülle und Distanz weit entrückte Perserkönig galt nur als Auserwählter des Ahura Mazda, nicht als sein Sohn. Im Gegensatz dazu berief sich bereits Alexander auf Achilles, dann Herakles, und vollends in Ägypten auf Zeus als seinen Erzeuger.
Unsere Kenntnisse zum römischen Syrien sind weiträumig, lückenhaft und verstreut, konstatierte 1978 Jean-Paul Rey-Coquais.119 Klar ist, dass Rom seine Ostgrenze mit der Einrichtung von Klientelkönigtümern abzusichern suchte. Zu diesen zählten Kolchis, Armenien, Kommagene, Edessa oder Nabatäa. Auch innerhalb Syriens bestanden entsprechende Regionalherrschaften fort, wie etwa in Palmyra oder in Emesa. Im südlichen Syrien schuf Pompeius, in Anknüpfung an entsprechende Polis-Traditionen, eine Städtelandschaft, die Dekapolis, zwischen Damaskus im Norden und Philadelphia (heute Amman) im Süden. Dessen 10 bis 18 Mitglieder gehörten zwar zur Provinz Syria, genossen jedoch Autonomierechte.
Palästina und Syrien wurden zur römischen Provinz Syria vereint und dem Statthalter Scaurus dem Jüngeren unterstellt. Dessen Nachfolger Aulus Gabinius schlug einen Aufstand der Anhänger der Hasmonäer nieder und zerstörte deren Festungen. 54 v. Chr. wurde Marcus Licinius Crassus, neben Caesar und Pompeius Mitglied des ersten Triumvirats, als Nachfolger des Gabinius Statthalter von Syria. Sein Interesse galt dabei nicht der Provinz, sondern der Vorbereitung eines Feldzugs gegen die Parther. Doch in der Schlacht bei Carrhae kamen in einer verheerenden Niederlage 20.000 Soldaten ums Leben, darunter Crassus selbst und sein Sohn, 10.000 gerieten in Gefangenschaft.
Aus der Schlacht konnte sich Gaius Cassius Longinus mit seinem Truppenteil retten. Nach Syria zurückgekehrt trat er die Nachfolge von Crassus an. Nachdem er die Grenzen der Provinz gegen nachdrängende Parther gesichert hatte und Alexander, Sohn des Aristobulos zum Frieden verpflichtet hatte, schlug er in Judäa einen Aufstand von Anhängern des Aristobulos bei Tarichea am See Genezareth nieder, verkaufte 30.000 aufständische Juden in die Sklaverei und ließ Pitholaos, einen ihrer Anführer, auf Anraten des Antipatros hinrichten (Jos. Bell. 1.180).
Gegen einen ptolemäischen Expansionsversuch im Süden erschien Pompeius an der Küste, wohin er nach seiner Niederlage bei Pharsalos geflohen war. Der römische Feldherr, der wegen seines Freundschaftsverhältnisses zu Ptolemaios XII. als Vormund von dessen Sohn auftreten konnte, bat die ägyptische Regierung um Unterstützung und Aufnahme. Pompeius wurde jedoch ermordet. Zwei Tage später landete sein Hauptgegner Gaius Iulius Caesar in Ägypten. Nach der Ermordung Caesars floh Kleopatra 44 v. Chr. nach Ägypten, wo sie bald ihren Bruder beseitigen ließ.
Als 40 v. Chr. Antigonos und die Parther in Syria und Judäa einfielen, floh König Herodes nach Rom. Dort wurde er unter dem zweiten Triumvirat, bestehend aus Octavian, Marcus Antonius und Lepidus, zum König von Jerusalem ernannt. Nach der Eroberung von Jerusalem und dem Sieg über Antigonos wurde dieser auf Befehl von Marcus Antonius hingerichtet. Kleopatra gewann nun das Herz des Marcus Antonius, der ihr 36 v. Chr. die früheren ptolemäischen Gebiete in Syrien und Kleinasien zuerkannte. Nachdem jedoch die Flotten des Antonius und der Kleopatra 31 v. Chr. in der Schlacht bei Actium von Octavian, dem späteren Augustus besiegt worden waren, fiel das Ptolemäerreich an Rom.
Nach dem Tod des Herodes teilte Augustus sein Reich unter seine Söhne Herodes Antipas (Galiläa und Peräa), Herodes Archelaos (Judäa und Samaria) und Herodes Philippos (Ituräa, Golan, Trachonitis) auf. Der älteste Sohn Archelaos erhielt den größten Teil des Königreichs, während Antipas und Philippos kleinere Herrschaftsbereiche zugeteilt bekamen. Dabei erbrachten die nördlichen, nach Osten gegen die Wüste offenen Landstriche, die Herodes Philippos als Landesherr regierte, nur einen jährlichen Steuerertrag von 100 Talenten. Hingegen erbrachten die Gebiete des Ethnarchen Archelaos 600 Talente pro Jahr. Philippos ließ die an den Quellen des Jordan gelegene Stadt Paneas ausbauen und gab ihr zu Ehren des Kaisers Tiberius den Namen Caesarea (Philippi). Flavius Josephus (Altertümer, XVIII 4,6) berichtet: „Er war seinen Untertanen ein milder Herrscher und ruhigen Gemütes, brachte auch sein ganzes Leben in seinem eigenen Lande zu. So oft er sich aus seinem Hause begab, nahm er nur wenige Auserlesene mit und ließ sich den Thronsessel, von dem aus er Recht sprach, auf allen Wegen nachtragen. Begegnete ihm dann jemand, der Hilfe und Beistand begehrte, so wurde der Sessel sogleich aufgestellt, und nun hielt er Untersuchung ab, bestrafte die Schuldigen und sprach die unschuldig Angeklagten frei.“ Die Tetrarchie des Philippos wurde nach seinem Tod im Jahr 34 n. Chr. von Kaiser Tiberius der Provinz Syria zugeschlagen, im Jahr 37 erhielt sein Verwandter Herodes Agrippa I. das Gebiet von Kaiser Caligula.
Herodes Agrippa I. war der Sohn des jüdischen Prinzen Aristobulos, Sohn des Herodes, und dessen Frau Berenike und damit ein Enkel König Herodes’. Einer seiner Brüder war Herodes von Chalkis, der Herrscher des Königreichs Chalkis von 44 bis 48. Sein anderer Bruder war Aristobulos der Jüngere, der mit Jotape, der Tochter des Königs Sampsigeramos II. (14–48) von Emesa verheiratet war. Herodes Agrippa wurde in Rom zusammen mit Drusus, dem Sohn des Tiberius, sowie mit dem späteren Kaiser Claudius erzogen. Wie Flavius Josephus berichtet, dachte der aus Rom geflohene, völlig überschuldete Agrippa in seiner Verzweiflung an Selbstmord, doch seiner Ehefrau Kypros, einer Enkelin Herodes des Großen, gelang es, dies abzuwenden, indem sie Unterstützung von Herodes Antipas und dessen Gattin Herodias erbat. Doch erst dank der finanziellen Hilfe des reichen Juden Tiberius Iulius Alexander konnte er 35/36 wieder nach Rom zurückkehren. Im Jahre 37 eröffneten sich Agrippa, der von seinen Kontakten zu den führenden Persönlichkeiten in Rom profitieren konnte, neue Perspektiven: Kaiser Caligula ernannte ihn zum König der Tetrarchie des verstorbenen Herodes Philippos und zwei Jahre später auch für das Gebiet des nach Südgallien verbannten Herodes Antipas. Im Jahre 41 erhielt Agrippa von Claudius zusätzlich die Gebiete des Herodes Archelaos. Damit umfasste sein Machtbereich das gesamte Gebiet seines Großvaters.
Wohl im Jahr 42 versammelte Agrippa in Tiberias die von Rom abhängigen Klientelkönige. Diese waren sein Bruder Herodes von Chalkis, Polemon II. von Pontos, Kotys von Kleinarmenien, Antiochos IV. von Kommagene und Sampsigeramos von Emesa, der Schwiegervater seines Bruders Aristobulos. Der anscheinend zu dieser Konferenz nicht eingeladene, aber noch während des Königstreffens in Tiberias erschienene römische Statthalter von Syrien Vibius Marsus sandte Boten an die königlichen Gäste, um sie zur Rückkehr in ihre Heimat auffordern zu lassen. Herodes Agrippa I. bat den Kaiser brieflich mehrmals – allerdings vergeblich – darum, an Marsus' Stelle einen neuen Statthalter zu entsenden. Sein Sohn Herodes Agrippa II. war zu jung, um die Nachfolge anzutreten. Das Königreich wurde daher zur römischen Provinz umgewandelt und von römischen Prokuratoren verwaltet. Von 50 bis 70 war Herodes Agrippa II. der letzte Hasmonäerkönig. Erst nach dem Tod seines Onkels Herodes von Chalkis übernahm er die Königswürde und die Oberaufsicht über den Tempeldienst in Jerusalem, mit dem Recht, den Hohepriester einzusetzen. Er wurde dadurch zum religiösen Oberhaupt aller Juden sowohl in Palästina als auch in der Diaspora. Dabei setzte er sich 53 für die Juden von Alexandria ein; im selben Jahr erhielt er von Claudius anstelle von Chalkis in Syrien die ehemalige Tetrarchie des Herodes Philippos, also die Landschaften Batanaea, Trachonitis und Gaulanitis, sowie die Gebiete des Lysanias. 64 überließ ihm Kaiser Nero die Städte Tiberias und Tarichea in Galiläa und Julias in Peräa mit den umliegenden Dörfern.
Die römische Expansion Richtung Osten kam trotz der zunehmenden Romanisierung ins Stocken. Eine Reihe von Aufständen, vor allem im südlichen Palästina, später auch in Syrien, machte diese Bemühungen zunichte. Ein im Jahr 66 begonnener Aufstand gegen das römische Reich scheiterte im Jahr 70 und endete mit dem Fall Jerusalems und der Zerstörung des dortigen Tempels. Juden konnten bis zum Aufstand unter Simon Bar Kochba (132–135) in ihrem Land leben, selbst nachdem zur Zeit Trajans ein Aufstand der Juden in der Diaspora die römische Ostexpansion beendet hatte.
Zur Niederwerfung des Aufstands wurde im Herbst 66 der syrische Legat Gaius Cestius Gallus mit 12.000 Legionären und Hilfstruppen nach Jerusalem geschickt.120 Gallus musste sich jedoch unter hohen Verlusten zurückziehen, so dass er von Kaiser Nero durch Vespasian abgelöst wurde. Vespasians 60.000 Mann umfassendes Heer bestand neben drei Legionen aus 23 Auxiliarkohorten, Reiterabteilungen sowie 15.000 Mann Hilfstruppen der verbündeten Fürsten der Region.121 Seinem Sohn Titus, der den Krieg fortsetzte, fiel während der Belagerung von Iotapata der jüdische Befehlshaber Iosephus in die Hände. Iosephus prophezeite Vespasian das Kaiseramt; später, nachdem Vespasian tatsächlich die Kaiserwürde erlangt hatte, wurde er freigelassen. Über den Kriegsverlauf verfasste er sein Werk De Bello Iudaico.
Nach Beginn des Jüdischen Krieges stürzte das Römische Reich in seine schwerste Krise seit der Begründung des Prinzipats. Diese Krise und der Sturz Neros sind auf die katastrophale Lage der römischen Finanzen und die schwindende Akzeptanz des Kaisers beim Heer sowie der stadtrömischen Plebejer zurückzuführen.122 Im Juli 69 riefen die Legionen Syriens, Ägyptens und Judäas Vespasian zum Kaiser aus.
Titus, der nun zum römischen Thronfolger aufgestiegen war, erhielt den Auftrag, den Jüdischen Krieg zu Ende zu führen.123 Mit vier Legionen begann die Belagerung Jerusalems. Dort hatte sich fast ein Drittel der Bevölkerung Iudaeas versammelt, um das wichtigste jüdische Fest zu feiern, weshalb die Bevölkerung der Stadt für einige Tage auf das Zehnfache angestiegen war. Nachdem Titus’ Soldaten den äußeren Hof des Tempels erreicht hatten, brannten sie das Bauwerk nieder und töteten alle, die sie noch antrafen. Angeblich starben bei der Belagerung etwa 1,1 Millionen Menschen, nur 97.000 sollen überlebt haben.124 Die Überlebenden wurden in die Sklaverei verkauft oder in Zirkusspielen umgebracht, das Land und seine Einkünfte zugunsten der kaiserlichen Kasse beschlagnahmt. Nur die von Herodes errichtete Grundmauer des Tempels, die heutige Klagemauer, blieb bestehen.
Kaiser Trajan unternahm einen letzten Versuch einer Ostexpansion, doch konnten die anfänglichen Eroberungen nur Gebiete bis zum Chabur für längere Zeit sichern. Im Jahre 115, während Trajan seinen Eroberungskrieg im Osten führte, brach in den östlichen Ländern ein umfassender jüdischer Aufstand aus. Dieser Diasporaaufstand griff bald auf die Kyrenaika und Libyen, auf Ägypten, Mesopotamien und Zypern über. Die Kämpfe waren so heftig, dass noch nach drei Jahrzehnten Städte verwüstet waren. Am Ende sahen sich die Kaiser veranlasst, zahlreiche Kolonisten ins Land zu holen, um die menschlichen Verluste auszugleichen.
In Judäa brach schließlich im Jahr 132 der Bar-Kochba-Aufstand aus, dessen Niederschlagung bis 136 dauerte. Nach dem Jüdischen Krieg 66–70 und dem Diasporaaufstand 115–118, mit dem Kaiser Hadrian bei seinem Amtsantritt noch beschäftigt war, war dies der dritte und letzte Aufstand. Anstelle der traditionellen Abgabe für den Jerusalemer Tempel, den die Römer im Jüdischen Krieg zerstört hatten, war den Juden danach eine entsprechende Abgabe für den Tempel des Jupiter Capitolinus auferlegt worden.
Als der Aufstand begann, erwiesen sich die beiden vor Ort stationierten römischen Legionen als unterlegen, sodass Hadrian Verstärkung aus anderen Provinzen nach Judäa beorderte, darunter den angesehenen Kommandeur Sextus Iulius Severus. Unklar ist, ob Hadrian bis 134 selbst an der expeditio Iudaica teilnahm.125 Bei den Kämpfen, in denen nahezu hundert Dörfer und Bergfesten einzeln genommen wurden, fanden über 500.000 Juden den Tod. Aus Iudaea wurde die Provinz Syria Palaestina. Hadrian bewertete den schließlichen Sieg so hoch, dass er im Dezember 135 die zweite imperatorische Akklamation entgegennahm; doch verzichtete er auf einen Triumph.126 193/194 wurde die Provinz Syria Palaestina in die Provinzen Syria Coele, Syria Phoenice und Palaestina aufgeteilt.
Doch nicht nur die jüdische Bevölkerung stellte einen erheblichen Unruhefaktor dar, sondern auch innerhalb der Provinz Syria gab es Widerstand, allen voran durch Palmyra.
Diese Stadt existierte spätestens im 9. Jahrhundert v. Chr., der lokale Name war Tadmur. Bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. war die Siedlung offenbar von geringer Bedeutung, stieg jedoch nun als Handelsemporium auf. 41 v. Chr. versuchte Marcus Antonius die Stadt zu plündern, doch die Einwohner zogen sich mitsamt ihrem Besitz auf die andere Seite des Euphrats zurück, und drohten mit ihren Bogenschützen jeden Übergang der römischen Kavallerie zu verhindern. Diese musste ohne Beute abziehen (Appian 5.9). Doch um 20 n. Chr. war Palmyra Bestandteil des Römerreiches. Die gefürchteten palmyrenische Bogenschützen128 erscheinen in Ober-Dakien genauso wie in Africa. Im 2. und 3. Jahrhundert war Syria nicht nur politisch und kulturell ins Römerreich integriert, sondern profitierte auch von dem enorm anwachsenden Handelsvolumen. Ähnliches gilt für Antiochia und Apameia. Die Ostgrenze des Reiches sollte durch einen 1300 km langen Wüsten-Limes gesichert werden. Dabei verlagerte sich durch die Truppenballungen in der Peripherie auch ein erheblicher Teil der Macht in diese Grenzprovinzen, wie sie Syria zumeist darstellte. Wie andere Grenzprovinzen, so erhielt Syria auf der höchsten Ebene damit zunehmenden Einfluss. Zwar scheitere Avidius Cassius, Legat der Provinz Syrien, noch 175 an Kaiser Marc Aurel, doch schon Septimius Severus gründete durch seine Ehe mit Iulia Domna aus Emesa, die einer Priesterfamilie entstammte, ein syrisch-römisches Kaiserhaus. Mit Philippus Arabs saß 244 bis 249 der Sohn eines arabischen Scheichs aus der südsyrischen Trachonitis auf den Kaiserthron, genauer gesagt aus Schahba.
Für den römischen Osten veränderte sich die Situation durch das aufstrebende Sassanidenreich drastisch, das 224 das Partherreich abgelöst hatte. Wohl infolge der Niederlage Kaiser Gordians III. in der Schlacht von Mesiche im Jahr 244 erhoben die Bewohner von Palmyra einen der führenden Männer der Handelsstadt namens Septimius Odaenathus zum Exarchos. Dieses Amt war anscheinend angesichts der kritischen Lage geschaffen worden.129 Odaenathus, der arabischer Abstammung war, wurde um 250 in den römischen Senat aufgenommen, 257/258 wurde er von Kaiser Valerian zum Statthalter in Syria Phoenice erhoben, 258 wurde er zudem zum Konsul ernannt.130 Im Jahr 260 fiel Kaiser Valerian in der Schlacht von Edessa in die Hände des Perserkönigs Schapur. In welchem Zusammenhang diese Auseinandersetzungen mit dem als Gegenkaiser klassifizierten und nur durch seine Münzen bekannten Uranius Antoninus stehen, der wohl um 253/54 Emesa beherrschte, ist unklar. Möglicherweise ist er mit dem Hohepriester der Stadt Emesa, Sampsigeramos, der aus einem Bericht des byzantinischen Chronisten Johannes Malalas bekannt ist, gleichzusetzen. Er steht wohl in Zusammenhang mit den Jahren vor der Ankunft Valerians in Syrien, als die dortigen Städte die Abwehr der Perser selbst organisieren mussten.
Palmyra, das seit der Zeit Hadrians den Status einer freien Stadt genoss, erlangte nun zunehmende Unabhängigkeit, zumal es der Stadt gelang, eine Invasion der Perser zu verhindern. Odaenathus konnte, wenn auch vergebens, mit dem Perserkönig verhandeln131 und die Situation stabilisieren, woraufhin er von Kaiser Gallienus zum kaiserlichen Stellvertreter ernannt wurde. Schapur zog zwar nach seinem Sieg in der Schlacht von Edessa im Jahr 260 nach Syrien, wurde jedoch auf dem Rückweg, mit reicher Beute beladen, beim Überschreiten des Euphrats attackiert und besiegt.
261 besiegte Odaenathus zudem den Usurpator Quietus bei Emesa und beseitigte auch Ballista, den Prätorianerpräfekten Kaiser Valerians. Valerians Sohn Gallienus ernannte Odaenathus daraufhin zum dux Romanorum und zum corrector totius Orientis,132 womit Odaenathus zum Kaiserstellvertreter im römischen Orient aufstieg. Weitere Vorstöße der Perser konnten verhindert werden, Gallienus kümmerte sich in der Zwischenzeit um die Verteidigung der westlichen Gebiete. Odaenathus konnte anscheinend 262/63 mit seiner Armee die römische Provinz Mesopotamia zurückerobern und bis zur persischen Residenz Ktesiphon vordringen. Möglicherweise führte er zwei Feldzüge, nämlich einen 261/62, einen zweiten 267.133
Nach der Ermordung des Odaenathus wohl Ende 267 übernahm Septimia Zenobia die Vormundschaft für ihren kaum zehnjährigen gemeinsamen Sohn Vaballathus. Sie regierte als Königin über einen Großteil des römischen Orients. Kaiser Gallienus erkannte ihre Herrschaft keinesfalls an, wie der 268 geplante Feldzug des Heraclianus belegt.
Sein Nachfolger Claudius Gothicus mied jede Einmischung, wie auch Zenobia formal seine Oberherrschaft anerkannte. Er nahm nach einem Sieg Palmyras sogar den Titel Parthicus maximus an. Die Herrscherin Palmyras erkannte die Kaiser in Rom zwar an, doch nutzte sie die Reichskrise aus, um das Einflussgebiet ihrer Hauptstadt im Jahr 270 bis nach Arabien und Ägypten auszudehnen, woraufhin Claudius gegen sie den Feldherrn Probus entsandte, der Ägypten zurückeroberte. Nach dem Tod des Claudius, dessen Kampf gegen die Goten für ihn Priorität besaß, besetzte ihre Armee Ende November 270 Alexandria. Auch Teile Anatoliens, so etwa Kilikien und die Stadt Tyana, wurden ihrem Machtbereich angeschlossen, doch scheiterte ein Vorstoß von dort westwärts.
Vaballathus führte ab 270 den Titel vir consularis rex imperator dux romanorum. In seinem Namen wurden an den Straßen Meilensteine aufgestellt, es entstand eine eigenständige Reichsmünzprägung. Auf einem Meilenstein in der Provinz Syria Palaestina wurde Kaiser Aurelian, der Nachfolger des 270 verstorbenen Claudius, nicht mehr erwähnt. In Ägypten bestand hingegen bis April 272 formal ein Kondominium zwischen den beiden Imperatoren, wenn auch Aurelian den Krieg vorbereitete.134 Gegenüber den östlichen Gebieten trat der Imperator als König der Könige auf, als rex regum, analog zur persischen Titulatur.
Bei den Juden war Palmyras in ihren Augen hoffnungsvolle Herrschaft inzwischen verhasst, spätestens seit Odaenathus das Schulzentrum Nehardea hatte zerstören und während seines Ktesiphon-Feldzugs von 262 Juden aus Babylonien nach Palästina hatte deportieren lassen.135 In jedem Falle kam es zu Unruhen, über deren Ausmaß wir jedoch keinerlei Kenntnis besitzen.136 Dementsprechend schlossen sich dem Zug Aurelians gegen Palmyra auch Truppen aus Palaestina an, während die alexandrinischen Juden eher auf Seiten der Palmyrener verharrten, zumal sie von Zenobia gefördert wurden.137
In der zweiten Jahreshälfte 271 marschierte Aurelian nach Byzantion, wo er überwinterte. Im Frühjahr 272 eröffnete er den Krieg gegen Zenobia, erst die Stadt Tyana leistete ihm Widerstand, so dass er sie belagern musste. Trajan untersagte dennoch die Plünderung der Stadt. Zenobia ließ ihren Sohn daraufhin zum Augustus und sich zur Augusta ausrufen. Die Münzprägung akzeptierte Aurelian allerdings weiterhin als Augustus. In zwei Schlachten bei Antiochia (Immae) und Emesa besiegte Aurelian ihre Armeen, verschonte wiederum Antiochia. Im Juni beherrschte er bereits Ägypten.
Im August 272 zog er schließlich in die weitgehend unbefestigte Oasenstadt Palmyra ein, wobei ihn der mit der Wüstenmetropole verfeindete arabische Stammesbund der Tanukh unter dem Lachmidenherrscher Amr unterstützte. Zenobia wurde auf der Flucht am Euphrat gefangen genommen, in Emesa vor Gericht gestellt und nach Rom gebracht, wo sie Aurelian im Jahre 274 zusammen mit dem gallischen Usurpator Tetricus I., den er gleichfalls besiegt hatte, im Triumph durch Rom führte. Nach der Historia Augusta und mehreren anderen Quellen verbrachte sie ihren Lebensabend in einer Villa unweit von Tivoli bei Rom und starb als Matrona in der Hauptstadt. Zosimos berichtet hingegen, die Königin habe auf dem Transport nach Rom jegliche Nahrung verweigert und sei infolgedessen verhungert. Ihre engsten Berater Longinus und Zabdas wurden noch in Emesa hingerichtet. Ein erneuter Aufstandsversuch von Palmyrenern brach bei Ankunft Aurelians im Frühsommer 273 zusammen. In Ägypten, wo es in Alexandria zu einer Rebellion gekommen war, wurde der corrector Claudius Firmus eingesetzt. Die gemeinsamen Münzprägungen des Aurelian und des Vaballathus wurden aus dem Verkehr gezogen.138 Mit dem Kult des Sol invictus führte Aurelian reichsweit einen neuen Staatskult ein.
Während das erste Jahrhundert und die Zeit bis Trajan und Hadrian die deutlichste Romanisierung der Außenprovinzen darstellten, kehrte sich diese kulturelle Dominanz im 2. Jahrhundert um. Kaiser Hadrian bestieg in der Nachfolge des Seleukos auf seiner Orientreise den Mons Casios, um dem semitischen Zeus Casios zu opfern. Nach der Ermordung des Elagabal im März 222, dessen vierjährige Regierungszeit ein schwerer Konflikt zwischen konservativem Römertum und der syrischen religiösen Tradition, die der jugendliche Kaiser in Rom einführen wollte, überschattete, folgte die römische Gegenreaktion durch Severus Alexander. Elagabal, eigentlich Varius Avitus, der aus der gleichen Priesterfamilie wie die oben genannte Iulia Domna stammte, hatte den Baal von Emesa 220 zur Staatsreligion erhoben. Der Kaiser selbst galt als Priester des Gottes auf Erden. Doch schon Aurelian opferte nach seinem Sieg über das Palmyrenische Reich dem Sol Invictus, dessen Kult er seinerseits zur Reichsreligion erhob. Viele der syrischen Götter wurden zudem in abgewandelter Form in weiten Teilen des Reiches verehrt, wie etwa die Dea Syria mit ihrem Tempel im nordsyrischen Manbidsch. In der Hauptstadt Rom entstanden Mithräen, Serapeen, Sonnenheiligtümer. Auch in zahlreichen Provinzen bis weit in den Westen und Norden entstanden entsprechende Tempelanlagen. Unter Kaiser Aurelian wurde dieser Trend noch verstärkt, als er den Kult des Sol invictus förderte.
Überspitzt formuliert setzte sich das Christentum als nahöstliche Religion im Zuge dieser „Orientalisierung“ des Reiches durch. In Damaskus entstand eine erste Gemeinde, ebenso wie in Antiochia. Emesa gilt noch heute als erster christlicher Staat. Sakralbauten lassen sich im ostsyrischen Dura Europos (ein Versammlungsraum in einem Privathaus) belegen (um 232/33), in Qirqbize, nahe der türkischen Grenze in Nordwestsyrien, ein geplanter Sakralbau aus der Zeit um 300139. Syrien war also schon im 3. und 4. Jahrhundert fortgeschritten für diese Religion gewonnen. Zugleich veränderte sich die Wahrnehmung Jesu im Heer, wo er als eine Art Sol invictus verehrt wurde. Zugleich blieb er jedoch der Erlöser, eine Doppelung, die erhebliche Teile der Gesellschaft erreicht zu haben scheint. Dabei spielte auch die Verehrung Mariens, analog zur ugaritischen Anat, eine erhebliche Rolle.
Unter Kaiser Diokletian wurden die Verwaltungs- und Militärstrukturen grundlegend umstrukturiert. Als neue Provinzen entstanden Palaestina – eine Provinz die später geteilt wurde –, Phoenice, Syria (Augusta Euphratensis, später abgeteilt), Arabia, Mesopotamia, die allesamt zusammen mit Cilicia und Isauria im Norden und Ägypten im Süden zur Diözese Oriens zusammengefasst wurden. Vom Aufgabengebiet des Dux Totius Orientis wurde die Militärgrenze abgetrennt, deren Grenzbefestigungen erneuert wurden. Dahinter entstand eine weitere Auffanglinie, die Strata Diocletiana. Dabei stellten nicht nur die Perser eine massive Bedrohung der Grenze dar, sondern auch arabische Stämme. Diokletian selbst residierte im östlichen Reichtsteil, in Nikomedia, zeitweise auch in Antiochia.
Vor seinem Aufbruch gegen Persien im Jahr 363 weilte Kaiser Julianus mehrere Monate in Antiochia, einer der größten Städte des Reiches, die schon früh christianisiert worden war. Dort stieß seine Politik auf Ablehnung. Trotz der schlechten Versorgungslage wegen einer Dürre und eines Erdbebens weigerte sich Julian, die für seinen Feldzug bestimmten Vorräte mit den Antiochenern zu teilen (s. Hungersnot in Antiochia 362–363). Er unternahm auch wenig, um die Spannungen mit dem Stadtrat zu beseitigen, dessen Mitgliedern er vorwarf, die Missernte zu ihrem Vorteil ausnutzen zu wollen. Als Julianus, in älteren Publikationen vielfach „Apostata“, der „Abtrünnige“ genannt, endlich in Richtung Osten aufbrach, wurde dies in der Stadt wohl nicht nur von den Christen mit Erleichterung aufgenommen.
Vielleicht ging es dem Kaiser um die Grenzsicherung, vielleicht aber auch um den Plan, ein „zweiter Alexander“ zu werden, denn Julian zählte Alexander den Großen neben Trajan und Mark Aurel zu seinen Vorbildern. Möglicherweise suchte Julianus auch nur einen militärischen Erfolg, um seine nicht unbestrittene Position im Inneren zu festigen.140 Obwohl Constantius II., Vorgäner Julians, keinen Frieden mit dem Sassanidenkönig Schapur II. geschlossen hatte, hatten sich die Sassaniden 360, nach erfolgreichen Feldzügen in Mesopotamien, zurückgezogen. Die Perser wollten sogar mit Julian die Friedensverhandlungen fortsetzen, die sie mit seinem Vorgänger begonnen hatten, was dieser jedoch ablehnte.141 Ammianus Marcellinus weist darauf hin, dass Julian begierig auf Siege über die Perser gewesen sei.142
Am 5. März 363 brach Julian jedenfalls mit einem sehr starken Heer auf; Zosimos gibt 65.000 Mann an. Am 27. März überquerte die Armee den Euphrat. Sie erhielt große Unterstützung von persischen Vasallen, zumeist Arabern, die sich dem Kaiser ergaben und Truppen für weitere Operationen zur Verfügung stellten. In Carrhae angekommen, teilte Julianus seine Armee. Er selbst zog südwärts, seine Generäle Procopius und Sebastianus unterstützten mit einer Flotte den mit Rom verbündeten armenischen König Arsacius (Arsakes) bei der Sicherung des Nordufers des Tigris.
Anfang April zog das römische Heer über Circesium nach Dura Europos, wo Julian das Grab eines seiner Vorgänger, Gordians III., besuchte (der 244 auf einem Persienfeldzug von seinem Prätorianerpräfekten Philippus Arabs beseitigt worden oder in der Schlacht von Mesiche gefallen war). Am 7. April setzte er den Marsch nach Assyrien fort. Schließlich erreichte die Armee Ktesiphon. Ohne Belagerungsgerät begann sie den Rückmarsch. Die Schlacht von Maranga verlief ergebnislos; doch vier Tage darauf wurde Julian während eines persischen Angriffs in einen Kampf verwickelt und von einem Speer tödlich getroffen. Ammianus Marcellinus gibt an, Julian, der seine Rüstung nicht angelegt hatte, habe sich zu weit vorgewagt.143 Der junge Kaiser starb am 26. Juni 363 bei Maranga am Tigris, wie sein Vorbild Alexander der Große im Alter von nur 32 Jahren.
Sein Nachfolger wurde der von einem Kollegium – bestehend aus Julians Offizieren Nevitta, Arintheus, Victor und Dagalaifus – gewählte Jovian, ein christlicher Offizier, dessen Vater bereits einen hohen Militärposten unter Constantius II. bekleidet hatte. Jovian musste mit dem Sassanidenkönig Schapur II. einen ungünstigen Frieden schließen. Für die Sassaniden bedeutete er nicht nur einen strategischen Erfolg, sondern auch einen erheblichen Prestigegewinn.144 Nach Julian ist kein römischer Kaiser mehr so weit nach Osten gezogen, wenn man von Herakleios im 7. Jahrhundert absieht.
Mit dem Ende der Verfolgungen seit Konstantin I. (313) und der zunehmenden Privilegierung durch den Staat, wozu die Steuerfreiheit zählte, entstand eine steilere kirchliche Hierarchie. Die Bischöfe in der jeweiligen Metropolis der Provinzen wurden ab 325 Erzbischöfe, denen die anderen Bischöfe der Provinz Gehorsam schuldeten. Unterhalb der Bischofsebene fanden sich Diakone (männliche und weibliche), Presbyter und Lektoren, hinzu kamen Totengräber, Türhüter, Protopresbyter und Subdiakone. Der Klerus war dabei der einzige zivile Stand, zu dem alle sozialen Schichten Zugang hatten, wenn auch nicht jeder in die höchsten Positionen der bedeutendsten Kirchenzentren aufsteigen konnte, und die höheren Schichten wohl nicht nach einem Bistum in wenig angesehenen Gebieten strebten. Den Klerus auf den Landgütern der Großgrundbesitzer stellten die dort wohnenden Kolonen.
Mit der Verlegung der Reichshauptstadt von Rom nach Konstantinopel wurde das Christentum nach und nach die dominierende Religion im Römischen Reich, 394 sogar Staatsreligion. Das Griechische erlangte über das Lateinische als Amtssprache im Osten des 395 aufgeteilten Reiches endgültig die Oberhand.
Dabei war die nunmehr dominierende Religion, das Christentum, zerrissen. 412 starb Theophilus (385–412), sein Nachfolger wurde Kyrill (412–442), einer der mächtigsten Kirchenmänner seiner Zeit. Ihm gelang es im Jahr 431 auf dem ökumenischen Konzil von Ephesos seine theologischen Positionen für die Reichskirche verbindlich durchzusetzen. Er gilt bis heute als wichtigste Gründergestalt der Miaphysiten, bekannter als ‚Monophysiten‘, wie sie ihre Gegner nannten. Kyrills Nachfolger Dioskur (444–451), der nach ihm das Patriarchenamt übernahm, konnte sich auf der so genannten Räubersynode, dem Konzil von Ephesos, 449 mit seiner monophysitischen Lehre zunächst durchsetzen. Doch nur zwei Jahre später kam es auf dem vierten ökumenischen Konzil in Chalcedon zur Spaltung: Papst Leo der Große verwarf die monophysitische Lehre, und die Konzilsmehrheit und Kaiser Markian schlossen sich dieser Position an. Die Syrer hielten aber mehrheitlich an der Ablehnung der Konzilsbeschlüsse fest, was zu starken Spannungen zwischen diesen Gemeinden und Konstantinopel führte.
Der Monophysitismus entstand vor dem Hintergrund von Rivalitäten zwischen dem Patriarchat von Alexandria und dem von Antiochia. Außer in Ägypten gewann der Monophysitismus dabei auch in Syrien zunehmend an Boden. In den 480er Jahren versuchten die Kaiser, eine im Henotikon formulierte Kompromisslösung durchzusetzen, die alle Streitpunkte zwischen „orthodoxen“ und „monophysitischen“ Christen ausblendete und die Beschlüsse von Chalkedon ignorierte; doch dieser Versuch scheiterte und führte statt zu einer Einigung mit den Monophysiten nur zum 30 Jahre währenden Akakianischen Schisma mit der römischen Kirche (bis 519). Auch das 2. Konzil von Konstantinopel von 553 konnte keine Einigung erzielen. Gleiches galt für die kurzlebige Förderung der monophysitischen Sonderströmung des Aphthartodoketismus durch Kaiser Justinian I.
Im frühen 7. Jahrhundert wurde als Versuch einer Kompromisslösung der Monotheletismus entwickelt. Danach besitzt Jesus eine göttliche und eine menschliche Natur. Die beiden Naturen haben in ihm aber nur einen einzigen, gemeinsamen Willen. Auch dieser Versuch, den Abstand zwischen Monophysitismus und der Position von Chalcedon zu überbrücken, scheiterte. Der Monotheletismus wurde nach dem Einspruch von Maximus Confessor in der Reichskirche zurückgewiesen.
Vor diesem Hintergrund leistete die syrische Kirche wesentliche Beiträge. Wichtige Vertreter waren Paulus von Samosata, der 260 bis 268 Bischof von Antiochia war, Ephraim der Syrer († 373) oder Jakob Baradai († 578). Letzterer stieg mit Unterstützung der Kaiserin Theodora zum Bischof der Ghassaniden auf. Aus seiner monophysitischen Lehre ging die sogenannte Jakobitische Kirche hervor, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien. Während die Ghassaniden um 500 Monophysiten wurden, wurden die Lachmiden Nestorianer. Sie wurden 553 zu Häretikern erklärt. Während Kaiser Maurikios einen der Ghassanidenführer ins Exil schickte, holte ihn sein Nachfolger Phokas unter dem Jubel seiner Anhänger zurück.
Ein bedeutendes Relikt aus dieser Epoche stellen die Ruinen der ehemals etwa 700, vielleicht auch über 800 dörflichen Siedlungen dar, die aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit im nordsyrischen Kalksteinmassiv stammen. Sie sind als Tote Städte bekannt. Die älteste datierte Inschrift stammt aus dem Jahr 73/74, die Blütezeit der Dörfer begann im 4. Jahrhundert. Aufgegeben wurden die meisten von ihnen zwischen dem 8. und dem 10. Jahrhundert. In der Antike hieß das Gebiet Belus. Es war von den am Orontes gelegenen Städten Apameia und Antiochia sowie im Norden von Kyrrhos und im Osten von Aleppo umgeben.
Die klassisch-römische Gesellschaft war bereits im 2. Jahrhundert, mehr jedoch noch während der Reichskrise starken Veränderungen unterworfen. 212 erhielten alle Städte des Reiches mindestens den Rang eines municipiums, was allerdings erhebliche finanzielle Lasten mit sich brachte. Jeder männliche Bewohner zwischen 14 und 60 musste eine jährliche Abgabe entrichten. Die kleine Gruppe der römischen Bürger war hiervon allerdings befreit, die oberen Klassen (metropolites) zahlten eine verminderte Abgabe. Die Städte bauten Bäder, Amphitheater und Aquädukte nach römischem Vorbild, wie sie sich auch sonst im Alltagsleben und in religiösen Dingen dorthin orientierten. Die Mehrheit sprach Griechisch.
Dies verweist auf die Übergangsphase in der Entwicklung vom freien Bauern zum Kolonat, mithin auf das flache Land und die kleineren Orte, wo die Veränderungen zunächst noch drastischer waren. Kaiserliche Gesetze schufen, vermutlich auf Initiative der großen Landbesitzer, die Voraussetzungen, um beinahe unbeschränkte Verfügungs- und Polizeigewalt an lokale Herren abzutreten, deren wachsende Wirtschaftseinheiten sich dadurch gegenüber staatlichem Einfluss zunehmend abriegelten. Die Landbevölkerung wurde zunächst gezwungen, das Land zu bebauen und Abgaben (tributum) zu entrichten. War bis ins 5. Jahrhundert vielfach die bodenbearbeitende Bevölkerung an ihr Land gebunden, während ihr Besitz ihrem Herrn gehörte, so konnten andere nach drei Jahrzehnten in diesem Rechtszustand ihren mobilen Besitz, bzw. ihr Vermögen in eigenen Besitz nehmen. Unter Kaiser Justinian I. wurde jedoch nicht mehr zwischen freien und unfreien Kolonen unterschieden. Kolone und Unfreier wurden nun identisch gebraucht, um Ackerbauer zu beschreiben, die an die Scholle gebunden waren und die kein freies Eigentum mehr besaßen.
Seit Konstantin dem Großen durften die Herren flüchtige Kolonen, die vor weniger als dreißig Jahren verschwunden waren, in Ketten legen.145 Seit 365 war es den Kolonen verboten, über ihren eigentlichen Besitz zu verfügen, wohl in erster Linie Arbeitsgeräte.146 Seit 371 durften die Herren die Abgaben der Kolonen selbst eintreiben. Schließlich verloren die Ackerbauer 396 das Recht, ihren Herrn zu verklagen.147
Auch wenn es den Anschein macht, die Region habe in permanentem Kriegszustand gelebt, so gab es doch verhältnismäßig lange Friedenszeiten, in denen Wirtschaft und Handel prosperierten. Dabei wurden Gebiete für die Landwirtschaft wiedererschlossen, die schon lange nicht mehr unter den Pflug genommen worden waren. In Nordsyrien, im Kalksteinmassiv, kam es infolgedessen zu einer hohen Siedlungsdichte, wo sich die sogenannten Toten Städte befinden. Selbst im Hauran, einem Basaltgebirge mit extremer Trockenheit, wurden riesige Zisternen gegraben. Das gesammelte Regenwasser genügte, um ausreichende Bewässerung zu gewährleisten. In anderen Gegenden wurde mittels einer um 1000 v. Chr. im Iran entwickelten Technik, dem sogenannten qanat, Wasser dicht unter der Oberfläche abgeleitet und in die Ebenen geführt. Insgesamt dürfte die pax romana, der Römische Frieden, in Verbindung mit diesen enorm aufwändigen Bemühungen dafür gesorgt haben, dass die spätrömische Anbaufläche Syriens größer war, als sie es heute ist.147l
Der erste Scheich der Jafniden, wie die genannten Ghassaniden vielfach inzwischen bezeichnet werden, der in den oströmischen Quellen auftaucht, ist Ǧabala, griechisch Gabalas gegen 498. Er drang in Palaestina ein, wurde aber besiegt und schloss um 502 mit Kaiser Anastasios I. Frieden; die Jafniden und die von ihnen abhängigen Araber wurden vertraglich zu Bundesgenossen (foederati) der Oströmer, die sich ihrerseits zu regelmäßigen Geldzahlungen verpflichteten. Ǧabala wurde vom Kaiser zum phylarchos („Stammesführer“) ernannt und vielleicht bereits an die Spitze aller mit den Römern verbündeten Araber gestellt. Der Aufstieg der Jafniden vollzog sich dabei vor dem Hintergrund der 502 erneut ausgebrochenen Kriege zwischen Römern und Persern.
Ǧabalas Sohn war al-Ḥāriṯ ibn Ǧabala (529–569), griechisch Arethas der Lahme. Nachdem 526 erneut ein Krieg zwischen Ostrom und den Sassaniden ausgebrochen war, ernannte Kaiser Justinian I. ihn um 530 zum (Basileus). Er kämpfte gegen die Perser und deren arabische Verbündete, die Lachmiden, und nahm 531 unter Belisar an der Schlacht von Callinicum teil. Der Kaiser zeichnete ihn dafür mit dem Titel eines patricius aus. 540 waren Konflikte zwischen Ghassaniden und Lachmiden ein Auslöser für einen erneuten Krieg zwischen Römern und Persern. 554 errangen die Ghassaniden einen Sieg über die Lachmiden, deren Scheich Al-Munḏhir zu Tode kam. Kirchenpolitisch setzte er sich ebenso wie seine Nachfolger für den Monophysitismus ein, was aber aus politischen Gründen vom Hof geduldet wurde. Mit seinem Sohn Sohn al-Munḏhir ibn al-Ḥāriṯ (griechisch Alamundaros, 569–582) kam es allerdings 572 zu Spannungen, so dass Kaiser Justin II. seine Ermordung in Auftrag gegeben haben soll – ohne Erfolg. 575 kam es zu einer kurzzeitigen Versöhnung zwischen Römern und Ghassaniden, doch nachdem Alamundaros 582 von den Oströmern abgesetzt und nach Sizilien verbannt worden war, begann der Zerfall des Verbandes. Zwar wurde unter Kaiser Herakleios (610–641) die Phylarchie der Ghassaniden wiederhergestellt, doch war die Grenzverteidigung auf der arabischen Halbinsel erheblich geschwächt. Sie brach nach 634 unter dem Ansturm der Anhänger Mohammeds zusammen.
Hauptstadt der Jafniden war al-Dschābiya auf einem Bergkegel bei Nawa südlich von Damaskus. Auch bestand eine Residenz in Resafa, das zu dieser Zeit Sergiopolis hieß. Bedeutende Lagerplätze befanden sich in Palästina und auf dem Golan, in Jilliq bei Damaskus, aber auch im jordanischen Ain al-Minya am Toten Meer ließ sich eine ihrer Palastanlagen identifizieren.
Hingegen residierten die Lachmiden, meist im Bunde mit den Persern, in al-Hīra am Euphrat. Während bis zum 6. Jahrhundert diese Ausrichtung mit christlicher Orientierung konkurrierte, setzte ihr bedeutendster Herrscher Mundhir III. ganz auf Ktesiphon. Er fiel zur Zeit Justinians in Syrien ein, stand aber auch im Krieg mit den zentralarabischen Kinda.148 All diese Gruppen und Stämme standen weiterhin in Kontakt mit den Stämmen der Arabischen Halbinsel, denen sie Kriegs- und Waffentechnik vermittelten – aber auch Kenntnis ihrer religiösen Auffassungen. Wie stark diese Stämme inzwischen geworden waren, erweist die Tatsache, dass die Ghassaniden Ende des 6. Jahrhunderts erstmals eine Stadt, nämlich Bosra, belagern konnten, aber auch darin, dass es den Beni Scheiban gelang, bei Dhu Qar ein persisches Reiterheer zu besiegen.
Nach mehreren Kriegen, in deren Verlauf die Perser 544 kurzzeitig Edessa besetzten, schlossen Ostrom-Byzanz und Persien 562 einen „ewigen Frieden“. Doch in den 570er und 580er Jahren kam es erneut zu heftigen Kämpfen im oberen Tigrisgebiet; 591 kam es nach weiteren Kämpfen zu einem erneuten Friedensschluss. Die römisch-persischen Kämpfe des 7. Jahrhunderts waren schließlich vom Willen getrieben, den Gegner vollständig zu schlagen, nicht mehr, nur Gebietsgewinne zu erzielen. Nachdem bereits der Krieg in der Zeit Chosraus I. (531–579) mit großer Härte geführt worden war, begannen die Perser unter Chosrau II. (590–628) ab 603 oströmisches Gebiet systematisch zu besetzen.
Die wenig tolerante Politik der Kaiser gegenüber Nichtchristen, vor allem Nichtorthodoxen, führte dazu, dass die Perser als Befreier begrüßt wurden. Diese eroberten Antiochia und 612 Damaskus, wo die Eroberer, im Gegensatz zu Jerusalem, die Stadt nicht zerstörten. Doch Hunderttausende von Olivenbäumen wurden vernichtet. Die Eroberung Jerusalems erfolgte 614 durch den persischen General Shahrbaraz.149 Eines der Beutestücke war das Heilige Kreuz, das der General Schirin übergab, nämlich der christlichen Lieblingsfrau Chosraus. Die Schockwirkung auf die Christen war gewaltig.150
Syrien und Ägypten wurden als dauerhafte Eroberung administrativ in das Perserreich eingegliedert. Ungeachtet der sehr schlechten Überlieferungslage ist dies auch für Syrien anzunehmen, wo Caesarea nun Sitz eines marzban wurde.151 Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich rapide, so dass das dicht besiedelte Umland von Antiochia und Apameia entvölkert, das Siedlungsland im Hauran aufgegeben wurde.
Kaiser Herakleios wollte mit einem Heer die Hauptstadt verlassen, die sassanidischen Armeen in Kleinasien umgehen und die Perser im Hinterland angreifen. In insgesamt drei Feldzügen verfügte er wohl über eine recht beachtliche Streitmacht.152 Georg von Pisidien berichtet, Herakleios habe seinen Soldaten vor Augen gehalten, dass dies kein gewöhnlicher Feldzug sei. Man kämpfe nunmehr gegen einen Feind der Christenheit; dies sei ein heiliger Krieg gegen die Mächte der Finsternis.153 Dazu passend wurden Christusbilder im Feldlager aufgestellt. Bereits seit 615 ließ man in hoher Auflage Münzen mit der Umschrift Deus adiuta Romanis („Gott, hilf den Römern!“) prägen.
623 kehrte der Kaiser nach einem kleineren Sieg in die Hauptstadt zurück und nahm anschließend Kontakt zur christlichen Bevölkerung im Kaukasus auf. Die beiden eigentlichen Gegenoffensiven des Herakleios fanden 624/25 und 627/28 statt. Er unternahm einen Vorstoß nach Armenien, dann weiter nach Aserbaidschan. Dort ließ er einen zoroastrischen Feuertempel (Tacht-i Suleiman) zerstören. Der Kaiser zog sich 625 zunächst nach Kilikien zurück und nahm Kontakt mit den Kök-Türken Zentralasiens auf, um ein Bündnis zu schließen.
626 belagerten die Perser, die sich ihrerseits mit den Awaren verbündet hatten, die Hauptstadt des oströmischen Reiches zusammen mit Slawen (Belagerung von Konstantinopel (626)). Doch sie mussten die Belagerung schließlich abbrechen und das persische Heer unter Shahrbaraz zog sich im Frühjahr 627 aus Chalkedon nach Syrien zurück. Schon 626 hatte Herakleios eine persische Armee geschlagen und sich damit wieder in die Offensive gebracht. In Konstantinopel wurde die Rettung der Hauptstadt der Gottesmutter zugeschrieben.
Der Bruder des Kaisers, Theodoros, hatte in Mesopotamien ein persisches Heer unter dem Befehl des Generals Schahin schlagen können. Herakleios sammelte inzwischen weitere Truppen in Lazika am Schwarzen Meer und nahm erneut Kontakt mit den Türken auf. Diese fielen daraufhin mehrfach in das Sassanidenreich ein.154 Herakleios marschierte im September 627 von Tiflis aus nach Süden. Am 12. Dezember 627 kam es bei den Ruinen von Ninive zur Schlacht. Herakleios besetzte nach dem Sieg die Lieblingsresidenz des Großkönigs in Dastagird. Dieser floh nach Ktesiphon. Chosrau, der sich weigerte, mit Herakleios zu verhandeln, verlor bei den Großen seines Reiches jeden Rückhalt und wurde im Februar 628 ermordet. Ihm folgte sein Sohn Kavadh II. Siroe auf den Thron. Der Text des an Herakleios gerichteten Briefs, in dem Kavadh Siroe um Frieden bittet und den Kaiser als „… den mildesten Kaiser der Römer, unseren Bruder …“ bezeichnet, ist durch das Chronicon Paschale überliefert. Herakleios nannte ihn seinen Sohn und beteuerte, er wünsche niemals irgendeinen König seines rechtmäßigen Thrones zu berauben.155
Die Bestimmungen des 628 geschlossenen Friedens sahen vor, dass Persien alle seit 603 gemachten Eroberungen aufgab und das Heilige Kreuz zurückerstattete, wofür Herakleios den Persern freien Abzug garantierte; sie mussten nicht einmal Entschädigungszahlungen leisten. Auch restituierte Shahrbaraz, der selbst für kurze Zeit den Thron bestieg, das Heilige Kreuz, dessen feierliche Rückführung wohl im März 630 erfolgte. Der Prestigegewinn für den Kaiser war gewaltig. Dem Merowinger Dagobert I. übersandte der Kaiser einen Teil der Reliquie, und bald kamen im ganzen Abendland Legenden rund um „Heraclius, den Persersieger“ auf, die ihn zum Triumphator im Namen Christi stilisierten.
Die Eroberung Jordaniens und Syriens, die den später vereinfachend als „Araber“ bezeichneten Nomaden zwischen 631 und 637 gelang, war ohne die Schwächung des Römerreiches und seines Gegners, des Perserreiches, ebenso wenig denkbar, wie die Verselbstständigung der Ghassaniden und der Lachmiden entlang der Grenzen. Diese arabischen Großstämme leisteten der späteren Arabisierung und der Akzeptanz für eine Religion Vorschub, die sich als Vollendung von Juden- und Christentum sah, und die sich zugleich die Rückführung von deren Botschaft auf den ursprünglichen Willen des gemeinsamen Gottes auf die Fahnen geschrieben hatte. Dabei war eines der Ziele der an eine bevorstehende Apokalypse Glaubenden, der muʾminūn, der ‚Gläubigen‘, die Eroberung Konstantinopels, die die Kalifen in zwei großangelegten Belagerungen tatsächlich jahrelang versuchen sollten. Zugleich war der Kampf zwischen Persern und Oströmern so heftig von zutiefst religiösen Botschaften angetrieben worden, dass sie die sowieso schon vorhandene Unruhe wegen theologischer Fragen – man denke an den Streit zwischen Monophysiten und Orthodoxen – auf die Spitze trieb. Ihr opferten alle beteiligten Mächte Hunderttausende. Mit der neuerlichen Eroberung und der Unterwerfung unter eine Religion, die vom (arabischen) Wort lebte, kam es bald zu einer Arabisierung und zugleich Islamisierung. Die Selbstbezeichnung als „Muslime“ taucht dementsprechend erst um 700 auf.
Der Religionsstifter Mohammed fand unter den arabischsprachigen Nomaden im byzantinischen Grenzgebiet eine gewisse Anerkennung. Nach einem Sieg der Invasoren setzten die Ghassaniden durch, dass sie als Beduinen frei von Abgaben blieben, obwohl sie nicht Muslime waren,156 genauer gesagt, obwohl sie nicht zu den muʾminūn zählten, den ‚Gläubigen‘, wie sich die Anhänger der neuen Lehre bis etwa 700 selbst ausnahmslos nannten. Das Unterscheidungskriterium war also nicht die Frage, ob sie Arabisch sprachen, sondern ihre nomadische Lebensweise, die sie vor Unterjochung schützte, obwohl sie sich gegen die Ausbreitung der neuen Lehre gewehrt hatten. Denn noch 629 hatten Ghassaniden unter Shurahbil ibn 'Amr erfolgreich gegen Mohammeds Reiterei gekämpft, und auch andere arabische Nomaden standen weiterhin auf oströmischer Seite. Noch zu Mohammeds Lebzeiten († 632) wurden Nichtgläubige erstmals zu Schutzbefohlenen, weil sie einer der Buchreligionen angehörten, die daher die Dschizya entrichten mussten – alle anderen durften versklavt werden. Die Nomaden – selbst dann, wenn sie sich gegen die Bekehrung im Kampf gewehrt hatten – blieben davon als einzige verschont.
Gleichzeitig wurde damit das römische System fortgesetzt, nach dem die allgemeine Bevölkerung die Armeen zu versorgen und die Wirtschaft aufrechtzuerhalten hatte, und die Provinzialen gleichzeitig kaum zu den Rekruten stoßen konnten, weil sie damit als Steuerzahler ausfielen, in gewisser Weise fortgesetzt. Dort übernahmen die angeworbenen, meist germanischen Kämpfer, am Ende unter Beiseiteschieben der ausgehöhlten Machtstrukturen in letzten Gewaltakten, das Römerreich, um dann die Provinzialbevölkerung für sich arbeiten zu lassen. Hier wurde die anfängliche Anwerbung durch die Oströmer von einigen der Araber weiterhin eingegangen, die Mehrheit jedoch, geeint durch den Propheten und ermutigt durch überraschende Erfolge gegen geschwächte Großmächte, sah dies nicht mehr als nötig an, sondern schritt gleich zu Plünderung und Inbesitznahme. Die Idee, die Unterworfenen für sich nur dann arbeiten zu lassen, wenn sie an ihrer Religion festhielten, war jedoch von langfristig stabilisierenderer Wirkung, als im römischen Westreich.
Wer nach Mohammed die Kriegssteuer verweigerte, wurde nun von Abu Bakr, der sich als Mohanmeds Nachfolger durchsetzte, attackiert. Der letzte Widerstand auf der Arabischen Halbinsel brach 634 zusammen. Danach wandte sich Abu Bakr, der die Einheit der Umma, der Gemeinschaft der Gläubigen, anscheinend durch einen äußeren Krieg festigen wollte, nach Norden. Unter seinen Nachfolgern wurde der Vormarsch fortgesetzt. 636 gelangen den ‚Gläubigen‘ am Jarmuk in Syrien und bei Qadisiyya im Irak entscheidende Siege über die beiden Großreiche, die sich noch wenige Jahre zuvor unter Einsatz aller wirtschaftlichen, militärischen und ideologisch-religiösen Mittel jahrzehntelang bekämpft hatten.
Die tatsächlichen Vorgänge während der Eroberung Syriens lassen sich nicht sicher rekonstruieren, da fast ausschließlich spätere muslimische Quellen zur Verfügung stehen. Forscher wie James Howard-Johnston halten daher die traditionelle Chronologie, die auf diesen Berichten beruht, für partiell falsch, da sie später manipuliert worden seien.157 Dies gilt es im Folgenden zu beachten, auch wenn die Macht des Religiösen in einer Zeit, in der schon die gestürzten Großmächte ihre Wirksamkeit erkannt und genutzt hatten, ein bedeutungsvoller Faktor blieb, jedoch bei weitem nicht der einzige, wie die muslimische Überlieferung suggeriert.
Bereits fünf Wochen vor dem Sieg in der Schlacht von Abu-al-Quds fiel am 10. September 634 Damaskus nach sechsmonatiger Belagerung, wie die besagten späteren Quellen berichten. Andere Berichte sprechen nicht eindeutig von einer Belagerung, wohl aber von einer Eroberung der Stadt. Sie betonen darüber hinaus die Bedeutung des arabischen Befehlshabers. Dabei wird auch von einer militärischen Eroberung und einer anschließenden diplomatischen Einigung mit der christlichen Bevölkerung der Stadt berichtet. In der dritten Tradition spielen diese Verhandlungen sogar eine zentrale Rolle. Als Kommandeur der oströmischen Truppen der Stadt soll ein gewisser Thomas fungiert haben. Jens Schreiner untersuchte alle verfügbaren Quellen und kam zu einem recht nüchternen Ergebnis. Als relativ gesichert kann demnach nur gelten, dass Damaskus im Jahr 635 an die Eroberer fiel und es in diesem Zusammenhang anscheinend zu einer vertraglichen Vereinbarung kam, die das Öffnen der Tore zur Bedingung machte und Schutzrechte für die Bevölkerung beinhaltete. Eine Belagerung und Erstürmung der Stadt lässt sich demnach nicht belegen. Ob Chālid ibn al-Walīd oder Abū ʿUbaida ibn al-Dscharrāh Damaskus erobert hat bleibt gleichfalls unklar.158 Durch den Verlust von Zentralsyrien war die oströmische Linie entlang des Mittelmeers jedenfalls durchbrochen und die Kommunikation zwischen Nordsyrien und Palästina abgerissen.
Yazid ibn Abi Sufyan brach von Damaskus auf, um die Hafenstädte Sidon, Arqa und Beirut zu erobern.159 635 waren Palästina, Jordanien und das südliche Syrien mit Ausnahme von Jerusalem und Caesarea in der Hand der ‚Gläubigen‘. Auf Befehl des Kalifen Umar wandte sich Yazid nun nach Caesarea, das er aber im Vorfeld der Schlacht am Jarmuk aufgeben musste, um die Belagerung später wiederaufzunehmen. Erst 640 fiel die Stadt als letzte oströmische Stadt. Von Jabiya zogen sich die Truppen auf Abu Ubaidahs Befehl auf die Ebene am Jarmuk zurück. Im Juli 636 war die Armee vollständig auf der Ebene versammelt; etwa zwei Wochen später trafen die oströmischen Truppen ein. Ihr Befehlshaber schickte einige der Ghassaniden voraus, um die Stärke der Gegner auszukundschaften, doch Chalids Kavallerie besiegte sie. Über den ganzen nächsten Monat zogen sich die Verhandlungen zwischen den beiden Armeen hin, während laufend arabische Verstärkungen eintrafen. Chalid erhielt für die Schlacht am Jarmuk, die am 15. August begann, den Oberbefehl. Sie dauerte sechs Tage und endete in einer katastrophalen Niederlage für die Oströmer.160
Nach der Eroberung von Jerusalem (637/38) zogen Abu Ubaidah und Chalid nach Nordsyrien. Die Einheiten zogen auf Chalkis, das strategisch am bedeutendsten war. Die Festung der Stadt wurde von griechischen Truppen unter einem Menas bewacht. Dieser entschied sich, von der üblichen Strategie abzuweichen, und die Vorhut der Invasoren in einer Feldschlacht anzugreifen. Die anschließenden Kämpfe sind als Schlacht von Hazir bekannt. Die Festung ergab sich im Juni 637. Die Invasoren rückten weiter nach Norden vor und belagerten nun Aleppo, das 637 fiel. Das nächste Ziel ihrer Eroberung war die Metropole Antiochia. Vor ihren Toren verlor Ostrom eine letzte Schlacht um den Besitz Syriens, die Schlacht an der Eisernen Brücke. Antiochia kapitulierte am 30. Oktober 637 unter der Bedingung, dass allen oströmischen Truppen der freie Abzug gewährt wurde. Abu Ubaidah befahl Chalid den Weitermarsch nach Norden, er selbst eroberte Latakia, Dschabla und Tartus sowie das Küstengebiet westlich des Anti-Libanons. Chalid seinerseits plünderte das Land im Norden bis hin zum Fluss Halys in Anatolien. Kaiser Herakleios hatte Antiochia rechtzeitig vor der Eroberung verlassen und war nach Edessa gereist. Er organisierte die Verteidigung in Mesopotamien und Armenien, dann zog er sich in die Hauptstadt Konstantinopel zurück. Auf seinem Rückweg entging er nur knapp einem Zusammentreffen mit Chalid, der nach der Eroberung von Marasch südwärts in Richtung Manbidsch marschierte.
Herakleios bat die christlichen Araber der Dschasira um Hilfe. Diese musterten ein größeres Heer und marschierten gegen Emesa. Abu Ubaidah zog seinerseits alle seine Truppen aus Nordsyrien ab und konzentrierte sie bei seiner Operationsbasis, die nun von den christlichen Arabern belagert wurde. Der Kalif befahl nun arabischen Kontingenten, die im Irak kämpften, den Angriff auf Dschasira aus drei verschiedenen Richtungen. Eine weitere Abteilung unter Qa’qa ibn Amr, einem Teilnehmer der Schlacht am Jarmuk, wurde aus dem Irak nach Emesa gerufen. Umar selbst marschierte an der Spitze von tausend Mann von Medina los. Die christlichen Araber brachen die Belagerung ab und zogen sich zurück. Chalid nutzte ihren Abzug zu einem Angriff mit seiner Kavallerie. 645 fiel mit Tripoli die letzten Bastion des Oströmischen Reiches im Nahen Osten an das Kalifat; Caesarea war bereits im Oktober 640 gefallen, Askalon 644. Gleichzeitig schickte Sa'd ibn Abi Waqqas, der Befehlshaber der Invasionstruppen im Irak, ein Heer unter Ayadh bin Ghanam zur Eroberung der Landstriche zwischen Euphrat und Tigris bis nach Urfa aus.
Wie drastisch die Auswirkungen der Kriege waren, zeigt sich im Golangebiet. Die dortigen Bevölkerungszahlen müssen dramatisch eingebrochen sein. Von den 173 aus dem 5. und 6. Jahrhundert belegten Siedlungen fand sich nur in 14 frühislamische Keramik aus der Zeit nach 636. Erst unter den Mamluken, also nach rund einem halben Jahrtausend, befanden sich im selben Gebiet wieder 139 Siedlungen.
Unmittelbar nach der militärischen Eroberung setzten die Zwänge ziviler Verwaltungstätigkeit ein. Die fiskalische Kontrolle wurde zunächst von Medina ausgeübt, wozu der Kalif seine Vertrauten den örtlichen Machthabern zur Seite stellte. Sobald der eigentlich Krieg in Syrien beendet war, wurde Chalid abgelöst. Die eigentliche Macht übernahm Abu Ubayda, ein Weggefährte Mohammeds.
Die neuen und alten Eliten Syriens, wo sich bald wieder die wirtschaftliche Macht ballte, und dessen byzantinisches Herrschaftssystem weitgehend übernommen worden war, wehrte sich zunehmend gegen die Bevormundung und Ausnutzung durch Medina. Da die Städte zudem kaum Widerstand geleistet hatten, waren sie nicht als Feinde des Islams zu behandeln. Nur kaiserliche Güter und solche von geflohenen Magnaten wurden vom Kalifen eingezogen und an seine Gefolgsleute verteilt – jedenfalls besaßen bald einige von ihnen gewaltige Latifundien. So blieben Christen und Juden ein bedeutender Faktor, vor allem in der Ökonomie.
Ähnlich wie im Christentum kam es bald kam zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Richtungen innerhalb des Islams. Diese mündeten in heftige Machtkämpfe, zu deren prominentesten Opfern die Kalifen wurden: Omar wurde 644 ermordet, ebenso wie Uthman 656 und Ali 661.
Der bis heute anhaltende Streit zwischen Schiiten und Sunniten geht auf die Auseinadersetzung zwischen Ali, dem in Kufa residierenden Vetter und Schwiegersohn Mohammeds auf der einen Seite, und Muawiya zurück, dem Statthalter von Syrien auf der anderen Seite. Schon im Juli 657 kam es zu Scharmützeln in der Ebene von Siffin, südlich von Raqqa. Die Wahl Alis zum Kalifen wurde von den ‚Gläubigen‘, wie sich die Anhänger der erst eine Generation alten Lehre bis etwa 700 selbst bezeichneten, nicht allgemein anerkannt. Als Anhänger des ermordeten Uthman ließ sich Muawiya im Jahr 660 in Damaskus ebenfalls zum Kalifen ausrufen. Ali wurde 661 ermordet, doch der Streit war damit keineswegs beendet.
Durch die Verlegung der Hauptstadt des Riesenreiches nach Damaskus wurde Syrien zum Zentrum eines gewaltigen politischen Machtraumes, der von den gewaltigen Ressourcen seiner immer neuen Untertanen enorm profitierte. Als Muawiya 680 starb, setzte er, was im Islam, der die Nachfolge des Geeignetsten verlangt, unüblich war, seinen Sohn ein, und bildete dadurch eine Dynastie. Hussein, Alis zweiter Sohn, setzte sich gegen die Sunniten zur Wehr, doch kam er in der Schlacht bei Kerbela 680 ums Leben. Infolge dieser Kämpfe kam es zum dauerhaften Schisma zwischen Sunniten und Schiiten, ein Schisma, das bis heute anhält, und deren alltagskulturelle Differenzen noch bedeutender geworden sind, als die theologischen.
Die Stämme Palästinas waren die wichtigsten Unterstützer sowohl Muawiyas als auch seines Sohnes und Nachfolgers in Syrien. Mehrere Tausend von ihnen nahmen 682 am Massaker an den Gegnern der Damaszener Kalifen in Medina teil. Auch in den Kämpfen der Jahre 680 bis 692 zwischen den Umayyaden und den beiden Söhnen von Mohammeds Vertrautem az-Zubair ibn al-Awwam – seine Mutter war eine Tante des Propheten – spielten sie eine entscheidende Rolle. ʿAbdallāh ibn az-Zubair wurde zum Kalifen ausgerufen (683–692), er unterlag jedoch den Umayyaden. In Syrien spielte dabei eine von den Banu Hamadan geschmiedete Stammeskoalition eine große Rolle. Diese nannte sich Banu Kalb (Stämme des Südens). Dieser Koalition gelang es im Juli 684 einen Sieg bei Marj Rahit östlich von Damaskus zu erringen, die unterlegenen Qaysis mussten Richtung Euphrat fliehen, obwohl sie zahlreicher waren.161
Nach der Beendigung des Bürgerkriegs begann erneut eine Zeit weiträumiger Eroberungen. So wurden im Osten 711 das Indusgebiet und 712 Transoxanien besetzt. Im Westen wurde bis 709 der Widerstand der Berber gebrochen und der Maghreb unterworfen, 711 bis 715 das Westgotenreich auf der Iberischen Halbinsel. Es folgten Raubzüge in das Frankenreich bis an die Loire und nach Burgund. Nachdem Konstantinopel 668 bis 669, 674 bis 678 und nochmals 717 bis 718 den Belagerern standgehalten hatte, und mehrere Feldzüge gegen die Chasaren nördlich des Kaukasus weitgehend erfolglos blieben, schließlich auch die Vorstöße ins Frankenreich 732 vom fränkischen Hausmeier Karl Martell aufgehalten wurden, schwächte sich die islamische Expansion rapide ab.
Wichtigster Hafen Palästinas wurde Akkon, von wo 647 die Invasionsflotte nach Zypern aufbrach. Doch unter Abd al-Malik wurde die Schiffswerft von dort nach Tyros transferiert, das nun zur wichtigsten Küstenstadt aufstieg. Zudem wurden persische Überläufer, die nach Homs, Baalbek und Antiochia gebracht worden waren, 662/663 in den palästinensischen Hafenstädten stationiert. Von diesen Häfen aus nahmen die Umayyaden den Kampf mit der byzantinischen Flotte um die Beherrschung des Mittelmeers auf, mehr noch als von Alexandria. Umso mehr wurden sie Zielpunkt byzantinischer Angriffe, deren Einzelheiten nicht überliefert sind. Sie galten als Grenzgebiet und genossen entsprechende Privilegien.
Entlang von Straßenbauten, von denen mindestens vier Meilensteine zeugen, wie sie auch unter Abd al-Malik aufgestellt wurden, fanden sich Entfernungsangaben nach Jerusalem oder Damaskus. Über die Warentransporte hinaus profitierten die Städte entlang der Pilgerwege nach Mekka von der neuen Einnahmequelle aus Pilgerscharen. Die Islamisierung schritt jedoch nur langsam voran. So wurde das Arabische als Kanzleisprache eingeführt und die bis dato im Umlauf befindlichen byzantinisch-christlichen Münzen 696 durch Münzen mit arabisch-islamischer Legende abgelöst, den Golddinaren und Silberdirhams. Auch wurden die Steuerakten unter Muawiya II. (685–705) ins Arabische übersetzt. Angesichts der Bedeutung dieser Verzeichnisse auch in den nächsten Jahrhunderten war dies ein überaus bedeutsamer Schritt.
744 verlegte der Kalif seinen Sitz ins mesopotamische Harran. In Nordsyrien kam es zu einem Aufstand, der mit massivem Militäreinsatz erstickt wurde. Auch diesmal schlossen sich, wie zuvor in Palästina, die Stämme Filastins, also Palästinas, an, so dass Marwan II. die Mauern von Hims, Damaskus und Jerusalem abreißen ließ, wie Theophanes berichtet. Diese Aufstände waren jedoch nur das äußere Anzeichen für die Revolution, die sich in Chorassan und im jordanischen Humayma in der Hisma-Wüste vorbereitete. Dort siedelte sich um 690 der Enkel des abbasidischen Ahnherrn und Onkel Mohammeds al-ʿAbbās ibn ʿAbd al-Muttalib an, 'Ali ibn 'Abdallah. Sein Sohn Muḥammad ibn ‘Alī wiederum wurde zum Imam der Abbasiden und zum Vater der beiden ersten Kalifen dieser neuen Dynastie.162
Zulauf erhielten die Aufständischen vor allem aus der iranischen Bevölkerung, die mit der Herrschaft des arabischen Adels unzufrieden war. Noch gravierender, aber damit in Zusammenhang stehend, waren weitere inneren Konflikte. Seit 718 hatten sich schiitische, persische und andere muslimische Gruppen um die Abbasiden geschart, die Nachfahren von Muhammads Onkel Abbas. Diese forderten, dass nur Männer aus dem Zweig dieses Onkels das Amt des Kalifen ausüben durften. Da die Umayyaden diese verwandtschaftliche Legitimation nicht besaßen, versuchten sie die abbasidische Propaganda zu unterbinden. Doch wurde die Dynastie zunehmend durch heftige Rivalitäten zwischen den arabischen Stammesfraktionen geschwächt.
747 begann getreu der Losung „das Recht zu mehren, dem Unrecht zu wehren“ in Chorassan der persich-schiitische Aufstand; 748 waren bereits der Iran und Teile des Iraks gewonnen und am 16. Januar 750 unterlag Kalif Marwan II. den Abbasiden im Nordirak in der Schlacht am Zab. Dem folgenden Massaker an 80 Umayyaden in Abu Futrus, dem antiken Antipatris, entkam ein einziger Prinz. Dieser floh nach al-Andalus, wo er 756 als Abd ar-Rahman I. das Emirat von Córdoba gründete. Während den Abbasiden damit al-Andalus entglitt, konnten sie 751 in der Schlacht am Talas das gerade erst eroberte Transoxanien gegen China behaupten.
Abu l-Abbas as-Saffah starb bereits 754. Sein Bruder und Nachfolger al-Mansur ließ Abu Muslim, den Aufstandsführer von 747, 755 ermorden. Im Gegensatz zu den Umayyaden stützten sich die Abbasiden bei ihrer Herrschaft vor allem auf Iraner und später auf Türken – auch dies ein sehr weitreichender Paradigmenwechsel. Bis 762 entstand Bagdad als neue Hauptstadt. Die Verwaltung wurde vollkommen in der Hand des Kalifen zentralisiert und durch ein Spitzelsystem abgesichert. Eine Rebellion der Schiiten im Hedschas wurde 762–763 unterdrückt.
Unter Harun ar-Raschid (786–809) erreichte die von seinen Vorgängern eingeleitete Entwicklung ihren Höhepunkt. Das Wesirat der persischen Barmakiden sicherte die Stabilität des Reiches. Dennoch ging die Kontrolle über den Maghreb verloren, als zwischen 778 und 800 Rustamiden, Idrisiden und Aghlabiden die Unabhängigkeit erlangten.
Nach dem Tod Haruns im Jahr 809 wurde die Macht unter den Brüdern al-Amin (in Bagdad) und al-Ma'mun (in Merw) geteilt. 810 kam es zwischen den beiden zum Kampf, den al-Ma'mun 813 für sich entschied. Er zog allerdings erst 819 wieder in Bagdad ein. Bis zu seinem Tod im Jahr 833 wurde er hauptsächlich durch seine Förderung der Wissenschaften berühmt.
Nach al-Ma'mun regierte sein Bruder al-Mutasim (833–842). Zwei Verschwörungen bewogen ihn 836 zum Bau einer neuen Hauptstadt, Samarra, und zur Aufstellung einer türkischen Leibgarde, den Mamluken. In der Folgezeit wuchs der Einfluss dieser Garde auf die Kalifen, bis sie selbst Reiche übernahmen. Schon Mu'tasims Nachfolger al-Mutawakkil wurde 861 von ihr auf Anstiftung seines eigenen Sohnes ermordet.
Nun wechselten sich in ähnlichen Revolten die Kalifen ab. Die Armee verbrauchte die Hälfte der Staatseinnahmen und verlangte sichere Geldquellen, weshalb schon Ma'mun mit einer persönlichen Lehenvergabe an seinen verdienten General Tahir (in Chorasan) begonnen hatte. In der Folgezeit wurde es üblich, solche Lehen (iqta) an türkische Militärführer zu vergeben, die ihre Ländereien bald als unabhängige Feudalfürsten regierten.
Bereits um 750 setzte ein Prozess ein, in dem sich darüber hinaus die Randgebiete Schritt für Schritt der Kontrolle des Riesenreiches entzogen. Schon 740–742 kam es im äußersten Westen zum Aufstand des Maysara, einige Berbergruppen machten sich unabhängig. Schon gleich zu Anfang ihrer Herrschaft hatten die Abbasiden el-Andalus eingebüßt, schließlich lösten sich 789 im westlichen Maghreb die Idrisiden (789–985) vom Reich und im Jahr 800 folgten die Aghlabiden in Tunesien. In Ägypten schwang sich 868 der ehemalige türkische Sklave Ahmad ibn Tulun (868–884) zum Statthalter auf, 870 machte ihn der Kalif zum Herrn Alexandrias. Er proklamierte die Unabhängigkeit vom Kalifat. Da die Steuereinnahmen nun nicht mehr an die Kalifen abgeführt wurden, war der Ausbau der Bewässerungsanlagen und der Aufbau einer Flotte möglich, durch die der Handel stark gefördert und der Schutz vor Flottenangriffen verbessert wurde.
878 wurden Palästina und Syrien besetzt, nur eine Rebellion seines ältesten Sohnes zwang ibn Tulun zur Umkehr. Die Abbasiden rückten nun ihrerseits wieder vor. Unter Chumarawaih (884–896) konnten die Abbasiden Nordsyrien zurückerobern. In einem Friedensabkommen verzichtete Chumarawaih auf Ansprüche in Mesopotamien und stimmte der Zahlung von Tributen zu. Dafür erkannte Kalif al-Mutadid (892–902) die Herrschaft der Tuluniden in Ägypten und Syrien an. Der Sohn des Kalifen sollte eine Tochter Chumarawaihs namens Katr-en-neda heiraten, die er jedoch selbst ehelichte. Unter al-Mutadids Herrschaft breiteten sich die ismailitischen Karmaten oder Qaramita in Syrien aus, die im 10. Jahrhundert die islamischen Kerngebiete beherrschen sollten. Wegen des Niedergangs der Zentralgewalt wurden die Abbasiden nur noch nominell auf Münzen und im Freitagsgebet als Kalifen anerkannt. Um 900 beherrschten die Kalifen gerade noch den Irak, den westlichen Iran (Dschibal), Syrien und zeitweise Ägypten. Zu diesen internen Kämpfen kamen Angriffe byzantinischer Flotten.
Um 900 erholten sie sich für kurze Zeit wieder und eroberten 905 Ägypten und Palästina zurück. Doch verloren sie Ägypten 935 bereits wieder an die Ichschididen, die sich selbstständig machten. Die Ichschididen lassen sich auf das Ferghana-Gebiet zurückführen, dessen Prinzen den Titel „Ichschid“ trugen. Einer von ihnen trat in die Dienste al-Mu'tasims. Er war der Großvater des Dynastiegründers Muhammad ibn Tughdsch. Dieser stieg in der Militärkaste auf und wurde vom Kalifen 930 zum Statthalter von Syrien und 933 von Ägypten erhoben. Trotz der starken Machtposition erkannte er die Oberhoheit der Abbasiden an, denn er brauchte Rückhalt, um seine Herrschaft gegen die Angriffe der Fatimiden aus Ifriqiya und gegen Aufstände von Schiiten im Inneren zu verteidigen. Dennoch herrschte er ab 939 praktisch unabhängig und konnte so die Dynastie der Ichschididen begründen. Muhammad besetzte zwischen 942 und 944 Palästina, den Hedschas und Syrien bis nach Aleppo. 945 kam es zu einem Abkommen mit den Hamdaniden im Nordden über die Aufteilung der Herrschaft in Syrien.
Für die Nachfolger Muhammads errang der schwarze Eunuch Abu l-Misk Kafur, meist einfach Kafur genannt, die Regentschaft. Er förderte Kunst und Wissenschaft und konnte 966 seine Anerkennung als Statthalter durch den Kalifen erreichen. Allerdings gelang es den Fatimiden schon 969, unter dem Ichschididenherrscher Abu l-Fawaris, Ägypten zu erobern.
Im Norden, im Grenzsaum zwischen dem muslimischen und dem christlichen Gebiet, herrschten bis dahin die Hamdaniden (Banū Hamdān) im Namen der Bagdader Kalifen. Sie waren zunächst Emire von Mossul, dann auch von Aleppo. Während also Palästina und Südsyrien den Fatimiden unterstanden, herrschten in Nordsyrien bis zur Eroberung durch die türkischen Seldschuken die Hamdaniden. Diese pflegten enge Kontakte zu den Kurden, mit denen vielfach Ehekontrakte arrangiert wurden.
Die Dynastie der Hamdaniden wurde von Hamdan ibn Hamdun (fl. 868–895) begründet, als er 890 von den Abbasiden zum Statthalter von Mardin ernannt wurde. Sein Sohn Abdallah (904–929) wurde 906 noch zum Statthalter von Mossul ernannt. Er beherrschte 914 sogar Bagdad. Seine Söhne wurden von den Abbasiden als Statthalter in Mossul und Aleppo bestätigt. Ab 935 wurde ihre Herrschaft auch formal von den Abbasiden gegen einen jährlichen Tribut von 70.000 Golddinar und Getreidelieferungen anerkannt. Ihre Expansion Richtung Aserbaidschan scheiterte jedoch ebenso, wie der erste Versuch von 943, das Abbasidenkalifat dauerhaft zu beherrschen. Die gegnerischen Banu Habib flohen vor ihnen auf byzantinisches Gebiet. Möglicherweise war dies möglich, weil ein Teil von ihnen noch dem christlichen Glauben anhing.163
Der zweite Herrscher der Hamdaniden, Hassan Nasir ad-Daula (929–968) – „Verteidiger der (Abbasiden-)Dynastie“ –, geriet als Statthalter von Mossul und Diyarbakır zunehmend unter den Einfluss der schiitischen Bujiden, die 945 die dauerhafte Kontrolle über die Abbasiden errungen und den seit 943 vorherrschenden Einfluss der Hamdaniden in Bagdad ausgeschaltet hatten. Mossul wurde zwei Mal von den Bujiden erobert, die die Stadt jedoch nicht halten konnten, da ihre Gegner die Steuer- und Abgabelisten mitgenommen hatten, und die Eroberer in dem reichen Land keinerlei Kontakte aufbauen konnten. Andererseits hatten die Bujiden kein Interesse an einem Machtvakuum in der Dschasira, und so unterstützten sie ad-Daula sogar gegen Aufständische. 948 musste der Bujide seinen Vormarsch auf Mossul abbrechen, im Gegenzug nahm ad-Daula die zeitweise eingestellten Tributzahlungen wieder auf. Auch nahm er einige der Namen der Bujidenherrscher in das Freitagsgebet auf. Bei neuen Kämpfen in den Jahren 956 bis 958 nutze ad-Daula einen Aufstand im Süd-Irak, um Bagdad erneut kurzzeitig zu besetzen.
Als die Bujiden eine Gegenoffensive starteten, musste ad-Daula zu seinem Bruder Ali (Saif ad-Daula) nach Aleppo fliehen. Bis dahin hatte die Hamdanidengruppe unter Führung von Nasir ad-Daula das Übergewicht, doch immerhin gelang es Saif ad-Daula mit den Bujiden zu einem Friedensschluss zu kommen. Aleppo unter Ali (945–967) erhielt nunmehr das Übergewicht, und damit der Norden Syriens. Sein Hof wurde durch die Förderung arabischer Literatur – al-Mutanabbi – zum Förderer der arabischen Sprache.
Als es 964 zu einem erneuten Konflikt mit den Bujiden kam, eroberten diese zum zweiten Mal Mossul, doch, ähnlich wie 958, konnten sie sich in der Dschasira nicht halten. Dabei war es jedoch nicht mehr der alternde Nasir ad-Daula, sondern sein Sohn Abu Taghlib, der den Frieden abschloss. 967 starb sein Onkel Ali in Aleppo ebenso, wie sein Hauptgegner, der mächtige Bujide Mu'izz ad-Daula, und Abu Taghlib „der Löwe“ stürzte 968 seinen Vater mit Hilfe seiner kurdischen Mutter Fatima bint Ahmad.
Anfangs waren die Beziehungen zu den Bujiden gut, doch wurde Bagdad immer mehr zum Fluchtpunkt für unzufriedene Hamdaniden, bis die Bujiden 973 Mossul eroberten. Abu Taghlib griff nun seinerseits Bagdad an. 974 kam es zu einem Friedensschluss, infolgedessen Abu Taghlib den laqab „Werkzeug der Dynastie“ erhielt.
Die byzantinischen Feldzüge von 972 und 974 brachten die Hamdaniden erheblich in Bedrängnis, zumal die Kämpfe um Bagdad wieder aufflammten, wo es zu einer Rebellion des türkischen Kommandeurs gekommen war. Die Unterstützung gegen die Rebellion brachte den Hamdaniden 975 die Befreiung von Tributzahlungen ein. Gegen Byzanz unterstützte Abu Taghlib den dortigen General und Rebellen Bardas Skleros bis 979.164 Die von Hassan Nasir ad-Daula begründete Linie der Hamdaniden regierte nach einer schweren Niederlage gegen die Bujiden im Jahr 979 noch bis 990 in Mossul.
In diese Konstellation stieß die vielfach als „Reconquista“ bezeichnete Rückeroberung durch Byzanz. Diese war ein Werk der Magnatenfamilien Kleinasiens, der Kurkuas, Phokas, Skleros und Tzimiskes. Als erster von ihnen stieg 963 Nikephoros Phokas zum Kaiser auf, den Leon Diakonos († um 1000) als „den bleichen Tod der Sarazenen“ bezeichnete.165 Ende 962 erschien er überraschend vor Aleppo und es gelang ihm für einige Tage die Stadt mit Ausnahme der Zitadelle zu erobern.166 963 organisierte Saif ad-Daula, trotz einer Hungersnot in dieser Region, drei gleichzeitige Angriffe in Kleinasien. Der tiefste Einbruch erreichte sogar Ikonion. Johannes Tzimiskes, der für Anatolien verantwortliche General, reagierte im Winter mit einer Gegeninvasion in Kilikien. Die Byzantiner vernichteten eine arabische Armee in der Nähe von Adana, belagerten danach, wenn auch ohne Erfolg, Mopsuestia. Im Herbst 964 wurde Mopsuestia erneut erfolglos belagert. Kaiser Nikephoros erschien 964 persönlich am Kriegsschauplatz und erreichte schließlich die Übergabe von Mamista; seine Bewohner ließ er deportieren.
Am 16. August 965 eroberte die kaiserliche Armee die verbliebenen Städte in Kilikien, darunter Tarsos; es folgte noch im selben Jahr Zypern. Der an einer Lähmung leidende Hamdanide Saif ad-Daula starb Anfang 967, womit der Widerstand einbrach. 968 drang Nikephoros bis Tripolis vor. Am 28. Oktober 969 fiel Antiochia, wenige Wochen später folgte Aleppo. Wie im Jahr 943 der Abbaside al-Muttaqi sich bereitgefunden hatte, den Byzantinern das Schweißtuch Jesu von Edessa, das Mandylion, gegen 200 arabische Kriegsgefangene zu übergeben, so sandte Kaiser Nikephoros das in Edessa erbeutete Schwert Mohammeds dem Sultan in Tunis zu.
Nikephoros Phokas wurde allerdings am 11. Dezember 969 ermordet, ihm folgte Johannes Tzimiskes als Kaiser. Um dem byzantinischen Druck standzuhalten, traten Saif ad-Daulas Nachfolger 969 zum schiitischen Islam über und unterstellten Aleppo der Oberherrschaft der Fatimiden. 1003 setzten diese die Hamdaniden in Aleppo ab.
Zuvor waren die Fatimiden von Ägypten aus, das sie gerade erst vom Maghreb kommend erobert hatten, nach Norden vor gedrungen, hatten 970 Damaskus besetzt, worauf sie von Januar bis Juni 971 Antiochia belagerten. Doch nun stießen wiederum die radikalen schiitischen Qarmaten nach Palästina und bis vor Kairo vor, in das Herzland der Fatimiden.
Am 12. Oktober 972 ließ wiederum der byzantinische Kaiser Nisibis niederbrennen, in Bagdad und Kufa kam es zu Unruhen. 973 erlitt eine byzantinische Armee eine Niederlage und 974 kam es wohl zu einem Waffenstillstand zwischen Konstantinopel und Kairo, denn die byzantinische Offensive richtete sich keinesfalls gegen die Fatimiden.
Palästina und den Süden Syriens unterwarfen die Fatimiden bis 978; wichtiger noch war, dass sie die Kontrolle über Mekka und Medina gewannen. Damit unterstanden ihnen die wichtigsten Stätten des Islams. Unter ihrer Herrschaft nahm die Wirtschaft Ägyptens durch den Bau von Straßen und Kanälen und durch Förderung des Handels zwischen Indien und dem Mittelmeerraum einen großen Aufschwung. Auch Kultur und Wissenschaft wurden gefördert.
Unter Al-Hakim (995–1021) wurde die Religionspolitik gegenüber Nichtmuslimen deutlich intoleranter. So wurden öffentliche Prozessionen und Kulthandlungen der Christen und Juden ebenso wie der Genuss von Wein und Bier untersagt. Zeitweise wurden auch christliche Kirchen und Klöster geplündert, um Geldmittel für das Heer und den Bau von Moscheen zu beschaffen. Um 1017 entstand in Ägypten eine Sekte, die den Kalifen al-Hakim als die Inkarnation Gottes ansah. Aus dieser entwickelte sich später die Religionsgemeinschaft der Drusen.
Az-Zahir (1021–1036) gelang die Befriedung des Reiches und die Niederschlagung einiger Beduinenaufstände in Syrien. Den Höhepunkt der Macht erreichten die Fatimiden unter al-Mustansir (1036–1094), als ismailitische Missionare im Jemen die Macht ergriffen und die Abbassiden in Bagdad 1059 kurzzeitig gestürzt wurden. Zwar konnten im Gegenzug sogar die Ziriden in Ifriqiya wieder unter die Botmäßigkeit der Fatimiden gebracht werden, doch gingen Syrien und Palästina 1076 an die Seldschuken verloren, mit denen eine neue, diesmal türkische Großmacht auf den Plan trat.
Nach dem Fall der Hamdaniden 1004 wurde Aleppo zunächst von Vasallen der Fatimiden beherrscht. 1024 vertrieb der erste Mirdaside Salih ibn Mirdas diese Vasallen und nahm den Titel Asad ad-Daula an, „Löwe des Reiches“. Er eroberte ein Gebiet von Baalbek über Homs, Aleppo, Manbidsch bis nach Raqqa und Qalʿat ar-Rahba im Osten Syriens. Salih ibn Mirdas starb 1029 bei Kämpfen gegen die Fatimiden. Er wurde von seinen Söhnen Schibl al-Daula Nasr und Mu'izz ad-Daula Thimal beerbt. Obwohl ersterer 1030 bei Aʿzāz die Byzantiner unter Romanos III. besiegte, musste er schließlich dennoch ihre Oberherrschaft anerkennen. Kurze Zeit später wechselte er zu den Fatimiden über, die ihn wiederum 1038 töteten und Aleppo einnahmen. Nasrs Bruder Thimal eroberte 1042 Aleppo zurück und schloss Frieden mit den Fatimiden, wodurch er zum Vasallen sowohl der Byzantiner als auch der Fatimiden wurde. Thimal wurde 1060 von seinem eigenen Stamm durch seinen Neffen Raschid al-Daula Mahmud 1060 vertrieben. Doch 1061 kehrte Thimal zurück und besiegte seinen Neffen, nur um im nächsten Jahr zu sterben. Um das Erbe stritten sich nun Raschid ad-Daula Mahmud und ein weiterer Bruder Thimals mit Namen 'Atiyya ibn Salih. Raschid ad-Daula Mahmud erhielt die westliche und 'Atiyya ibn Salih die östliche Hälfte des Herrschaftsgebiets, mit Aleppo. Um aber das gesamte Reich zu bekommen, heuerte 'Atiyya ibn Salih türkische Söldner an, die ihn ihrerseits hintergingen und an seinen Neffen Raschid ad-Daula Mahmud verrieten. 'Atiyya ibn Salih musste 1065 Aleppo aufgeben.
In diese vergleichsweise kleinräumigen und zähen Kämpfe brach eine neue Großmacht ein. Schon 1055 hatten die sunnitischen Seldschuken in Bagdad die Macht übernommen und die weiterhin anerkannten Abbasiden endgültig zu Schattenkalifen gemacht. Ihre Expansionspolitik richtete sich zum einen gegen Byzanz, gegen das ihnen 1071 ein bedeutender Sieg in der Schlacht bei Manzikert gelang, zum anderen gegen die schiitischen Fatimiden. Sie rückten in Anatolien ein, das sie zunächst bis zur Ägäis in weiten Teilen eroberten. Die Griechen zogen sich sukzessive in die Städte und in einzelne Festungen zurück. Schon 1070 war den Seldschuken in Syrien die Besetzung Aleppos gelungen, womit als letzte arabische Herrschaft in Syrien nur noch die Mirdasiden für einige Jahre fortbestanden (1023–79). Im selben Jahr fiel Jerusalem, 1076 Damaskus. Der Bruder des seit 1072 herrschenden Seldschukensultans Malik Schah I. († 1092), Tutusch, gründete eine der vier seldschukischen Dynastien, nämlich die von Aleppo. Weitere Seldschukenteilherrschaften, untereinander zerstritten, entstanden in Damaskus, Homs und Hama.
Als neuer Machtfaktor erschienen 1098 in Syrien christliche Kreuzfahrer, die glaubten, nach einem Aufruf Papst Urbans II. das Heilige Grab vor den Seldschuken schützen zu müssen. Dabei wurden die Gebiete, die die „Pilger“, wie sie sich selbst meist bezeichneten, eroberten, keinesfalls an das Byzantinische Reich übergeben, zu dem sie ursprünglich gehört hatten, sondern es entstanden vier eigenständige Staaten.
Das von Seldschuken unter Sökmen und Ilgazi von Mardin beherrschte Jerusalem wurde im Gegenzug nach sechswöchiger Belagerung am 29. August 1098 von den Fatimiden unter Malik al-Afdal erobert,167 während das erste Kreuzfahrerheer bereits in Syrien stand. 1098 fielen Edessa und Antiochia, 1099 Jerusalem an die Kreuzfahrer, die vier Staaten errichteten. Beide Mächte, sowohl die ismailitischen Fatimiden als auch die westeuropäischen Christen stießen in dem kriegszerrissenen Land nur partiell auf Widerstand. Dabei besiegten die Kreuzfahrer 1099 die Fatimiden bei Askalon. 1116 stieß ein Heer bis ans Rote Meer vor. Erst mit Zengi aus Mossul, der von 1127 bis 1146 herrschte, gelangen die ersten Rückeroberungen. 1128 besetzte er Aleppo, 1144 Edessa. Nach erfolglosen Rückeroberungsversuchen (Schlacht von Ramla) gerieten die Gebiete Syriens 1130 zunehmend unter den Einfluss der Kreuzfahrer. Um einer Eroberung Ägyptens durch die Kreuzfahrer zuvorzukommen, führte Nur ad-Din, der Herrscher von Damaskus, bereits 1163 einen Feldzug nach Ägypten, bis sein Offizier Saladin 1171 die Fatimiden stürzte und die Dynastie der Ayyubiden gründete.
Der Dynastie der Zengiden gelang es zunächst, eine sunnitische Gegenoffensive zu beginnen, die mit der Zerschlagung der Kreuzfahrerstaaten endete. Doch erst Saladin gelang es, sowohl die Fatimiden in Ägypten zu stürzen, die Dynastie der Ayyubiden zu gründen, und schließlich 1187 die Kreuzfahrer in der Schlacht bei Hattin zu besiegen. Die endgültige Verteibung blieb jedoch noch rund ein Jahrhundert aus, nachdem die Dynastie der Ayyubiden 1193 zerfallen war. Eigentliche Träger des christlichen Widerstands gegen die sunnitische Rückeroberung wurden Templer und Johanniter, zeitweise unterstützt von englischen, französischen und deutschen Adligen und Königen. Nachdem 1250 in Ägypten die dortigen Mamluken, türkische Militärsklaven, die Macht übernommen, und 1260 die Mongolen besiegt hatten, fielen 1268 Antiochia, 1271 Safita und Krak des Chevaliers, 1285 die Burg Marqab, 1289 Tripolis und 1291 als letzte Akkon, Tyros und Sidon. Nur die Inselfestung Arvad hielt sich noch bis 1302.
Der erste der christlichen Staaten, die im Verlauf des Ersten Kreuzzugs entstanden, war die im März 1098 gegründete Grafschaft Edessa, eine Gründung, die aus einer Nebenkampagne Balduins von Boulogne hervorging.168 Anfang Juni 1098 wurde das kurz zuvor noch byzantinische Antiochia nach einer achtmonatigen Belagerung erobert, das dem Normannen Bohemund von Tarent unterstand.169 Auch die Eroberung von Jerusalem am 15. Juli 1099 und die Gründung des Königreichs Jerusalem konnten die Fatimiden nicht verhindern. Zwischen 1102 und 1113 entstand schließlich die Grafschaft Tripolis, dessen Hauptstadt erst nach jahrelanger Belagerung am 21. Juli 1109 fiel. Damit waren die islamischen Mächte Westasiens, sieht man von der Sinai-Halbinsel ab, vollständig vom Zugang zum Mittelmeer abgeschnitten.
Edessa war zwischen dem Emirat von Mossul und den Armeniern umstritten.170 1094 fiel die Stadt an den Armenier Thoros, der durch die Verleihung des Titels eines Kuroplates durch Kaiser Alexios I. eine gewisse Legitimität erhalten hatte. Er wandte sich an Balduin I. um Hilfe, der sich wiederum von dem Armenier adoptieren ließ. Thoros fiel bald einer Intrige zum Opfer und wurde gelyncht. Balduin gelang es, Samosata zu erobern und die Straße nach Antiochia freizumachen. Die neuen Herren regierten die Grafschaft Edessa von ihren Burgen aus, von wo sie Steuern und Abgaben einzogen und Raubzüge jenseits der Grenzen unternahmen. Als Balduin im Jahr 1100 König von Jerusalem wurde, überließ er seinem Vetter Balduin von Bourcq die Grafschaft, doch geriet dieser 1104 in Gefangenschaft, aus der er erst 1107 zurückkehrte. Als Balduin 1118 König von Jerusalem wurde, überließ er die Grafschaft Josselin I., der erst 1108 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war, und in die er 1122 erneut geriet. König Balduin übernahm daraufhin bis 1123 die Grafschaft. Danach wurde Gottfried der Mönch Graf von Edessa. Josselin I., den armenische Freunde befreiten, überantwortete die geschwächte Grafschaft 1131 seinem Sohn Josselin II.
1144 gelang es Nur ad-Din, dem Atabeg von Mossul, Edessa zu erobern. Er ließ alle lateinischen Christen töten, behandelte aber syrische Christen, Armenier, Jakobiten und Orthodoxe nachsichtig. Doch nach einem Versuch der Armenier, Josselin II. wieder einzusetzen, ließ er die verbliebenen Christen teils hinrichten, teils verbannen. Frauen und Kinder wurden in die Sklaverei verkauft. Die Stadt Edessa war praktisch entvölkert und hat sich von diesen Vorgängen nie erholt. Ihr Sturz wurde zum Auslöser des Zweiten Kreuzzugs (1147–49), während sich die muslimischen Herren nach fast einem halben Jahrhundert wieder Hoffnung auf Vertreibung der Franken und Rückgewinnung des Mittelmeerzugangs machten.
Antiochia, seit 1085 in seldschukischer Hand, wurde ab Oktober 1097 unter dem Befehl des Bohemund von Tarent befehligt. Am 3. Juni 1098 erstürmten sie die Stadt, doch ein vereintes muslimisches Heer belagerte nun seinerseits die Eroberer. Die Belagerer wurden von Kerboga aus Mosul kommandiert, auch befanden sich Truppen des Duqaq aus Damaskus, des Radwan aus Aleppo, sowie Abteilungen aus Persien und der Ortoqiden im Heer. Kaiser Alexios I. Komnenos, der auf dem Weg war, um die Kreuzfahrer zu unterstützen, machte kehrt, als er die Nachricht erhielt, die Stadt sei wieder verloren gegangen. Die Kreuzritter hielten der Belagerung jedoch mit Hilfe des Mystikers Peter Bartholomäus stand. Peter behauptete, Visionen des Apostels Andreas gehabt zu haben, der ihm mitteilte, dass die Heilige Lanze in der St. Peter-Kirche sei, wo die Lanze von Peter selbst gefunden wurde. Mit der neu entdeckten Reliquie an der Spitze besiegten die Kreuzfahrer am 28. Juni 1098 vor der Stadt die zerstrittenen Belagerer.
Während der Rest des Heeres im Januar 1099 Richtung Jerusalem weiterzog, blieb Bohemund in Antiochia und nahm den Titel eines Fürsten an. 1100 wurde Antiochia auch Sitz des neugegründeten lateinischen Erzbistums Antiochia. Bohemund wurde 1100 in einer Schlacht gegen die Danischmenden gefangengenommen, woraufhin sein Neffe Tankred zum Regenten ernannt wurde. Dieser erweiterte das Herrschaftsgebiet des Fürstentums, indem er die Städte Tarsus und Latakia dem Kaiserreich abnahm. Bohemund, 1103 freigelassen, reiste 1105 nach Italien, um dort Truppen anzuwerben, mit denen er 1107 die Byzantiner von Westen aus angriff. Er wurde jedoch 1108 bei Dyrrhachium besiegt und von Alexios I. gezwungen, den Vertrag von Devol zu unterzeichnen, der Antiochia nach Bohemunds Tod zum byzantinischen Vasallenstaat machen sollte – Bohemund hatte bereits bei seinem Aufenthalt in Konstantinopel 1097 zugesagt, alles zurückeroberte Land dem Kaiser zurückzugeben. Nach seiner Rückkehr nach Antiochia kämpfte er mit Balduin und Joscelin von Courtenay aus der Grafschaft Edessa gegen Aleppo, wobei Balduin und Joscelin gefangengenommen wurden, woraufhin Tankred auch dort Regent wurde.
Alexios forderte nach dem Tod Bohemunds Tankred auf, das Fürstentum an Byzanz zurückzugeben. Tankred hingegen, der der einzige Anführer des Kreuzzugs war, der 1097 den Eid in Byzanz nicht geleistet hatte, weigerte sich mit Rückendeckung aus Tripolis und Jerusalem. Tankred starb 1112, ihm folgte Bohemund II. unter der Regentschaft von Tankreds Neffen Roger von Salerno, der 1113 einen Angriff der Seldschuken abwehrte. Am 27. Juni 1119 wurde Roger in der Schlacht von Ager Sanguinis getötet.
Antiochia wurde nun ein Vasallenstaat Jerusalems mit Balduin II. als Regent bis 1126 (obwohl Balduin in dieser Zeit lange in Gefangenschaft in Aleppo war). Bohemund II. hinterließ das Fürstentum 1131 seiner Tochter Konstanze; 1136 heiratete die zehnjährige Konstanze den 36-jährigen Raimund von Poitiers. Johannes II. Komnenos tauchte 1138 vor Antiochia auf und zwang Raimund, der Kilikien angegriffen hatte, den Treueid ab, wurde dann aber durch einen von Joscelin II. von Edessa angestachelten Aufstand zum Rückzug gezwungen.
Nach dem Fall Edessas 1144 wurde Antiochia während des Zweiten Kreuzzugs von Nur ad-Din angegriffen. Der Osten des Fürstentums ging zum großen Teil verloren, Raimund wurde in der Schlacht von Inab 1149 getötet. Balduin III. von Jerusalem wurde nun Regent für Raimunds Witwe Konstanze bis 1153, als sie Rainald von Chatillon heiratete. Auch Rainald begann einen Krieg mit Byzanz, indem er Zypern plünderte, während Templer und Armenier die byzantinischen Besitzungen in Kilikien angriffen. Er schloss 1158 Frieden mit Kaiser Manuel I., der im Jahr darauf nach Antiochia kam, um die Herrschaft im Fürstentum zu übernehmen.
Rainald wurde auf einem Raubzug in den Anti-Taurus 1160 von Madsch ed-Din, dem Statthalter von Aleppo, einem Gefolgsmann von Nur ad-Din von Damaskus gefangengenommen. Die Regentschaft ging auf den lateinischen Patriarchen von Antiochia, Aimerich von Limoges (1139–1193), einen Gegner Rainalds, über. In der Zwischenzeit heiratete Manuel Komnenos Konstanzes Tochter Maria, aber da Konstanze nur nominell Herrscherin Antiochias war, wurde sie 1163 ab- und durch ihren Sohn Bohemund III. ersetzt, der wiederum im folgenden Jahr von Nur ad-Din gefangengenommen wurde. Der Orontes wurde nun zum Grenzfluss zwischen Antiochia und Aleppo bestimmt. Bohemund III. kehrte 1165 zurück, heiratete eine von Manuels Nichten, die er später nach Konstantinopel zurückschickte, und wurde veranlasst, in der Stadt auch einen griechisch-orthodoxen Patriarchen zu installieren.
Weder Antiochia noch Tripolis nahmen am Dritten Kreuzzug teil, obwohl die Reste von Friedrich Barbarossas Armee 1190 in Antiochia Rast machten, um den ertrunkenen Kaiser zu begraben. Bohemunds zweiter Sohn Bohemund IV. wurde nach der Schlacht bei Hattin Graf von Tripolis. Bohemunds ältester Sohn Raimund heiratete 1194 Alice, eine Prinzessin aus dem Königreich Kleinarmenien, und starb 1200, Bohemund III. selbst starb im Jahr darauf.
Sein Tod führte zum Kampf um die Vorherrschaft zwischen seinem Sohn Bohemund IV. und dem Sohn seines ältesten Sohnes Raimund, Raimund Ruben. Bohemund IV. usurpierte die Regierung 1207, Raimund regierte kurz von 1216 bis 1219. Bohemund IV. starb 1233. 1254 heiratete Bohemund VI. Sibylla (Sabel), eine armenische Prinzessin, wodurch der Machtkampf zwischen den beiden Staaten beendet wurde. Zu dieser Zeit waren die Armenier mächtiger und Antiochia nur noch ein Vasallenstaat.
Als die Mongolen 1260 in der Schlacht von Ain Djalut von den Mamluken geschlagen wurden, begann Sultan Baibars, Antiochia zu bedrohen, das – als armenischer Vasall – die Mongolen unterstützt hatte. Baibars eroberte die Stadt nach viertägiger Belagerung am 18. Mai 1268. 1291 wurde als letzte Kreuzfahrerfeste Akkon erobert.
Die Grafschaft Tripolis entstand ab 1102, als Graf Raimund von Toulouse, einer der Anführer des I. Kreuzzugs, einen langwierigen Krieg mit den Banu Ammar begann, den Emiren von Tripolis. Diese waren Vasallen der Fatimiden. 1103 erbaute Raimund die Burg auf dem Mons Peregrinus zur Kontrolle des Landes um Tripolis.
Zwischen Wilhelm-Jordan von Cerdagne († 1109) und einem unehelichen Sohn Raimunds, Bertrand von Toulouse, kam es unter Vermittlung des Königs Balduin von Jerusalem zu einer Übereinkunft, nach der jeder das Gebiet beherrschen solle, das er selbst erobert habe, eine Vereinbarung, in der Bertrand mit der Eroberung von Tripolis am 12. Juli 1109 die bessere Wahl traf. Die Grafschaft wurde nach dem Tod Raimunds als Kronlehen des Königreichs Jerusalem Bertrand übertragen. Sie bestand danach als Vasallenstaat, ab 1142 mit einer autonomen Burg innerhalb der Landesgrenzen, dem Krak des Chevaliers, der dem Johanniterorden übergeben worden war.
Graf Raimund III. war zwei Mal Regent im Königreich, zuerst für den jungen Balduin IV. von 1174 bis 1177, dann für Balduin V. von 1185 bis 1186, auch war er der Führer der Adelsopposition gegen die Verbindungen Balduins IV. zu den Courtenay, den Tempelrittern, Guido von Lusignan und Rainald von Chatillon. Raimund bemühte sich erfolglos darum, mit Saladin Frieden zu halten, und ironischerweise war es Saladins Belagerung von Tiberias, wo seine Frau sich aufhielt, die die Kreuzfahrerarmee vor der Niederlage in der Schlacht bei Hattin 1187 nach Galiläa führte. Raimund überlebte die Schlacht, starb aber kurze Zeit später.
Dank einer rechtzeitig eingetroffenen Kreuzfahrerflotte und Armee aus Sizilien konnte die Grafschaft die Eroberung durch Saladin durch eine Reihe von Siegen nach Hattin vermeiden. Ab 1201 wurde die Grafschaft – mit Ausnahme der Jahre 1216 bis 1219 – in Personalunion mit Antiochia regiert. Dies währte, bis 1268 Antiochia von den Mameluken erobert wurde.
Im Mai 1271 wurde auch Tripolis von den Mameluken belagert. Das gerade in Akkon eingetroffene Heer des Kreuzzugs des Prinzen Eduard konnte die Stadt aber entsetzen und die Grafschaft wieder stabilisieren.
Der Tod des unbeliebten Grafen Bohemund IV. 1287 führte zu einem Streit zwischen seiner Erbin, seiner Schwester Lucia und der Stadt, die sich selbst unter den Schutz der Republik Genua begab. Es gelang Lucia jedoch, eine Vereinbarung mit Genua und der Stadt zu treffen, die nun wieder Venedig und dem ehrgeizigen Bartolomeo Embriaco, dem genuesischen Bürgermeister der Stadt, missfiel, der nun seinerseits den Mamelukensultan Qalawun zu Hilfe rief. Qalawun eroberte die Stadt 1289.
Ohne dass die Kreuzfahrer Kenntnis von der Aufspaltung des Islams in Schiiten und Sunniten gehabt hätten, geschweige denn von den sektiererischen Gruppen, die nicht nur in Syrien seit langem bestanden, gerieten erstmals im Frühjahr 1106 Kreuzfahrer, hier der Kreuzzugsführer Tankred, mit ihnen in Konflikt. Seine Gefolgsleute eroberten die Festung Apamea am Orontes, derer sich kurz zuvor die Assassinen bemächtigt hatten. Tankred ließ mehrere von ihnen hinrichten. Ihren Anführer Abu Tahir (Botherus) „der Goldschmied“ setzte er jedoch in Antiochia gefangen, um sich für ihn von Radwan von Aleppo Lösegeld zahlen zu lassen. Das nächste Aufeinandertreffen ereignete sich erst 1126. Beim Angriff Balduins II. von Jerusalem auf Damaskus beteiligten sich Assassinen mit einer aus ihrer Gemeinde von Homs rekrutierten Truppe an der Verteidigung. Doch drei Jahre später fiel die Assassinengemeinde einem Pogrom der sunnitischen Damaszener zum Opfer. Als Vergeltung übergab ihr Anführer Ismail „der Perser“ die von ihnen verwaltete Grenzfeste Banyas an das Königreich Jerusalem. Mit den Überlebenden ging er dorthin ins Exil. In der Zeit der Verfolgung durch die Sunniten wurde das Herrschaftsgebiet der Christen zum Rückzugsort der schiitischen Assassinen, die dafür in der Schlacht von Inab am 29. Juni 1149 an der Seite der Christen gegen die Truppen des Sunniten Nur ad-Din kämpften.
Nach dem Vorbild ihrer persischen Glaubensgenossen, die schon seit dem Ende des 11. Jahrhunderts durch die Okkupation von Höhenburgen im Elburs-Gebirge über einen eigenen Staat verfügten, begannen sie im Dschebel Ansariye, das von der Küste bis zum Orontes ein Niemandsland zwischen den Kreuzfahrerstaaten und den Herrschaften der Zengiden darstellte, durch Kauf einer ersten Festung einen eigenen Staat zu gründen. 1132/33 erwarben sie dazu die Burg von Qadmus, in deren Umland sie bis spätestens 1165 weitere „Burgen der Mission“ (qilāʿ ad-daʿwa) in Besitz nahmen. Ihr Gebiet soll nach zeitgenössischen Schätzungen von mindestens 60.000 Menschen bewohnt gewesen sein. Durch den Mord an ihrem früheren Besitzer brachten sie 1140/41 auch die Burg Masyaf an sich, die bis 1270 ihr Hauptstützpunkt und der Sitz ihres Führers blieb.
Ihre Theokratie wurde von so genannten „Rufern“ (daʿī) geleitet, die jeweils einer Kommune vorstanden. Auf diese Art wurde das „Land der Mission“, die Gesamtgemeinde der dortigen Nizariten, die von einem Obermissionar geführt wurden. Diesem wurde eine geistig-moralische Führungsqualität zuerkannt, weshalb er üblicherweise als Scheich (šaiḫ) angesprochen wurde, was als „Alter“ oder im Sinne spiritueller Autorität als „Weiser“ übersetzt werden kann. Auch für die Franken war er der senex. Wilhelm von Tyrus glaubte, der „Alte“ sei dank zuvor erworbener Verdienste in diese Position gelangt, und bis zuletzt verstanden die Kreuzfahrer nicht, dass er im Gegenteil vom spirituellen Oberhaupt der Nizari-Schia, dem im persischen Alamut residierenden Imam, bestimmt wurde. So stammten die meisten von ihnen aus Persien. Solange sie von mächtigen sunnitischen Führern geschützt wurden, konnten sie in der ihnen feindlich gesinnten sunnitischen Umgebung überleben. In Ermangelung einer Heeresmacht hatten sich die Assassinen von Anfang an darauf verlegt, ihre Gegner durch Messerattentate zu ermorden.
1152 ermordeten Assassinen als erste Franken Graf Raimund II. von Tripolis und den Ritter Ralph von Merle, obwohl man seit dem Pogrom von Damaskus keine Auseinandersetzungen kannte. Der Templerorden unternahm eine Strafexpedition, doch scheinen sich die Beziehungen danach bis 1187/92 wieder normalisiert zu haben. Wilhelm von Tyrus berichtet, dass die Assassinen dem Orden der Templer einen jährlichen Tribut von 2000 Dinaren zu entrichten hätten. Sie unternahmen aber Versuche, sich dieses Tributs zu entledigen, indem sie sich 1173 an König Amalrich I. von Jerusalem wandten. Ihm sollen sie sogar den Vorschlag unterbreitet haben, zum Christentum zu konvertieren, was Amalrich bereitwillig akzeptiert habe. Doch hätten die Templer dieses Vorhaben vereitelt, indem sie den Unterhändler der Assassinen auf seinem Rückweg zu seinem Meister ermordeten. Ihr Ruf war inzwischen äußerst schlecht: Um 1169 umging Rabbi Benjamin von Tudela die Berge des Dschebel Ansariye und erfuhr dabei erstmals von den Assassinen, die von ihrem Hauptsitz Qadmus aus ihre Nachbarn terrorisieren, jeden König töten und dabei ihre eigenen Leben geben würden.171
Die Assassinen verblieben unter der Botmäßigkeit der Templer, was sie gegen Nur ad-Din und schließlich gegen Salah ad-Din (Saladin) Yusuf, der Syrien 1174 mit Ägypten vereinte, schützen sollte. Mit den Templern konspirierend unternahmen die Assassinen 1174 und 1176 Anschläge auf Saladin. Dieser belagerte daraufhin Masyaf. Doch Großmeister Sinan einigte sich mit Saladin, für den der Kampf gegen die Franken Vorrang hatte. Am 4. Juli 1187 besiegte Saladin die Franken bei den Hörnern von Hattin.
Die Assassinen wechselten die Front. Am 28. April 1192 ermordete einer von ihnen in Tyrus Markgraf Konrad von Montferrat, der die Stadt gegen Saladin verteidigt hatte. Auf christlicher Seite wurde vor allem Richard Löwenherz als Drahtzieher verdächtigt, da der Markgraf während des dritten Kreuzzuges einer seiner einflussreichsten politischen Rivalen gewesen war. Auf muslimischer Seite wurde dagegen Saladin als Auftraggeber verdächtigt, der durch die Ermordung des Markgrafen zum einen die ihm vor Tyrus zugefügte Schmach vergelten und zum anderen den gefährlichsten Widersacher auszuschalten gedachte, denn der Markgraf war bereits mit der Erbin des Königreichs Jerusalem verheiratet.
Zahlreiche Geschichten über die Käuflichkeit von Assassinen für Auftragsmorde wurden in Europa so ernst genommen, dass sich Papst Innozenz IV. auf dem Konzil von Lyon 1245 veranlasst sah, die Bulle De sentencia et re iudicata zu veröffentlichen, in der die Anwerbung von Assassinen zur Ermordung politischer Gegner mit der Androhung der Exkommunikation sanktioniert wurde. Dies war die Zeit, in der in Europa der Begriff Assassini als „Mörder“ Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch zu halten begann. Der letzte Auftragsmord gegen die Kreuzfahrer fand 1213 statt, als Assassinen den achtzehnjährigen Raimund von Antiochia in der Kathedrale von Tortosa ermordeten.
1227 nahm Kaiser Friedrich II. diplomatischen Kontakt auf und erkaufte von ihnen mit 80.000 Golddinaren eine Sicherheitsgarantie für sich und sein Heer. Die Ritter des Hospitaliterordens forderten ihrerseits im selben Jahr den gewohnten Tribut, den diese jedoch im Vertrauen auf ihren neuen Verbündeten verweigerten. Die Hospitaliter unternahmen daraufhin einen Plünderungszug durch das Assassinengebiet.
Ludwig IX. von Frankreich scheiterte 1250 im Nildelta und fiel in ägyptische Gefangenschaft. Noch im Mai 1250 konnte er sich nach Akkon begeben, der Hauptstadt der Franken seit der Eroberung von Jerusalem durch Saladin. Jean de Joinville berichtet von drei Abgesandten des Alten vom Berge beim König.172 Einer der Männer präsentierte drei Dolche, deren Klingen in die Griffe der jeweils anderen gesteckt waren, der andere hatte ein weißes Leinentuch um seine Arme gewickelt. Ihr Wortführer verlangte Tribut von Ludwig, wie ihn bereits der Kaiser, der König von Ungarn und der Sultan von Kairo an sie entrichtet hätte. Alternativ könne er auch die Großmeister der Ritterorden dazu veranlassen, auf ihre eigenen Tributforderungen zu verzichten. Dazu erklärten sie, dass es für sie zwecklos sei, einen der Großmeister zu töten, da bei den Ritterorden umgehend ein neuer an deren Stelle gewählt würde. Die mit den Drohgebärden unterbreitete Forderung verfing beim König nicht und auch nicht bei den Großmeistern. Der Alte vom Berge ließ später, um Vergebung für diese Drohgebärden zu erlangen, dem König Geschenke zukommen, darunter eines seiner Hemden, da dieses ihm näher sei als alles andere, und einen besonders schön geschmiedeten goldenen Ring, mit dem der Alte gedachte, sich durch eine „Heirat“ mit dem König zu vereinen. Danach ließ nun König Ludwig seinerseits Geschenke an den Alten vom Berge senden.
Überbringer war ein aus der Bretagne stammender Mönch namens Yves, der Arabisch sprach. Und obwohl der Mönch nicht alles verstand, so war es ihm zu verdanken, dass die Franken Kunde über die Glaubensverfassung der Assassinen erhielten. Schon Benjamin von Tudela hatte davon berichtet, dass die Assassinen den Glauben des Islams abgelegt hätten. Und auch Wilhelm von Tyrus hatte davon geschrieben, dass sie mit dem Glauben der Sarazenen gebrochen hätten und von jenen nun als Ketzer angesehen worden wären; daher das Konversionsangebot. Bruder Yves erfuhr nun, dass die Assassinen dem „Gesetz Alis“ (la loy Haali) folgten und deshalb von den Anhängern des „Gesetzes Mohammeds“ als Ungläubige angesehen würden. Ali habe einst seinem Neffen Mohammed zur Macht verholfen, sei dann aber von diesem fallen gelassen worden, worauf er eine eigene Anhängerschaft um sich scharte, die fortan in Gegnerschaft zu den Anhängern Mohammeds gestanden hätte. Auch würden die Assassinen den Tod nicht fürchten, weil sie glaubten, in einem glücklicheren Körper wiedergeboren zu werden. Auch trügen sie keine Rüstungen, weil Gott jedes Todesgeschick vorherbestimmt habe, und sie würden die Franken verachten, weil diese aus Furcht vor dem Tod mit Rüstungen in den Kampf zögen.
Danach berichtet nur noch ein ins Lateinische übersetzter Brief des Groß-Da‘is an König Manfred von Sizilien von 1265, in dem der Meister dem König seine Unterstützung im Kampf gegen den Papst und Karl von Anjou versichert.
Unter dem Mamlukensultan Baibars, der das Reich Saladins erbte, wurden die letzten christlichen und schiitischen Gebiete in der Levante beseitigt. Im Mai 1270 besetzte er Masyaf. Baibars zwang den Groß-Da‘i dazu, den Tribut an die Hospitaliter nun als Beitrag zu seinem Dschihad zu entrichten. Baibars wurde nunmehr als Auftraggeber hinter assassinischen Anschlägen auf Philipp von Montfort und Prinz Edward von England verdächtigt. Allerdings haben sich die Assassinen seiner wachsenden Macht auch durch ein Attentat auf ihn selbst zu entledigen gesucht, das im Frühjahr 1271 im Feldlager vor der Hospitaliterfeste Krak des Chevaliers scheiterte. Als letzte Assassinenburg fiel am 10. Juli 1273 al-Kahf.
Viele Assassinen haben sich nach 1310 von den Nizariten getrennt und folgten unter der Bezeichnung Mu’miniten einer eigenen Imamlinie. Später erfuhr Ibn Battuta auf seinem Weg durch das „Land der Mission“ im Sommer 1326, dass die Fidāwīya ihre alten Burgen wieder in Besitz genommen hätten und nun Auftragsmorde mit vergifteten Messern für Sultan an-Nasir Muhammad erledigen würden.173 Und auch Brochard der Deutsche warnte König Philipp VI. von Frankreich in seinem 1332 verfassten Expeditionsbericht zur Vorbereitung eines neuen Kreuzzuges vor den „verfluchten und zu fliehenden Assassinen“ (execrandos et fugiendos nomino Assasinos).174
Dies wiederum führte zum Fiasko des Zweiten Kreuzzugs, in dem – entgegen den Vorstellungen der Jerusalemer Adligen – die Kreuzfahrer-Könige Ludwig VII. von Frankreich und Konrad III. von Deutschland sich entschieden, nicht Zengis Sohn Nur ad-Din in Aleppo anzugreifen, der seinem Vater 1146 gefolgt war, sondern den friedlichen Emir von Damaskus. Schließlich wurde die Situation der Kreuzfahrer kritisch, als Nur ad-Din Damaskus eroberte und damit das muslimische Syrien unter seine Herrschaft brachte.
Balduin III. starb 1162. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Amalrich I., dessen Regierungszeit ein ständiger Kampf mit Nur ad-Din und dessen Befehlshaber Saladin um die Kontrolle Ägyptens bestimmte. Obwohl vom byzantinischen Kaiser Manuel I. unterstützt, gelang es ihm am Ende nicht, Ägypten zu erobern. Amalrichs und Nur ad-Dins Tod 1174 sicherten am Ende Saladins Vormacht. Amalrichs Nachfolger war sein junger Sohn Balduin IV., der bereits in frühen Jahren an der Lepra erkrankte. Es entstanden Fraktionen hinter Balduins Vetter Raimund III. von Tripolis und seinem Schwager Guido von Lusignan. Die Provokationen durch Rainald von Chatillon lieferten Saladin schließlich einen legitimen Grund, militärisch gegen das Königreich vorzugehen.
Gegen die Angriffe des Königreichs Jerusalem riefen die Fatimiden die oghusischen Zengiden zu Hilfe, die bald Nordsyrien beherrschten. Zengi, ihr Führer, stand ursprünglich in den Diensten von Qasim ad-Daula Aq Sunqur al-Bursuqi, dem Statthalter von Mossul und Atabeg des Seldschukenprinzen Masud. Nach Zwischenetappen als Gouverneur von Wasit und Basra, machte ihn der Seldschuke Mahmud II. (1118–1131) 1127 zum Statthalter von Mossul und gleichzeitig zum Atabeg. Zengi ordnete sich schnell die diversen lokalen Machthaber der Dschazira und des Diyarbakir-Distrikts unter. Im Juni 1128 übernahm er Aleppo, um das sich drei muslimische Machthaber stritten: Kotba Ali, ein Sohn Ridwans und ein Sohn Ilghazis. Nach der Jahre in Anspruch nehmenden Klärung der politischen Situation seiner beiden Oberherren im Osten, d. h. des Kalifen und des Seldschukensultans, eröffnete sich Zengi ab etwa 1135 die Möglichkeit, sich gegen Rivalen im Südwesten zu wenden. Zengi stand dort hauptsächlich im Konflikt mit den Buriden von Damaskus, zog Nutzen aus deren internen Streitigkeiten und konnte ihnen im Juni 1138 mit militärischen Druck die Fürstenwitwe Zumurrud sowie die Stadt Homs als „Mitgift“ abnehmen. Im selben Jahr belagerte Kaiser Johannes II. (1118–1143) erfolglos Aleppo, nachdem er zuvor bereits das Fürstentum Antiochia unter seine Kontrolle gebracht hatte. 1139 wandte Zengi seine Aufmerksamkeit (wieder) Damaskus zu, das mit dem Königreich Jerusalem gegen ihn verbündet war. Seine Belagerung schlug allerdings fehl, da der Mamluke Unur (gest. 1149), der vormalige Statthalter von Homs, nicht zur Aufgabe bereit war.
Während Joscelin II., Graf von Edessa 1144 auf einem Feldzug abwesend war, belagerte Zengi die Stadt und eroberte sie am 24. Dezember 1144. Die Zitadelle fiel zwei Tage später. Es kam zu einem Massaker an der Bevölkerung.175 Dieses Ereignis führte zum erfolglosen Zweiten Kreuzzug und wurde in späteren islamischen Chroniken als Beginn des Dschihad gegen die Kreuzritter gewertet. Während Zengi seine Versuche, Damaskus zu erobern, fortsetzte, wurde er im Septembers 1146 während der Belagerung von Qalʿat Dschaʿbar von einem fränkischen Eunuchen ermordet. In Mossul folgte ihm sein ältester Sohn Saif ad-Din Ghazi I., in Aleppo sein zweiter Sohn Nur ad-Din auf den Thron, sein zweiter Sohn.
Als 1147 die Anführer des II. Kreuzzugs, die nach dem Fall Edessas herbeigerufen worden waren, entschieden, das in dem Konflikt neutrale Damaskus anzugreifen, baten die Damaszener Nur ad-Din um Hilfe. Die Kreuzfahrer brachen die Belagerung von Damaskus ab, als sie erfuhren, dass sein Heer näher rückte. Nur ad-Din griff im Juni 1149 das Fürstentum Antiochia an. Raimund von Antiochia wurde in der folgenden Schlacht von Inab getötet, und der Sieger konnte sein Heer bis ans Mittelmeer führen, in dem er symbolisch ein Bad nahm. Nach einer Belagerung gelangte Nur ad-Din 1154 in den Besitz von Damaskus.
1163 griffen die Kreuzfahrer Ägypten an. Der vormalige Wesir Schawar, der aus Ägypten geflohen war, bat Nur ad-Din ein Heer nach Ägypten zu senden, um ihn in Kairo einzusetzen. Dafür würde er die Kosten übernehmen, jährliche Tributzahlungen leisten, Nur ad-Dins Herrschaft anerkennen und die Grenzbezirke abtreten. Nur ad-Dins Kommandeur Schirkuh überzeugte ihn 1164, eine Invasion zu wagen. Schirkuhs Neffe Saladin wurde 1169 zunächst ebenfalls Wesir, dann mit der Beseitigung der Fatimiden zum Sultan des eroberten Landes. Er begründete die kurdische Dynastie der Ayyubiden.
Unter Saladin wurden Landwirtschaft und Handel gefördert. Bis 1181 wurde die Herrschaft über Syrien, Obermesopotamien, den Jemen und Nubien ausgedehnt. Nach Festigung seiner Herrschaft besiegte er die Kreuzfahrer am 4. Juli 1187 in der Schlacht bei Hattin nahe Tiberias und eroberte Jerusalem. Im nun folgenden Dritten Kreuzzug gelang es den Kreuzfahrern zwar, einige Küstenstädte (darunter Akkon) zurückzuerobern, doch konnten sie Jerusalem nicht wieder einnehmen.
Da Saladin vor seinem Tod das Reich teilte, kam es zunächst zu Machtkämpfen, bei denen sich al-Adil I. (1200–1218) gegen al-Mansur (1198–1200), den minderjährigen Sohn al-Aziz’ (1193–1198), durchsetzen konnte. Zwar teilte auch al-Adil das Reich vor seinem Tod, doch konnte sein Nachfolger al-Kamil (1218–1238) den Kreuzzug von Damiette (1217–1221) in Ägypten abwehren und den Kreuzzug Friedrichs II. (1228–1229) durch Verhandlungen mit Kaiser dem Kaiser beenden. Kurz vor seinem Tod konnte sich al-Kamil auch in Syrien durchsetzen.
Nach dem Ausbruch abermaliger dynastischer Machtkämpfe gelang es as-Salih (1240–1249), weite Teile des Ayyubidenreichs wieder zu vereinigen, auch wenn Nordsyrien, Obermesopotamien und der Jemen endgültig verloren gingen. Ebenso konnte er 1244 Jerusalem endgültig erobern.
Die Zengiden und auch die Mamluken haben vor allem in Damaskus ein reiches architektonisches Erbe hinterlassen. Mit dem Ende der Zengiden endete allerdings der Bau der Stalaktitenkuppeln in Damaskus und anderen Städten. Für ein Wiederanknüpfen an lokale Traditionen – die Stalaktitenkuppeln waren ein Import aus dem Iran – stehen die steilen über Trompen in den Kreis geführten Kuppeln über dem Grabmal Baibars' ebenso, wie der die Umayyaden zitierende Mosaikenfries. In Salihiya, einem Damaszener Vorort, entstanden zahlreiche Grabmäler mit Schirmkuppeln über quadratischem Grundriss.
Unmittelbar nachdem ein weiterer Kreuzzug (1249–1254) abgewehrt worden war, fiel der letzte Ayyubide Turan Schah einer Verschwörung der türkischen Mamluken im Heer zum Opfer, als er deren Einfluss einschränken wollte. Bis 1257 führte nun dessen Stiefmutter Schadschar ad-Dur als Regentin den Staat, wobei sie den Mamlukenführer Aybak heiratete. Dieser erhob sich als al-Malik al-Muizz 1252 zum Sultan und begründete das Mamlukenreich, das bis 1517 Bestand hatte.
Im Jahr 1260 geriet Syrien durch Hülagü, der zwei Jahre zuvor den Abbasiden in Bagdad ein Ende gesetzt hatte, dann erneut 1299 in mongolische Hand. Der jakobitische Reisende Gregorius Bar-Hebraeus besuchte 1265 Bagdad und stellte fest, dass die mongolische Eroberung Aleppos noch verheerender war.
1303 kam es dort zu erneuten Kämpfen, 1323 einigte man sich auf eine Grenzziehung entlang der Linie Aleppo-Damaskas-Homs-Aqaba. 1348 wütete die Pest verheerend, schließlich zerstörten die Armeen Timurs Aleppo und Damaskus. Er ließ in großer Zahl Männer nach Zentralasien verschleppen, während in Syrien ein wirtschaftlicher und kultureller Niedergang einsetzte. Erst nach und nach wurde Syrien, bedingt durch die spanische Reconquista, die zahlreiche Gelehrte nach Syrien verschlug, die dort für eine erneute kulturelle Blüte sorgten, erneut ein Zentrum der Gelehrsamkeit. Auch Flüchtlinge vor den Mongolen erreichten das Land. Seitenlinien der Ayyubiden herrschten noch eine Zeit lang: in Damaskus und Aleppo noch bis 1260, in Homs bis 1262 und in Hama sogar bis 1341. Daneben gab es auch noch ayyubidische Herrscher in Hasankeyf (Hisn Keyfa) am Tigris, die dort bis in das 15. Jahrhundert ansässig blieben.
Damaskus hatte sich unter dem Mamlukenstatthalter Tanibaq al-Hasani, der 1399 hingerichtet wurde, unabhängig gemacht. Im Damaszener Komplex der Tanibiya, der aus Moschee und Mausoleum besteht, hat sich ein Bauwerk dieses Herrschers erhalten. Es handelt sich um das Grabmal, das er für sich und seine Frau hatte errichten lassen. Es stellt einen Höhepunkt der mamlukischen Architektur in Damaskus dar, das jedoch inmitten einer schweren, langanhaltenden Krise entstand.
Durch den Verlust der Kaufmannskolonien in den Kreuzfahrerstaaten, die die Mamluken Ende des 13. Jahrhunderts erobert hatten, aber auch durch den Seekrieg, den sich Genua und Venedig um den Zugang zum Schwarzen Meer zwischen 1291 und 1299 lieferten, zudem durch das Vorrücken der Osmanen gegen Konstantinopel ab 1303, vor allem aber ausgelöst durch das Ende der Pax mongolorum, des relativen Friedens in weiten Teilen Asiens - mit den enorm langen Handelswegen, die die Mongolen offengehalten hatten -, geriet der Fernhandel im Mittelmeerraum in eine Krise. China war nunmehr wieder unerreichbar. Nach Indien ließen darüber hinaus die Mamluken keinen Eigenhandel mehr zu, denn sie untersagten den Italienern die Durchreise. Die Transaktionskosten verdoppelten sich infolgedessen zwischen den 1290er und den 1360er Jahren. Zudem kam es ab 1347 immer wieder zu schweren Pestwellen, nachdem schon die erste Welle von 1347 bis 1350 verheerende Auswirkungen gehabt hatte. Ihr mag in Syrien mehr als ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer gefallen sein. Insgesamt kam es in Italien und Frankreich zu einer massiven Handelskontraktion, die Zolleinnahmen gingen drastisch zurück, zudem bekämpften sich die Wirtschaftsmetropolen, wie etwa Mailand und Venedig. Die unsicheren Verhältnisse während des Hundertjährigen Krieges, dann die Eroberungen Timurs, dem 1392 Tana am Schwarzen Meer in die Hände fiel, bedeuteten weitere schwere Schläge für den mittelmeerischen Fernhandel, vor allem den der Italiener. Die Handelskonvois Venedigs ins Schwarze Meer rissen von 1400 bis 1402 komplett ab, dann erneut 1405. Auch was sie in den übrigen Jahren an Bord luden, waren keine ostasiatischen Preziosen mehr, sondern nur noch Regionalprodukte, wie Wachs, Weizen, Fische und Salz, aber auch Früchte und Seide. Paradoxerweise nahm die Bedeutung der syrischen Häfen, über die der übrige Handel zunehmend lief, zunächst wieder zu. Venedig führte jährlich nunmehr zwei Konvois nach Beirut und Alexandria. Diese trugen im 15. Jahrhundert Waren für bis zu 200.000 Dukaten an Bord. So gelangten Gewürze, wie Pfeffer, Ingwer, Zimt und Muskatnüsse, aber auch Baumwolle in den Westen. Venedig erlangte im Pfeffer schließlich beinahe eine Monopolstellung. Doch seine Stellung blieb nicht ohne Konkurrenten, wobei weniger Genua in Syrien eine Rolle spielte, als vielmehr die Katalanen. Zwischen 1395 und 1401 fuhren jährlich acht Schiffe von Barcelona in die Levante, 1365 waren es nur vier gewesen. Doch der Niedergang des Handels der Katalanen setzte durch den Bürgerkrieg von 1462 bis 1472 ein. Auseinandersetzungen mit den Osmanen schwächten auch den venezianischen Handel. Auf dem Tiefpunkt fuhr 1482 keine einzige Galeere mehr nach Konstantinopel, wohingegen der Handel mit Flandern aufblühte.
Wirtschaftlich wurde die Situation für die späten Mamlukenherrscher schwierig, nachdem die Portugiesen Afrika umsegelt und unmittelbaren Zugriff auf die Gewürze und auf andere Waren Indiens und Südostasiens erlangt hatten. Qansu al-Ghawri (1501–16) versuchte vergebens, ihren Handel zu unterbinden. Dazu schloss er mit den Herrschern Südarabiens und Gujarats ein Bündnis und ließ im Roten Meer eine Flotte bauen. Dieser gelangen zwar einige Erfolge gegen die portugiesische Flotte, doch wurde sie 1509 von den Portugiesen unter Francisco de Almeida in der Seeschlacht von Diu mit Hilfe ihrer Artillerie vernichtend geschlagen. Die Mittelmeerflotte der Mamluken hatte schon 1507 eine Niederlage gegen Portugiesen und Johanniter erlitten. Mit dieser doppelten Niederlage war das Handelsmonopol der Mamluken über den Indienhandel gebrochen, auch wenn der über Ägypten laufende Handel bedeutend blieb.
Als sich der letzte Mamlukenherrscher mit Schah Ismail I. von Persien gegen die Osmanen verbündete, kam es 1516 zum Krieg. Die Mamluken hatten die Ausrüstung der Truppen mit Feuerwaffen unterlassen, und so wurden sie am 24. August 1516 in der Schlacht von Mardsch Dabiq nördlich von Aleppo durch den Einsatz osmanischer Artillerie vernichtend geschlagen. Zur Niederlage führte auch der Verrat der syrischen Mamluken. Al-Ghawri erlag während der Schlacht einem Schlaganfall; letzter Sultan der Mamluken wurde Tuman-Bay II. (1516–1517). Die Mamlukenemire, die al-Ghawri die Unterstützung verweigert hatten, befürworteten nun eine Fortsetzung des Krieges und lehnten Verhandlungen ab, obwohl der Osmane Selim I. Frieden gegen die Anerkennung seiner Oberhoheit angeboten hatte. Die osmanische Armee rückte nach der Besetzung Syriens im Januar 1517 in Ägypten ein und besiegte die Mamluken am 23. Januar in der Schlacht von Raydaniyya vor Kairo. Nach einer weiteren Niederlage bei Gizeh geriet Tuman Bay in osmanische Gefangenschaft. Er wurde am 14. April 1517 hingerichtet.
Zunächst gelang es den Osmanen das gesamte Mamlukenreich zu besetzen. Doch 1520/21 kam es zum Aufstand des Damaszener Statthalters Janbirdi al-Ghazali. Er war ursprünglich Nawab von Hama unter den Mamluken gewesen und hatte dem osmanischen Einmarsch erheblichen Widerstand geleistet, doch Sultan Selim war von seiner Loyalität so beeindruckt, dass er al-Ghazali für die osmanische Seite zu gewinnen suchte. Er setzte ihn in Damaskus ein. Die noch immer vermögende Provinz zahlte Selim jährlich einen Tribut von 230.000 Dinar. Al-Ghazali ließ die Umayyadenmoschee wiederherrichten.
Nach dem Tod Selims versuchte er, das Mamlukenreich wieder aufzurichten, und er nahm den Titel al-Malik al-Aschraf an. Nachdem er sich zum Sultan erklärt hatte, schlossen sich Tripolis, Hama und Homs dem Aufstand an. Doch nach fünfzehntägiger Belagerung scheiterte er vor den Mauern Aleppos. Im Februar 1521 unterlag seine Armee vor Damaskus und al-Ghazali wurde hingerichtet. Außerdem töteten die Osmanen 3.000 Damaszener und zerstörten Quartiere in der Stadt und Dörfer in der Umgebung; rund ein Drittel der älteren Bauwerke fiel in Damaskus diesem Racheakt zum Opfer. Außerdem wurde die Provinz in einen Südtteil mit der Hauptstadt Damaskus und einen Nordteil mit der Hauptstadt Aleppo aufgeteilt. 1533/34 besuchte Selims Nachfolger Süleyman I. dementsprechend nur Aleppo, das am Aufstand nicht beteiligt, sondern im Gegenteil ein Bollwerk der osmanischen Herrschaft geworden war.
Um 1660 wurden die beiden Provinzen erneut aufgeteilt. Zu Aleppo und Damaskus kamen Tripolis und Sidon. Die Bezeichnungen Suriya oder Bilad asch-Scham mieden die osmanischen Verwalter, denn sie standen für eine Einheit des Landes. Nur die abschätzige Bezeichnung „Arabistan“ kam in Gebrauch, um türkisch- und arabischsprachige Reichsgebiete gegeneinander abzugrenzen.
In den Städten, allen voran Damaskus, entstand eine enorm vermögende Oberschicht, die, besonders die legendäre Azem-Sippe, aufwändige Stadtpaläste errichten ließ. Dieser Reichtum basierte auf der Integration in das osmanische Riesenreich, die Syrien wieder zu einem bedeutenden Transitland machte. Besonders in Aleppo und Damaskus entstanden Warenlager und Karawansereien, ebenso wie entlang den Pilger- und Handelspfaden.
Hingegen blieben die Dörfer weit hinter dieser Entwicklung zurück. Sie litten nicht nur unter der Ausdehnung der syrischen Wüste, sondern vor allem unter den Großgrundbesitzern und deren Fehden, die sie untereinander führten. Die zunehmende Trockenheit förderte die Renomadisierung, ebenso wie die Ausdehnung der Schweifgebiete der Beduinen und Halbnomaden.
Die Osmanen sahen sich vor allem für die Erhaltung von Sicherheit, Gesetz und Ordnung im Sinne des Islams verantwortlich, also politisch-militärische Kontrolle, Grenzschutz, Schutz der Untertanen, Durchsetzung des islamischen Rechts (Scharia) und das Einziehen von Abgaben. Vor den Tanzimat-Reformen des 19. Jahrhunderts waren gezielte Eingriffe in Sozialstruktur und regionale Sitten und Gebräuche weder gewollt noch durchsetzbar.
Istanbul entsandte einen Richter (Kadi), der nur ein oder zwei Jahre amtierte. Während dieser meist der hanafitischen, im Osmanenreich dominierenden Rechtsschule angehörte, folgte der überwiegende Teil der Bevölkerung der schafiitischen. Ihnen und ihren Vertretern, die örtlichen Familien entstammten, oblagen neben Aufgaben der Rechtspflege auch Notariatsaufgaben, die von Kaufverträgen über Eheverträge bis zu Erbteilungen reichten. Zudem beaufsichtigten sie städtische Bauten, Preise, Maße und Gewichte, und sie führten die Aufsicht über die frommen Stiftungen. Der Kadi verfügte dabei über keine wirkliche Macht, die ihn zum Herausforderer militärischer Repräsentanten oder des Gouverneurs hätte machen können. Zudem verfügte er häufig nicht über ausreichende Kenntnisse des Arabischen und war, im Gegensatz zu den Rechtsgutachtern, den Muftis, nur kurze Zeit im Land. Sie hatten allerdings viel mehr Mühe, ihren Einfluss geltend zu machen, als etwa in Anatolien. Rang und Status hingen demzufolge weniger von einer Einbindung in die Rechtshierarchie ab, als von der Zugehörigkeit zu einer der einflussreichen Familien, dazu kamen womöglich Bildung und Wissen. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Stellung der Muftis stärker formalisiert. Die öffentlichen Aufgaben nahm in den Dörfern oftmals der Schreiber und Prediger (khatib) wahr.
Wie überall im Osmanenreich bestanden drei Formen der Besteuerung. Eine direkte Besteuerung wurde von meist dazu entsandten Steuereinziehern durchgeführt; die Präbende, die Einkünfte gegen militärische Dienste vorsah, die häufig erblich wurden, dazu kam die Steuerpacht. Ab etwa 1700 konnte letztere auf Lebenszeit erworben werden. Die Steuerpacht trat häufig in Verbindung mit hohen Ämtern auf und verlieh Möglichkeiten zum gesellschaftlichen Aufstieg. Das Timar-Präbenden-System verschwand im Reich nach 1800. Ab dem 17. Jahrhundert wurden Steuern, sieht man vom Zehnten ab, den die Bauern leisteten, in Münzgeld eingezogen, nicht mehr in Naturalien. Mit militärischer Eskorte trieb der Gouverneur die Abgaben während der jährlichen Rundreise ein, doch auch untere Instanzen trieben, oftmals illegal, Abgaben ein.
Die Osmanen förderten die heiligen Stätten und die dazugehörigen Pilgerzüge, sowie die Karawanenwege. Von zentraler Bedeutung war der Schutz des Pilgerpfads nach Mekka und Medina. Truppen wurden stationiert, Häfen und Befestigungen errichtet. Zuständig für die Schutzmaßnahmen war der in Damaskus residierende amir al-hajj, ab dem frühen 18. Jahrhundert der dortige Gouverneur. Auch die Handelskarawanen, die Syrien mit Ägypten und der Arabischen Halbinsel verbanden, bereicherten die Region.
Eine wichtige Rolle spielten fromme Stiftungen (Waqf), die einem vom Islam anerkannten Zweck dienten, etwa Moscheen, Schulen (Medresen), Sufi-Konventen (Tekken), Krankenhäusern oder der Armenspeisung, aber auch Mühlen, Wasserrädern, Bewässerungskanälen und Brunnen. Als Eigentümer des Stiftungsgutes wurde Gott gedacht, es war daher unveräußerliches Gut der toten Hand, dessen Erträge meist auf dem Land erwirtschaftet wurden, aber überwiegend in die Städte abflossen. Dabei bestand formal kein Eigentum an Land sondern individuelle und kollektive Besitz- und Nutzungsrechte. In weiten Teilen des Landes bestand dabei das Muscha'-System, eine Mischform gemeinschaftlichen und individuellen bzw. Familienbesitzes. Die jeweilige Landwirtschaftsfläche wurde nach gewohnheitsrechtlichen Regeln innerhalb der Dorfgemeinschaft periodisch zur Bewirtschaftung neu verteilt, wobei davon meist nur Weizenanbauflächen betroffen waren, nicht aber Obst- und Weingärten oder Olivenhaine. Das in Dorfnähe befindliche Weideland war Kollektiveigentum des Dorfes.
Als die Region Anfang des 16. Jahrhunderts an die Osmanen kam, lebten Drusen auch im Hügelland um Aleppo. Der Sultan erkannte Fakhr al-Din 1593 als Emir der Drusen mit regionaler Autorität an. Doch weder Schiiten noch Sunniten erkannten sie als Muslime an. 1585 erfolgte erstmals eine Strafexpedition des Sultans gegen die Drusen. Fakhr al-Din knüpfte Kontakte mit dem Herzogtum Toskana in Italien an, woraufhin der Sultan 1617 sein Land angriff.177 Nach der Flucht und seiner Rückkehr aus der Toskana178 konnte er sich erneut festsetzen und besiegte 1623 sogar den Gouverneur von Damaskus in der Schlacht von Majdel Anjar. Doch nach langen Kämpfen unterlag der Druse 1633 und wurde am 13. April 1635 hingerichtet. Unter seinem Neffen Ahmed Maan blieb die Region trotz der Niederlage recht selbstständig. 1697 löste die Familie Shihab die der Maan als Emire des Libanongebirges ab, obwohl ihr erster Herrscher Sunnit war.
Zwar gelang es einigen Führern der Mamluken, u.a. Ali Bey al-Kabir (1760 – 1772), die Kontrolle über Ägypten zu erringen, doch konnte durch die internen Machtkämpfe und die gelegentlichen osmanischen Interventionen keine stabile Herrschaft aufgebaut werden. Schließlich gelang es den miteinander verbündeten Mamluken-Emiren Murad Bey Muhammad und Ibrahim Bey 1790, die mit den Türken verbündeten Mamluken-Fraktion um Ismail Bey endgültig von der Macht zu verdrängen. Frankreich lieferte dies gleich zwei formale Anlässe zum Eingreifen: Zum einen war das Königreich Frankreich seit 1536 Verbündeter des osmanischen Sultans und konnte behaupten, dessen Autorität wiederherstellen zu wollen. Zum anderen konnte Paris seit der Französischen Revolution argumentieren, auch den Ägyptern die Freiheit vom Joch der feudalen Mamlukenherrschaft bringen zu wollen.
Unter britischem und russischem Druck erklärte das Osmanische Reich angesichts der Unternehmungen Napoleons Frankreich den Krieg. Das Direktorium in Paris rechnete inzwischen mit einer Niederlage Napoleons. Es wurde ihm überlassen, sich gegen Konstantinopel zu wenden, um eine Teilung des Osmanischen Reiches zu betreiben oder seine Stellungen in Ägypten zu behaupten.179 Im Februar 1799 führte Napoleon mit 14.000 Mann einen Feldzug nach Syrien zur Verteidigung seiner Eroberung Ägyptens gegen ein sich formierendes türkisches Heer. Die anfänglichen Erfolge endeten vor der Stadt Akkon, die Napoleon vom 19. März bis Mai 1799 vergeblich belagerte. Napoleon musste sich schließlich - auch wegen hoher Verluste in den Kämpfen, durch Seuchen und die Hitze - nach Ägypten zurückziehen, wo er am 25. Juli 1799 die Osmanen in der Schlacht von Abukir erneut schlug. Napoleon verließ seine Armee und übertrug das Oberkommando in Ägypten seinem General Jean-Baptiste Kléber. Die französischen Truppen mussten Ägypten schließlich verlassen. Verhandlungen führten 1802 zum Frieden von Amiens, doch die Vorherrschaft der Mamluken war durch die Niederlagen gegen die Franzosen schwer erschüttert. Dadurch wurde der Aufstieg von Muhammad Ali Pascha erst ermöglicht.
Im Gegensatz zu den „Talfürsten“ Rumeliens und Anatoliens, die im Osmanenreich beinahe autonom waren, entstammten die örtlichen Herren dem osmanischen Staatsapparat, nicht den lokal führenden Familien. Zu ihnen zählte etwa Ahmad Pascha al-Jazzar, der 1799 Akko gegen Napoleon verteidigte. Er übernahm das Monopol für den Handel mit Baumwolle und Weizen, wobei er sogar die französische Konkurrenz ausschaltete, die seit den 1720er Jahren in Jaffa mit Baumwolle handelte. Zugleich betrieb er eine Ansiedlungspolitik gegenüber den Beduinen, aber auch von Christen und Juden, und förderte Akko. Mit seinen Einnahmen sicherte er die Besoldung einer Armee aus Landfremden. Andererseits vertrieb seine rücksichtslose Steuereintreibung viele Bauern. Jazzars Machtbereich umfasste Galiläa, den syrischen Küstenstreifen und den südlichen Libanon; er reichte zeitweise bis Damaskus.180 Der Einmarsch der Armee Muhammad Alis, der sich seinerseits von Konstantinopel weitgehend unabhängig machte, beendete diese relative Autonomie der Region in Palästina 1831 mit der Zerstörung Akkos.
Das neu gebildete ägyptische Heer schlug 1811 bis 1818 die Wahhabiten in Arabien und eroberte 1820 bis 1823 den Sudan. Während des griechischen Aufstandes (1822–1827) war der osmanische Sultan gezwungen, die modernen Truppen seines Vasallen Muhammad Ali zu Hilfe zu rufen. Trotzdem musste Istanbul 1830 Griechenland in die Unabhängigkeit entlassen, nachdem eine britisch-französischen Flotte zu Gunsten der Aufständischen eingegriffen hatte.
Im November 1831 marschierte die ägyptische Armee unter Ibrahim Pascha, dem Sohn Muhammad Alis, in Palästina ein, Akko fiel im Mai 1832 nach sechsmonatiger Belagerung.181 Ibrahim Pascha, der die ägyptische Armee geführt hatte, rührte nicht an die formale Unterstellung unter Istanbul und führte dementsprechend die Abgaben weiterhin dorthin ab, Würdenträger wurden weiterhin dort ernannt. Die ägyptische Armee stieß nach Siegen bei Homs und Konya durch Anatolien Richtung Istanbul vor. Zwar musste sich Ibrahim Pascha wieder zurückziehen, doch konnte er Syrien und Kilikien behaupten.
1833 wurde erstmals eine Kopfsteuer für alle muslimischen Männer ab 15 Jahren eingeführt, was vielfach als herabwürdigende Gleichstellung mit Christen und Juden aufgefasst wurde, die seit der Islamisierung im 7. Jahrhundert eine entsprechende Abgabe zu leisten hatten, während Muslime davon ausgenommen waren. Die europäischen Konsuln glaubten an eine Modernisierung, zumal nun Renovierungen von Synagogen und Kirchen erleichtert wurden. Es kam zu einem Aufstand der Bauern, die 1834 kurzzeitig Jerusalem besetzten und die Juden um Tiberias ausplünderten. Muhammad Ali schlug den Aufstand an der Spitze seiner Armee persönlich nieder.
Die Ägypter integrierten städtische Notabeln, indem sie ihnen Posten in den neuen Stadträten verschafften. Auch wurde die ländliche Bevölkerung rekrutiert und entwaffnet. Die osmanischen Provinzen wurden zusammengeschlossen und von Damaskus aus verwaltet, zudem die diplomatischen und ökonomischen Beziehungen zu Europa systematisch ausgebaut. Zwar wurde in die Landwirtschaft investiert, doch verstärkte sich damit auch, wie in Ägypten, die Fronarbeit der Bauern. Heuschreckenplagen, schwere Erdbeben, wie 1837, und Choleraepidemien bedrohten das Vorhaben der Modernisierung, wie es Muhammad Ali plante.
1839 entschlossen sich Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich und Preußen, die ägyptische Armee aus Anatolien zu vertreiben, da ihnen ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Osmanenreichs zu unabsehbare Folgen haben konnte. Die britische Flotte blockierte die syrisch-palästinensische Küste, es kam zu lokalen Erhebungen und die osmanische Armee marschierte ein. Allerdings mussten die Osmanen Muhammad Ali 1841 als erblichen Vizekönig in Ägypten anerkennen.
Mitte des 19. Jahrhunderts führte die militärische Ausrüstung in Reaktion auf die russische Expansion Richtung Krim und den Krimkrieg dazu, dass die staatlichen Einheiten den Beduinen immer weiter überlegen waren. Sie verdrängten gewaltsam die Beduinen in die Wüstengebiete und siedelten in den wiedergewonnenen Ackerbautgebieten Tscherkessen an. Aus den Kamelbeduinen wurden nach und nach wieder Halbnomaden, letztere wurden wiederum angesiedelt und wieder zu Bauern. Hinter dieser Entwicklung stand jedoch nicht nur der überlegene osmanische Machtapparat, sondern vor allem ökonomische Interessen der Zentralregierung. Diese wiederum reagierte auf die Rohstoffbedürfnisse der sich rapide industrialisierenden Welt, allen voran Westeuropa und Nordamerika. Vor allem der Anbau von Getreide, Baumwolle und die Gewinnung von Wolle dienten der Belieferung eines sich verdichtenden Weltmarktes. Lokal veränderte dies radikal die Agrarstrukturen, die nunmehr auf die stadtsässigen Grundbesitzer und ihre Bedürfnisse ausgerichtet wurden, und zugleich der osmanischen Dynastie die Geldmittel lieferten, die sie brauchte, um im Wettbewerb um die Macht den Aufteilungswünschen der westeuropäischen Großmächte widerstehen zu können.
Eine der Folgen dieser massiven Veränderungen mit ihrem enormen sozialen Druck war der Bürgerkrieg im Libanongebirge. Er war der Höhepunkt einer ländlichen Revolte der christlichen Maroniten gegen die im 11. Jahrhundert aus dem Islam hervorgegangenen Drusen, genauer gesagt gegen die Landbesitzer unter ihnen. Der Bürgerkrieg kulminierte in einem Massaker in Damaskus, bei dem insgesamt 20.000 Christen ums Leben kamen, dazu eine unbekannte Zahl von Muslimen. 380 christliche Dörfer und 560 Kirchen wurden zerstört. Schließlich intervenierte eine internationale Truppe unter französischer Führung. General Beaufort d'Hautpoul führte die entsprechenden Kräfte. Er hatte schon für Ibrahim Pascha gearbeitet und an der Kampagne gegen die Araber 1834 teilgenommen. Das Korps bestand aus 6.000 Soldaten, von denen die meisten aus Châlons-sur-Marne kamen. Die Männer landeten am 16. August 1860 in Beirut.182 und blieben bis Juni 1861. Der Bürgerkrieg gilt als Auslöser für die Entwicklung des Libanons zur späteren Unabhängigkeit.
Die Kämpfe trafen vor allem die Zivilbevölkerung der Damaszener Kernstadt. Am 9. Juli 1860 griffen 20.000 bis 50.000 Männer vom Maidan und vom Salihya-Distrikt im Südwesten bzw. Nordwesten von Damaskus kommend das christliche Quartier an. Sie plünderten und töteten zwischen 5.000 und 12.000 der Bewohner.183 Zunächst wurden die Kirchen der Griechisch-Orthodoxen, der Griechisch-Katholischen und der Armenier niedergebrannt. Unter den Konsulaten war es das russische, das als erstes angegriffen wurde, dann folgte das französische, schließlich die Konsulate der Niederlande, Österreichs, Belgiens und der USA, dessen Konsul Abdu Costi fast zu Tode geprügelt wurde. Gesichert werden konnte sowohl das preußische als auch das britische Konsulat. Abdul Qadir al-Jazairi, der exilierte Algerier, schützte mit tausend Mann die Diplomaten und mehrere Tausend Christen in ihren Häusern.
Die osmanische Verwaltung basierte auf wenigen Sandschaks, in Syrien denen von Beirut und Damaskus. Lokale Herren, Emire und Scheichs, die Gemeinschaften oder Familien vorstanden, entrichteten die von ihren Bauern eingezogenen Steuern nach Konstantinopel. Die lokalen Herren bestimmten weitgehend über die Religionsangehörigkeit der Bewohner des „Kleinen Libanon“. Dieses System destabilisierte sich erst, als London die Drusen, Paris die Maroniten zu unterstützen begann.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die West-Ost-Verbindungen innerhalb des Landes zugunsten der Nord-Süd-Verbindung immer unbedeutender; letztere wurde vom überregionalen Karawanenhandel genutzt und verlief von Damaskus Richtung Kairo. Die Küstenstädte kommunizierten und handelten hingegen vielfach über das Mittelmeer miteinander. Zwischen den Dörfern existierten nur wenige Straßen, fast alle waren unbefestigt. Daher waren Pferdefuhrwerke und Kutschen ungebräuchlich. Sie kamen erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf. Eine schwach entwickelte Infrastruktur stärkte Tendenzen zur Autonomie, die von den Akteuren als hohes Gut betrachtet wurde. Dennoch waren die Gemeinden und Gruppen keineswegs isoliert. Familien-, Clan- und Stammesbindungen komplizierter Art bestanden, dazu Patronagebindungen. Hinzu kamen ökonomische Beziehungen, wie Handel und Gewerbe oder auch Kredit. Schließlich kamen religiöse Beziehungen hinzu, die sich etwa in Sufi-Bruderschaften manifestierten, in Festen und Versammlungen, in heiligen Orten oder Wallfahrten.
Im Osmanischen Reich lebten vielleicht 25 bis 32 Millionen Menschen, davon die Hälfte im europäischen, die andere Hälfte im afro-asiatischen Gebiet; allein Konstantinopel zählte 600.000 Einwohner. Damaskus zählte vielleicht 100.000 Einwohner. Dabei waren die Bevölkerungsverluste z. T. drastisch, wie etwa im Falle der Stadt Akko, die 1780 noch 20.000 Einwohner gezählt hatte, drei Jahrzehnte später nur noch zwischen 8.000 und 12.000.184
Mit den von Istanbul ausgehenden Reformen von 1839 und 1856 sollten zentrale Konzepte wie Sicherheit, Ordnung und Effizienz durchgesetzt werden. Mittel dazu waren u.a. Zensur, Kriegspflicht, direkte Steuern und die Einbindung der lokalen Eliten in das Staatswesen. Um die Mitte des Jahrhunderts traten liberale Gedanken zu diesem System der Stärkung des Staates hinzu. 1876 mündete dieser Prozess in eine Verfassung, eine Abgeordnetenversammlung wurde gewählt. Doch bereits zwei Jahre später wurde das Parlament suspendiert, die Verfassung außer Kraft gesetzt und der Sultan herrschte wieder autokratisch.
Dennoch wurden zahlreiche Reformen fortgesetzt, ab 1908 als Jungtürkische Revolution. Neben dem aufkommenden Nationalismus wirkte die zunehmende Integration in den Weltmarkt stark auf die Reformära ein. Zugespitzt gesagt wirkte Europa auf das Osmanenreich ein, dessen Zentrale ihrerseits Prozesse in den Provinzen in Gang setzte, um gegen die Großmächte nicht noch mehr ins Hintertreffen zu geraten. Dabei verdichteten sich die Handelsbeziehungen nach Europa zwischen 1825 und 1875 stark. Beirut wurde der bedeutendste Hafen der gesamten Levante. Das Land wurde an das osmanische Eisenbahnnetz angeschlossen und die Hedschas-Bahn von Damaskus nach Medina gebaut (1900–1909). Dass diese Bahn, die Pilger zu den heiligen Stätten bringen sollte, mit muslimischem Geld gebaut wurde, sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl in der gesamten islamischen Welt wecken.186 Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Malaria, die am weitesten verbreitete Krankheit, eingedämmt.
Voraussetzung für die Durchsetzung war eine moderne Armee, die nach und nach die alten Heeresformen ablösen sollte. Bereits 1826 waren die Janitscharen zerschlagen worden, nun sollten die regionalen Warlords, lokale Dynasten und Beduinen entmachtet werden. Allerdings war Muhammad Ali hierin zunächst sehr viel schneller und konnte daher die osmanische Armee mehrfach besiegen. Die Osmanen führten 1838 die Wehrpflicht für Muslime ein.
Zudem gelang die Reform der Verwaltung. So wurden zivile und militärische Zuständigkeiten getrennt, nichtmilitärische Eliten wurden in Beratungs- und Entscheidungsgremien eingebunden, die Staatsbürokratie insgesamt ausgeweitet. Darüber hinaus wurde ein weltliches Bildungssystem installiert, wenn auch die alten Formen, vor allem die Religionsgelehrten (Ulama) weiterhin vorherrschten.
Es entstanden Banken, dazu Großgrundbesitz, der den Anschluss an den Weltmarkt fand, denn nur dieser konnte die neuen Kulturen und Verfahren finanzieren. Rechtssicherheit war weitgehend durchgesetzt. Eine massenhafte Enteignung von Bauern konnte zwar nicht nachgewiesen werden, doch ermöglichte die Entstehung von freiem Grundbesitz den Kauf durch nicht in der Region lebende, meist abwesende Grundbesitzer. Zudem konnte nicht genutztes Land erworben werden, ebenso wie bisher gemeinschaftlich genutztes Weideland, auch wurde die Konkurrenz um Wasser verschärft. In die expandierende Landwirtschaft investierten vor allem Beiruter Bankiers, aber auch städtische und ländliche Notabeln. Der Beiruter Unternehmer Alfred Sursuq erwarb in den 1870er Jahren 200.000 ha Land in der Ebene von Marj Ibn Amir. 1882 investierte hier auch der Sultan in großflächigen Landbesitz, auf dem Pächter angesetzt wurden. Zahlreiche Bauern konnten einem Teufelskreis aus schwankenden Ernten und damit Einnahmen, die nicht immer die Steuerpflichten abdecken konnten, Verschuldung, Landverkauf und -flucht, schließlich Proletarisierung nicht entrinnen.187
Die Öffnung gegenüber europäischen Importgütern führte zum Zusammenbruch des lokalen Textilmanufakturwesens. Dadurch wanderte ein großer Teil der Arbeitsbevölkerung von Aleppo und Damaskus aufs Land ab. In der Provinz Hawran und den Gebieten östlich von Aleppo kam es zu einer Gegenbewegung selbstständiger Bauern, die sich dem Zugriff des Staates sowie der Notablen zu entziehen suchten. Mehrere Aufstände wurden von den osmanischen Behörden niedergeschlagen. Die Produktion der 15 % der Menschen, welche in Industrie und Handwerk tätig waren, verschob sich deshalb in Richtung Tabakanbau und Seidengewinnung. Die Expansion der Seidengewinnung erfolgte durch französische Firmen mit ausländischem Kapital. Produziert wurde für Abnehmer in Südfrankreich. 1883 erfolgte die Abtretung des Tabakmonopols an ein französisches Privatunternehmen, was innerhalb der Bevölkerung als Symbol der kolonialen Ausbeutung galt. Durch die von den europäischen Mächten geforderten Kapitulationen geriet der Außenhandel mehr und mehr zur Domäne christlicher Syrer, die durch die Abkommen mit den Europäern der osmanischen Jurisdiktion entzogen waren.188189
Das Gleichgewicht unter den europäischen Großmächten zu erhalten, hatte in der Politik der Kolonialmächte oberste Priorität. Dahinter traten die Aspekte einer antiarabischen oder antitürkischen Politik, die Nationalbewegungen der Levante bei Weitem zu hoch einschätzten, zurück. Dementsprechend lagen die Schwerpunkte zunächst in einer Freihandelsphase von 1838 bis 1878, dann dem Wettlauf um Afrika und schließlich der Zerschlagung des Osmanenreiches im ersten Weltkrieg. In Syrien schlug sich dies in Form von wirtschaftlicher und finanztechnischer Dominanz nieder, aber auch im diplomatischen Verkehr, der sich vor allem auf den Schutz nichtmuslimischer Gruppen fokussierte, und der Kapitulationen erzielte, die zugunsten nichtosmanischer Bürger erstellt wurden. Vor allem die Großmächte Russland, Frankreich und Großbritannien, aber auch Preußen und der Vatikan oder die USA mischten sich immer wieder ein. Erst während des Ersten Weltkriegs wurde Großbritannien zur vorherrschenden Macht. In mehreren Abkommen wurden Bestandteile des Osmanenreiches an Italien (Libyen), Großbritannien (Ägypten), Frankreich (Teile der späteren Türkei und des Libanon) und Russland (Thrakien, sogar Istanbul), schließlich auch die Juden (Balfour-Deklaration von 1917) verteilt. Um lokale Partner zu gewinnen, wurde ihnen Partizipation oder Unabhängigkeit versprochen. Praktisch jeder Kriegsteilnehmer spielte dabei ein doppeltes Spiel.
Großbritanniens Interesse am Nahen Osten wuchs mit der 1869 erfolgten Eröffnung des Sueskanals, durch den vor allem Ägypten für die europäischen Mächte so große strategische Bedeutung erlangte, dass es zu stärkeren Einmischungen kam. Partiell durch die verfehlte Finanzpolitik unter Ismail Pascha war das Land zudem bald gezwungen, seine Anteile am Sueskanal an Großbritannien zu verkaufen. Nach dem faktischen Staatsbankrott wurde eine internationale Finanzaufsicht unter britischer Leitung gebildet.
Ab 1907 trat mit dem iranischen Öl ein neuer Faktor hervor, denn nun sah London eine hohe Priorität in der Sicherung der Transportwege von dort nach Großbritannien. Als die britische Flotte 1912 auf Öl umgerüstet wurde, dessen Hauptmasse aus dem Iran kam, wurde dieser Faktor schlagartig zentral. Spätestens ab da wurde die deutsch-osmanische Kooperation zur Bedrohung, die sich etwa im Bau der Bagdadbahn manifestierte. Mit dem Beitritt in die Kriegsallianz von Deutschland und Österreich-Ungarn im August 1914 war Istanbul und damit auch Syrien Londons Kriegsgegner.
Nach der Kriegserklärung Großbritanniens an das Osmanische Reich im November 1914 wurde der ägyptische Khedive Abbas II. wegen Unterstützung der nationalistischen Bewegung gegen die britische Besatzung für abgesetzt erklärt. Bereits zu dieser Zeit sprach man in London von einer Zerteilung des Osmanenreiches, doch erst die Hussein-McMahon-Korrespondenz zwischen dem britischen Hochkommissar für Ägypten und dem Scherifen von Mekka, die offiziell erst 1939 veröffentlicht wurde, und die Balfour-Deklaration vom November 1917, wirkten sich massiv auf die lokalen Verhältnisse aus.
Zunächst rief Sultan Mehmed V. zum „Heiligen Krieg“ gegen die Alliierten auf. Unter dem Militärgouverneur Cemal Pascha, einem der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern, Assyrern und Aramäern, kam es zwar 1916 in Syrien zu einem arabischen Aufstand, doch wurde er kaum von arabischen Nationalisten unterstützt. Eine strenge Zensur überwachte die Zeitungen. Scharf ging Cemal sowohl gegen arabische Nationalisten als auch zionistische Siedlungen vor. 1915 und 1916 wurden Führer arabischer Geheimgesellschaften in Damaskus und Beirut verhaftet und von Militärtribunalen zum Tod verurteilt. Sein Plan einer Vertreibung der „ausländischen“ Juden wurde allerdings von der Regierung in Istanbul unterbunden, nachdem Deutschland und die USA interveniert hatten. Das Angebot von David Ben-Gurion und Jizchak Ben Zwi, ein jüdisches Freikorps zur Verteidigung der osmanischen Herrschaft in Palästina aufzustellen, beantwortete Cemal mit der Ausweisung der beiden Politiker.
Während des Völkermords an den Armeniern in den Jahren 1915/16 war in der Nähe von Deir ez-Zor der größte Vernichtungsort. Dort starben nach Schätzungen 150.000 bis 400.000 Menschen. Die türkischen Armenier, die die ersten Massaker überlebt hatten, wurden per Deportationsgesetz (Tehcir Kanunu) in zwei Richtungen getrieben – entweder nach Damaskus oder entlang des Euphrats nach Deir ez-Zor. Zunächst wurden 30.000 Armenier in verschiedene Lagern außerhalb von Deir ez-Zor verbracht. Da der Gouverneur Ali Suad Bey den Armeniern Schutz gewährte, wurde er durch Zeki Bey ersetzt, der für seine Grausamkeit und seine Barbarei bekannt war.190 Ali Suad Bey sorgte bis dahin mit seiner Polizeitruppe für Schutz vor arabischen Plünderern, ließ ein Krankenhaus einrichten, sogar ein neues Quartier für die Flüchtlinge. Zu seinen Ehren erhielt es den Namen Souadiè. Sein eigenes Haus bot er als Schutzraum für etwa 1000 Waisenkinder an. Um armenische Arbeiter zu beschäftigen, ließ er eine Holzbrücke über den Euphrat bauen. So waren sie für eine gewisse Zeit sicher vor der Deportation. Per Telegramm wurde er jedoch aufgefordert, die Armenier in die Wüste zu schicken. Ali Suad Bey telegraphierte zurück, er habe keine Transportmittel, und er ergänzte, dass er sich weder an einem Massaker beteiligen, noch dies gestatten werde. Im Juli 1916 wurde er seines Amtes enthoben und wohl in Konya hingerichtet.191 Die Armenier wurden ins Chabur-Gebiet getrieben, wo sie keine Überlebenschance hatten. Die Kinder starben „wie Hunde“ durch Hunger und Misshandlungen in den Straßen der Stadt.192
Noch weniger von der Weltöffentlichkeit wurde der Völkermord an den Assyrern beachtet, von denen nach britischen Angaben bis zu 863.000 im asiatischen Teil des Osmanenreiches lebten.193 Die Gesamtzahl der Assyrer wurde für das Stichjahr 1914 auf über eine halbe Million geschätzt. Doch möglicherweise war es schon durch die Massaker von 1894 und 1896, die vor allem die Armenier trafen, zu einem Rückgang ihrer Zahl gekommen, Massaker, die sich im kurdischen Gebiet in der heutigen Osttürkei bereits 1843 gegen die Assyrer gerichtet hatten. Dort waren etwa 10.000 Assyrer ermordet worden.194 Etwa 100.000 Assyrer wurden auf Initiative von Sultan Abdülhamid II. zum Übertritt zum Islam gezwungen. Heute leben in Syrien Assyrer in Aleppo und Damaskus, vor allem aber um al-Hasaka im Nordosten. Nachdem Shimun XXI., Katholikos-Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens ein Bündnis mit den Alliierten geschlossen hatte, um die Unabhängigkeit vom Osmanenreich zu erringen, musste er mit vielleicht 33.000 Assyrern195 aus dem Gebiet von Hakkari in Südostanatolien in das Gebiet um Urmia (im Nordwesten des Irans) fliehen. Nach dem Abzug der russischen Truppen und dem Fall Urmias flohen die Überlebenden 1918 in den Irak, viele auch nach Russland. Die eine andere Politik verfolgende Chaldäisch-katholische Kirche mit Abraham Shimonaya wurde von den Ereignissen zwar in Mitleidenschaft gezogen, konnte sich in ihren traditionellen Siedlungsgebieten jedoch weithin halten. Aus dem Irak flohen nach 1918 viele assyrische Familien nach Syrien, sie wurden aber von der dortigen Mandatsmacht Frankreich wieder zurückgeschickt. Die Zahl der Opfer unter aramäischen syrisch-orthodoxen Christen in Syrien wird für den Zeitraum von 1915 bis 1918 auf 90.000 geschätzt. Allein in Midyat wurden über 25.000 von ihnen ermordet.196 1938 zählte man im Chabur-Gebiet 8.838 assyrische Siedler, meist Flüchtlinge aus dem Irak,197 der 1932 unabhängig geworden war. Dessen Regierung untersagte den Assyrern die Abwanderung ins von Paris als Mandatsmacht dominierte Syrien, woraufhin es zu Kämpfen und schließlich 1933 zum Massaker von Semile kam. Der Völkerbund hatte den Assyrern das Recht auf einen eigenen Staat verweigert.
Husain b. Ali (1852/53-1931), der Scherif von Mekka und Medina, nahm bereits 1914 über seinen Sohn Abdallah Kontakt mit Kairo auf, um die Haltung des britischen Hochkommissars für den Fall eines Konflikts zwischen ihm und seinem Oberherrn in Istanbul zu eruieren. Zunächst reagierte London negativ, doch nach Kriegsausbruch eher ermutigend. Lord Kitchener, der ehemalige Generalkonsul von Ägypten, gab Instruktionen, in denen von einer „arabischen Nation“ und einem „arabischen Kalifat“ die Rede war. Von Kairo ging ein wohl unautorisiertes Schreiben nach Mekka, das zur Hussein-McMahon-Korrespondenz führte. Darin kam es gegenüber dem Führer des Königreichs Hedschas, Hussein ibn Ali, durch Sir Henry McMahon zu Aussagen, die von den Arabern als Zusage für ihre Unabhängigkeit gewertet wurden.
Diese wurden jedoch durch die nachfolgende Teilung der Region in von Großbritannien (Irak, Jordanien) und Frankreich (Syrien, Libanon) kontrollierte Gebiete gemäß dem geheimen Sykes-Picot-Abkommen vom Mai 1916 gebrochen - ganz zu schweigen von einem haschemitischen Königreich, das Mesopotamien, Syrien, Palästina und die Arabische Halbinsel umfassen sollte, wie es Hussein ibn Ali gefordert hatte. London sicherte im November 1917 darüber hinaus durch die Balfour-Deklaration zu, die Schaffung einer Heimstatt für Juden zu begünstigen. 1917/18 eroberten britische Truppen unter General Edmund Allenby Palästina. Nachdem Allenby durch Truppen aus dem Empire Verstärkung erhalten hatte, besiegte seine Truppe am 19. September 1918 die osmanische Armee, die durch einige deutsche Truppen (Asien-Korps) verstärkt worden war, bei Megiddo. Dabei wurden zwei osmanische Armeen vernichtet. Am 1. Oktober 1918 wurde Damaskus, am 25. Oktober Aleppo besetzt
Wachsende Kritik führte zu einer Stellungnahme des Kolonialministers Winston Churchill im Jahr 1922, dem Churchill White Paper, in dem die Balfour-Deklaration sowie die Sichtweise McMahons mit Blick auf Palästina bekräftigt wurden. Aus der Korrespondenz geht schließlich hervor, dass McMahon unter „Arabern“ Muslime verstand, während Hussein Menschen arabischer Sprache und ethnischer Herkunft sah. McMahon unterschied dementsprechend zwischen Regionen „not purely Arabic“ (nicht rein arabisch) westlich von Damaskus, Homs, Hama und Aleppo, die nach seiner Logik nicht zum Reich des Haschemiten gehören konnten.198
Mitte 1917 wehrte sich nur noch Sir Edwin Montagu, der einzige Jude im Kriegskabinett Londons, gegen die Ansiedlungspolitik, da er um die Integration der Juden in Europa fürchtete, wenn viele auswanderten. Auch der Board of Deputies of British Jews wandte sich dagegen. Die Balfour-Deklaration wurde dementsprechend nicht als offizielles Regierungspapier herausgegeben, sondern als Brief des britischen Außenministers Arthur Balfour an den Präsidenten der britischen Zionistenföderation Lionel Walter Rothschild. Der amerikanische Präsident Wilson, dem das Schreiben zugesandt worden war, hatte keinerlei Einwände vorgebracht. Die Deklaration wurde eine Woche später veröffentlicht. Anfang 1919 einigte sich Faisal mit dem Zionistenführer Chaim Weizmann auf die Gründung eines jüdischen Staates, allerdings unter der Voraussetzung der Unabhängigkeit Arabiens.
Im Sommer 1919 sprach sich die King-Crane-Kommission für die Nichteinmischung fremder Mächte in die arabische Entwicklung aus. Frankreich und Großbritannien ignorierten diese Abmachungen jedoch. Stattdessen erhielten sie vom Völkerbund das Mandat über den Nahen Osten.
Frankreich beschränkte sich zunächst auf die im Sykes-Picot-Abkommen zugesagte Levanteküste. Am 27. Oktober 1918 besetzte Paris den Sandjak Alexandrette. Am 10. Dezember 1919 kam es zur Bildung einer nationalen syrischen Regierung in Damaskus, das die Briten ihrerseits am 30. September 1918 besetzt hatten. Doch als der gewählte Allgemeine Syrische Kongress am 7. März 1920 Emir Faisal zum König von Syrien ausrief, besetzten französische Einheiten im Juli 1920 Damaskus und Aleppo. Am 24. Juli zogen die Truppen in Damaskus ein, am 25. Juli wurde eine neue Regierung ausgerufen. Als Kompensation bot London Faisal, dem die Briten unter Edmund Allenby gestattet hatten, am 5. Oktober 1919 eine konstitutionelle Regierung auszurufen, das Königreich Irak und seinem Bruder Abdallah das Emirat Transjordanien an. Beide blieben unter britischem Mandat.
Nationalistische Gesellschaften, wie al-Fatat bereiteten einen Nationalen Kongress vor, die erste offizielle Sitzung fand am 3. Juni 1919 statt. Dort wurde das Al-Fatat-Mitglied Haschim Chalid al-Atassi zum Präsidenten gewählt,199 der dieses Amt mehrfach ausfüllen sollte, nämlich von 1936–39, von 1949–51 und von 1954–55. Am 2. Juli 1919 wurden Resolutionen gefasst, die auf die völlige Unabhängigkeit Syriens hinausliefen. So sollte eine konstitutionelle Monarchie unter Faisal entstehen; die USA wurden um Unterstützung ersucht, alle französischen Ansprüche abgelehnt. Doch stattdessen einigten sich Paris und London auf den Abzug der britischen Truppen aus Syrien.
Faisal sah sich nun gezwungen, mit dem französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau noch im Januar 1920 auszuhandeln, dass Paris zwar ein unabhängiges Syrien akzeptiere, aber ausschließlich Frankreich dürfe für Berater, Administratoren und technische Unterstützung sorgen. Faisals Anhänger setzten ihn unter Druch und zwangen ihn, die Vereinbarung zu widerrufen. Am 8. März 1920 kam es zur Ausrufung eines Unabhängigen Königreichs Syrien. Es kam zu lokalen Unruhen, und erstmals kam es mit Tel Chai um Kämpfe um eine jüdische Siedlung. 12 km westlich von Damaskus kam es in der Schlacht von Maysalun zu einer schweren Niederlage syrischer Bewaffneter unter Führung des syrischen Kriegsministers Yusuf al-Azma, der dabei ums Leben kam.
Am 28. April 1920 beschlossen die Alliierten die Einrichtung eines französischen Mandats Groß-Syrien. Dieses Mandat wurde vom Völkerbund am 24. Juli 1922 bestätigt und zum 29. September 1923 in Kraft gesetzt. 1923 trennte London das Kunstgebilde Transjordanien zudem von Palästina ab. Zugleich entstand am 31. August 1920 das Autonome Gebiet der ‘Alawiten, das aus dem ehemaligen Sandjak Latakiye (al-Lâdhikîya), dem Norden des Sandjaks Trablus-ı Scham (Tripoli) und einem Teil des Kaza Masyâf des Sandjaks Hama bestand. Auf dieser Grundlage wurde am 12. Juli 1922 der État des Alaouites gegründet, der bis 1936 Bestand hatte. Am 20. Oktober 1921 einigte man sich im Vertrag von Ankara auf eine Grenzziehung entlang der Bagdadbahn. 1922 bis 1924 wurde eine Fédération des États de Syrie versucht, die aus dem État d’Alep (Aleppo) einschließlich Alexandrette, dem État de Damas (Damaskus) dem État des Alaouites und dem État des Drouzes (Djébel druze) bestehen sollte, doch diese Föderation bestand nur auf dem Papier. Während am 1. Januar 1925 der État Indépendant des Alaouites gegründet wurde, entstand der syrische Einheitsstaat aus den Gebieten von Damaskus und Aleppo. 1925 bis 1926 kam es zu einem Aufstand der Drusen. 1936 war Paris bereit, Syrien in die Unabhängigkeit zu entlassen, doch mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs fürchteten die Alliierten, das strategisch wichtige Gebiet zu verlieren.
Nazideutschland suchte auch in Syrien und Palästina nach Verbündeten. Dabei bestand in Syrien eine gewisse Faszination für das Naziregime, wenn auch die Rolle Deutschlands bei den Armenierverfolgungen bereits im Frühjahr 1918 in der syrischen Presse verurteilt wurde, und weite Kreise erkannten, dass die deutsche Politik ihre eigenen Interessen verfolgte, nicht die der Araber – ganz davon abgesehen, dass viele Syrer im Kampf gegen Deutschlands Verbündeten im Ersten Weltkrieg, die Osmanen, gestanden hatten.200 1941 empfing Adolf Hitler in Berlin den von den Briten eingesetzten Mufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini, der seinerseits einen Verbündeten gegen die britische Kolonial- und die jüdische Siedlungspolitik suchte. Dazu nahm er auch Kontakt mit dem „Judenreferat“ auf, das die „Endlösung der Judenfrage“ vorbereitete.201 In der Forschung wurde dabei die Vielfalt der politischen Haltungen gegenüber den Vorgängen in Deutschland lange unterschätzt. Einerseits hielt man die Haltung der Araber für nicht ideologisch, sondern für strategisch bedingt, denn Berlin konnte zum Verbündeten gegen die Mandatsmächte werden. Andererseits bestanden Anknüpfungspunkte an nationalistische und autoritär denkende Gruppen, verstärkt durch den früh erkennbaren Angriff auf die Juden in Mitteleuropa. Zudem gab es bis vor wenigen Jahren zwar Studien zu irakischen und palästinischen Repräsentanten, jedoch nicht über syrische und libanesische, so dass deren Denken und Handeln weitgehend unbekannt blieb.
Dass die syrische Öffentlichkeit die Vorgänge der Jahre um 1933, als die NSDAP in Deutschland die Macht übernahm, zur Kenntnis nahm, hing damit zusammen, dass das gleichfalls faschistische Regime Italiens seit einem Jahrzehnt versuchte, im Nahen Osten Einfluss zu nehmen. So entstand in Beirut bereits 1923 ein faschistisches Zentrum. Kommunistische Journalisten nahmen die Ablösung Friedrich Eberts durch Paul von Hindenburg im Jahr 1925 durchaus als Hinwendung zu militaristischen und nationalistischen Gruppierungen wahr. Andere Gruppen hofften auf eine Revision der Nachkriegsordnung; dementsprechend aufmerksam verfolgten sie die Politik der faschistischen Parteien, und dementsprechend klar wurde die Umwälzung durch die Machtübernahme im Januar 1933 erkannt. Nachdem 1932 die libanesische Verfassung durch Hochkommissar Henri Ponsot aufgehoben und Hitler 1933 die Macht übernommen und gleichfalls die Verfassung aufgehoben hatte, wurden diese Ereignisse als Parallelen gesehen. Die arabische Öffentlichkeit, bereits über die Frage der Monarchie und der Republik gespalten, knüpfte einerseits falsche Hoffnungen an die Umwälzungen in Europa, andererseits bereiteten sich einige Gruppen auf einen ideologischen Abwehrkampf gegen den Faschismus vor.
Die Mandatsmacht Frankreich reagierte auf die Reformforderungen der in ihren Augen vorrangig ethnisch und religiös motivierten Positionen des dünn besiedelten Syrien auf der Grundlage eigener Projektionen. Diese wiederum verstärkten die Differenzen, die sich über die letzten Jahrzehnte erst richtig entfaltet hatten. Dabei wurden aus sozialen Konflikten allzu voreilig religiöse, die sich wiederum mit der Sprachzugehörigkeit und der Eigenwahrnehmung als ethnisch distinkt verbanden. Diese mündeten in das Bemühen des Hochkommissars, die identifizierten Gruppen politisch zu trennen - ein Unverständnis gegenüber den Antriebskräften in der kolonialen Bevölkerung, das nicht nur Frankreichs Kolonialpolitik auszeichnet. Hinzu kamen Ideen vom wechselseitigen Ausspielen der Gruppen im Lande, um als neutrale Instanz die eigene Herrschaft zu stabilisieren. Daher wurde aus dem Alawitengebiet am 14. Mai 1930 das Gouvernement de Lattaquié (Latakia); sechs Jahre später kamen sowohl dieses, als auch das Drusengebiet zu Syrien. Doch die einmal etablierten separatistischen Bewegungen kamen damit nicht zur Ruhe. So agierte von 1937 bis 1939 eine separatistische Bewegung im Djabal ad-Durûz, 1937 verlangten Kurden in der Djazîra und 1939 die ‘Alawiten ihre Unabhängigkeit. Am 1. Juli 1939 erhielten Alawiten, Drusen und die Kurden der Djazîra (Sandjak Zôr) ihre Unabhängigkeit.
Anders im Nordwesten, wo Frankreich am 29. Juli 1939 den einstigen osmanischen Sandschak Alexandrette (heute die Provinz Hatay) an die Türkei abtrat, nachdem dieser bereits am 2. September 1938 als Republik Hatay von Syrien abgetrennt worden war. In Paris hoffte man so, die türkische Regierung im Weltkrieg auf neutralem Kurs halten zu können, für Syrien ging auch dieses Gebiet dauerhaft verloren.
Nach der Kapitulation Frankreichs 1940, und der Besetzung des größeren Teiles des Landes durch deutsche Truppen, blieb die Mandatsverwaltung gegenüber dem Vichy-Regime loyal. Hitler glaubte nicht, dass man Syrien halten könne, zudem erschien ihm das Gebiet zunächst nachrangig. Die Vichy-Regierung ernannte Henri Dentz im Dezember 1940 zum Hochkommissar für Syrien und den Libanon. Auf Weisung von François Darlan, der sich zusammen mit General Maxime Weygand am 14. Mai 1941 mit Hitler getroffen hatte, erlaubte Dentz der Wehrmacht die Nutzung syrischer Flugplätze und schickte auf Veranlassung des deutschen Emissärs Rudolf Rahn auch Waffen in den Irak für den Kampf gegen Großbritannien. Nach dem Sieg der Briten im Irak zogen diese gegen die französischen Truppen.
Am 8. Juni 1941 sah sich Dentz mit seinen 45.000 Soldaten der Offensive unter Maitland Wilson – insgesamt 20.000 Mann – von Palästina aus gegenüber. Dentz forderte zu spät die Unterstützung der deutschen Luftwaffe an, die Unterstützung der Einheiten durch französische Zerstörer wurde durch die Briten unterbunden.
Als freifranzösische Truppen einziehen wollten, wurden sie jedoch von den Vichy-Truppen beschossen, die Syrien nicht kampflos preisgeben wollten. Erst am 8. Juni 1941 begann der gemeinsame Einmarsch britischer und freifranzösischer Truppen. Damaskus fiel ohne großen Widerstand am 21. Juni, am 23. Juni erschien Charles de Gaulle in der Stadt.202 Anfang Juli waren die Vichy-Einheiten vollständig besiegt, am 14. Juli kam es zu einem Waffenstillstan, zu dessen Unterzeichnung die Freifranzosen allerdings nicht eingeladen wurden. Dies steigerte das Misstrauen zwischen Winston Churchill und Charles de Gaulle weiter.
1.866 französische Soldaten kamen bei den Gefechten ums Leben, darunter 1.066 Soldaten der Vichy-Regierung und 800 Freifranzosen unter General Georges Catroux. Mit den Waffenstillstandsbedingungen vom 14. Juli 1941 in St. Jean d’Åcre wurde den Vichy-Streitkräften der Abzug ohne Ausrüstung gestattet. Dentz kehrte mit 33.000 Soldaten, davon 1.400 Verwundete, nach Frankreich zurück. Er erhielt Straffreiheit zugesagt.
Am 27. September 1941 erklärte General Georges Catroux Syrien und den Libanon für unabhängig. Die französische Herrschaft blieb jedoch de facto bestehen, die Autonomie der genannten Gebiete wurde am 20. Juni 1942 beendet. Am 17. August 1943 wurde der erste Staatspräsident gewählt, die Republik am 1. Januar 1944 anerkannt. General Henri Dentz, als führender Vertreter Vichy-Frankreichs in Syrien, wurde zum Tode verurteilt, doch de Gaulle wandelte das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe um. Dentz starb am 13. Dezember 1945 an den Haftbedingungen.203
Frankreich unter Charles de Gaulle war keineswegs gewillt, sein Kolonialreich aufzugeben. Obwohl Syrien also anerkannt war und bereits am 12. April 1945 UNO-Mitglied wurde, kam es ab Mai 1945 zu einer Verstärkung der französischen Einheiten, nämlich einer Marineeinheit im Libanon und einer Luftwaffeneinheit in Syrien. Infolgedessen kam es zu heftigen Zusammenstößen. Am 8. Mai 1945, als das Kriegsende gefeiert wurde, kam es zu weiteren Kämpfen. Am 19. Mai kam es in Damaskus zu abermaligen Ausschreitungen, in Aleppo kamen am nächsten Tag im Verlauf von Gewalttätigkeiten mehrere französische Soldaten ums Leben, woraufhin die Truppen, vor allem Senegalesen, in die Menge feuerten. Der überwiegende Teil der syrischen Soldaten desertierte nun, oder schloss sich gleich dem Unabhängigkeitskampf an. Am 29. Mai 1945 stürmten französische Einheiten das Parlament, doch der Präsident Schukri al-Quwatli und sein Stellvertreter Sa'd Allah al-Dschabiri waren geflohen. Schließlich wurde Damaskus von der Stromversorgung abgeschnitten und aus der Luft bombardiert, woraufhin Großbritannien intervenierte. Der amerikanische Präsident Harry Truman war über das Verhalten Frankreichs so erbost, dass er meinte: „those French ought to be taken out and castrated“.204 Am 14. April 1946 zogen die letzten französischen Truppen ab.
Am 17. April 1946 wurde die Unabhängigkeit ausgerufen. Im selben Jahr wurde auch Transjordanien unabhängig, 1948 folgte Israel. Am 29. November 1947 hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Zweidrittelmehrheit für den UN-Teilungsplan für Palästina gestimmt, der das Gebiet in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufteilte, wobei der Großraum Jerusalem als Corpus separatum unter internationale Kontrolle gestellt werden sollte. Am 14. Mai 1948 zogen sich die letzten britischen Streitkräfte aus Palästina zurück und David Ben Gurion verlas die israelische Unabhängigkeitserklärung.
Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien dem gemeinsamen Gegner Israel den Krieg. Im Verlauf dieses Krieges konnten ägyptische Truppen zwar in Israel eindringen, doch mussten sie sich trotz Militär- und Finanzhilfen aus Saudi-Arabien und aus anderen arabischen Staaten 1949 wieder zurückziehen. Die israelische Armee konnte die Gegner nicht nur zurückschlagen sondern auch einige der Gebiete erobern, die laut Teilungsplan den Arabern oder Jerusalem zugehörten. Nach 15 Monaten dominierte Israel ein um die Hälfte angewachsenes Staatsgebiet, einschließlich Westjerusalem. Unter der Federführung der Vereinten Nationen wurden 1949 auf Rhodos vier Waffenstillstandserklärungen zwischen Israel und auf der anderen Seite Ägypten, Jordanien, dem Libanon und Syrien unterzeichnet, mit der Grünen Linie als Grenze zwischen den Staaten.
Am 11. April 1949 setzte der Chef des Generalstabs Husni az-Za'im in einem unblutigen Putsch den Präsidenten Schukri al-Quwatli ab. Der Inhaftierte wurde nach Ägypten ins Exil geschickt. Der Staatsstreich war mit der stillschweigenden Zustimmung durch die Botschaft der USA durchgeführt und womöglich durch die Syrische Soziale Nationalistische Partei unterstützt worden. Doch wurde Husni az-Za'im seinerseits gestürzt und am 14. August 1949 hingerichtet.
Die folgenden Regierungen versuchten den ökonomischen Aufschwung durch eine protektionistische Politik gegenüber dem eng verflochtenen Libanon zu unterstützen. Durch die Überführung der syrisch-libanesischen Notenbank in syrische Gesetzgebung im Jahr 1949 und die Bildung einer eigenen Notenbank im Jahr 1956 konnte die Regierung die Souveränität über ihre Währung herstellen. Durch Investitionen in die Industrie, allen voran in die von der Landwirtschaft abhängige Lebensmittel- und Textilindustrie, kam es zu einem Wachstum der Arbeiterschaft. 1946 setzten die Gewerkschaften das Verbot der Kinderarbeit, den Acht-Stunden-Tag sowie bezahlten Urlaub durch. Auf dem Land verschärften sich jedoch die sozialen Konflikte zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Pachtbauern.205
Der Aufstieg des Panarabisten Gamal Abdel Nasser in Ägypten nährte auch in Syrien Hoffnungen auf die Schaffung eines übergreifenden arabischen Staates. Im Vorfeld der Sueskrise bildeten beide Länder ein gemeinsames Oberkommando; nach schweren Spannungen zwischen der Baath-Partei und der Kommunistischen Partei Syriens wurde aus Furcht vor einer kommunistischen Machtübernahme eine Delegation nach Ägypten entsandt, wo die Vereinigung der beiden Staaten beschlossen wurde. Am 1. Februar 1958 wurde der Zusammenschluss Ägyptens und Syriens zur Vereinigten Arabischen Republik bekanntgegeben.
Die Sueskrise von 1956 war eine in einen militärischen Konflikt mündende Krise zwischen Ägypten auf der einen und Großbritannien, Frankreich und Israel auf der anderen Seite. Anlass war die Verstaatlichung der mehrheitlich britisch-französischen Sueskanal-Gesellschaft durch Nasser. Auf Druck der Großmächte USA und Sowjetunion mussten sich die Intervenienten jedoch wieder zurückziehen. Auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson, der den israelischen Ministerpräsident in die USA einlud, begann Washington zwar, Israel Waffen zu verkaufen, doch blieb bis zum Sechstagekrieg im Jahr 1967 Frankreich Israels bedeutendster Waffenlieferant.
1958 entstand die Vereinigte Arabische Republik Ägyptens und Syriens, die jedoch nur bis 1961 bestand, sowie der Zusammenschluss dieser Vereinigten Arabischen Republik mit Nordjemen zu den Vereinigten Arabischen Staaten. Ein Putsch syrischer Offiziere im September 1961 bedeutete das Ende der Vereinigten Arabischen Republik. Nach einem weiteren Putsch im März 1963 erlangte die Baath-Partei zum ersten Mal die Macht im weiterhin zerstrittenen Syrien.
Staatsoberhaupt wurde General Amin al-Hafiz. Eine Vereinigung Syriens mit Ägypten und dem Irak zur Vereinigten Arabischen Republik von 1963 scheiterte an aufkommenden Differenzen zwischen dem irakischen und dem syrischen Flügel der Baʿth-Partei. Am 8. Oktober 1963 vereinbarte Syrien mit dem Irak eine engere militärische Zusammenarbeit, die aber am 28. April 1964 wieder aufgekündigt wurde. Nassers Panarabismus war damit gescheitert.
Am 17. April 1964 kam es im Norden des Landes zu Unruhen, an der sich militärische Einheiten beteiligten. 21 Aufständische wurden von der Regierung wegen des „Verrats an der sozialen Revolution“ am 2. Mai zum Tode, andere zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Am 26. April 1964 erhielt Syrien eine neue Verfassung mit dem Islam als Staatsreligion. Zum 1. Januar 1965 wurde Syrien Mitglied im Arabischen Gemeinsamen Markt und setzte seine Verstaatlichungspolitik fort. 1965 brach Syrien die diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Anerkennung Israels ab. Um Unruhen einzudämmen wurde zeitweise das Kriegsrecht ausgerufen.
Der Sechstagekrieg (5.–10. Juni 1967) folgte unmittelbar auf die Sperrung der Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt, den von Gamal Abdel Nasser erzwungenen Abzug der UNEF-Truppen vom Sinai und einem ägyptischen Aufmarsch von 1000 Panzern und fast 100.000 Soldaten an den Grenzen Israels. Der Krieg begann am 5. Juni mit einem Angriff der israelischen Luftwaffe auf ägyptische Luftwaffenbasen, der einem befürchteten Angriff der arabischen Staaten zuvorkommen sollte. Jordanien, das am 30. Mai 1967 einen Verteidigungsvertrag mit Ägypten geschlossen hatte, griff daraufhin Westjerusalem und Netanja an. Am Ende des Krieges kontrollierte Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem.
Der Jom-Kippur-Krieg (6. bis 24. Oktober 1973) begann mit einem überraschenden Angriff Ägyptens und Syriens am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Damit sollten die sechs Jahre zuvor im Zuge des Sechstagekrieges verlorenen Gebiete zurückerobert werden. Während der ersten beiden Tage rückten die Streitkräfte Ägyptens und Syriens vor, doch nach der zweiten Kriegswoche waren die Syrer von den Golanhöhen abgedrängt. Im Sinai hatten die israelischen Streitkräfte den Sueskanal überschritten und eine ägyptische Armee abgeschnitten, bevor der UN-Waffenstillstand am 24. Oktober 1973 in Kraft trat.
Am 26. März 1979 wurde in Washington ein Frieden mit Ägypten geschlossen, was zum Abzug der israelischen Truppen führte. Präsident Sadats Ägypten wurde daraufhin in der islamischen Welt isoliert und es wurde aus der Arabischen Liga ausgeschlossen. 1982 ließ Begin die Armee in den Libanon einmarschieren. Dort begann die Operation „Frieden für Galiläa“, die sechs Monate dauerte. Das Waffenstillstandsabkommen sah eine Pufferzone im Süden Libanons vor.206 Schließlich kam es zu einem israelisch-libanesischen Abkommen, das einen vollständigen Rückzug der Truppen vorsah. Derweil war es in den Palästinensergebieten zu starken sozialen Spannungen gekommen. Im Zuge eines Aufstandes, der ersten Intifada („abschütteln“), kam es zur Gründung der Hamas.
Ähnlich stark wie in Israel, wo die Einwohnerzahl seit 1948 von 800.000 auf rund 8,5 bis 9 Millionen Einwohner angewachsen ist, ist die Bevölkerung Syriens im Lauf des 20. Jahrhunderts stark gewachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg betrug die Bevölkerungszahl nur etwas über 1,5 Millionen. Die Volkszählung 1938 ergab in den neun Provinzen (einschließlich Latakia und Dschebel ad-Duruz) bereits 2.487.027 Einwohner.207 1970 war die Bevölkerungszahl auf 6.299.000 angewachsen. Diese Zahl enthält nicht die 340.000 Beduinen und die etwa 240.000 palästinensischen Flüchtlinge.208 2010 zählte Syrien über 21 Millionen Einwohner, eine Zahl, die seither auf 18,2 Millionen eingebrochen ist. Die anhaltenden Konflikte zerstören bis heute zunehmend die kulturelle, ethnische und religiöse Vielfalt der gesamten Region, wie insgesamt des Mittelmeerraumes. Während Israel 1948 wenig mehr als 800.000 Einwohner hatte, verzehnfachtte sich seine Bevölkerung bis 2013. Dabei stieg der Anteil der Juden von 80 auf fast 90 %.
1943 kam ein Zensus auf eine jüdische Bevölkerung von 11.000 Personen in Damaskus, 17.000 in Aleppo und 1500 bis 2000 in Kamischli an der türkischen Grenze. Doch war zu dieser Zeit die Gemeinde in Aleppo stark verarmt, ein Zustand, der auf die Eröffnung des Sues-Kanals zurückging, der vielen Familien die wirtschaftliche Grundlage nahm. 1942 brauchten 40 bis 65 % die Hilfe der jüdischen Gemeinde. Anders sah es in Damaskus aus, wo die meisten Juden als Silber- oder Goldschmiede, als Weber, Gerber oder Holzarbeiter arbeiteten, nur wenige im Handel tätig waren. Der Aufstand der Drusen von 1925 hingegen zerstörte bei vielen das wirtschaftliche Fundament, so dass nun auch diese sowieso nicht sehr vermögende Gemeinde mit ihren 6.635 Angehörigen verarmte - nur 2275 hatten ein regelmäßiges Einkommen. Kamischli war von den Franzosen gegründet worden, um dort Beduinenangriffen zuvorkommen zu können. Dorthin waren 1928 viele Juden vor der türkischen Armee geflohen, vor allem aus Nezivin. 200 Familien waren dort Kleinhändler in Schuhen, Tuchen, Wolle, Nahrungsmitteln, weitere 50 Familien waren Bauern. Schon mit der Deklaration von 1917 gingen viele vermögende Familien nach Palästina, wie etwa die Akiva, Doar, Lalo, Mugrabi oder Romano. Zwischen 1932 und 1936 gingen 2.868 syrische Juden gleichfalls nach Palästina. Da ab 1939 die Zuwanderung von den britischen Behörden untersagt wurde, gingen viele illegal über die nicht zu überwachenden Grenzen.
Schon mit dem UN-Beschluss zur Teilung Palästinas wurde die Stimmung, die schon zuvor zunehmend feindselig geworden war, überaus angespannt, und im Dezember 1947 kam es zu einem Judenpogrom in Aleppo. Zwar wurde niemand getötet, doch Synagogen gingen in Flammen auf, ebenso wie Thora-Rollen. Am 22. Dezember wurde den Juden untersagt, ihr Eigentum zu verkaufen. Mit dem Putsch von 1949 unter General Husni Za'im verbesserte sich die Situation. Sie durften sich wieder im Land bewegen, erhielten ihren Führerschein zurück, und sie erhielten Schutz vor Gewaltausbrüchen. Doch eine Woche vor dem Sturz des Generals kam es am 5. August 1949 sowohl in Aleppo als auch in Damaskus wieder zu Angriffen auf Juden. In Damaskus wurden 13 von ihnen ermordet, davon acht Kinder. Nun flohen erneut viele Juden nach Israel, 1950 dachte man in der Regierung darüber nach, das jüdische Eigentum als Kompensation für die durch Israel verursachten Verluste zu konfiszieren. 1953 und 1954 spitzte sich die Situation so zu, dass viele nicht mehr wagten, ihr Haus zu verlassen. Zu dieser Zeit lebten nur noch 2.500 bis 3.000 Juden in Damaskus, 1.000 bis 1.500 in Aleppo, die Gemeinde von Kamischli war in voller Auflösung. Rabbi Avraham Hamara (Ibrahim Hamra) war der letzte Rabbi der Damaszener Gemeinde. Er verließ Syrien 1994 und ging nach Israel. Insgesamt wurden dem syrischen Regime über 3.228 Juden, nach anderen Angaben mehr als 3.500, von der National Task Force for Syrian Jewry des Canadian Jewish Congress abgekauft. Federführend war hierbei im Geheimen Judy Feld Carr, die ihre Tätigkeit 1973 aufnahm, um sie erst 2002 abzuschießen. 2000/01 erhielt sie dafür den höchsten kanadischen Orden, den Order of Canada.208k
Der Versuch, nationalstaatliche Ideen in Syrien zu implementieren, steht seit jeher in Konflikt mit einem Panarabismus, der zumeist sehr viel stärker religiös unterfüttert ist. Diese Verbindung gefährdete zunehmend die Toleranz gegenüber der Tatsache, dass Syrien ein Vielvölker- und -religionenstaat ist.
Al-Hafiz wurde am 23. Februar 1966 durch einen Militärputsch der Generäle Salah Dschadid und Hafiz al-Assad gestürzt. Neuer Präsident wurde Nureddin Mustafa al-Atassi. Ab Juli 1966 erfolgten Massenverhaftungen wegen eines Putschversuches. Am 7. Januar 1967 wurden im Zusammenhang mit dem Septemberputsch wegen „bewaffneter Verschwörung“ durch ein Militärgericht 17 Offiziere, davon sieben zum Tode verurteilt. Am 2. März 1967 setzte die Regierung gegen ein internationales Konsortium unter britischer Beteiligung durch, dass Syrien für den Öltransport über sein Gebiet und die Verladung im Hafen von Tripoli höhere Gebühren erhielt.
Die Niederlage im Sechs-Tage-Krieg (Juni 1967) und der Verlust des Golans veränderten erneut die strategische Ausrichtung. Am 17. September 1967 forderte al-Atassi Ägypten und den Irak auf, sich mit Syrien zu einem „Einheitsstaat der sozialistischen Araber“ zusammenzuschließen, doch der Plan scheiterte am rechts-baathistischen Putsch im Irak. Am 6. März 1968 erfolgt die Grundsteinlegung zum Bau der Tabqa-Talsperre mit sowjetischer finanzieller und technischer Hilfe. Im Juli 1968 meldet die syrische Presse die Zerschlagung einer Verschwörergruppe, die mit westlichen Geheimdiensten kooperiert hätten.
Am 29. Oktober 1968 bildete al-Atassi eine neue Regierung, in der er selbst das Amt des Regierungschefs übernahm und den bisherigen Amtsinhaber Jusuf Suajen (Zuaiyin) entließ. Suajen wurde eine zu enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion vorgeworfen und eine Vernachlässigung der Unterstützung für die Palästina-Kämpfer. Im Dezember 1968 stellte Al-Atassi das Land weitestgehend auf Kriegswirtschaft um.
Am 29. Mai 1969 folgte wieder eine neue Regierungsumbildung unter Führung von Al-Atassi, in dem erstmals neben der dominierenden Baath-Partei wieder Mitglieder der Sozialistischen Unionisten (Nasser-Anhänger) vertreten waren. Während eines Besuchs des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR Otto Winzer (3.–6. Juni 1968) wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und eine engere Zusammenarbeit zwischen der Baath-Partei und der SED vereinbart.
Die dominierende Figur für die drei Jahrzehnte ab 1970 wurde Hafiz al-Assad.209 In diesem Jahr kam es über die Haltung Syriens gegenüber dem Schwarzen September in Jordanien zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Atassi, Dschadid und Assad. Nach einem als „Korrekturbewegung“ bezeichneten Putsch wurde Atassi am 18. November 1970 als Präsident bzw. am 21. November als Premierminister von zum rechten Flügel der Baath-Partei gerechneten Militärs um Hafiz al-Assad abgelöst. Atassi wurde ohne Gerichtsprozess eingekerkert. Seine Anhänger spalteten sich unter Makhous’ Führung als „Arabische Sozialistische Demokratische Baath-Partei“ ab.
Seit geraumer Zeit brachen sich weitere, sehr viel ältere Konflikte Bahn, wie etwa der zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen weltlichen und religiösen Kräften. Dabei spielten die Alawiten (auch „Nusairier“ genannt) eine zentrale Rolle, denn Assad gehörte ihr an. Die Alawiten sind eine religiöse Minderheit, deren Gemeinschaft seit dem 19. Jahrhundert im weiteren Sinne der Partei Alis (Schiat Ali) und damit allgemein den Schiiten zugeordnet wird. Den orthodoxen Sunniten gelten die Alawiten gar als Häretiker. In Syrien stellten Alawiten 12 bis 13 % der Bevölkerung.210211 Alawiten, die an den Aufständen gegen das Regime Assads teilnehmen, sind innerhalb ihrer Gemeinschaft isoliert.212 Bis 2016 kamen etwa 70.000 der 2 Millionen syrischen Alawiten ums Leben.213
Innerhalb der Alawiten bestehen, wie überall in der Region, langlebige Klientelsysteme. In diesem Zusammenhang ist Qardaha wichtig, ein überwiegend von Alawiten des Matawira-Stammes bewohntes Dorf in Nordsyrien, in dem Hafiz al-Assad geboren wurde. Die Matawira sind einer von insgesamt vier Alawitenstämmen. Bislang hat die Baath-Regierung ihre Stabilität besonders mithilfe des Qardaha-Klientels gesichert.214
Hafiz al-Assad stützte seine Macht auf Militär, Geheimdienst und die besagte Klientel. Doch geriet Syrien in Gegnerschaft zu den meisten Staaten der Region und wurde international isoliert. Unter Assads Regierung kam 1976 der Libanon, dessen Abspaltung durch Frankreich in Syrien nie akzeptiert wurde, unter syrischen Einfluss. 1982 wurde der Aufstand der Muslimbrüder mit dem Massaker von Hama niedergeschlagen, was die Sunniten in die Defensive zwang. 1983 putschte Rifaat al-Assads Miliz (die Verteidigungsbrigaden) und Teile der Armee, doch den folgenden Bürgerkrieg gewann Rifaats Bruder Hafiz, der „Löwe von Damaskus“.
Während des Jom-Kippur-Kriegs konnte Syrien 1973 keines seiner militärischen Ziele durchsetzen. Durch die Stellung als Frontstaat gegen Israel, der im Gegensatz zu Ägypten zu keiner Annäherung bereit war, erhielt das Land Hilfszahlungen der ölreichen Staaten am Persischen Golf. Das baathistische Regime Assads verwendete die Geldmittel nicht nur für die militärische Aufrüstung, sondern auch für den Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens und die Diversifizierung der Wirtschaft. Dabei gewährte Assad der Privatwirtschaft mehr Raum als seine Vorgänger, auch wertete er deren Rolle gegenüber der staatlichen Wirtschaft auf. Teilweise machte Assad Landreformen rückgängig, was die traditionellen Großgrundbesitzer stärkte. Durch die ökonomische Liberalisierung kam es zum Anwachsen des städtischen Bürgertums, das eng mit den staatlichen Organen verwoben war.215
Ein staatlich inszenierter Personenkult glorifizierte Assad als Vorkämpfer der von ihm als Ziele der arabischen Völker vorgegebenen Ideologien Sozialismus und Nationalismus. Propaganda, Massenmedien und staatliche Geschichtsschreibung versuchten Assad noch zu Lebzeiten als mythische Figur analog zu Saladin zu stilisieren.216 Gewerkschaften und Berufsverbände wurden ausgebaut und dienten dem Einparteienstaat zugleich als Mittel der Kontrolle und Überwachung. Ebenso expandierten unter Assad die Geheimdienste. Neben den regulären Streitkräften baute er eine parallele Sicherheitsarchitektur mit Elitetruppen auf, die nicht unter Kontrolle staatlicher Institutionen standen, sondern durch politische Loyalisten und Angehörige der Alawiten mit familiären Verbindungen zum Assad-Klan geführt wurden.217
Im ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran (1980–1988) unterstützte Assad den Iran, im zweiten von 1990 bis 1991 beteiligte er sich an der anti-irakischen Koalition. In den 1990er Jahren näherte sich Assad dem „Westen“ und den konservativen Regimen Arabiens an. Friedensgespräche mit Israel scheiterten jedoch.
Syrien konnte durch Investitionen, die sich aus Wirtschaftshilfen der Sowjetunion, Unterstützung anderer arabischer Staaten, Transfergebühren für irakisches Öl und auch Gewinnen aus der geringen eigenen Ölförderung zusammensetzten, die Ökonomie so weit stützen, dass Wirtschaftswachstum und ausreichend Arbeitsplätze entstanden. Mit dem Wegbrechen der ausländischen Unterstützung und dem Verfall des Ölpreises in den 1980er-Jahren übertraf das rapide Bevölkerungswachstum bei Weitem das der nunmehr stagnierenden Wirtschaft.218 Weiter wurde die Krise durch das hohe Militärbudget der Regierung zugespitzt, durch hohe Arbeitslosenzahlen und Inflation. Es folgte eine Halbierung des Militärhaushalts von 1985 bis 1995. 1987 wurde auch die zusätzliche Unterstützung für besonders kinderreiche Familien gestoppt.219
Die hohe Auslandsverschuldung bei der Sowjetunion bzw. deren Nachfolger Russland und verschiedenen westlichen Industrienationen, dazu ein erneut sinkender Ölpreis in der Mitte der 90er-Jahre hemmten das Wirtschaftswachstum. Mittels Liberalisierung der Wirtschaft sollte das staatliche Engagement weiter verringert und der Privatsektor gefördert werden, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung in bezahlte Beschäftigung zu bringen, die nicht von Bezuschussung durch die knappen Staatsmittel abhängig sein würde.220 Solche Reformen waren zwar schon früh von der Führung avisiert und das Ziel eines stärkeren privaten Sektors 1985 von der alleinregierenden Baath-Partei formuliert worden, aber das zentralisierte Verwaltungssystem, in dem immerhin fast jeder dritte Syrer, der bezahlter Arbeit nachging, beschäftigt war, war nicht in der Lage, solche Initiativen umzusetzen.221
Baschar al-Assad kam an die Macht, nachdem sein Vater Hafiz am 10. Juni 2000 gestorben war. Der Augenarzt Baschar al-Assad trat damit an die Stelle seines Vaters, eines Luftwaffenoffiziers, was in der Zivilgesellschaft für kurze Zeit Hoffnungen auf eine Liberalisierung weckte (Damaszener Frühling). Hafiz' großangelegte Unterdrückung jeder Opposition hatte schon Mitte der 1980er Jahre etwas nachgelassen. Seit der Bombardierung von Hama im Jahr 1982 waren die islamistischen Gruppen besiegt. Erstmals bei den Wahlen von 1990 wurde ein Drittel der Sitze im Parlament unabhängigen Kandidaten überlassen, die allerdings allesamt aus den vermögenden Kreisen stammten. Die übrigen zwei Drittel wurden weiterhin von der Progressiven Nationalen Front beansprucht. Der Baath-Partei, die ja Teil dieses Parteienbündnisses war, kamen etwa 50 % der Sitze zu.222 Wie machtlos dieses Parlament gegenüber dem Präsidenten war, zeigte sich bei Hafiz' Tod. Da sein Sohn und designierter Nachfolger Baschar erst 34 Jahre alt war, wurde das Mindestalter für das Präsdidentenamt flugs von 40 auf 34 Jahre gesenkt.
2011 griff die arabische Protestbewegung, der Arabische Frühlung, auch auf Syrien über. Als Ausgangspunkt des Bürgerkriegs gilt die Gewaltanwendung gegen Demonstranten, die gegen die Verhaftung von Kindern in der südwestsyrischen Stadt Darʿā im März 2011 protestierten. Bei Protesten in den folgenden drei Tagen kam es zu weiteren Toten, darunter auch Polizisten.223 Ab April setzte die Regierung die Armee gegen die Demonstranten ein. Mehrere hundert Personen wurden in den ersten Monaten der Protestwelle im Umfeld von Demonstrationen getötet; der überwiegende Teil fiel nach Einschätzung von Menschenrechtlern Aktionen der Geheimdienste zum Opfer.224
Im Mai 2011 verhängte die Europäische Kommission, ebenso wie die arabische Liga, gegen Assad, seine Ehefrau Asma al-Assad und weitere Angehörige ihrer Familie wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Zivilisten wirtschaftliche Sanktionen.225 Der UN-Sicherheitsrat verurteilte seinerseits in einer Erklärung vom 3. August Menschenrechtsverletzungen und den Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten.226
Im Juli 2011 gaben Riad al-Asaad und andere ehemalige Offiziere der Armee die Gründung der Freien Syrischen Armee bekannt,227 die sich vor allem aus desertierten Soldaten zusammensetzte. Es kam zu zahlreichen Angriffen auf staatliche Sicherheitskräfte, die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete zudem von Entführungen, Folter und gezielten Tötungen.228 Mitte 2012 hatte die Armee mit etwa 60.000 desertierten Soldaten bereits ein Fünftel ihrer Angehörigen eingebüßt.229 Die FSA scheiterte jedoch damit, in den Gebieten, aus denen sie die Regierungstruppen vertrieben hatte, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Bevölkerung zu versorgen. Dieses Vakuum wurde zunehmend von sunnitisch geprägten Hilfsorganisationen gefüllt, die über ausreichend Geldmittel aus der Golfregion verfügten. Mit Fortschreiten des Konfliktes bewaffneten sich Vertreter dieser Organisationen, nahmen am Kampfgeschehen teil und trugen, gestützt durch die Zuführung von religiös motivierten Freiwilligen und Veteranen aus verschiedenen Konfliktregionen der Welt, sowie Waffen aus dem Ausland, bald die Hauptlast der Kämpfe.230 So waren es islamistische Kämpfer, die im Frühjahr 2013 den Handstreich auf die Provinzhauptstadt Raqqa durchführten.
Bis Januar 2014 starben nach UN-Berichten über 100.000 Menschen in den eigentlichen Kämpfen.231 Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte die Namen von insgesamt 65.116 Personen, zum größten Teil Zivilisten, die zwischen März 2011 und August 2015 „verschwunden“ waren. Im März 2015 erhielt Human Rights Watch insgesamt 53.275 Fotos eines geflohenen Fotografen der im Auftrag der Militärpolizei Fotos von im Gewahrsam der Regierung umgekommenen Personen, aber auch von zahlreichen getöteten Angehörigen der Streitkräfte, angefertigt hatte. 28.707 Fotografien ließen sich insgesamt 6.786 Personen zuordnen, die von den Sicherheitsbehörden verhaftet und während ihrer Haft gestorben oder ermordet worden waren.232 Im Juni 2014 gewann Assad nach offiziellen Angaben mit 88,7 % der Stimmen in seinem verbliebenen Machtbereich die Präsidentenwahl.233
Nachdem die Niederlage der Regierung Assad von Beobachtern bereits voreilig für unabwendbar gehalten worden war, stabilisierte sich das System mit fortschreitendem Kriegsverlauf, vor allem mit russischer Unterstützung. Es gelang seinen Truppen im Dezember 2016, gestützt auf eine große Zahl iranischer Miliztruppen, die russische Luftwaffe und Kommandoeinheiten, mit Ost-Aleppo die bedeutendste Rebellenbasis zu erobern.
Das Vorgehen der islamistischen Gruppierungen, die vielerorts brutal ihre Vorstellungen einer religiösen Gesetzgebung durchsetzten, Stätten anderer Religionen schändeten, als Teil ihres Kampfes gegen Regierungstruppen vielfach Selbstmordattentäter benutzen, Kindersoldaten einsetzten, gegen Journalisten und Angehörige von Hilfsorganisationen vorgingen und Welterbestätten sprengten, stärkte mittelbar die Position der Regierung Assad in den Augen der Weltöffentlichkeit und verhinderte, dass sich eine breite Basis ausländischer Unterstützung für die Opposition formieren konnte.
Ab Anfang 2013 begann sich die Regierung infolgedessen wieder zu stabilisieren. Eine weitere Lageänderung trat dann im Mai 2013 ein, als Milizen der schiitischen Hisbollah in großer Zahl die libanesische Grenze überquerten und sich mit den Regierungstruppen zusammenschlossen. Beobachter schätzten, dass dieses Engagement auf direkte Weisung des Irans erfolgte, der so seinen Einfluss in Syrien gegen die Aktivitäten aus den Golfstaaten Saudi-Arabien und Katar verteidigen wollte. Ein amerikanischer Militärschlag gegen Ziele in Syrien wurde nur durch das Eingreifen Russlands abgewendet, das die Regierung in Damaskus überzeugte, ihr C-Waffen-Arsenal unter internationaler Aufsicht zerstören zu lassen.
Mitte bis Ende 2013 kam es vermehrt zu Kämpfen zwischen islamistischen Rebellen und Kurden, die sich im Konflikt zwar in begrenztem Umfang gegen die Regierung gestellt hatten, sich aber weitgehend neutral verhielten, soweit ihre Siedlungsgebiete im Norden nicht betroffen waren. Der Versuch von al-Qaida-nahen Rebellengruppen, die besetzten Gebiete in Syrien mit Gebieten im Irak zu verbinden, in denen sich Gleichgesinnte gegen die schiitisch geprägte Regierung des Iraks erhoben hatten, verschärfte den Konflikt weiter. Kämpfe zwischen den, der al-Qaida zugerechneten, ISIL-Kämpfern auf der einen und einem Bündnis aus anderen, stark religiös geprägten, sunnitischen Gruppen, als deren Hauptunterstützer Saudi-Arabien gilt, und Resten der FSA auf der anderen Seite, dominierten den Jahreswechsel 2013 auf 2014. Im Mai 2014 kam es zu mehreren Vereinbarungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen, die unter anderem zur kampflosen Räumung der Stadt Homs durch Rebellentruppen führten.234
Mit dem Auftreten des Islamischen Staates Mitte 2014 kam es zu Kämpfen zwischen den Kurden und der islamistischen Miliz. Durch das brutale Vorgehen der Islamisten kam es zur Massenflucht.235 Um eine strategisch wichtige Stadt an der türkischen Grenze kam es zum Schlacht um Kobanê. Daraufhin sah sich der Westen, vor allem die USA, gezwungen, zu intervenieren, und die Islamisten aus der Luft zu bekämpfen.236 Ende Januar 2015 wurden die Milizen des IS nach vier Monaten aus Kobane vertrieben.237 Regierungstruppen zogen sich Anfang 2015 vor allem aus dem Süden, an der Grenze Jordaniens, und dem Nordwesten, aus der Region um Idlib, zurück.238 Ende Mai startete der IS eine Offensive auf Palmyra und nahm die Stadt ein. Dort kam es, ähnlich wie an anderen Grabungsstätten, zu massiven Zerstörungen. Zu diesem Zeitpunkt kontrollierte der IS erstmals mehr als die Hälfte des syrischen Territoriums.239
Mitte August 2015 begann Russland mit dem Aufbau einer eigenen Militärbasis in Latakia.240 Im September begannen russische Kampfflugzeuge, neben dem IS, auch andere Oppositionsgruppen aus der Luft anzugreifen. Kurz darauf riefen 41 Gruppen der Opposition in einer Veröffentlichung zum Kampf gegen Russland und den Iran auf. Die Al-Nusra-Front gehörte nicht zu den Unterzeichnern.
Der IS zog sich Anfang September aus dem Grenzgebiet zur Türkei zurück und ein Bündnis verschiedener Gruppierungen besetzte unter Federführung der Türkei die Gebiete. Regierungstruppen und regimetreuen Kräften gelang es von Mitte November bis Ende Dezember 2016, die eingeschlossenen Ortsteile von Aleppo einzunehmen und die Rebellen zum Abzug in die Idlib-Region zu zwingen. Dort kam es 2017 zu fraktionsinternen Kämpfen zwischen islamistischen Rebellengruppen,241 wobei sich bis Spätsommer 2017 die Haiʾat Tahrir asch-Scham gegen andere Aufständische durchsetzte.242 Dieses „Komitee zur Befreiung der Levante“ gilt als Nachfolger der al-Nusra-Front, gesteuert durch al-Qaida.
Im Sommer 2017 entwickelte sich ein Wettrennen zwischen regierungstreuen Kräften und der von den USA geführten Koalition. Die Amerikaner stützten sich dabei auf die SDF, die aus dem Norden Richtung Raqqa und Kräften, die aus der Grenzregion zu Jordanien nach Norden vorrückten. Die Regierungstruppen erhielten ihrerseits Verstärkungen durch schiitische Milizen, die nach ihrer Beteiligung an der Schlacht um Mossul über die Grenze zogen.243 Bis Herbst 2017 wurde der IS aus den Gebieten am Euphrat vertrieben; am 17. Oktober 2017 wurde er aus seiner Hochburg Raqqa verjagt. Letzte Rückzugsgebiete des IS befanden sich zu dieser Zeit noch am Euphrat südöstlich von Deir ez-Zor.244
Neben diesem Konflikt bietet der Kampf der Kurden um einen eigenen Staat das Potential zur Ausweitung über den syrischen Raum hinaus. Am 20. Januar 2018 rückten türkische Bodentruppen und verbündete Milizen unter dem Schutz von Luftangriffen auf Afrin vor, um die dortige kurdische Regierung zu stürzen (‚Operation Olivenzweig‘).
Kein Land des Mittelmeerraumes hat die Zerstörung des kulturellen Erbes so hart getroffen, wie Syrien. Nicht nur, dass das historische Erbe von Hunderten von Generationen gezielt angegriffen wurde, sondern auch die zukünftigen Möglichkeiten, die diese Monumente hätten in einem in dieser Hinsicht so unglaublich reichen Land bieten können, werden nur noch zu geringen Teilen nutzbar sein, sei es für die Bildung, sei es für die Ökonomie, sei es für den Stolz auf die Leistungen der Vorfahren. Der wissenschaftlichen Erforschung wird hingegen eher durch aus der Not geborene Plünderungen geschadet, weniger durch die den IS massiv diskreditierenden Zerstörungen. Hauptsächlich aus dem Ausland angeworbene, vom Ausland finanzierte, junge und ungebildete Männer (und Kinder) wurden mit dieser Zerstörungsarbeit betraut. Die zukünftigen Prozesse für die Brandstifter, bis zum letzten Bulldozerfahrer, werden vorbereitet, doch können die Zerstörungen nur zu Teilen wieder geheilt werden. Noch werden sie durch das noch viel größere Leid eines so langen Bürgerkrieges überdeckt, dessen Brutalität und Enthemmung im Mittelmeerraum keine Parallelen kennt, sieht man vom Algerienkrieg (1954–62) ab, oder vom Spanischen Bürgerkrieg (1936–39).
Nach einer Studie der Weltbank wurden bis 2017 auf 80 % der Landesfläche, die bisher untersucht wurden, 32 % aller Häuser vom Krieg betroffen, davon sind 23 % beschädigt, 9 % sind völlig zerstört. Von den Gebäuden des Gesundheitssektors ist die Hälfte beschädigt und 16 % der Krankenhäuser usw. zerstört; Schulen und Universitäten sind zu 53 % beschädigt, jede zehnte ist zerstört. 30 % der Wassertürme- und -tanks, fast zwei Drittel der Wiederaufbereitungsanlagen und jeder siebente Brunnen ist beschädigt oder zerstört. Die Energiegewinnung fiel von 43.164 Gigawattstunden im Jahr 2010 auf 16.208 Gigawattstunden im Jahr 2015. Die Exporte fielen zwischen 2011 und 2015 um 92 %, das Bruttoinlandsprodukt stürzte um zwei Drittel ab. Dabei kursieren Gesamtkosten für den Wiederaufbau von 180 Milliarden Dollar. Nicht nur ist die Hälfte der Bevölkerung innerhalb von Syrien vertrieben worden oder gleich ins Ausland geflohen, eine halbe Generation junger Syrer ist zudem überhaupt nicht mehr richtig zur Schule gegangen.245 Von den Geflohenen kehrten zwischen Januar und Oktober 2017 bereits 715.000 nach Syrien zurück.
Zerstört wurde alles, was an eine andere als die sunnitische Vergangenheit erinnert, sei es Palmyra, die schiitische Uwais-al-Qaranī-Moschee mit dem Schrein des ersten Sufi Uwais al-Qaranī, das Kloster Mar Elian oder auch die Völkermord-Gedächtniskirche in Deir ez-Zor. Noch größeren Schaden hat vermutlich der internationale Kunsthandel mit seinen mafiösen Raubstrukturen angerichtet, wie etwa in Dura Europos oder Apameia am Euphrat.
Immerhin wurden die Museumsdepots rechtzeitig geleert, so dass 90 % der Artefakte als gesichert gelten – mit Ausnahme von Raqqa.246 Eine der schwierigsten Aufgaben oblag Maamoun Abdulkarim, seit 1994 Professor für Archäologie an der Universität Damaskus und seit August 2012 Generaldirektor der syrischen Antikenverwaltung DGAM (Direction Générale des Antiquités et des Musées), die nur dem Kulturminister untersteht. Er hat schon 2013 dazu aufgerufen, so die Unesco, dass die Bevölkerung zum Schutz der Kulturgüter und gegen die Raubgrabungen und den illegalen Kunsthandel zusammenstehe. Mehr als 300.000 Objekte und Archivalien konnten an einen sicheren Platz gebracht werden. Restaurierungsarbeiten hatten schon während des Krieges begonnen, so 2014 an der Burg Craq des Chevaliers oder 2015 in dem christlichen Bergdorf Maaloula.247
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